• Cage: 4'33''

    Gestern erlebte ich erstmals die Aufführung eines Werks von John Cage, einem Komponisten, mit dem ich bislang noch kaum vertraut bin.

    Ich mußte erst überlegen, wo ich meinen Beitrag einbringen sollte: bei den Komponistenportraits? denn es geht ja auch um grundlegende ästhetische Fragestellungen, die das Werk des großen Amerikaners aufwirft - oder unter den Werken? denn 4'33'' hat einen außergewöhnlichen Rang, vielleicht so etwas wie einen Kultstatus. Wenn Letzteres: Klavierwerke, Kammermusik oder Orchesterwerke? Für dieses habe ich mich entschieden, denn ich habe es gestern in einer Fassung mit Orchester erlebt.

    Die Schwierigkeiten der Einordnung offenbaren Grundsätzliches: Ist 4'33'' ein kammermusikalisches Werk, mit oder ohne Klavier, oder für Orchester komponiert? Sollte es nicht am besten im Zusammenhang mit der Ästhetik und dem Werk Cages insgesamt betrachtet werden? Ist es überhaupt ein "Werk" (im eigentlichen Sinn und, wenn nicht, in welchem Sinn dann?)? Was ist ein "Werk"?

    Das ist nicht einfach. Ich berichte erst einmal, was ich gestern erlebt habe: Das Philharmonische Orchester der Stadt Heidelberg hatte auf dem Programm: neben 4'33'' Beethovens 5. Klavierkonzert (Solist: Martin Stadtfeld) und Nielsens 2. Symphonie. Da der vorgesehene Dirigent Dietger Holm kurzfristig erkrankt war, hatte man den früheren Heidelberger GMD und jetzigen Ehrendirigenten Mario Venzago gewonnen. Das hatte zur Folge, daß die Nielsen-Symphonie (leider) entfiel und durch Brahms' 1. Symphonie ersetzt wurde.

    Der aktuelle GMD Cornelius Meister gab die Änderungen bekannt, die Orchestermusiker nahmen ihre Plätze ein, auch der Flügel stand bereit. Mario Venzago kam und ergriff das Mikrophon, um ein paar Worte zu John Cage zu sagen. Er verwies auf die Geschichte des Werks, auf dessen provozierende Wirkung in vergangenen Jahrzehnten, da das Werk auf Unverständnis und Ablehnung traf, weil es die damaligen Erwartungen der Hörer so sehr verwirrte: ein Werk, in dem die Musiker (ursprünglich: der Pianist) keinen einzigen Ton produzierten, nur: Pause! Überhaupt: Ist das überhaupt ein Werk? Oder nicht vielmehr ein Gag?

    Immerhin gibt es einen Anfang, ein Ende, das Werk ist dreisätzig (die Dauern der Sätze waren in diesem Fall vor wenigen Tagen öffentlich erwürfelt worden: 1'40'', 0'40'', 2'13'') und die Partitur, die "für teuer Geld" erworben werden mußte, enthält präzise Anweisungen: Das Werk erklingt exakt so wie vorgeschrieben (ist auch die Frage des Werks umstritten, so scheint jedenfalls die Frage der werkgetreuen Aufführung hier geklärt).

    Venzago erwähnte asiatische Philosophien, von denen Cage beeinflußt war, und verwies auf aleatorische Werke des Amerikaners, der aus Sternenbewegungen Notationen gewann, die dann zu zwar genauen, doch jedesmal unterschiedlichen klanglichen Ergebnissen führen - das habe ich nicht richtig verstanden, weil ich, wie gesagt, John Cage nicht genug kenne. "Stille" jedenfalls spielt für Cage eine wichtige Rolle; Venzago erwähnte auch Anton Bruckner, der gesagt habe, er müsse, bevor er Wichtiges zu sagen habe, erst einmal ausatmen, daher die Pausen.

    Auch wenn in 4'33'' die Musiker schweigen, gibt es doch keine Stille: die Musik, die erklingt, ist ebendie, die man hört, wenn man nichts hört - natürlich ist es auch in einem Konzertsaal nie eigentlich "still".

    Es gab auch ein paar Empfehlungen ans Publikum, das aufmerksam zuhörte (der Maestro ist hier beliebt und angesehen): Arnold Schönberg habe Applaus kritisch als Manipulationsversuch angesehen, auch er, Venzago, wolle niemanden manipulieren, "nur ein bißchen" (Heiterkeit!): Das Publikum möge sich auf eine spannende Erfahrung gefaßt machen, hinterher den Beifall zurückhalten und erst den danach auftretenden Pianisten, wie es sich gehöre, freudig begrüßen.

    Es ging los: Der Dirigent stellte sich vors Orchester und hob den rechten Arm, den er dann wie einen Sekundenzeiger langsam nach unten kreisen ließ, der linke Arm übernahm und führte die Bewegung fort, bis er oben war. 2. Satz: ebenso. 3. Satz: noch einmal (auch dieses Verfahren war vorher erläutert worden).

