Wer nicht lesen will, muss hören!

  • Nach der Lektüre das Hörbuch:

    Dickens lief in den letzten Tagen auch hier. Nicht „Bleak House“, sondern „Die Pickwickier“; nicht im Original, sondern die wunderbare Meyrink-Übertragung; nicht Sir John Gielgud (fieser Druckfehler auf dem Cover von „Bleak House“ übrigens), sondern Hans Joachim Schmidt. Letzterer, emeritierter Pädagogikprofessor, hat allerlei Werke der Weltliteratur eingelesen. Und auch hier höre ich ihn wieder gern. Angenehme Stimme, klare Durchdringung des Textes sowie durchweg intelligente und attraktive Darstellung desselben.

    Für den Weihnachtsurlaub habe ich mir schon seine Darstellung von Raabes „Odfeld“, Ovids „Metamorphosen“ und Smolletts „Abenteuer des Roderick Random“ heruntergeladen.

    :wink: Agravain

  • Eigentlich gehört das hier eher in eine Kategorie: Eben gekauft und noch nicht gehört.

    Die gesamte 'Recherche' gelesen von Peter Matic. Als Student habe ich sie damals gelesen und dieses Leseerlebnis, diese 'Expedition' hat unendlich viel in mir bewirkt. Aber in den folgenden Jahrzehnten habe ich es nie mehr geschafft, es in Gänze noch einmal zu lesen. Und ich werde es auch nicht mehr schaffen, da bin ich mir sicher. Deshalb nun als Hörbuch, denn da bin ich mir sicher, dass es nun endlich wieder einmal klappen wird. Ich bin sehr gespannt, wie ich es nun als alter Knacker erleben werde. Demnächst kommt es und die dunkle Jahreszeit ist vielleicht gerade richtig dafür.

    :wink:Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)




  • Ach, war das eine Freude! Insbesondere auch, weil die hier Lesenden so ein wunderbares Englisch sprechen. Also: nicht nur ein inhaltlicher, sondern auch ein prosodischer Genuss.

    :wink: Agravain

  • Gestern Abend auf der Heimfahrt fertig gehört. Seit einigen Jahren gehören die Walter Moers (Hör-)Bücher beinahe zum Ritual. Ich bin gegenüber Hörbüchern relativ kritisch, ich muss die Stimme wirklich unbedingt mögen, sonst war's das direkt. Bei Walter Moers war es eine besondere Herausforderung, da DIE Stimme der Bücher, Dirk Bach, leider verstorben ist. Mit Andreas Fröhlich haben sie aber einen wirklich würdigen Nachfolger gefunden.

    Zum Buch: Es ist das neuste Abenteuer des chronisch unzuverlässigen Lindwurms Hildegunst von Mythenmetz. Es ist als Sammlung von Briefen angelegt, die unser hypochondrischer Held seinem guten Freund Hachmed ben Kibitzer von der Insel mit den einhundertundelf Leuchttürmen Eidernorn schickt. Mythenmetz war dort zur Kur untergebracht, um seine ungeklärte Allergie zu heilen. Hachmed kommt nie zum antworten, da Mythenmetz mit einem Orkan auf der Insel ankommt, die alle Schiffe Eidernorns manövrierunfähig macht - und die Briefe somit nie die Insel verlassen können. In den folgenden knapp 22 Stunden werden uns fantastische, überaus kreative und teilweise extrem unglaubwürdige Episoden geschildert, immer wieder durchzogen von Querverweisen auf seine anderen Werke und die ihn jederzeit umtreibende Hypochondrie. Es lässt sich sagen, dass wir hier einen wirklich schönen Zamonienroman zu lesen bekommen, der mit der Insel Eidernorn noch einmal neue, liebevoll erdachte und schrullige Eigenschaften dieser zauberhaften Welt vorstellt. Trotzdem fügt es sich nahtlos in die anderen Werke ein und somit begegnen uns entfernte Cousins von bekannten Figuren, Schrecksen, Eideten und nicht zuletzt das Quaquapper. Besonders nett fand ich persönlich Mythenmetz' aufkeimende Liebe für die von ihm geretteten und nun als Haustiere gehaltenen Humdudel.

    Es ist wirklich lesens- und wie ich finde vor allem hörenswert. Tiefgründige, sozialkritische oder profunde Literatur ist das nicht. Aber es ist ein wirklich rumdum gelungenes, eskapistisches und fantastisches Werk, das uns in eine Welt entführt, die wie keine andere Fantasyumgebung aussieht und funktioniert.

