Hilde Güden, "meine" großartige Lieblingssopranistin!
Wenn ich hier schreibe "meine" dann heißt es nicht, dass ich sie in Besitz genommen habe, es heißt nur, dass ich mit ihrem Sohn befreundet war, und so ergab es sich auch,dass ich mit ihr eine Freundschaft aufbauen konnte, zumal sie in Klosterneuburg bei Wien, neben einem Firmenkollegen ihre Villa hatte, wo sie auch wohnte! Und ich war, nicht nur bei meinem Gymnasiumfreund, sondern auch bei Hilde Güden, oft zu Gast, eine Dame von Kopf bis zu der kleinsten Zehe.
Ich habe die Unterlagen über sie gesammelt, brauche also nicht aufs andere Forum zurückgreifen, ähnliche oder selbe Zitate sind eben, von sich aus, gegeben.
Hilde Güden wurde, am 15.9.1917, als Hulda Geringer, in Wien geboren und nach ihrem Debüt, 1937, an der Volksoper, und 1938 in Zürch, da als Despina und 1939 in an der WStO, wo Clemens Krauss seine Hand, bildlich gesprochen, über sie hielt, auftreten.
Eine nette Anekdote gabe es zu ihrem Auftreten als Despina in Zürich, wo sie , hypernervös, auftrat, und die Aufgabe hatte den beidern Sängerinnen der Fiordiligie und Dorabella, je eine Tasse Schokolade zu bringen, und hinfiel, was die eine zur anderen zum Ausdruck brachte: "Lieb ist sie ja, aber ein Tramperl!"
Diese Anekdote erzähle sie oft, und sie lachte über das, aber worüber sie nie lachte, war, dass sie 1942 wegen ihrer jüdischen Herkunft Wien in Richtung Italien verlassen musste, denn sie hatte kein Vertrauen mehr zu Clemens Krauss. Sie sang dann in Rom und Florenz.
Jetzt kommt das, was ich auch, im anderen Forum schrieb, und da es meine eigene, auch "aktive Karriere?", vom Anfang an betraf.
Gleich nach Ende des 2. Weltkrieges begann dann in Wien eine Karriere, die eine der längsten und erfolgreichsten innerhalb unseres Ensembles werden sollte: "Die silbrigste Sophie aller Zeiten" wurde sie nicht nur von Richard Strauss selbst, sondern auch vom Publikum genannt, und sie war schon seit Beginn des Zustandekommens eines Wiener Opernbetriebes am Theater an der Wien, und der Volksoper - hier in der Operette - mit dabei.
Sie war für mich, gemeinsam mit Elisabeth Schwarzkopf, das Idealbild einer Wiener Sängerin, und ich weiß es ist etwas zu viel persönliches Fan-Bekenntnis, hier mit dabei mitschwingt.
Am Beginn ihrer Karriere, war sie im Koloraturfach tätig. Neben der erwähnten Sophie war sie auch eine berauschend gute Zerbinetta in "Ariadne auf Naxos", Eurydice in Glucks "Orpheues" [beide Partien auch bei den Salzburger Festspielen], Gilda im "Rigoletto", Musette in "La Bohéme", später auch eine berührende Mimi.
Doch die Konstellation, dass die Opernsänger auch an der Volksoper Operette zu singen hatten, brachte es mit sich, dass die Ära Juch für die weitere Karriere Hilde Güdens wegweisend sein sollte: durch die Partie der Rosalinde in der Fledermaus wurde das Stimmfach in Richtung Grandes Dames hin weiterentwickelt.
Die Stimme mit ihrer absoluten Höhensicherheit, aber vor allem durch ihr perfektes Spinnen von Legatobögen ideal für eine noble bühnenbeherrschende Interpretion geeignet war, erreichte auch in diesem Fach ihre große, auch internationale Karriere. Nicht nur, dass sie in ganz Europa und auch an der MET sang, war sie vor allem die erste europäische Sängerin, die vom gefürchteten Publikum der Mailänder Scala auch in der italienischen Primadonnenrolle akzeptiert wurde. Neben der zutiefst melancholischen Liú in der "Turandot" und vor allem der klugen, wissenden, Adina im "Liebestrank" waren es vor allem drei Partien im italienischen Fach, mit denen Hilde Güden besonders identifiziert wurde: ihre anmutige und doch zutiefst tragische Gilda im "Rigletto", die fatal zwichen ihrer ersten großen Liebe ihres Lebens und dem väterlichen Gehorsam zerbricht, ihrer schicksalhaften Violetta in "La Traviata", der Kameliendame, der nach all ihrer Leichtlebigkeit in ihrer ersten wirklich empfundenen Liebe Verzicht und Tod beschieden sind, und last but not least ihre unglaublich ausdruckhafte Mimi in "La Bohéme", die im Zauber des Pariser Winters ausweglos bis zum Tod erleben muss.