    Das Publikum verfolgte das Geschehen aufmerksam und konzentriert; abgesehen von den üblichen Hustern und Räuspergeräuschen war es ruhig, kein Gelächter oder andere "ungebührliche" Verhaltensweise. Wäre statt 4'33'' ein anderes Werk aufgeführt worden, sagen wir, Mendelssohns Hebriden-Ouvertüre - das Verhalten im Konzertsaal wäre vermutlich kein bißchen anders gewesen. Willkommen, John, im Kanon der Normalität?

    Ich fand es schön, inmitten eines völlig ausverkauften Konzertsaals mitten in der Menge ein paar Minuten einfach still dazusitzen, ich habe die ruhige, konzentrierte Stimmung genossen und mich wohlgefühlt.

    Erwähnen möchte ich noch, daß der Beethoven solide und routiniert absolviert wurde, mit einem technisch versierten jungen Solisten ohne Virtuosengehabe, und daß der Brahms dann etwas mehr Feuer brachte - insgesamt eine gute Aufführung mit reichlich Beifall am Ende.

    Eigentlich war es ein ganz normales Symphoniekonzert.

    Eigentlich, und damit frage ich mich, was es bedeutet, wenn das einstmals so provozierende Werk John Cages so "normal" aufgenommen wird: Hat es damit seinen ursprünglichen Reiz, die Aura des Besonderen, die Grundfragen nach Werk, Zeit, Stille und was noch weiter aufwirft und unsere Hörgewohnheiten erschüttert - hat es das alles inzwischen eingebüßt? Oder ist Cage im Gegenteil endlich da angekommen, wo er hingehört, in die Reihe der Großen des 20. Jahrhunderts, auf derselben Höhe wie viele andere, doch auch einer von vielen?

    Zum Abschluß noch ein Zitat des Komponisten, der sich über sein Werk wie folgt äußert (Quelle: Programmheft):

    Zitat

    Mein vielleicht bestes Stück, oder jedenfalls das, was mir am meisten gefällt, ist das stille Stück. Es hat drei Sätze, und in allen Sätzen gibt es keine (beabsichtigten) Klänge. Ich wollte, dass mein Werk frei von meinen eigenen Vorlieben und Abneigungen ist, denn ich denke, Musik sollte frei von den Gefühlen und Ideen des Komponisten sein. Ich hatte das Gefühl und hoffe, dass ich anderen Leuten das Gespür nahegebracht habe, dass die Geräusche ihrer Umgebung eine Musik darstellen, die viel interessanter ist als die Musik, die sie hören, wenn sie in einen Konzertsaal gingen.

    Darüber ließe sich diskutieren.

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • RE: 4´33"

    Hallo Gurnemanz,

    ich bin schon schwer verwundert, wie man für dieses Machwerk einen so langen Anfangsbeitrag schreiben kann. Lohnt sich das ? Trotzdem Danke für deine Mühe.

    Ich habe das Stück zufällig auch auf einer CD, die ich mir wegen Chavez: Toccata für Schlaginstrumente gekauft habe.

    Zu hören sind dort bei 4´33" leise Hintergrundgeräusche, wie Draußen vorbeifahrende Autos, leise Huster und Räuspern --- mehr nicht.

    :thumbdown: So eine Sch... auf CD zu bannen ist schon eine Frechheit. Und noch schlimmer, was ich jetzt in Deinem Beitrag erfahren muste: Das der Komponist diesen Krampf als sein bestes Werk bezeichnet diskreditiert ihn beinahe selber.

    ______________

    Gruß aus Bonn

    Wolfgang

  • RE: 4'33''


    Die Schwierigkeiten der Einordnung offenbaren Grundsätzliches: Ist 4'33'' ein kammermusikalisches Werk, mit oder ohne Klavier, oder für Orchester komponiert?

    Hier die erste von zwei Seiten der Partitur, die Klarheit verschafft: :) "http://www.medienkunstnetz.de/assets/img/data/2098/bild.jpg" (falls unentzifferbar: "for any instrument or combination of instruments"

    Er verwies auf die Geschichte des Werks, auf dessen provozierende Wirkung in vergangenen Jahrzehnten, da das Werk auf Unverständnis und Ablehnung traf, weil es die damaligen Erwartungen der Hörer so sehr verwirrte

    Ich zitiere an dieser Stelle John Cage:

    "They missed the point. There’s no such thing as silence. What they thought was silence, because they didn’t know how to listen, was full of accidental sounds. You could hear the wind stirring outside during the first movement. During the second, raindrops began patterning the roof, and during the third the people themselves made all kinds of interesting sounds as they talked or walked out."

    Dies wiederum bezeichnete ein Freund von mir als wahnsinnig arrogant, weil der Komponist dem Publikum die Schuld am Missverstehen des Werkes zuschob. Er meinte, Cage hätte das Stück VOR der Aufführung erklären müssen.

    Ich wiederum finde, dass das doch irgendwie der Sinn des Stückes war, wozu es vielleicht überhaupt komponiert wurde! Dass die Zuhörer selber auf den Trichter kommen sollen, dass selbst wenn der Instrumentalist still ist trotzdem "Musik in der Luft ist". Wenn man denen das vorher erzählt, erübrigt sich doch fast das Hören, oder? :)


    Ich wollte, dass mein Werk frei von meinen eigenen Vorlieben und Abneigungen ist, denn ich denke, Musik sollte frei von den Gefühlen und Ideen des Komponisten sein.

