PUCCINI: Madama Butterfly – Milchpunsch oder Whisky?

  • Ein Bestreben, die Unterdrückung der Frau anzuprangern, kann ich da beim besten Willen nciht finden! :shake:

    Liebe Fairy

    Du missverstehst Puccini, er war doch nie und nimmer Macho. Er liebte die Frauen ! :D
    Aber im ernst. Das wäre auch reichlich weit hergeholt. Und das Wort Unterdrückung würde ich mit Ausbeutung ersetzen. Denn das passte zu ihm. Die Beute. Puccini war der Lebemann in Person. Gefieder schoss er ja bekanntlich tonnenweise vom Himmel und ich weiss nicht ob er wohl mehr Vögel abgeschossen oder Frauen vernascht hat.

    Die Musik zu dieser Oper fand ich noch nie gut. Ich habe es paar mal probiert, aber liess es bald mal bleiben. Natürlich gefallen mir einige Arien von ihm, aber ich kann eigentlich mit keiner seiner Opern etwas angfangen. Mir ist das einfach alles zu dick aufgetragen, dieses Mama-Amore-Leiden. Aber diese Brüll-Orgien scheinen immer noch unheimlich populär. Mir kommts vor, als ob Puccini immer noch die Nummer Eins ist in den Opernhäusern der Welt.

    Lieber Gruss
    Said

  • Anlässlich des 80. Geburtstags gab Michael Gielen ein Interview mit Jörg Hillebrand bei DW-Radio. Da erwähnte er kurz über Puccinis Butterfly (Quelle: http://www.dw-world.de/dw/article/0,2144,2634764,00.html[)

    „Die Musik von Puccini wurde damals im deutschen Kulturkreis nicht sehr hoch geachtet. Sie wurde zu klein besetzt und flüchtig aufgeführt. Puccinis Sinnlichkeit und Technik des Orchesterklangs wurden nicht ausreichend gewürdigt. Mitropoulos wurde nun von Karajan eingeladen, „Madame Butterfly“ einzustudieren. Das war sonst in Deutschland ein Stück in der Nähe von „Das Land des Lächelns“, kitschig, billig, nur mit ein paar hübschen Nummern, aber bei Mitropoulos wurde es zu großer Musik. Nach dieser sehr dramatischen und engagierten Version der „Butterfly“ klang ein Puccini unter Karajan zwar schön, aber sehr süßlich. Mitropoulos brachte die humanen Inhalte hervor, während Karajan hauptsächlich die Oberfläche gestaltete.“

    Daher war mein Interesse groß, mal die Wiener Aufführung unter Mitropoulos zu hören, um zu wissen, was Maestro Gielen die „humanen Inhalte“ meinte. Leider hat Label Orfeo vor kurzem nicht die Premiere unter Mitropoulos, sondern die Wiederaufnahme unter Berislav Klobucar veröffentlicht (vielleicht gibt’s gar keine Tonzeichnung der Premiere). Sicherlich Jurinac kann das Seelendrama einer Frau auch unter dem anderen Dirigenten problemlos herausbringen, aber meine Neugier bleibt…

    Und meine Skepsis gegenüber Butterfly auch. Ich hab grundsätzlich so immer Problem, wenn eine sexuelle Beziehung zu einer Minderjährigen in Zentrum steht und drum herum mit einem akustischen Zuckerguss perfekt verpackt ist. Natürlich scheint mir so eine Beziehung im Land des Berlusconi, moralisch ethisch wie auch immer, nicht sonderlich schräg geguckt. Und Japaner selbst ticken ja auch ein wenig anders, besonders was so Minderjährige betrifft. Trotzdem kann ich mit solcher Zuneigung zu einer pädophilischen Liebe überhaupt nicht anfangen. Vielleicht ist das Wort Pädophilie zu hart im Zusammenhang mit Butterfly, da Cio Cio San eindeutig bereits in ihrem Alter in einem „leichteren“ Gewerbe tätig war, und sie hätte sicherlich mindestens Ahnung davon gehabt, was Männer so sind und von ihr wollten. Aber sie ist wiederum keine Nabokowsche Lolita, eine Kunstfigur (oder Fantasiefigur), die jenseits sämtlicher moralischen Instanzen steht. Daher ist und bleibt mein Verdacht groß, dass der süßliche Klang des Puccini nur eine Ablenkung und Entschädigung von der amoralischen Männerfantasie ist (obwohl ich eigentlich kein Fan von politischer Korrektheit bin).

