Kabarett wär´ nett!
Das sagte eine gute Freundin früher immer, wenn ich fragte, was der Abend uns denn noch bescheren möchte? „Kabarett wär´ nett!“ Naja, ich war schon froh, nicht den zweitausendsten Liederabend aufsuchen zu müssen, der wieder so eine fürchterlich aufstrebende Dudelschnepfe in irgendeine Wasserburg oder ein wahnsinnig verschwiegenes Foyer verschlagen würde. Und uns mit ihr.
Doch auch das Kabarett hat so seine Örter. Alles ist möglich, überall kann man landen, wenn man nicht aufpaßt. Stadthalle, Schulaula, Unibibliothek, Theaterkantine, Luftschutzkeller, Turnhalle, Dorfdisco, Altenheim, Edekaparkplatz, Scheunendachboden, Familiensauna oder Bahnhofsklo.
Und manchmal sogar in eigens für das Kabarett eingerichteten Anstalten. Wir haben da in Düsseldorf natürlich das „Kom(m)ödchen“ und in Kölle insbesondere das „Senftöpfchen“. Aus letzterem bin ich bei oder genauergesagt vor Richard Rogler einmal rausgeflogen, weil ich nicht einsah, meine Jacke für teuer Geld an der Garderobe abzugeben. Kabarett beginnt nicht erst, wenn das Licht ausgeht…
Ich habe einen Thread für zunächst alle Vertreterinnen und Vertreter dieses Genres aufgemacht, weil es doch womöglich eher wenige Namen gibt, die einen ganzen Thread allein füllen können.
Beginnen möchte ich nun allerdings mit einem Mann, bei dem das sicher möglich wäre und dem man bei uns am Niederrhein wohl nicht entfliehen kann, wenn man ein wenig sprachverbunden und am ganz normalen Wahnsinn unsres Alltags interessiert ist.
„Wenn man durch den Gang im Duisburger Hauptbahnhof geht, meint man immer, man ist schon in Oberhausen, so lang ist Gang.“
Ich kenne ihn, seitdem ich etwa zehn, zwölf Jahre alt war. Meine Mutter hörte seine Platten. Der sprach immer so schnell und dudelte auf seiner fürchterlichen kleinen Orgel, auf der er eingestandenermaßen nur vier Akkorde strategisch geschickt über sein umfassendes Liedschaffen zu verteilen wußte.
Wir waren in eigentlich fast allen seiner Programme. Als ich besagte gute Freundin erstmal mit seinem Werk vertraut gemacht hatte und wir ihn zehnmal oder häufiger gesehen hatten, meinte sie irgendwann zu mir: „Ich werde sehr traurig sein, wenn Hüsch mal sterben wird.“
Hanns Dieter Hüsch ist gestorben, am Nikolaustag 2005, nachdem er sich von einem Schlaganfall im November 2001 nicht mehr erholen konnte.
Ihm war nicht vergönnt, sein „Rentnerdasein“ so zu verbringen, wie er sich das immer gewünscht hatte: „Einfach mal Zeit haben, nirgendwohin müssen, am Rhein sitzen und die Schiffe zählen.“
Auch „seinen“ Lear hat er nicht mehr gespielt. Aber er hat sonst eigentlich alles andere gemacht, was man so machen kann.
Salonlieder, politische Lieder, Kinderlieder, religiöse Lieder, niederrheinische Lieder.
Kurze Texte, lange Texte, noch längere Texte, Bühnenprogramme und Bücher.
Er hat den „Vätern der Klamotte“ seine unverwechselbare Stimme geliehen („Was muß Wachtmeister Knickebein hier sehen!!!!“).
Er hat demonstriert und gepredit, gestritten und versöhnt, sich lustig gemacht und in Schutz genommen. Er hat zu Menschen und für Menschen gesprochen und geschrieben. Und doch immer ein loses Mundwerk gehabt, einen gnadenlosen Blick auf liebenswerte und weniger liebenswerte menschliche Schwächen.
Und er hat Hagenbuch erfunden, den unbestechlichen Verrückten mit dem kerngesunden Weltbild, von dem wir alle noch was lernen können.
Alles weitere wird man bequem im Netz zu finden wissen, besonders diese Seite sei empfohlen:
"http://www.h%c3%bcsch.org/html/home.html"
Folgende CDs der in meinen Augen reifsten und rundesten Programme Hüschs, die ihn auf der Höhe seines Könnens zeigen:
Eigentlich ist jede einzelne davon unentbehrlich für den eigenen Gefühls- und Gedankenhaushalt.
Hüsch hat auch Programme gespielt, die der "Klassischen Musik" gewidmet waren (z.B. "Mein Mozart" 1996 mit Musikern der Heidelberger Symphoniker). Er hat die Beggar´s Opera textlich zusammengehalten und etwa Schuberts "Häuslichen Krieg" lebendig werden lassen.
Hanns Dieter Hüsch ist eine eigene Kategorie. Man hat das "literarisches Kabarett" genannt, was er gemacht hat, in Abgrenzung zum politischen Kabarett, das ähnlich führend sein guter Freund Dieter Hildebrandt bis heute noch verkörpert.
Aber im Grunde ist Hanns Dieter Hüsch die Ein-Mann-Revolution innerhalb jeglicher Spartenzuweisung. Hüsch ist eines zu aller Zeit, in jeder Situation seines Lebens gewesen: anders.
„Die wenigen, die nicht so sind wie die meisten, das müßten die meisten sein!“
Ein Ziel aufs Innigste zu wünschen.
Liebe Grüße,
Alex.