Pettersson, Allan – Auf der Suche nach dem Gesang, "den die Seele einst gesungen hat"
Seit einigen Jahren begeistere ich mich für das Werk des schwedischen Komponisten Allan Pettersson. Gerade das zunächst unzugänglich Scheinende, das Schwerblütige der überwiegend einsätzigen, zwischen 40 und 80 Minuten dauernden symphonischen Kolosse reizte mich, mich mehr darauf einzulassen. Petterssons Musik rührt in einer Weise existentielle Seiten des Lebens auf, sie bohrt sich förmlich in die Grenzen des seelisch Erfahrbaren, sie spricht tiefe Sehsüchte an – so scheint es mir (man verzeihe mir die pathetische Rede) -, daß ich mich ihr schwerlich entziehen kann (und mag).
Allerdings spielt das Werk im heutigen Konzertleben eine nur marginale Rolle. 1994/95 gab es zwar einen groß angelegten Versuch, Pettersson in Deutschland bekanntzumachen; mit Unterstützung des Kultusministeriums NRW und des WDR wurden sage und schreibe 63 Pettersson-Konzerte in 27 Städten zwischen Aachen und Detmold aufgeführt! - doch leider blieb das im deutschen Konzertleben bis heute fast ohne Folgen.
Immerhin ist Petterssons Œuvre diskographisch recht gut erfaßt; Labels wie BIS und besonders CPO haben sich hier Verdienste erworben.
Ich hatte das große Glück, bislang zweimal eine Pettersson-Symphonie im Konzertsaal erleben zu können: einmal vor mehreren Jahren in Stuttgart (Peter Ruzicka leitete, glaube ich, das Radio-Sinfonie-Orchester Stuttgart) und erst kürzlich in Kaiserslautern (Orchester des Pfalztheaters, Leitung: Uwe Sandner). Beidesmal war es die 7. Symphonie, Petterssons bekannteste und „populärste“ (in dicken Anführungsstrichen, denn von Popularität kann bei dem sperrigen Schweden kaum die Rede sein). Die Aufführung in Kaiserslautern war übrigens grandios: Die orchestralen Ausbrüche überwältigten mich in einem Maße, wie das bei einem Konzerterlebnis im Wohnzimmer nicht annähernd möglich ist.
Bevor es an die Besprechung einzelner Werke und Interpretationen geht, erst einmal die wichtigsten Fakten zu Leben und Werk des schwedischen Meisters:
Biographisches
Am 19.09.1011 wurde Gustav Allan Pettersson in Västra Ryd, Uppland geboren. Er wuchs in Stockholms Arbeiterviertel Södermalm auf, inmitten schwieriger Familienverhältnisse und sozialen Elends. Es gelang ihm früh, sich mit eiserner Selbstdisziplin zu befreien; mit 12 Jahren erwarb er seine erste Violine.
1930 wurde er nach mehreren vergeblichen Anläufen zum Studium am Stockholmer Konservatorium zugelassen, wechselte bald zur Viola, nahm aber auch Unterricht im Kontrapunkt. Erste kleine Kompositionen entstanden, und er war als Instrumentalist aktiv und wirkte bei der schwedischen Erstaufführung von Schönbergs Pierrot Lunaire 1937 mit.
1939 ermöglichte ihm ein Stipendium aufgrund seines hervorragenden Bratschenspiels ein einjähriges Auslandsstudium in Paris. Danach war er 10 Jahre lang Bratscher im Orchester der Stockholmer Konzertgesellschaft (den heutigen Stockholmer Philharmonikern). Darüberhinaus nahm er Privatstunden u. a. bei Otto Olsson (Kontrapunkt), Karl-Birger Blomdahl (Komposition) und Tor Mann (Instrumentation).
1950 ließ er sich vom Orchesterdienst beurlauben und reiste für zwei Jahre erneut nach Paris, um bei Arthur Honegger und René Leibowitz zu studieren (1951–1953).
Danach beschloß Pettersson, nur noch zu komponieren, und gab seine Stellung als Orchestermusiker auf. Auch machten sich erste Anzeichen einer chronischen Arthritis bemerkbar, die ihn in den folgenden Jahrzehnten zunehmend an seine Wohnung fesselte. 1970 wurde er durch eine Nierenentzündung zu einem neunmonatigen Krankenhausaufenthalt gezwungen; seit dieser Zeit war er nahezu bewegungsunfähig.