    Das wiederum halte ich für kompletten Unsinn. Ein Forianer hier hat ein Lachenmann-Zitat in der Signatur, das in die entgegengesetzte Richtung geht und dem ich viel eher zustimmen würde.

  • Hallo Gurnemanz,

    vielen Dank für Deinen schönen Bericht.
    Es mag sein, dass 4'33" nun halbwegs beim Publikum angekommen ist. Ich habe mal gehört, dass dieses Stück vor vielleicht 15 Jahren schon in einem Musikunterricht durchgenommen wurde.
    Allerdings sollte man auch nicht vergessen, dass das Publikum bei o.g. Konzert ausführlich vorbereitet war. Insofern hat der Dirigent von seiner Seite alles getan, die Leute nicht zu provozieren. Ja, so scheint das Stück eine kollektive Übung gewesen zu sein.
    Wenn nicht alles an Cages Kommentar bloß ironisch war, dann hat es ja immerhin noch den Sinn: Darauf aufmerksam zu machen, dass die traditionelle Form des Konzerts einen gewissermaßen taub macht. Die Vorbereitung des Publikums auf 4'33" ist dann sozusagen eine Umprogrammierung der Erwartungshaltung.
    Spannend wäre vielleicht auch die Frage, wie viele Leute aufgrund des Konzerterlebnisses die zufälligen Geräusche des Alltags anders erleben.

    :wink:

    Nur weil etwas viel Arbeit war und Schweiß gekostet hat, ist es nicht besser oder wichtiger als etwas, das Spaß gemacht hat. (Helge Schneider)

  • Das auf CD herauszubringen ist schon ein besonders absonderliches Unterfangen...

    Ich werde das Gefühl nicht los, dass Cage ein Zeitgenosse war, der permanent ein spöttisches Grinsen auf seinem Gesicht hatte. Ich bezweifle sehr, dass es hier wirklich um anderes gehen soll als um versuchte Provokation. Insoweit ist es schon eine interessante Feststellung, dass das heutige Publikum offensichtlich geneigt ist, ein derartiges Spielchen mitzumachen, jedenfalls wenn es im Rahmen bleibt. Nach Cage könnten 4:33 ja ohne weiteres als 126:59 "gespielt" werden, was dann glaube ich doch das Eintritt zahlende Publikum "überfordern" würde.

    Über eine ebenso abstruse Weiterung berichtet Wikipedia wie folgt:


    Im Juli 2002 wurde der Komponist Mike Batt wegen Plagiarismus
    von John Cages Erben verklagt, nachdem Batt sein Stück „A One Minute
    Silence“ unter der Autorschaft „Batt/Cage“ herausgegeben hatte.
    Anfänglich sagte Batt, er werde sich gegen diese Vorwürfe wehren und
    erklärte, dass sein Stück „ein sehr viel besseres stilles Stück“ sei,
    und „ich war in der Lage, in einer Minute das zu erzählen, wofür Cage
    vier Minuten und 33 Sekunden brauchte“. Batt hat im September 2002 mit
    den Erben von John Cage einen außergerichtlichen Vergleich
    abgeschlossen und zahlte eine ungenannte sechsstellige Entschädigung.

    Nunmehr hatte dann ein Haufen Anwälte ein ebenso spöttisches Grinsen auf dem Gesicht, denke ich. Keine Ahnung ob Batt ein humorvoller Mensch geblieben ist.


    Cage hat übrigens durchaus Sachen komponiert, die meine sicherlich erzkonservative Auffassung, Kunst sei nicht ausschließlich philosophisch-theoretischer Natur, sondern habe stets auch mit "Können" zu tun, nicht völlig zurückweisen. Einige Klavierstücke wie "In a landscape", "Music for Marcel Duchamp" (auch hier gehören stille "Pausen" zur Komposition) und anderes höre ich mir sogar gelegentlich und freiwillig an.

    Gruß
    Henning

    Stattdessen sind Sie Knall und Fall mitten im Unterricht vom Gymnasium abgegangen.
    GULDA: Ja, ich hab' gesagt, Herr Professor, darf ich aufs Klo, und bin nicht wiedergekommen. Ich glaub', es war in der Mathematikstunde .
    Warum sind Sie nicht in der Pause gegangen?
    GULDA: Das wär' ja fad gewesen. Keiner lacht. Die Tür ist eh offen. Ich wollte schon, daß es prickelt.

  • Vielen Dank für Eure schnellen Antworten! Daß sie so unterschiedlich ausfallen, bestärkt mich darin, daß es gut und sinnvoll war, dieses Werk (ist es eines?) hier einzubringen und vorzustellen.

    [...] ich bin schon schwer verwundert, wie man für dieses Machwerk einen so langen Anfangsbeitrag schreiben kann.

    Ich auch: Zu Beethoven und zu Brahms hätte ich spontan nicht so viel sagen können, obwohl deren Werke weitaus komplexer sind.

    Zitat

    Lohnt sich das ?

    Aufgrund der Reaktion: Ja.

    Das wiederum halte ich für kompletten Unsinn. Ein Forianer hier hat ein Lachenmann-Zitat in der Signatur, das in die entgegengesetzte Richtung geht und dem ich viel eher zustimmen würde.