Wenngleich man an der Bühnenerscheinung bewundern und manchmal deswegen auch kritisieren konnte, so wird man auch heute noch die Gestaltung ihrer Todesszenen in den letztgenannten Partien nicht vergessen können. - Ganz besonders habe ich da ihre Mimi des Jahres 1964 in Erinnerung [ich war dabei], wo ein damals recht wohlgenährter Rudolf durch die strahlende Leidenschaftlichkeit neben ihr in seinem Wiener Debüt besonders auffiel: Luciano Pavarotti.
Da deutsche Fach nahm naturgemäß den größten Teil ihres Repertoire ein: von ihrer hyperkultivierten gesungenen Pamina in der "Zauberflöte", ihrer leidvoll verlassenen Donna Elvira im "Don Giovanni" (vordem war sie eine bezaubernde Bäuerin Zerline] bis zum zart-lyrischem Evchen in den "Meistersingern" spannte sich der Bogen, der aber speziell durch die Richard Strauss-Partien gekrönt wurde. Bis heute neben der Sophie vor allem ihre Aminta in der "Schweigsamen Frau" und ihre nahezu traumverklärte Daphne, die Karl Böhm in der schon legendären Festwochenaufführung (1964) herausbrachte: zusammen mit Fritz Wunderlich (Leukippos], James King (Apollo) und Paul Schöffler (Peneios).
Der Stimmzauber der Güden brachet es aber auch mit sich, dass sie zwei Partien des französischen Repertoires ebenfalls eroberte: da war es in erster Linie ihre Margarethe in Gounod gleichnamiger Faustoper - ein Geschöpf ganz im Sinne Goethes, (wer erinnert sich nicht an die vielbejubelten Aufführungsserien Gedda - Güden - Siepi?) und ihre märchenhaft verträumte Melisande in Debussys viel zu vergessenen Meisterwerk.
Kein Geringerer als Herbert von Karajan präsentierte Hilde Güden aber auch als Operettendiva ersten Ranges. In seinen Silvestervorstellungen der "Fledermaus" sang sie eine überwältigend gekonnte Persiflage einer "Wiener Dame in Nöten" - und ihr Czardas im 2. Akt beim Ball des Prinzen Orlofsky wurde stets ein Triumph für die Künstlerin und für alle, die eine Traumstimme, verbunden mit höchster Kultur, zu schätzen wussten.
Nicht vergessen kann ich ihren Oratorium Auftritt im Wiener Konzerthaus, als sie in Haydns "Schöpfung" mit Waldemar Kmentt und Walter Berry den Gabriel und die Eva sang.
Als sich ihre Karriere dem Ende zuneigte, wurde sie in der Ära Seefellner gemeinsam mit Otto Wiener an die Spitze des WienerOpernachwuchsstudios berufen, wo sie bis zu ihrer Erkrankung ein umsichtiges Regiment führet.
Durch die Scheidung und des erfolgten Verlassens und Nichtkümmerns durch ihren Sohn, hatte auch ich zu ihr den, persönlichen, Kontakt verloren, jedoch erkundigte ich mich, regelmäßig, nach ihrem Befinden bei ihrer Haushälterin, die ihr mehr als eine Freundin war.
Wenn wir uns heute an Hilde Güden erinnern und uns von ihrer Stimme mittels der technischen Kunst der LPs oder CDs faszineren lassen, so fallen mir immer ihre Sophie-Worte bei der Überreichung der silbernen Rose ein: "Ist's wie ein Stück vom Himmel" - das war das Flair von Hilde Güden, mit dem die Künstlerin für ihre Fans unvergesslich geworden ist!
Hilde Güden starb, nach langer schwerer Erkrankung, am 17.9.1988 in Klosterneuburg bei Wien und wurde im Waldfriedhof in München, zur letzten Ruhe bestattet.