Seit 1954 hatte er mehrfach staatliche Kompositionsstipendien erhalten, seit 1964 ein garantiertes Einkommen aufgrund eines Förderpreises des schwedischen Staates. Obwohl er mehrfach durch Preise verschiedener kultureller Institutionen geehrt wurde, blieben seine Lebensverhältnisse bescheiden. Erst 1976 konnte er eine Staatswohnung beziehen, die seine materielle Situation verbesserte.
Die Königliche Musikakademie, deren Mitglied er seit 1970 war, ernannte ihn 1979 zum Professor.
Am 20.06.1980 starb Allan Pettersson in Stockholm.
Werkverzeichnis (chronologisch)
- Zwei Elegien (1934) für Violine und Klavier
- 6 Lieder (1935) für Singstimme und Klavier (Text: Gunnar Björling, Dan Andersson, Sten Selander, Ingeborg Björklund, Jarl Hemmer)
- Fantasie (1936) für Viola allein
- Vier Improvisationen (1936) für Violine, Viola und Violoncello
- Andante espressivo (1938) für Violine und Klavier
- Romanze (1942) für Violine und Klavier
- 24 Barfotasånger (Barfußlieder, 1943–1945, revidiert in den 1960er Jahren) für Singstimme und Klavier (Text: Allan Pettersson)
- Lamento (1945) für Klavier
- Fuga in E (1948) für Oboe, Klarinette und Fagott
- Konzert für Violine und Streichquartett (1949)
- Konzert für Streichorchester Nr. 1 (1949–1950)
- 7 Sonaten (1951) für zwei Violinen
- Symphonie Nr. 1 (1951, Fragment)
- Symphonie Nr. 2 (1952–1953)
- Symphonie Nr. 3 (1954–1955)
- Konzert für Streichorchester Nr. 2 (1956)
- Konzert für Streichorchester Nr. 3 (1956–1957)
- Symphonie Nr. 4 (1958–1959)
- Symphonie Nr. 5 (1960–1962)
- Symphonie Nr. 6 (1963–1966)
- Symphonie Nr. 7 (1966–1967)
- Symphonie Nr. 8 (1968–1969)
- Symphonie Nr. 9 (1970)
- Symphonie Nr. 10 (1972)
- Symphonie Nr. 11 (1973)
- Symphonischer Satz (1973)
- Symphonie Nr. 12 (De döda på torget) (1974) für gemischten Chor und Orchester (Text: Pablo Neruda)
- Vox Humana (1974) für Soli, gemischten Chor und Streichorchester (Text: Manuel Bandeira, Daniel Laínez, Roberto Fernández Retamar, César Vallejo, Murilo Mendes, Nicolás Guillén, Cassiano Ricardo, Miguel Barnet, Pablo Neruda)
- Symphonie Nr. 13 (1976)
- Violinkonzert Nr. 2 (1977–1978, rev. 1980)
- Symphonie Nr. 14 (1978)
- Symphonie Nr. 15 (1978)
- Symphonie Nr. 16 (1979) für Altsaxophon und Orchester
- Violakonzert (1979, nicht vollständig ausgeführt)
- Symphonie Nr. 17 (1980, Fragment)
Quellen :
- (1) Musik von Allan Pettersson. Konzerte 1994/95 und ein Symposion, hrsg. vom Sekretariat für gemeinsame Kulturarbeit in Nordrhein-Westfalen (Wuppertal 1994).
- (2) Internationale Allan-Pettersson-Gesellschaft e.V. ("]http://www.pettersson100.de")
Auch wenn Allan Pettersson, wie gesagt, im öffentlichen Konzertleben kaum existiert – frage ich in unsere Runde:
- Welche Erfahrungen habt Ihr mit Werken Petterssons gemacht?
- Was fasziniert Euch, was weniger?
- Worin liegt die musikgeschichtliche Bedeutung Petterssons?
- Welche Aufnahmen verdienen eine Empfehlung?
... dann habe ich Hoffnung auf interessante Antworten und Beiträge.