    Stimme insofern zu, als auch ich es für unsinnig halte festzulegen, was Musik enthalten sollte und was nicht. Immerhin hätte Strawinski Cage wohl zugestimmt. Von ihm gibt es ähnliche Aussagen.

    Das auf CD herauszubringen ist schon ein besonders absonderliches Unterfangen...

    In der Tat: Es führt m. E. zu einem weiteren Widerspruch (bzw. zu einem neuen Werk?), denn auch in meinem Wohnzimmer herrscht niemals vollkommene Stille. Zu den Hust- und Räuspergeräuschen auf der CD kommen ja noch die meiner Umgebung dazu: Insofern kann ich nicht das Konzert hören, das eingespielt wurde, da ja hier Musik dasjenige ist, das erklingt, wenn nichts erklingt...

    Ich neige übrigens dazu, Cage ernstzunehmen: Stille ist etwas ganz Besonderes, z. B. dann, wenn Musik eben verklungen ist. Daher stört es mich oft, wenn gleich nach dem Schlußakkord der Applaus losbricht, ich hätte da gern Ruhe und Besinnung - Nachklingen.

    Eine andere Erfahrung, die jeder selbst ausprobieren kann: Ich fahre regelmäßig Straßenbahn und Bus. Wenn ich in der richtigen Stimmung bin, setze ich mich in mein Eck, schließe die Augen, stelle mich schlafend (ein in Bus oder Bahn schlafender Mensch fällt nicht besonders auf) und höre auf die Geräusche ringsum: die Gespräche, Lachen, die Fahrgeräusche usw. und versuche es, wie Musik zu hören. Wichtig: Ich bin ganz für mich und trete nicht in Kontakt, agiere nicht nach außen. Es geht - und das Hörerlebnis ist interessant und kann spannend sein: tatsächlich kann der Eindruck von einer Art musikalischer Entwicklung entstehen - eine Meditation, die ich abhalte, wobei ich dazusagen muß, daß ich ansonsten nicht zu meditieren pflege, schon gar nicht mit irgendeinem esoterischen Ansatz. Es geht mir nur um eines: zu hören.

    Vielleicht zielte John Cage eben auf das?

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Lieber Gurnemanz,
    danke für Deinen Konzertbericht. Ich kenne 4'33 leider nicht, kann mir aber vorstellen, dass es eine schöne Erfahrung ist, es einmal im Konzertsaal zu hören.
    Provokation ist es für mich nicht, Cage war ja eine Art Zen-Meister und man kann 4'33 vielleicht auch als eine Aufmerksamkeitsmeditation sehen.
    4'33 sind ja nicht die Welt. Diese knapp fünf Minuten lang einmal kollektiv die Geräusche der Stille zu hören, etwas, was man so ja nie selbst für sich durchführen kann, 500 Menschen in einem Raum die schweigen und hören, das ist doch fantastisch.

    Eigentlich sollte man 4'33'' in jedem Konzert als erstes Stück aufführen. Die Leute hetzen aus ihrem lauten, hektischen Alltag in den Konzertsaal, bis zur letzten Minute wird noch gehustet, gequatscht, geraschelt und dann wollen sie im Kopf schon mit dem ersten Takt aufnahmefähig sein für die Musik.
    Man könnte es aber auch wunderbar als Zugabe spielen.

    Etwas OT :hide:
    Als Kontrastprogramm kann man dann folgende CD auflegen,

    "Roaratorio" ein Geräusch-Oratorium nach "Finnegan's Wake" von Joyce.
    "In Roaratorio führt Cage seine Erfahrungen mit Musik und Poesie, Lautdichtung und Tonbandmontage, seine Eingebundenheit in den Zen-Buddhismus, zu einer allumfassenden Kosmogonie aus menschlicher Stimme, Naturlaut, Umweltklang, Geräusch, Gesang und Musik."
    (aus dem booklet)
    Cage geht es wohl um die Extreme der Hörerfahrung und es geht ihm wahrscheinlich auch um den Prozess, den diese Erfahrungen in den Hörern auslösen.
    Alles sehr spekulativ von mir daher fantasiert, aber nachdem die Meditation langsam ihren esoterischen touch verliert und man zu begreifen beginnt, welche Kräfte durch Meditation freigesetzt werden können, dann sieht man, wie sehr Cage seiner Zeit voraus gewesen ist.

    Liebe Grüße

    :wink: Talestri

    One word is sufficient. But if one cannot find it?

    Virginia Woolf, Jacob's Room

  • Hallo teleton,

    schade, dass Du manchmal in Deine alten Marotten zurückfällst. Dadurch diskreditierst Du Dich leider nur selbst. Freilich ist die Bannung auf ein CD ein fragwürdiges Projekt, aber ein Live-Erlebnis von 4'33'' ist alles andere als ein Machwerk und lange kein Sch...., nur weil DU es nicht verstehst. :shake: :shake: :shake:

    Vielleicht solltest Du den Cage hören, den Amfortas langweilig fand - seinen Zahlenzyklus etc. Vielleicht auch noch die prepared-Piano-Music, um Dir mal zu Gemüte zu führen, was für ein Genie John Cage war - musst Du natürlich auch nicht, wenn Du aufgrund deines Nichtverständnisses von 4'33'' den Komponisten ad acta legst.