    Wer Lust hat "das ist wirklich einfach schön" zu sagen, dem kann ich die Tausend Leuchttürme nur ans Herz legen.

  • Vor 20 Jahren habe ich "Die Stadt der träumenden Bücher" gelesen. Ich verstehe, as Du meinst. :)

    Gruß, Frank

    Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu.

  • Ja da kommt's wohl nicht ran... :)

    Das sehe ich auch so. Mit der „Stadt der träumenden Bücher“ war Moers auf dem Gipfel seiner wildwuchernden, beinahe romantischen Fabulierkunst. Danach - nach meinem Dafürhalten - eine ziemlich unfruchtbare Phase. War „Der Schrecksenmeister“ noch einigermaßen unterhaltsam, so musste ich mich durch „Das Labyrinth der träumenden Bücher“ quälen, „Prinzessin Insomnia“ bewirkte bei mir die zum Titel gegenteilige Reaktion und auch „Der Bücherdrache“ konnte mich nicht wirklich fesseln. Mit den „Leuchttürmen“ konnte ich wieder erheblich mehr anfangen und hoffe nun, dass der neu entflammte kreative Funke nicht gleich wieder erlischt.
    Ad Hörbuch: Das habe ich noch nicht gehört, kann mir aber durchaus vorstellen, dass Fröhlich das liegt. Vielleicht besorge ich mir das für den Osterurlaub.

    :wink: Agravain

  • War „Der Schrecksenmeister“ noch einigermaßen unterhaltsam, so musste ich mich durch „Das Labyrinth der träumenden Bücher“ quälen, „Prinzessin Insomnia“ bewirkte bei mir die zum Titel gegenteilige Reaktion und auch „Der Bücherdrache“ konnte mich nicht wirklich fesseln. Mit den „Leuchttürmen“ konnte ich wieder erheblich mehr anfangen und hoffe nun, dass der neu entflammte kreative Funke nicht gleich wieder erlischt. .

    :wink: Agravain

    Da kann ich nur zustimmen. Den Bücherdrachen habe ich gar nicht angerührt, das Labyrinth hat mir wirklich das Herz gebrochen. Insomnia war nicht sooooo schlimm ... Käptn Blaubär war wunderbar, die Stadt der Träumenden Bücher war - in meinen Augen - sein Meisterwerk. Ich hätte echt Angst vor den Leuchttürmen, bin aber wirklich erleichtert. :)

  • Schon wieder keine große Literatur, aber ein echt spannender Roman über zwei Frauen, die sich zufällig an ihren 45. Geburtstagen begegnen und feststellen, dass sie am selben Tag im selben Krankenhaus geboren wurden. Sie könnten unterschiedlicher nicht sein - Alix, eine erfolgreiche, schöne kleine Berühmtheit mit hinreißenden kleinen Kindern und einem liebevollen Partner, Josy hat zwei erwachsene Töchter, die beide nicht mehr mit ihr sprechen, einen Mann, der 30 Jahre älter ist als sie und von dessen Pension sie leben. Und vor allem hat Josy das Gefühl, dass ihr Leben vorbei ist. Es ist immer dasselbe, ihr alter Mann, mit dem sie zusammen ist, seit sie 16 und er 42 war, immer dieselbe Garderobe, die beinahe ausschließlich aus Denim besteht. Sie will, sie muss etwas ändern, bevor es zu spät ist - und sie bittet Alix, das ganze für ihren Podcast zu dokumentieren.

    An diesem Setting entspinnt sich eine banal wirkende Erzählung, die Klassenunterschiede und Machtstrukturen aufzeigt, und im Verlauf immer stärker hinterfragt, ob die Erzählerinnen wirklich die Wahrheit sagen, ob sie lügen oder nur an ihre eigene Wahrheit glauben.

    Hat Spaß gemacht und zumindest dafür gesorgt, dass ich meine Laufroutine wieder aufgenommen habe - anfangs hatte ich mir vorgenommen, nur beim Laufen reinzuhören aber das ließ sich irgendwann auch nicht mehr durchhalten. Mich hat's ziemlich gepackt.

