Messiaen, Olivier: Die Vingt Regards, die Oiseaux und mehr betrachten

  • Vingt regards

    ok. ok., ich hab mal ein paar Stichproben anhand Nr. 10 gemacht.
    Vorweg zur Erinnerung: meine Aufnahme für die Insel ist die von

    Pierre Laurent Aimard - genaue und souveräne Gestaltung, verbunden mit einem optimal räumlichen Klavierklang.

    Dann käme Yvonne Loriod - kraftvoll, authentisch, sehr guter Klang (etwas direkter als Aimard). Manchen mag ihr Spiel ein klein wenig unpersönlich anmuten. Für mich ist das (in diesem Fall) ein Pluspunkt, ich höre die Komposition, und die ist aufregend genug.

    Michel Béroff - jugendlicher Haudegen, spielt wie ein solcher, und das atemberaubend. Trotz eines häufig übersteigerten Tempos fällt nichts unter den Tisch, tolle Klangfarben und dynamische Bandbreite. Sehr direkter Klavierklang, der dennoch ausgewogen ist (was ein Wunder für sich ist. Bei Roger Muraro [DG-CD] ist das gründlich daneben gegangen).

    Hakan Austbø - musikalisch und klanglich ganz ähnlich wie Aimard, auf jeden Fall eine sehr gute Aufnahme, spieltechnisch gibt es nichts zu kritisieren. Das Klavier klingt etwas entfernter als bei Aimard, was den kleinen Nachteil mit sich bringt, dass die Dynamik nicht in der vollen Bandbreite rüberkommt. Als Ergänzung zu Austbø würde wegen der Ähnlichkeit weniger Aimard empfehlen als vielmehr Loriod, Béroff oder was weiß ich...

    Anton Batagov: keineswegs schlecht, im Vergleich mit den vorgenannten aber eher zu vorsichtig, auch klanglich verliert die Aufnahme gegen Austbø.

    John Ogdon: sehr kraftvolles Spiel, allerdings ohne genügende Berücksichtigung der Dynamikangaben, über piano-Angaben wird manchmal einfach drübergehauen. Wegen mäßiger Klangtechnik und enger Klangbühne (kleiner Raum?) erscheint die Dynamik zusätzlich eingeengt.
    Kann man eigentlich nur empfehlen, wenn man ausschließlich mit reduzierter Abhörlautstärke hören will.

    Weitere Aufnahmen habe ich noch nicht gehört. Muss ich auch nicht unbedingt. Mein größeres Interesse gilt nach wie vor dem Catalogue d'oiseaux.

  • Yvonne Loriod -

    Magst du noch konkretisieren , welche ihrer Aufnahmen du gehört hast ? ( Das wäre auch beim Catalogue gut zu wissen ) .

    Good taste is timeless "Ach, ewig währt so lang " "But I am good. What the hell has gone wrong?" A thing of beauty is a joy forever.

  • Magst du noch konkretisieren , welche ihrer Aufnahmen du gehört hast ? ( Das wäre auch beim Catalogue gut zu wissen ) .

    ich habe nur die jeweils neuere Aufnahme aus der Warner Box "Messiaen Edition"

    In die älteren mal kurz reingehört, reizt mich nicht. Gerade bei solcher Musik ist mir die Klangsinnlichkeit einer einigermaßen modernen Aufnahme essentiell wichtig.

  • Anton Bagatov: keineswegs schlecht, im Vergleich mit den vorgenannten aber eher zu vorsichtig, auch klanglich verliert die Aufnahme gegen Austbø.

    also...das muss ein anderer Batagov sein. Meiner ist überhaupt nicht vorsichtig, genau das Gegenteil. Wuchtig ist der passende Ausdruck, viel wuchtiger als die anderen. Und klanglich absolut Spitze, auf jeden Fall auf meinen Genelec Lautsprechern. Viel besser als die anderen.

  • Weitere Aufnahmen habe ich noch nicht gehört. Muss ich auch nicht unbedingt.

    Wirklich? ;) Die Aufnahmen mit Martin Zehn (offensichtlich nur Algabal und mir bekannt) würde ich Dir noch ans Herz legen. Sowohl Vingt regards als auch Catalogue.

    Jedenfalls vielen Dank für Deine zusammenfassende Bewertung der anderen Aufnahmen! Ein bißchen liebäugle ich ja noch mit einer weiteren Anschaffung. Hm.

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • also...das muss ein anderer Bagatov sein. Meiner ist überhaupt nicht vorsichtig, genau das Gegenteil. Wuchtig ist der passende Ausdruck, viel wuchtiger als die anderen. Und klanglich absolut Spitze, auf jeden Fall auf meinen Genelec Lautsprechern. Viel besser als die anderen.

    ja klar ist das ein anderer Batagov: ich habe ja nur die Nr. 10 gehört, und da schaltet er schon hin und wieder einen Gang zurück, um sicher zu gehen. Vielleicht tue ich ihm unrecht, aber ich mag's halt wenn zwischendurch auch mal die Post abgeht.
    Aber klanglich besser als die anderen? Vielleicht wenn man sehr gute Lautsprecher hat, eher das Meditative sucht und doch laut hört. Dann könnte es passen.