    Aber Vorsicht vor den Etudes australes - die sind Synthese aus Beethoven und Boulez sagt man, vordergründig aleatorisch, doch mit einer inneren Dramatik, die echt beeindruckend ist.

    :wink:
    Wulf

    "Gar nichts erlebt. Auch schön." (Mozart, Tagebuch 13. Juli 1770)

  • Hallo Henning,

    Cage hat noch viel mehr komponiert, was Deiner erzkonservativen Auffassung, Kunst habe etwas mit "Können" zu tun (hier bin ich ausnahmsweise mal bei Adorno, der den Spruch ebenso hasste und richtigstellte: Kunst kommt von "müssen" - wie recht er hat....) entgegenkommt. Nimm z.B. die Sonatas & Interludes for prepared piano - vielleicht eines der großen Meisterwerke für Klavier im 20. Jhd.

    Was 4'33'' anbelangt - ich hatte schon im T-Forum einmal verscuht, die Intentionsvielfalt hinter dem Werk aufzuzeigen. Das ist nicht pure Provokation der Provokation wegen - Cage hatte ganz anderes im Sinn, Intentionen, die er mit vielen Zeitgenossen teilte - auch mit Stockhausen z.B, die er jedoch anders verwirklichte und organisierte.

    :wink:
    Wulf

    "Gar nichts erlebt. Auch schön." (Mozart, Tagebuch 13. Juli 1770)

  • Hallo Henning,

    Cage hat noch viel mehr komponiert, was Deiner erzkonservativen Auffassung, Kunst habe etwas mit "Können" zu tun (hier bin ich ausnahmsweise mal bei Adorno, der den Spruch ebenso hasste und richtigstellte: Kunst kommt von "müssen" - wie recht er hat....) entgegenkommt. Nimm z.B. die Sonatas & Interludes for prepared piano - vielleicht eines der großen Meisterwerke für Klavier im 20. Jhd.

    Was 4'33'' anbelangt - ich hatte schon im T-Forum einmal verscuht, die Intentionsvielfalt hinter dem Werk aufzuzeigen. Das ist nicht pure Provokation der Provokation wegen - Cage hatte ganz anderes im Sinn, Intentionen, die er mit vielen Zeitgenossen teilte - auch mit Stockhausen z.B, die er jedoch anders verwirklichte und organisierte.

    :wink:
    Wulf

    Nun mal langsam, ich habe keineswegs zum Ausdruck bringen wollen, dass die beiden von mir genannten Stücke die einzigen seien, die mir bekannt sind. Von Cage findet sich auf meiner Festplatte einiges, z.B. auch die von Dir genannten Stücke, die ich durchaus nicht schlecht finde, "Music for Eight" (ich habe die MDG-CD mit dem Ensemble Avantgarde), "Music for Two für Posaune und Klavier" könnte ich auch noch nennen.

    Gleichwohl ist 4:33, wenn es denn nun nicht als Provokation oder Schelmenstreich gedacht ist, nichts, was den Genius von John Cage vorführen oder beweisen könnte....so eine "Komposition" ist nun wirklich nicht viel mehr als eine Idee, die nicht viel voraussetzt und die jeder kreativbegabte Mensch zwischen Zähneputzen und Frühstück haben könnte...umsetzen kann man sie natürlich nur, wenn man sich vorher einen Namen - z.B. durch Können - gemacht hat. Ansonsten würde man nämlich eher belächelt werden.

    Ich habe beileibe nichts gegen Cage, auch wenn er nicht mein "Lieblings-Moderner" ist, aber gleichwohl erlaube ich mir, über 4:33 ein subjektives Urteil zu fällen. Zu Adorno möchte ich besser gar nichts sagen, diesen Menschen mag ich so wenig leiden, dass ich nur meiner Antipathie Ausdruck verleihen würde

    @ Teleton: Auch wenn 4:33 eine durchaus unglückliche Wahl ist mit Cage Bekanntschaft zu schließen: Es wird für Dich glaube ich nicht gewinnbringend sein, die anderen hier genannten Werke "Probe" zu hören. Mit der Zeit kenne ich - glaube ich - Deinen Musikgeschmack. Ich würde mich wundern, wenn Dir von Cage etwas gefallen würde. Wogegen ja auch prinzipiell nichts einzuwenden ist....(wobei sich von Cage zum Kennenlernen sicher etwas in einer Leihbibliothek finden ließe)

    Gruß
    Henning

    Stattdessen sind Sie Knall und Fall mitten im Unterricht vom Gymnasium abgegangen.
    GULDA: Ja, ich hab' gesagt, Herr Professor, darf ich aufs Klo, und bin nicht wiedergekommen. Ich glaub', es war in der Mathematikstunde .
    Warum sind Sie nicht in der Pause gegangen?
    GULDA: Das wär' ja fad gewesen. Keiner lacht. Die Tür ist eh offen. Ich wollte schon, daß es prickelt.

