Gab es jemals "komplexen" Hiphop?

  • Gab es jemals "komplexen" Hiphop?

    Der Threadtitel will sich natürlich lediglich mit dem Pop/Rock-Threadtitel equivalieren ;) Hier geht es nicht ausschließlich um "komplexen" Hiphop, sondern generell um guten.

    Ich bin nicht allzugut über die Entstehung des Hiphop informiert; was ich grob weiß, ist, dass er bereits Ende der 70er meines Wissens in New York entstand. Das Ganze begann mit Scratching von sogenannten DJs (Diskjockeys) und begleitendem Rapping sogenannter MCs (Masters of Ceremony). Scratching bezeichnet das, ähm, manipulative Abspielen einer Schallplatte, manipuliert wird duch Handbewegungen auf die Schallplatte, die die Geschwindigkeit ändern, bestimmte Stellen immer wieder wiederholen etc. Rapping ist Sprechgesang (nicht jetzt im pierrotlunairastischen Sinn... aber ich gehe davon aus, dass ich Rapping nicht wirklich weiter erläutern muss ;+)).
    Bei den Platten, die ursprünglich gescratcht wurden, handelte es sich vor allem um Rockmusik - die "Breaks" (also bspw. die ein, zwei Überleitungstakte zwischen Vers und Refrain mit komplexen Schlagzeugeinwürfen) wurden als Hintergrundmusik für die MCs wiederholt. Den größten musikalischen Einfluss auf Hiphop hatte aber vor allem der Funk.

    Nun ja, jedenfalls steht Hiphop heutzutage für einige synonym für Mist, der sich selbst für Musik hält. Für erfrischende Gegenbeispiele dient dieser Thread :wink: Will gleich mal selbst ein paar nennen (textlich geht es übrigens nirgendwo um "bitches and hos", keine Sorge).


    Mein persönliches Lieblingshiphopalbum ist "3030" von Deltron. Deltron besteht aus dem MC Del Tha Funky Homosapien, dem Produzenten (im Hiphop bedeutet das, derjenige, der für sämtliche Musik zuständig ist, also ganz anders, als im Rock) Dan The Automator (bspw. auch verantwortlich für die Schlagzeugbeats auf dem Debutalbum der Gorillaz) und dem Scratcher Kid Koala (zu dem vielleicht später an anderer Stelle mehr - meines Erachtens ein wirkliches musikalisches Genie). Aussehen tut die Scheibe so:

    Hörschnipsel sind vorhanden.
    Wie im anderen Thread bereits erwähnt, sind mir Texte meist hinreichend egal - es gibt zwei, drei Ausnahmen, dazu gehören unter anderem die White Stripes und eben Deltron. Die Geschichte, die dieses Album erzählt, ist wirklich toll (und zwar in beiden Wortbedeutungen!) und spielt im Jahre 3030. Das Ganze klingt so unwahrscheinlich gar nicht (aber eigentlich doch :D) und malt ein fantastisches, unglaublich einfallsreiches postapokalyptisches Szenario, in dem der MC das Universum vor kultureller Ödnis zu bewahren (und ganz nebenbei die korrupte Regierung auszuschalten) sucht, die natürlichen Ressourcen so langsam aber sicher erschöpft sind und "not a president, we have a ruler" regiert ("you ought to be inside by nine o'clock or we will shoot ya!").
    Ganz toll ist aber eben auch die Musik, die wirklich unglaublich einfallsreich sämtliche Spektren des Hiphop abdeckt. Herausstechend der Titeltrack "3030", "Positive Contact" und vor allem "Love Story" (wovon das Amazon-Hörschnipsel leider nicht gerade zeugt).


    Dann das folgende Album, wo die Texte nun wirklich unwichtig sind (es geht vor allem um amerikanische Zeichentrickserien):

    Dangerdoom - The Mouse and the Mask. Dangerdoom wiederum bestehen aus Danger Mouse (Produzent des zweiten Gorillaz-Albums) und MF Doom. Schon allein die coole Art, wie MF Doom rappt macht dieses Album suchtgefährdend - wie er ständig den Bruchteil einer halben Millisekunde hinter dem Beat rappt und man Angst hat, gleich kommt er aus dem Takt, dann macht er irgendetwas ganz unergründbar Wunderbares um im Beat zu bleiben und man möchte applaudieren. :) Das beste an dem Album ist meines Erachtens das Schlagzeug, das auf 13 der 14 Tracks wirklich unglaublich funky und einfach gut klingt. Auf der einzigen Ausnahme ist dafür Cee-Lo als Gast enthalten, ein unglaublich toller Sänger der einem die kalten Schauer über den Rücken treibt. Anspieltipps: "El Chupa Nibre", "Benzie Box" und "Old Skool" (aus irgendeinem seltsamen Grund bei Amazon als "Old School Rules" beschrieben).


    Dann noch zwei tolle Hörtipps, erstmal ohne Kommentare:

    "White People" von Handsome Boy Modeling School, bestehend aus Dan The Automator und Prince Paul (Produzent von De La Soul).

    "Madvillainy" von Madvillain, ein sehr experimentelles Album, das vormalig kurze Stücke aufweist. Madvillain wiederum bestehen aus MF Doom und Madlib (normalerweise Hiphopproduzent im Alleingang).


    Dann noch ein Beispiel für kommerziell erfolgreichen guten Hiphop - ja, auch den gibt es!: nämlich mit Outkast (bestehend aus zwei Rappern, die ansonsten keine Referenzen aufweisen :P). Hier zwei Youtube-Links. Die Texte, nun ja... aber die Musiiik...^­^

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    Dann noch viel Spaß beim Hörschnipsel hören, hoffe, ich konnte zumindest ein oder zwei Leuten eine bessere Meinung über Hiphop verschaffen! Ihr seid natürlich gerne eingeladen, noch mehr tollen Hiphop zu posten! :)
    :wink: Philipp

  • Hallo Melione,

    Klasse, das hast Du schön ein- und angefangen. Ja, richtig gut gab es, nämlich den besagten Anfang in New York, New York, big city of dreams. Mein Bruder lässt leider die Originalscheibe von Grandmaster Flash in seinem Archiv vergammeln statt sie mir zu schenken. Komplexer HipHopPop? Da fällt mir als erstes Prince ein, der auch sehr funky ist.

    Gruß, Beryllo

    Gruß, Frank

    Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu.

  • Oh ja, Outkast mit Hey Ya. Das ist cool, hatte mein Sohn vor Jahren immer gespielt.
    Wenn das auch Hiphop ist, dann bin ich insoweit mit dabei :wink:

    Grüße
    Achim

  • Oh ja, Outkast mit Hey Ya. Das ist cool, hatte mein Sohn vor Jahren immer gespielt.
    Wenn das auch Hiphop ist, dann bin ich insoweit mit dabei :wink:

    Das ist eigentlich leider kein Hiphop :wink: Ich würde eher sagen, das geht in Richtung Soul. Kannst du nicht trotzdem dabeibleiben und den Hörschnipseln ein, zwei Chancen geben? ;+)

  • Hallo Melione,

    ich wußte es doch, die Melodie war einfach zu eingängig, schade.

    na, hören wir uns mal den Rest an.
    Mein Sohn kommt in 10 Tagen wieder nach Hause. Der ist bekennender Hiphop-Fan, mal sehen, was der mir vorspielt.

    Grüße
    Achim

  • got more soul/ than a sock with a hole

    [Blockierte Grafik: http://ecx.images-amazon.com/images/I/51mQwBaZwjL._SL500_AA300_.jpg]
    "Madvillainy" von Madvillain, ein sehr experimentelles Album, das vormalig kurze Stücke aufweist. Madvillain wiederum bestehen aus MF Doom und Madlib

    musikalisch und textlich ist madvillainy vielleicht das komplexeste hip hop album überhaupt.
    mf doom hat auf diesem album eine neue tiefe gefunden (vielleicht sogar: erfunden) die es im hip hop derart (soweit ich das in diesem bereich überblicken kann) vorher nicht gab

    z.b.: "looky here, it's just the way the cookie tear/ prepare to get hurt and mangled like kurt angle rookie year/ the rocket scientist, with a pocket wine list/ some even say he might need some puss-psychiatrist" oder: "got more soul/ than a sock with a hole/ set the stage with a goal/ to have the game locked in a cage/ getting shocked with a pole"

    und madlib´s musik wirkt quasi über-hypnotisch hypnotisierend, lässt kunst dort sein, wo nur wenige sie suchen.


  • "Madvillainy" von Madvillain, ein sehr experimentelles Album, das vormalig kurze Stücke aufweist. Madvillain wiederum bestehen aus MF Doom und Madlib (normalerweise Hiphopproduzent im Alleingang).

    Kannte ich noch gar nicht. Habe mir die Platte gerade mal bei Spotify angehört. Gefällt mir sehr gut!

    Ich bin ein großer Freund der Sample-Künste der Jedi Mind Tricks aus Philadelphia. Deren Independent Hiphop ist weit entfernt von der üblichen Massenware, sowohl textlich, als auch hinsichtlich der Produktion. Nicht ganz so experimentell wie das oben vorgestellte Madvillainy, aber in seiner wilden Sample-Mixtur ziemlich komplex.


    Visions of Gandhi, 2003


    Violent by Design, 2000
    (für schlappe 1.240,95 € bei amazon erhältlich... 8| )

    :wink:

    „Beim Minigolf lernte ich, wie man mit Anstand verliert.“ (Element of Crime)

  • musikalisch und textlich ist madvillainy vielleicht das komplexeste hip hop album überhaupt.

    Dieses Album ist mir in diversen Blogs bereits häufiger über den Weg gelaufen, die Kritiken fielen stets überragend aus. Mir persönlich hat es bisher leider weniger zugesagt.
    Umso mehr bin ich von einem ebenfalls als Hip-Hop-Überalbum gefeierten Album begeistert:

    DJ Shadow: Endtroducing (1996)

    Hip-Hop bildet das rhythmische Rückgrat dieses absolut wegweisenden, ausschließlich aus Samples bestehenden Albums. In den 16 Songs sind wohl hunderte Zitate, Collagefetzen etc. eingebaut. Mit der Konsequenz, dass der textliche Anteil eher gering ist. Josh Davis alias DJ Shadow holte mit diesem Werk den Hip-Hop sozusagen von der Straße in den Club und schliff diesen zu einem Diamanten.

    Leider ist das Album kommerziell wenig erfolgreich geblieben - dafür gab es ein Kritikerreigen, wie es wohl keinem Hip-Hop-Album bisher widerfahren ist:

    "http://de.wikipedia.org/wiki/Endtroducing....."

    Selbst der deutlich dem Dark Wave verpflichtete Kai-Uwe-Schütte singt in seiner Reclam-Basis-Diskothek Rock/Pop ein Lobeslied auf Endtroducing.
    "http://www.amazon.de/Basis-Diskothe…40619508&sr=1-1"

    Mit Songs wie "Changeling" oder "Midnight in a perfect World" habe ich schon den ein oder anderen begeistern können. Für mich ein wunderbares Nachtstück, eines meiner absoluten Lieblingsalben schlechthin.

    :wink:
    Wulf

    "Gar nichts erlebt. Auch schön." (Mozart, Tagebuch 13. Juli 1770)

  • Naja, ist nicht so richtig Hip Hop, sondern eher Breakdance-Musik aus den 80ern:

    Planet Patrol: Die haben leider nur ein Album rausgebracht (soweit wie ich weiss), das aber finde ich megag... .

    Ansonsten gibt es da auch einige tolle Sachen von Prince, die eindeutig in Richtung Hip Hop gehen. In seiner Schaffensperiode der 90 er gehen, da wird man fündig.

    ... Alle Menschen werden Brüder.
    ... We need 2 come 2gether, come 2gether as one.
    ... Imagine there is no heaven ... above us only sky

  • [Blockierte Grafik: http://ec2.images-amazon.com/images/P/B0000247JJ.03._SS300_SCLZZZZZZZ_.jpg]
    DJ Shadow: Endtroducing (1996)

    zu diesem album habe ich eine persönliche anekdote:
    vor ca. acht jahren habe ich von den haag bis brüssel eine anhalterin mitgenommen, und diese junge frau hat eine kassette in mein kassettendeck geschoben auf die sie sich dieses album überspielt hatte, die kassette durfte ich behalten, ich höre sie heute noch ab und zu und denke dann jedesmal an diese wunderschöne autofahrt mit dieser wunderschönen fremden.

  • Ich denke man sollte auch noch zwischen Hiphop und Rapmusik unterscheiden weil man das keinesfalls in einen Topf werfen sollte.
    Hiphop stellt ja lediglich die Musikrichtung dar während Rap sich nur der Sprechgesang an sich ist.
    Im amerikanischen Raum lässt sich viel guter Hiphop finden, sogar Eminem hat ein paar ansprechende Texte, das Problem ist wie immer
    der Werteverfall. Während die Musiker damals den Fokus auf sozialkritische Themen gelegt haben um sich in ihrer Not gehör zu verschaffen,
    ist der modene Hiphop nurnoch commerzialisierter Mist der auch seine rhetorischen Facetten verloren hat. Im eglischsprachigen Sektor finde
    ich Drowning Dog wirklich höhrendswert während ich im deutschsprachigen Raum Tua ganz gut finde und auch das album Neopunk von Prinz
    PI hat ein paar gute Stücke.
    Also sage ich: Ja es gab komplexen HipHop und es gibt ihn immernoch, man muss nur viel Geduld haben und sich ne menge Ramsch anhören =)

    "http://www.cdstarts.de/images/wallpaper/PrinzPi_Neo.jpg" [Link deaktiviert. Copyright! Näheres in den FAQ.
    :wink:
    Gurnemanz]

    „Unser Leid ist etwas Besonderes. Der Schmerz, den wir fühlen ist schlimmer als für jeden anderen, aber der Sonnenaufgang, den wir sehen, der ist für uns viel prächtiger und schöner als für alle anderen. Wir sind wie der Mond: Auf einer Seite ist es immer dunkel, unsichtbar - wiees sein muss. Aber denk daran, auch ein dunkler Mond macht trotzdem Ebbe und Flut..."

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