  • Wirklich? Die Aufnahmen mit Martin Zehn (offensichtlich nur Algabal und mir bekannt) würde ich Dir noch ans Herz legen. Sowohl Vingt regards als auch Catalogue.


    hätte ich gern gehört. Ich kaufe aber nichts mehr auf Verdacht, und auch sonst fehlt mir eigentlich das Budget.

  • Ich kaufe aber nichts mehr auf Verdacht, und auch sonst fehlt mir eigentlich das Budget.

    Verständlich.

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

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    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Sehr interessante Debatte! Besonderer Dank an Khampan - Dank an alle anderen!

    Trotzdem will ich mir wirklich nur noch den Béroff kaufen - und dass er es ist, sei jetzt entschieden.

    ...

    :schimpf1:

    ;) :) Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • da schaltet er schon hin und wieder einen Gang zurück, um sicher zu gehen. Vielleicht tue ich ihm unrecht, aber ich mag's halt wenn zwischendurch auch mal die Post abgeht.

    ok verstehe schon, was du meinst.....Er schraubt aber keinen Gang zurück, sondern spielt von Anfang an langsamer. Er spielt es so, weil er es so will, nicht weil nicht anders kann.

    Es wird unglaublich expressiv dadurch. Die Post geht in anderem Sinne ab, eben in der Wucht der Rhythmen. Diese geht den anderen, die auf Tempo setzten, ganz verloren.
    Ich nehme an Batagov hat einen anderen Ansatz bei diesem Werk. Einen Ansatz der durch grosse Geduld, Pausen, langen Atem und Wucht überwältigt. Er hat viel mehr Zeit, die Harmonien und Rhythmen auszukosten. In der Eglise, also nr 20, aber gerade auch in Nr 10 wird das sehr offensichtlich.

  • Die Wucht der Rhythmen und damit wohl auch der Akkorde, also der Harmonik - die halte ich ebenfalls für wesentlich.

    Deshalb hatte ich vielleicht auch nie Probleme mit der etwas langsameren Gangart von Hakan Austbø. Selbst wenn ich mit meinen Eselsohren auch weniger Probleme mit der Tontechnik bei Roger Muraro habe, so hatte ich zwar den Eindruck größerer Aktivität dort - wenn ich es mal so nennen darf -, aber die Wirkung war oder ist für mich durchaus keine markantere.

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  • Ich nehme an Batagov hat einen anderen Ansatz bei diesem Werk. Einen Ansatz der durch grosse Geduld, Pausen, langen Atem und Wucht überwältigt. Er hat viel mehr Zeit, die Harmonien und Rhythmen auszukosten. In der Eglise, also nr 20, aber gerade auch in Nr 10 wird das sehr offensichtlich.

    ich gebe zu dass es einen Unterschied macht, ob man die Batagov-Aufnahme von Anfang hört, oder wie ich nur die Nr. 10 erst von Béroff, dann Aimard etc. anspielt. Obwohl ich da schon etwas abstrahieren kann, denke ich, und ich hab auch extra das Metronom gezückt, als mir die Jagdhornstelle ab 2:52 (linke Hand "comme un air de chasse, comme des cors") sehr träge vorkam. Tatsächlich unterschreitet Batagov die angegebenen 58 deutlich (während Béroff erheblich darüber liegt). Kann man machen, aber der geforderte Jagdcharakter wird da meines Erachtens verfehlt.
    Ja, wuchtig kann der Eindruck da schon sein. Was aber wenn ich stattdessen zwischendurch mal gerne eine Jagd hätte? :P

  • Was aber wenn ich stattdessen zwischendurch mal gerne eine Jagd hätte?

    :D
    also.....ich gebe meinerseits zu, dass ich natürlich nicht in die Noten geschaut habe, weil ich mir dachte, dass es derer zu viele zu betrachten gäbe. Ich wusste demnach nichts von Jagd. Jetzt muss ich mal nachdenken, wie eine Jagd da hinpasst.

    Ich habe die ganze Zeit gehört, seit dem letzten Post. Und denke mir, es kommt vielleicht auf das eigene Glaubensverständnis an, oder ob man überhaupt eins hat, welche Version einen anspricht.
    Ich nehme an, dass ich ein ziemlich archäisches habe, deshalb mag ich die Wucht. Die Idee einer Vision des Vaters......sie müsste mich umhauen, wenn ich so eine Vision hätte. Aber jeder hat eben seine eigene Vision, sein eigenes Bild. Bei mir ist es eine archäische vernichtende und schaffende Kraft zugleich. Wieso, weshalb, warum? Keine Antwort. Nur "Ich-bin". Das geht jenseits unserer Kapazität der Erkenntnis. Wenn ich mich also schon ganz am Anfang frage, wie ich dieses Werk eröffnen würde, also "Regard de Pere", dann spiele ich das anders, wenn ich an Jahwe oder wenn ich an den neutestamentlichen Gott denke (mal abgesehen davon, wie man annimmt, dass Messiaen das seinerseits gedacht hat), oder an noch einen anderen. Ein Interpret aus der orthodoxen Tradition spielt es irgendwo dazwischen. So meine Gedanken dazu.

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