  • Ich neige übrigens dazu, Cage ernstzunehmen: Stille ist etwas ganz Besonderes, z. B. dann, wenn Musik eben verklungen ist. Daher stört es mich oft, wenn gleich nach dem Schlußakkord der Applaus losbricht, ich hätte da gern Ruhe und Besinnung - Nachklingen.

    Lieber Gurnemanz,

    ich sehe das genau so und möchte kurz zwei Begebenheiten schildern, die mich sehr über die Stille nachdenken ließen.

    Zunächst die außermusikalische: Vor einigen Jahren machten wir zu viert Urlaub in einer schwedischen Waldhütte in Småland. Bei der Ankunft stiegen wir aus dem Wagen und inspizierten die Lichtung, auf der sich das rote Holzhaus befand. Sehr schnell waren wir alle vier verunsichert. Irgend etwas fehlte. Und schnell war klar: Die Abwesenheit jeglichen Geräuschs war es, die uns so irritierte. In jenen Momenten raschelten nicht einmal die Bäume im Windzug, man vernahm keine Vögel und auch kein Grillenzirpen. Wir hörten buchstäblich nichts! Nach einigen Momenten war das eigene Rauschen in den Ohren das, was uns allen vieren auffiel. Ein gespenstisches, aber auch sehr beindruckendes Erlebnis, das sich in den folgenden zwei Wochen so nicht wieder einstellen wollte, da der Wind inzwischen aufgefrischt war. An besagtem Tag redeten wir abendfüllend über das Phänomen von Ruhe und Stille und der Tatsache, dass wir es bis zu jenem Tage anscheinend noch nie wirklich erleben konnten.

    Was du bezüglich des Schlussapplauses nennst: Vor gut drei Jahren saß ich in einem Konzert, in dem Schumanns Manfred in voller Länge aufgeführt wurde. (mit dem Chamber Orchestra of Europe und Thomas Hengelbrock). Die Hauptrolle sprach Klaus Maria Brandauer. Am Ende haucht seine Figur bekanntlich den letzten Atem aus und auch die Musik verstirbt in fahlen Streicherklängen. Das Licht dämpfte sich über dem zusammen gesackten Brandauer und es herrschte gefühlte zwei bis drei Minuten Totenstille. Bis schließlich der erste Zuschauer begann, zaghaft zu applaudieren und sich alle anderen zu einem wahren Beifallssturm mitreißen ließen. Ohne diese unendlich angespannten Minuten der Stille und des Luftanhaltens wäre das Konzert wohl nur halb so eindringlich in meiner Erinnerung haften geblieben.

    Dass nun Cages Werk eindeutig für ein Live-Erlebnis prädestiniert ist und weniger auf Tonträgern funktioniert, liegt auf der Hand. Daher verstehe ich teletons Anwurf auch nicht wirklich. Das Heranziehen der Konserve (was für mich eh nur die zweitbeste Form des Musikhörens ist) macht hier kaum Sinn. Darauf würde man bei ORGAN²/ASLSP ja auch nicht kommen. Oder hat sich schon eine Firma gemeldet, die das ganze Werk als Limited Box Edition herausgeben möchte? :P

    Letzten Endes ist es mir fast egal, was bei Cage wirklich als Anliegen dahinter steckt. Als musikalische Versuchsanordnung zur Sensibilisierung gegen über der Stille finde ich 4'33 bemerkenswert.

    LG
    C.

    „Beim Minigolf lernte ich, wie man mit Anstand verliert.“ (Element of Crime)

  • Lieber Henning,

    wo habe ich behauptet, dass das die einzig beiden Stücke sind, die Du von Cage kennst? Ich wollte Deine Liste lediglich um wegweisende Werke bzw. Werkgruppen ergänzen, die Deiner Auffassung nahekommen dürften.


    Zu 4'33:

    Dann frage ich Dich, den ich Dich hier als klugen und reflektieren Menschen im Forum wahrnehme, folgendes: Wir lange kennst Du 4'33'' schon und bist Du in der Zeit, bevor Du das "Werk" kanntest zwischen Zähneputzen und Frühstück auf die Idee gekommen, ein ebensolches "Werk" zu "schaffen", das die Stille in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken soll, die Konzentration auf die meist zufällig entstandenen und sonst eher selten beachteten Umweltgeräusche lenken soll, ein "Stück" das Deiner Einstellung entspringt, dass es Musik für jedermann und v.a. von jedermann gemacht sein sollte, ein "Stück", dass die Absichtslosigkeit der Dinge veranschaulicht genauso wie Deine Überzeugung, den Fokus weg vom gottgesandten Genie zu richten??

    Wenn ja, Hut ab ;+)

    Klar, Du magst einwenden, die Intention allein möge nicht ausreichen - doch ist dem so? Beruht nicht all unsere ästhetische Erfahrung auf Konventionen und Vereinbarungen? Um zur Malerei zu wechseln: Hätte Malewitsch sein "Weisses Quadrat auf weissem Grund" als erstes Werk geschaffen, vermutlich hätte es keiner beachtet - doch mit den Schriften zu seinen Absichten wäre die Nachwelt aller Wahrscheinlichkeit nach schon irgendwann darauf gestoßen und würde es entsprechend würdigen.