    Wer Weltliteratur erwartet, wird enttäuscht. Wer einen kurzweiligen, interessanten Psychothriller will, der einen vom Musikhören abhalten kann, könnte sich das ja mal anschauen :)

  • Lesend habe ich bereits über 500 Seiten von Karl Schlögel : Terror und Traum - Moskau 1937 hinter mir gelassen . Aber ab und an braucht es eine Rekreationsphase , und dann ist es Zeit für Madhav Sharma , mir auf seine unnachahmliche Art aus Kim von Rudyard Kipling vorzulesen . Bin sonst kein Hörbuch - Nutzer , aber hier ist eine Dimension hinzugekommen , die ich durch eigenes Erlesen so nicht erreiche - es klingt.für mich zur Geschichte einfach passend . - JPC hat nur die 1-CD Ausgabe , aber ein Bild . Amazon kein Bild möglich , aber sie haben die essentielle 11 CD Ausgabe ..

    Good taste is timeless "Ach, ewig währt so lang " "But I am good. What the hell has gone wrong?" A thing of beauty is a joy forever.

  • Pendeln, Training und Joggen führen zu erhöhtem Hörbuchkonsum.

    Gerade abgeschlossen:

    Fast schon ein Klassiker, möchte man meinen. Gelesen von der Autorin selbst, was ich in diesem Fall ausgesprochen gelungen finde. 22 Stunden dauert das Teil, absolut lohnenswert, das direkt vorne weg.
    Die Geschichte spielt in einem fiktiven College in Vermont, in dem sich eine elitäre Clique rund um einen etwas geheimnisvollen aber genialen Altphilologen formiert. Sie alle studieren Griechisch, halten sich - einige mehr, andere weniger - für Genies und wahre Gelehrte, streben nach den antiken Idealen und sind vor allem eins: verdammt arrogant.

    Die Geschichte wird oft dem Genre der sog. Whodunit zugerechnet, also Literatur oder Filmen, die das stückweise Aufklären eines Mordfalls zum Thema haben - am Ende wird dann eröffnet, wer der Mörder ist. Hier verhält es sich etwas anders - es ist gewissermaßen ein Whydunit. Dass zwei Morde passiert sind, ist von Anfang an klar, der Erzähler strukturiert seine gesamte Geschichte darum und legt das direkt zu Beginn offen. Was allerdings erst langsam aufgeschlüsselt wird, ist warum die Morde passieren und vor allem, wer überhaupt das Opfer sein wird. Compelling, möchte ich meinen. Das wahrlich brillante an diesem Buch ist aber, wie Donna Tartt es schafft, dass man Mitgefühl mit den Hauptcharakteren entwickelt, die ehrlicherweise alle ziemlich miese Personen sind. Sie sind arrogant, süffisant, elitär, snobistisch, fürchterlich abgehoben, realitätsfern und alles in allem wahre Karikaturen des Ivy League Studenten. Sie saufen, sie rauchen, sie sind verstrickt in Drogenexzesse, sie kümmern sich um nichts und niemanden außer sich selbst und glauben, an die antiken Gelehrten anknüpfen zu können, indem sie Hesiod lesen. Am Ende sind sie alle abhängig von Trustfunds und frönen dem Hedonismus wie Dionysos es nicht besser könnte - und genau das ist bis zu einem gewissen Punkt auch ihr Ansinnen.

    Hinter all diesen Punkten steckt aber eine ziemlich profunde Sozialkritik. Academia als verklärtes, ästhetisiertes Konzept, das hauptsächlich dem Auge und den Sinnen genügen muss. Lernen um des Scheins des Lernens willen wird ad absurdum geführt, weil genau das letztlich der Stein des Anstoßes ist. Es geht den Hauptfiguren nicht tatsächlich darum, Wissen über die Welt zu erlangen. Es geht ihnen um das scheinbare Eintauchen in eine längst vergangene, nie dagewesene Zeit göttlicher Vernunft und Transzendenz - die Antike wird hier zu einem sehr interessanten Referenzraum für alles, was gut ist und die Moderne zu einer dreckigen, ausgehöhlten und verbrauchten Groteske. Das alles findet aber eben vor dem Hintergrund statt, dass Morde verübt werden - unter anderem wegen dieser seltsamen Überidentifikation mit jener erdachten Epoche.

    Lesenswert - und hörenswert! Denn Donna Tartt gelingt es wunderbar, den Ekel, den der Erzähler über vermeintlich weniger kluge oder schöne Menschen empfindet, in ihrer Stimme herüberzubringen. Man möchte sich teilweise schütteln aber kann es eben doch nicht sein lassen.

    Ich kann es wärmstens empfehlen.

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