    Und vor langer Zeit hat mal eine japanische Freundin mal gesagt (nicht wörtlich aber sinngemäß Zitat) „Ich kann Butterfly überhaupt nicht nachvollziehen. Kein japanisches Mädchen wird so ihren Mann und Sohn so einfach gehen lassen. Eher geht sie mit Messer auf Pinkerton los“. Das wäre ja mal eine gute Schlussszene von Butterfly. Eigentlich habe ich klammheimlich gehofft, dass Calixto Bieito seine Inszenierung in KOB so enden lässt. Daher war meine Enttäuschung groß, dass Bieito wieder nur seine bereits bekannten Bausteine wie Prostituierte, Sextourismus, Amoklauf usw. zurückgriff.

    Musikalisch habe ich auch so mein Problem.
    1.Erste halbe Stunde, bis Cio Cio San auftritt, ist wirklich gefühlte Zwei Stunden. Diese Länge ist doch ein wenig zu viel.
    2.Im 2. Akt, wo eigentlich Cio Cio San selbst zwischen Hoffnung und Tristesse zerrissen sein sollte, hört man wenig davon. Vielleich mal kurz bei „due cose potrei far“ und „e questo? Egli porta pure scordare?“, aber mehr finde ich nichts, ehrlich gesagt.
    3.Das Gewicht vom bis zu dem letzten Ton leicht und sinnlich gehaltenen Klang ist einfach überpräsent. Daher ist mein Interesse groß, wie Mitropoulos die humanen Inhalte daraus herauskristallisierte.

    Es gibt mittlerweile ziemlich viele Butterfly-Variante. Es ist doch klar, solche ultimative Männerfantasie – hingebungsvolle Liebe einer Minderjährigen, hingebungsvolles Warten einer Minderjährigen, Scheidung ohne Scheidungskrieg – überall beliebt ist. Broadway Erfolg "Miss Saigon" wäre dann eine Zuckertorte-Variante von Butterfly, ihr Süßstoffgehalt ist sicher lebensgefährlich für Diabetiker. Meine Lieblingsvariante ist ein koreanischer Film „Adresse: Unbekannt“. Es spielt kurz nach dem Koreakrieg, eine ehemalige Prostituierte mit ihrem pubertieren Sohn wartet auf ihren „Mann“, einen amerikanischen Soldat. Sie schreibt jeden Tag Brief, aber die Briefe kommen immer wieder zurück mit dem Stempel „Adresse: Unbekannt“. Eigentlich hat der Film drei Handlungsstange, alle können so als ziemlich frei adaptiere Butterfly-Variante betrachtet werden. Nur die Geschichte mit der Briefschreiberin hat fast eine identische Rahmenbedingung wie Butterfly. Aber sie endet nicht so puccinihaft weinerlich, sondern kannibalistisch makaber (Ich liebe solche Absurdität!).

    Dann wünsche ich Capricciosi einen noch schönen Tag,
    liebe Grüße,
    Penthesilea

    Auch Rom wurde nicht an einem Tag niedergebrannt - Douglas Adams

  • Lieber Penthesileus,

    natürlich hast Du mit Deiner Diabetikerwarnung vor MISS SAIGON völlig Recht. Vor dem Päderastenvorwurf kann man das Stück allerdings in Schutz nehmen, denn die unglücklichen Minderjährigen sind hier die "Bui-Doi", die ungewünschten Soldatenkinder. Überhaupt finde ich das Buch dieses "Remakes" bei aller Süßlichkeit, die man schon der BUTTERFLY vorwerfen muss, deutlich besser als das seines Vorbildes.

    Ich bin Dir aber sehr dankbar, dass Du nicht nur den fraglos fragwürdigen Text ansprichst, sondern auch die Musik. Hier würde ich auch gerne einmal Gielens Ehrenrettung nachvollziehen können, denn bislang bin ich trotz Barbirolli und sowieso Maazel und Conlon (in der Verfilmung von Frédéric Mitterand) der Meinung, dass Karajans Oberflächenpolitur das Wesentliche der Komposition durchaus stimmig reflektiert - und stimmlich sowieso. Deshalb ist diese Oper nach SUOR ANGELICA von allen Werken Puccinis die mir am wenigsten liebe - oder zugängliche? Nicht, dass ich es nicht versucht hätte, deshalb kann ich Deine Kritik an der Musik sehr gut nachvollziehen.

    :wink: Rideamus

    Ein Problem ist eine Chance in Arbeitskleidung

  • Meine Lieben,

    Da bisher fast nur kritische Stimmen vernehmlich wurden, möchte ich Gegenteiliges äußern. Für mich ist "Madame Butterfly" eine der subtilsten und berührendsten Schöpfungen Puccinis. Als Mensch ist er mir zwar ziemlich unsympathisch, aber seine uneingestandenen Schuldgefühle und Komplexe schimmern in seinem Opernschaffen ja immer wieder durch. Vielleicht liegt es an meinem Alter, daß ich hier nicht vordergründigen Kitsch spüre, sondern sublime Empfindung und vermutlich auch manche Nuancen leichter verstehe. