Klebe, Giselher (1925-2009), leidenschaftlicher Wunsch nach Klarheit

  • Klebe, Giselher (1925-2009), leidenschaftlicher Wunsch nach Klarheit

    Giselher Klebe wurde in Mannheim geboren und wuchs nach Stationen in München und Rostock ab 1936 in Berlin auf. 1938 wurde er Zeuge der Zerstörung der Synagoge in der Fasanenstraße, ein Erlebnis, welches ihn tief empörte und verstörte. 1940 begann er das Musikstudium in den Fächern Violine, Viola und Komposition. Einer seiner Lehrer stellte seinen Studenten heimlich als "entartet" verfemte Musik vor. Als Jugendlicher hat Klebe eine Zeitlang für Wagner geschwärmt, hat sich sogar einmal von einer Freundin abrupt getrennt, weil die seine Begeisterung für den "Siegfried" nicht recht teilen konnte. Kurz darauf lernte er die Geigerin Lore Schiller kennen, mit der er bis zur ihrem Tod im Jahre 2001 unglaubliche 60 Jahre lang eng verbunden zusammen lebte. 1943 wurde er zum Militärdienst eingezogen, geriet bei Kriegsende in russische Gefangenschaft, hatte aber das Glück, schon kurze Zeit später entlassen zu werden. Die Szene, in der eine imposante russische Militärärztin diese Entscheidung über sein Leben traf, hat er mir sehr eindringlich und dabei durchaus komisch beschrieben. Nach schweren gesundheitlichen Problemen setzte er sein Musikstudium 1950 zunächst bei Josef Rufer, dann bei Boris Blacher fort. Nebenher arbeitete er als "Bandprüfer" beim Berliner Rundunk, wo, wie er mir erzählte, seine Aufgabe darin bestand, alte Bänder darauf zu überprüfen, ob sie nicht versehentlich mit Resten der politischen Vergangenheit "verseucht" waren. Aus dieser Zeit resultierte seine schier unfassbare Literaturkenntnis: Mir ist nie jemand begegnet, der eine derart riesige Menge an Musikwerken verschiedenster Epochen, Besetzungen und Stile gekannt hat. Seine größte Liebe galt dabei Verdi und Haydn. An beiden bewunderte er die absolute Klarheit der musikalischen Sprache, an Verdi vor allem das Vertrauen in die Kraft der Melodie, die motivisch-thematische Prägnanz, an Haydn den unerschöpflichen formalen und ausdrucksmäßigen Einfallsreichtum.

    Ebenfalls 1950 wurde in Donaueschingen sein Orchesterstück "Die Zwitschermaschine, Metamorphosen über das Bild von Paul Klee" uraufgeführt, welches ihn mit einem Schlag berühmt machte. 1957 veröffentlichte er seine erste Oper "Die Räuber" nach Schiller, die von der Kritik als “stilistisch konsequenteste und originellste Opernpartitur seit Bergs 'Wozzeck' und Schönbergs 'Moses und Aron'" eingstuft wurde. Ab 1957 unterrichtete er an der Nordwestdeutschen Musikakademie in Detmold (heute Hochschule für Musik), zunächst als Dozent, seit 1962 bis zu seiner Pensionierung 1990 als Professor. Sein umfangreiches Werk erstreckt sich über fast alle Gattungen und Besetzungen, im Zentrum stehen dabei die insgesamt 14 Opern. Seine letzte Oper und sein letztes vollendetes Werk überhaupt war "Chlestakows Wiederkehr" nach Gogols "Revisor", 2008 fertiggestellt und uraufgeführt. Klebe erfüllte sich damit seinen Traum, wie sein großes Vorbild Verdi am Ende seines Lebens eine komische Oper zu schreiben. Ganz am Ende zitiert er die Schlussfuge aus "Falstaff".

    Klebe wurde mit zahlreichen nationalen und internationalen Preisen und Ehrungen ausgezeichnet, darunter der Kunstpreis der Stadt Berlin (1952), der Preis Mauricio Fürst der IGNM Stockholm (1956), großer Kunstpreis des Landes Nordrhein-Westfalen (1959), zwei Rom-Stipendien in der Villa Massimo (1959 und 1962/63), Premio Marzotto, Valdagno (1964), Annette von Droste-Hülshoff-Preis (1965), Bundesverdienstkreuz (1970 und 1999), Kompositionspreis und Ehrendirektorat des Weltharfenkongresses Kerkrade (1977). Er wurde zum Mitglied der Akademie der Künste Berlin, der Bayerischen Akademie der Künste München und der Freien Akademie der Künste Hamburg gewählt. Zwischen 1986 und 1989 war er als Nachfolger von Günter Grass und als Vorgänger von Walter Jens Präsident der Akademie der Künste Berlin.

    In einem Gespräch mit dem Bärenreiter-Lektor Michael Töpel anlässlich seines 75. Geburtstag antwortete Klebe auf die Frage nach dem "eigentlichen Ziel [seiner] kompositorischen Arbeit":
    Was mir musikalisch vorschwebt, versuche ich immer noch einfacher, noch prägnanter, noch klarer auszudrücken, so dass man es möglichst leicht erkennt, wobei die leichte Erkennbarkeit wahrscheinlich leichter fällt als der Weg dahin, der ist mitunter alles andere als leicht zu begehen."
    Im Programmheft zur Aufführung seiner Oper "Der jüngste Tag" am Landestheater Detmold im Jahre 2000 äußerte er sich noch ausführlicher:
    "In meiner Musik kenne ich nur eine Leidenschaft: die zur Klarheit, zu der mir größtmöglichen Einfachheit und zu einem Form und Gestalt bestimmenden umfassenden Ausdruck. (...) Mir genügen bei der Gestaltung einer Komposition nicht einzelne isolierte Parameter, sondern ich strebe immer die Integration aller musikalischen Sprachgestalten an, also die der Melodie, der Hamonie, der Klangfarben und des Rhythmus. Dabei liebe ich das Experiment nur in Hinblick auf das zu integrierende Ergebnis, nie um seiner selbst willen. Im Zentrum meiner Arbeit steht die Oper und zwar ausschließlich konzentriert auf die Form, in der der singende Mensch im Mittelpunkt steht. So, wie ich keinen Bruch zwischen alter und neuer Musik erkennen kann, sondern nur eine Evolution, die spiralförmig um eine menschlich verständliche Aussage kreist, sehe ich in meiner kompositorischen Entwicklung nur Etappen eines einheitlichen Weges."

    Giselher Klebe starb nach schwerer Krankheit am vergangenen Montag, heute wurde er beigesetzt. Seinem Wunsch gemäß wurde ein Ausschnitt aus Haydns Streichquartett op. 54 Nr. 2 gespielt, über das er in seinem Testament schrieb:
    "Gestern abend hörte ich wieder einmal op. 54,2 von Haydn. Ich möchte Euch bitten, daß dieses Quartett gespielt wird. Sein Ausdruck, seine Struktur ist mir so verwandt - besser kann man von mir nicht erzählen."

    Ich kannte Giselher Klebe seit 27 Jahren, habe hunderte Stunden mit ihm über Musik, aber auch über sonstiges Erhabenes und Profanes gesprochen. Er überraschte mich immer wieder mit neuen Facetten, so z.B. als er mir offenbarte, ein großer Fan von "Insterburg und Co." zu sein und tatsächlich gleich ganze Sketche auswendig vortrug. Ich hatte das große Glück, mehr als zehn Kompositionen von ihm uraufzuführen und habe etliche weitere seiner Werke mit großer Freude erarbeitet. Ich habe mit ihm einen unersetzlich wertvollen Freund, einen großen Künstler und einen wunderbaren Menschen verloren, dessen vollkommen uneitle Größe von jedem, auch und gerade von musikalischen Laien und sogenannten "einfachen Menschen" erkannt wurde. Die Hochschule für Musik Detmold plant (voraussichtlich für den 22. November) zusammen mit dem Landestheater ein Gedenkkonzert.

    Viele Grüße,

    Christian

  • Was für ein schöner, persönlicher Nachruf! :juhu:

    Leider gibt es zur Zeit auf dem CD-Markt nur sehr wenig. Es ist wirklich eine Schande, dass auch von bedeutenden und etablierten modernen Komponisten wie Klebe fast nichts greiffbar ist.

    Um so lieber weise ich auf diese hin, die Christian und seine Klavier-Partnerin sehr schön eingespielt haben:

    Poema drammatico für 2 Klaviere & Orchester;
    Soggetto cavato I & II;Widmungen;
    Zornige Lieder ohne Worte;Meine Enkelkinder
    und ich: Mira, Maya, Tim Christian und ihr
    Opa;Thema & 39 Variationen

    Silke-Thora Matthies, Christian Köhn, Klaviere, plus im großartigen Poema das SWR SO Baden Baden & Freiburg unter Ruzicka.

    Glockentürme op. 103;Wiegenlieder f. Christinchen
    op. 13: Feuersturz op. 91;9 Klavierstücke f. Sonja
    op. 76;4 Inventionen op. 26;Nachklang op. 111;
    Klaviersonate op. 4

    Silke-Thora Matthies & Christian Köhn, Klavier

    Als ich vom Tode Klebes erfuhr und diese beiden Cds wieder hörte, berührten mich besonders diese "kleinen", kurzen, aber feinen Stücke voller zärtlichem Humor für die Enkelkinder vom "Opa". Klebe muß ein sympathischer Mensch gewesen sein.

    Von seinen Opern kenne ich leider nur wenige Ausschnitte, aber die kurzen "Widmungen" lassen erahnen, wie gut Klebe in der Lage ist, Charaktere musikalisch darzustellen.

    Es ist vor kurzem irgendwo in diesem Forum gefragt worden, ob avancierte Moderne Musik auch melodiös sein kann. Hört Klebe! Dass, wie du, Christian, interessanterweise mitteilst, Klebe eine Vorliebe für Verdi hatte, erklärt mir einiges.

    Diese kenne ich auch noch nicht:

    Sonaten für Violine & Klavier Nr. 1 & 2;Capriccio für
    Violine solo;Fantasia Incisiana für Violine & Klavier

    Eckhard Fischer, Violine, mit Christian Köhn

    "Die Zwitschermaschine. Metamorposen über das gleichnamige Bild von Paul Klee" Op. 7 (1949/50) in einer Einspielung des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden unter Hans Rosbaud findet man hier, auf der ersten CD:

    In der "Zwitschermaschine" ist das zwölftönige Reihenprinzip erst ansatzweise aufgenommen. Ich habe den Eindruck, die systematische Konstruktion bändigt mühsam, aber vorteilhaft strukturierend, beinah eine Überfülle von munteren humorvoll-spielerischen und sehr expressionistischen Klangbildern. In der Klangfarbe und Rhythmik ist für mich schon der Einfluß Blachers heraushörbar, aber es hat auch schon unverwechselbar Eigenes. Klees Bild vor Augen bekommt man durch Klebe eine stimmige Mischung aus hintergründig verspieltem Blödsinn und maschinenhafter Konstruiertheit, die jeden funktionalen Zweck verlohren hat, jetzt auch um die Ohren. Das macht einfach großen Spaß!

    :wink: Matthias

  • Lieber Christian, auch wenn ich bisher nur sehr wenig von Klebes musikalischem Schaffen kenne: die Aufführung seienr Oper "Der Revisor" in Detmold und in Anwesenheit des serh sympathisch wirkenden Komponisten wird mir unvergesslich bleiben und die hier erwähnte Nähe zu Verdi hat sich mir beim ersten Zuhören sofort erschlossen.
    Moderne Oper für Sänger und Zuhörer zu schreiben und dabei nciht zu verflachen oder zum Epigonen zu werden ist m.E. eine sehr seltene Kunst.
    Es tut mir sehr leid zu lesen, dass dieser grosse Musiker nicht mehr ist.
    Deine persönliche Trauer, die ja auch direkt den Menschen Giselher Klebe betriftt, hat uns diesen schönen Nachruf geschenkt, für den ich herzlich danke.
    F.Q.

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Lieber Christian,

    obwohl ich Herrn Klebe ja nie persönlich kennen lernen durfte und keine Einspielung eines seiner Werke besitze, was jetzt doch anders werden muss, war ich sehr geschockt, als ich neben seinem Namen 1925 - 2009 las. Ich wußte, wie eng Du mit ihm verbunden warst und hörte auch immer von Peter mit großer Spannung die Berichte der gemeinsamen Opernbesuche und meist anschließender Gespräche mit Herrn Klebe. Auch ich danke Dir nun ganz herzlich für den, so zu Herzen gehenden Nachruf, der Deinen Schmerz über diesen Verlust sehr deutlich werden läßt und uns die große Persönlichkeit dieses Komponisten und wunderbaren Menschen Giselher Klebe noch näher gebracht hat.

    Traurige Grüße nach Detmold
    Ingrid

  • Lieber Christian,

    auch von mir herzlichen Dank für Dein persönliches, einfühlsames Porträt! Giselher Klebe ist mir bislang nur dem Namen nach bekannt, das wird sich ändern. Als Einstieg werde ich Haydns op. 54,2 auflegen.

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Lieber Christian

    Ein schöner und sehr persönlicher Nachruf, da schließe ich mich den bisherigen Kommentaren an.

    Obwohl ich relativ viel Neue Musik höre (im Konzert und auf CD) kenne ich Klebe allerdings bisher auch nur dem Namen nach. Ich müsste vielleicht mal versuchen, zu klären, woran das liegt. Jedenfalls werde ich diesen Thread zum Anlass nehmen, bei nächster Gelegenheit Musik von Klebe zu hören. Welches Werk, welche Aufnahme ist denn ein guter Einstieg? Eine große Auswahl scheint es derzeit ja leider nicht zu geben :shake:

    Viele Grüße
    Michel

    Es gibt kaum etwas Subversiveres als die Oper. Ich bin demütiger Diener gegenüber diesem Material, das voller Pfeffer steckt. Also: Provokation um der Werktreue willen. (Stefan Herheim)

  • Jedenfalls werde ich diesen Thread zum Anlass nehmen, bei nächster Gelegenheit Musik von Klebe zu hören. Welches Werk, welche Aufnahme ist denn ein guter Einstieg? Eine große Auswahl scheint es derzeit ja leider nicht zu geben :shake:

    Hallo Michel,

    es fällt mir aus zwei Gründen sehr schwer, eine Empfehlung für den Einstieg zu geben: Erstens ist mir seine Musik so vertraut, dass ich wahrscheinlich mich nicht gut in die Rolle eines "Ersthörers" versetzen kann, und zweitens sind fast sämtliche derzeit erhältlichen Aufnahmen seiner Musik unter meiner Mitwirkung entstanden, so dass eine Empfehlung für eine Einspielung automatisch den Geschmack der Eigenwerbung hätte. Ganz allgemein kann man sagen, dass die späteren Stücke immer einfacher, reduzierter, dabei im Ausdruck extremer geworden sind, während vor allem die mittleren Werke oft einen ganz eigenen, leicht melancholischen Glanz haben. Die frühen Stücke sind noch experimenteller, und Klebe hat mir gegenüber manchmal sein Bedauern darüber geäußert, dass ein gewisser spezieller (Über-?)Mut offenbar der Jugend vorbehalten ist. So fegt z.B. in der Sonate op. 4 für zwei Klaviere mitten in den elegischen langsamen Satz ein wilder Zwölfton-Boogie, der dann ohne Übergang wieder in den langsamen Teil mündet. Die Glockentürme für Klavier zu vier Händen (1990) waren ursprünglich als eher heiteres, verspieltes "Carillon" geplant, aber während der Komposition erhielt Klebe die Nachricht vom Tod seines langjährigen Freundes Luigi Nono, woraufhin das Stück zu einem stellenweise extremen Aufschrei der Trauer wurde. In den "Wiegenliedern für Christinchen" op. 13 verwendet Klebe am eindeutigsten Blachers variable Metren (und erwähnt das Vorbild ausdrücklich), hat aber ausdrucksmäßig bereits einen ganz eigenen Stil gefunden, verhalten und expressiv zugleich, von konzentriertem Ernst. Die "Zornigen Lieder ohne Worte" von 1994 sind demgegenüber viel dramatischer, direkter, stellenweise auch schroffer. Dort spürt man den Opernkomponisten. Ganz besonders gern mag ich die "Widmungen" op. 115, ein Zyklus von 5 kleinen, wunderschönen Klavierstücken, deren musikalisches Material jeweils aus den Namen der Widmungsträger gebildet ist. Eine besonders enge persönliche Beziehung habe ich schließlich zu "Thema und 39 Variationen" op. 142, welches sein Geschenk zu meinem 40. Geburtstag war. Anders als der Titel vermuten lässt, dauert das Stück übrigens nur gute sieben Minuten. Bei der Violinmusik ist die halbstündige "Fantasia Incisiana" besonders bemerkenswert, deren sechs Sätze ein riesiges Ausdrucksspektrum überspannen. Ansonsten habe ich noch etliche Aufnahmen hier, die leider nicht veröffentlicht werden können: Opernmitschnitte von "Die Fastnachtsbeichte" und "Gervaise Macquart", das Klavierkonzert, das Violinkonzert, das Doppelkonzert für Violine, Klavier und Orchester, das Lamento "Mir träumte, ich müßte Abschied nehmen" für Gesang und sieben Instrumentalisten, die fetzige "Soirée" für Posaune und Kammerorchester und einiges mehr. Auf der zweiten Klaviermusik-CD war kein Platz mehr für die drei Romanzen op. 43, die ich aber bereits eingespielt hatte. Das ist daher die einzige Aufnahme, die ich hier öffentlich zur Verfügung stellen kann. Es handelt sich dabei um typische Vertreter der besagten mittleren, eher introvertierten Werke. Sie sind unter:

    http://www.christiankoehn.de/dateien/klebe_romanze_op43_1.mp3
    http://www.christiankoehn.de/dateien/klebe_romanze_op43_2.mp3
    http://www.christiankoehn.de/dateien/klebe_romanze_op43_3.mp3


    Viele Grüße,

    Christian

  • diese Romanzen op. 43 haben mich neugierig gemacht. Welche anderen Stücke (auch andere Musikgattungen: Orchester, Quartett etc.) von Klebe sind dieser mittleren Phase auch noch zuzuordnen ?

    :wink:

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • diese Romanzen op. 43 haben mich neugierig gemacht.

    Ich habe sie eben gehört; sie erinnern mich im Gestus an meditative Stimmungen, wie ich sie etwa aus Schönbergschen Miniaturen kenne, z. B. wie sie Glenn Gould darstellt: eine Musik, ganz versunken in der eigenen Welt, wie verloren.

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • eigentlich wollte ich etwas sparsamer sein. Dieser Thread ist schuld X( , dass ich diese Vorsätze nicht einhalten kann :boese::

     

    sind aber keine Teuer-CDs ;+) .

    :wink:

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Die Hochschule für Musik Detmold plant (voraussichtlich für den 22. November) zusammen mit dem Landestheater ein Gedenkkonzert.

    Das Konzert wird am 22.11. um 11.30 Uhr im Konzerthaus Detmold stattfinden. Geplant ist die Uraufführung des ersten Aktes der letzten, unvollendeten Oper von Giselher Klebe, die Uraufführung einer vor zwei oder drei Jahren entstandenen Vertonung des Psalms 104 (in einer neuen Übersetzung von Walter Jens), ein Ausschnitt aus der "Fantasia Incisiana" für Violine und Klavier (gespielt von Eckhard Fischer und mir), ein Orgelstück (gespielt von Tomasz Adam Nowak) und das Streichquartett op. 54 Nr. 2 von Joseph Haydn (s.o., Klebe hat sich das in seinem Testament audrücklich gewünscht). Die letzten Worte, die Klebe vertont hat, lauten (es geht um Rosen, die eine Unbekannte von Albert kaufen möchte):
    Die Unbekannte: "Nur eine. Bei uns draußen wächst das überall. Besonders ist da so ein schmaler Weg, der führt zum Friedhof, wo die weißen Blumen blühen. Manchmal sehne ich mich zurück."
    Albert: "Nach dem Friedhof?"

    Viele Grüße,

    Christian

  • RE: Giselher Klebe (1925-2009), leidenschaftlicher Wunsch nach Klarheit


    ...
    In einem Gespräch mit dem Bärenreiter-Lektor Michael Töpel anlässlich seines 75. Geburtstag antwortete Klebe auf die Frage nach dem "eigentlichen Ziel [seiner] kompositorischen Arbeit":
    Was mir musikalisch vorschwebt, versuche ich immer noch einfacher, noch prägnanter, noch klarer auszudrücken, so dass man es möglichst leicht erkennt, wobei die leichte Erkennbarkeit wahrscheinlich leichter fällt als der Weg dahin, der ist mitunter alles andere als leicht zu begehen."
    ...

    Hallo Christian,

    so könnte es auch Johannes Brahms gesagt haben. ;+)

    Bis dann.

  • Es ist ein Jammer, dass dieser fabelhafte Komponist so untergegangen ist. Wahrscheinlich hatte er das Pech, zwischen zwei Stühlen zu sitzen: Einerseits schrieb er ja "Zwölftonmusik", andererseits klingt die aber - nun ja, eben nach der guten alten Tante Oper, die nun einmal, trotz vieler verfürerischer Experimental-Nichten, meine Lieblingsverwandte geblieben ist.
    Leider kenne ich, außer den oben genannten CDs, nur sehr sehr wenig, nämlich "Jakobowski und der Oberst" und "Die Fastnachtsbeichte" als technisch miserable Mitschnitte und, technisch eigentlich noch schlechter, "Adagio und Fuge" nach einem Thema Richard Wagners. In den Opern fällt eine sehr geschmeidige Deklamation auf, die sich zu melodischen Bildungen verdichtet, die wirklich ins Ohr gehen.Das genannte Orchesterstück ist klangtechnisch fabelhaft gearbeitet, viel weniger rein-horizontal als die meiste reihentechnische Musik, und die Akkorde sind leuchtend schön. Es gibt zwischen Wagner und Klebe einen Unterschied der Ausdrucksweise, aber nicht der Sprache - ein Beweis für die virtuose Handhabung der Technik.
    Vielleicht erbarmt sich einmal ein Label des "Jakobowski" oder einer der anderen Opern Klebes - dann könnten die (ohnedies zu wenigen) Neue-Musik-Interessierten wahrscheinlich mit nicht geringer Verblüffung feststellen, dass es einen deutschen Nachkriegskomponisten gibt, dessen Opern, trotz avancierten Vokabulars, wesentlich zündender sind als die Hans Werner Henzes...
    :wink:

    Na sdarowje! (Modest Mussorgskij)

  • Leider kenne ich, außer den oben genannten CDs, nur sehr sehr wenig

    mir geht es genau andersherum. Und alle Werke, die ich so kennengelernt habe und die noch nicht genannt wurden, sind durchwegs faszinierend:

    Cinq chants sans paroles für Cembalo und Schlaginstrumente (1978).
    kennen- und lieben gelernt als WDR-Aufnahme mit Waldemar Döling und Martin Christoph Redel. Die perkussiven und klanglichen Möglichkeiten sind virtuos eingesetzt, inklusive einem veritablen Tango, und am Ende singen die beiden Musiker eine augenzwinkernde Boogie-Melodie in G-Dur.
    Edit: weil mir der zunächst entfallene Titel keine Ruhe gelassen hat, habe ich etwas nachgeforscht und das Werk (vermutlich in der mir bekannten Aufnahme) auf folgender CD gefunden:
    CD Detmolder Kammermusik für Cembalo, für 5 EUR zu beziehen über die Musikhochschule Detmold "http://www.hfm-detmold.de/en/service/hfm-shop"

    Quattrofonia (1982)
    für zwei Klaviere und Schlagzeug (zwei Spieler, genau wie die Bartok Sonate). Auch hiervon gibt es eine WDR-Produktion mit der Uraufführungsbesetzung.
    Christian, wo bleibt eine Aufnahme von euch?!

    Klarinettenkonzert
    ziemlich gute WDR-Aufnahme mit Hans-Dietrich Klaus. Meinen Cassetten-Mitschnitt aus uralter Zeit habe ich mal einem Klarinettisten geschenkt, daher nur aus der Erinnerung: ein mitreißendes Werk, farbenfroh, ebenso dramatisch wie melodiös. Dauer so knappe 25 Minuten.

    Die Fastnachtsbeichte habe ich seinerzeit im WDR gehört, weiß nicht von welcher Aufführung der Mitschnitt war, klang für mich in Ordnung.

    Figaro läßt sich scheiden hätte sowieso die besten Chancen, von Mozartfreunden als willkommene Abwechslung wahrgenommen zu werden.

    Fazit: jedes Klebe-Werk ein Volltreffer, und der WDR sollte sich mal aufraffen, ein paar Sachen zu veröffentlichen oder wenigstens häufiger auszustrahlen.

    Gruß,
    Khampan

  • wird dieses Konzert vom WDR3 irgendwann gesendet ?

    Das ist eher unwahrscheinlich. Zwar wird es voraussichtlich von den hiesigen Tonmeistern mitgeschnitten, aber es ist meines Wissens noch offen, ob und wie die Aufnahme dann anschließend genutzt werden darf. Vor einer Veröffentlichung müssten sämtliche Mitwirkenden schriftlich zustimmen, was leider erfahrungsgemäß nicht so leicht zu erreichen ist. Am sichersten ist es also, nach Detmold zu kommen ;+) . WDR 3 sendet übrigens am 20.12. um 23.05 Uhr eine Gedenksendung über Giselher Klebe (siehe http://www.wdr3.de/open-studio-ne…m-gedenken.html; was allerdings Rudolf Kolisch mit den "Glockentürmen" zu tun hat, bleibt wohl Geheimnis der Redaktion...).

    Viele Grüße,

    Christian

  • haben Rudolf Kolisch und Klebe denn sich gekannt bzw. intensiven Kontakt gehabt ? In der Gedenksendung sind vermutlich einige interessante historische Wiedergaben dabei. Werde diese im Radiothread und im Kalender festschreiben und meine Twin-Dreambox programmieren.

    :wink:

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • ach Käse, jetzt kapiere ich es. O.K. dauert bei mir manchmal länger. Glockentürme sind doch von Klebe zu Gedenken an Luigi Nono.. da haben die ja einen Bock abgeschossen... und ich dachte Kolisch hätte auch mal Klaviermuisk geschrieben mir dem Titel Glockentürme...

    :wink:

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!