    Sicher ist Cages 4'33'' ein Extrem und v.a. ein Kulminationspunkt einer bestimmten Entwicklung - anti-musikalischer im konventionellen Sinne dessen, was wir unter Musik verstehen, geht es wohl kaum mehr - weniger kompositorisch ujnd unindividueller wohl auch nicht, obwohl gerade diese gewünschte Entsubjektivierung ein subjektives Merkmal von Cage ist.

    Vielleicht kann man soweit gehen, dass die nach der Romantik einsetzende mit Debussy beginnende "anti-romantische" Haltung, in der dem Seelenstriptease ein Ende gesetzt werden wollte in Cages 4'33'' mündet - vielleicht nicht linear als einzig konsequente Entwicklungslinie, aber als eine Möglichkeit.
    Hätte Cage Bach, Mozart, Beethoven usw. in einer entschlackten, mehr HIP-orientierten Fassung hören können, hätte er es vielleicht nie für nötig befunden, seine Fühler nach dem Zen-Buddhismus auszurichten und den westlichen, so edlen Kulturen etwas über Absichtslosigkeit der Dinge etc. pp. näher zu bringen....

    Insofern: Danke an die romantisierten Bach-Interpretationen, an Bombast-Messias-Interpretationen! ;+)

    :wink:
    Wulf

    "Gar nichts erlebt. Auch schön." (Mozart, Tagebuch 13. Juli 1770)

  • Cage's auf Zufallsoperationen basierende Werke könnte ich von zwei extremen Standpunkten betrachten.

    1. Er drückt ich vor der Verantwortung, selbst die Töne zu bestimmen, die erklingen sollen, was nach meiner Auffassung eigentlich zum Wesen des Komponisten gehört
    2. Er lässt sich überraschen von den Klängen, die sich von selbst ereignen, erzeugt eine Situation totaler Offenheit

    Das ganze hat sehr, sehr viele Aspekte und ist meiner Ansicht nach nicht von der Situation der Entwicklung der Musik in jener Zeit im allgemeinen und in den USA im besondern zu trennen, wie es auch sehr viel mit Cages Biografie zu tun hat, der menschlichen wie der musikalischen. Für ihn war es eine auf Dauer gangbare Lösung - für mich persönlich finde ich sie mittlerweile nicht mehr attraktiv, aber sie hat mir in den 1970er Jahren sehr viele Denkanstösse gegeben.

  • Zitat

    Allerdings sollte man auch nicht vergessen, dass das Publikum bei o.g. Konzert ausführlich vorbereitet war. Insofern hat der Dirigent von seiner Seite alles getan, die Leute nicht zu provozieren. Ja, so scheint das Stück eine kollektive Übung gewesen zu sein.

    Die kollektive Übung scheint ohnehin ein zentrales Element in der Intention Cages zu diesem Stück zu sein. Und, ja: es ist eine meditative Übung. (ein schönes Spiel (nicht nur für Kinder): mach die Augen zu und erzähle mir, was du hörst... Die meisten sind völlig überrascht davon, WAS sie alles hören..!) Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob eine derartige Vorbereitung tatsächlich - auch wenn sie sinnvoll ist - im Sinne Cages ist, denn die Provokation ist meiner Meinung bei dieser Art von Werk ein ebenfalls nicht unwesentliches Element. Mir fällt dazu die Regieanweisung zu Maurizio Kagels con voce für drei stumme Spieler ein, wonach die Spieler ihre Instrumente ansetzen und ohne einen Ton zu produzieren in dieser Position verharren, "bis das Publikum unruhig wird" . Von der Idee her ist das an dieser Stelle das gleiche wie bei 4'33''. Was wäre aber, wenn vorher jemand genau dazu eine Einführung gibt, und die Absicht des Komponisten erläutert, und wie lange gewartet wird? Wie käme dann das Stück weiter?

    Ich persönlich halte 4'33'' für ein faszinierendes Experiment. Es auf CD einzuspielen halte ich allerdings für völlig unsinnig, denn es benötigt keinen Tonträger. Das kann jeder jederzeit und allerorten selbst live aufführen...

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Es auf CD einzuspielen halte ich allerdings für völlig unsinnig

    Da musste ich ziemlich lachen, als ich las, dass es das gibt. Aber tatsächlich: eine Ausschnitt aus einer ländlich anmutenden Fassung (mit Hahn und Kirchenglocken) ist hier zu hören (Hörbeispiel 3):

    Schön fand ich den Vorschlag, jedes Konzert mit "4'33"" zu beginnen. Ja, das wäre in der Tat das Richtige, um sich auf einen Konzertabend einzustellen.

    Lieber Gurnemanz, die sicherlich sehr einfühlsame pädagogische Einführung durch den Dirigenten - hat die dem Stück nicht doch auch etwas von der Wirkung genommen? Muss nicht sein Charakter von den unverstellten Reaktionen des Publikums bestimmt sein, damit es wirken kann - Unglaube, Verwirrung im ersten Satz, Entsetzen und Aggression im zweiten, schließlich allmähliches Verstehen und Sich-darauf-einlassen bei den einen, ergebenes Resignieren bei den anderen im dritten Satz? Ich kann mir schon vorstellen, dass die Länge des Stückes und seine Dreisätzigkeit auf eine solche oder ähnliche Reaktion der zuhörenden Mitspieler ausgelegt ist. Wenn sie nun durch einleitende Worte sozusagen von vornherein auf das hingeleitet werden, was sie doch selbst im Laufe des Stückes erst erfahren und so das Stück selber aufführen sollen - wo bleibt da die Dramatik, die Entwicklung, die Gestaltung? Erst durch eine solche, meines Erachtens das Werk zerstörende, pädagogische Herangehensweise wird 4'33'' aus dem Kontext der abendländischen Musik gänzlich herausgelöst ins Esoterisch-Meditative, scheint mir.

    Grüße,
    Micha

  • Lieber Micha,

    nun, "unverstellte Reaktionen" wirst Du bei einem Stück, das immerhin schon ein halbes Jahrhundert alt ist, nicht erwarten dürfen, jedenfalls nicht bei einem Publikum, das nicht so gänzlich uninformiert ins Konzert geht. Werkeinführungen sind bei den Konzerten, die ich hier besuche, inzwischen durchaus üblich. Und aufs "Esoterisch-Meditative" haben es Dirigent und Orchester gestern wohl nicht abgesehen.

    Dies als ernsthafte Antwort auf eine Frage, von deren Ernsthaftigkeit ich nicht vollständig überzeugt bin. ;+)

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Lieber Gurnemanz, die sicherlich sehr einfühlsame pädagogische Einführung durch den Dirigenten - hat die dem Stück nicht doch auch etwas von der Wirkung genommen? Muss nicht sein Charakter von den unverstellten Reaktionen des Publikums bestimmt sein, damit es wirken kann - Unglaube, Verwirrung im ersten Satz, Entsetzen und Aggression im zweiten, schließlich allmähliches Verstehen und Sich-darauf-einlassen bei den einen, ergebenes Resignieren bei den anderen im dritten Satz? Ich kann mir schon vorstellen, dass die Länge des Stückes und seine Dreisätzigkeit auf eine solche oder ähnliche Reaktion der zuhörenden Mitspieler ausgelegt ist. Wenn sie nun durch einleitende Worte sozusagen von vornherein auf das hingeleitet werden, was sie doch selbst im Laufe des Stückes erst erfahren und so das Stück selber aufführen sollen - wo bleibt da die Dramatik, die Entwicklung, die Gestaltung?

    Im Grunde gelten Deine Einwände für alle sogenannten "Werkeinführungen". Dem Gewinn an Aufmerksamkeit, an bewusstem Zu-Hören steht ein Verlust an Unmittelbarkeit gegenüber. Man muss wohl von Fall zu Fall entscheiden, was mehr wiegt.

    Viele Grüße,

    Christian

  • Hallo Gurnemanz,

    Vielen Dank für diesen wunderschönen Konzertbericht! Und Du wurdest auch mit sehr guten Beiträgen belohnt, z.B. Carstens und Miguels. Ist doch klasse, welch schönes Echo diese Stille hat! Ja, das Stück gibt zu denken und fühlen, wie alle gute Musik. Eine tolle Idee, die es einmal geben musste.

    Gruß, Beryllo

    Gruß, Frank

    Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu.

  • Und Du wurdest auch mit sehr guten Beiträgen belohnt, z.B. Carstens und Miguels. Ist doch klasse, welch schönes Echo diese Stille hat!

    In der Tat! Vielleicht sind das Größte an diesem Stück die Gedanken und Schlüsse, die es ermöglicht: über Musik, Stille, Zeit, Werk......?! Z. B. dies:

    Die Abwesenheit jeglichen Geräuschs war es, die uns so irritierte.

    Im Sommer war ich in den Alpen wandern (ohne iPod o. ä.!). Da habe ich Ähnliches erlebt.

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Dies als ernsthafte Antwort auf eine Frage, von deren Ernsthaftigkeit ich nicht vollständig überzeugt bin. ;+)

    Irgendwas stimmt heute mit mir nicht. Das ist schon das zweite Mal heute, dass ich in diesem Forum gefragt werde, ob ich etwas ironisch meine. Ich habe das sehr ernst gemeint! Wie ich überhaupt Cage äußerst ernst nehme und weit davon entfernt bin, seine großartige Musik (ich höre gerade die "Etudes Australes"!) als Clownerie abzutun. Kam es Dir denn so absurd vor, was ich geschrieben habe?!

    Im Grunde gelten Deine Einwände für alle sogenannten "Werkeinführungen". Dem Gewinn an Aufmerksamkeit, an bewusstem Zu-Hören steht ein Verlust an Unmittelbarkeit gegenüber.

    Nein, bitte - kein anderes Werk ist so sehr auf den Zuhörer als Mitschaffenden angewiesen! Die Reaktionen verändern sich doch extrem durch so eine Einführung. Gurnemanz' Argument, das Publikum sei heutzutage ohnehin auch ohne Werkeinführung gründlich informiert, beiß sich in den Schwanz - wofür gibt es sie denn dann? Nein, ich glaube schon, dass Du in einem normalen Abonnements-Symphoniekonzert heute nur zu einem geringen Teil auf ein "vorinformiertes" Publikum stoßen würdest, wenn Du mit ihm 4'33'' aufführen wolltest.

    Grüße,
    Micha

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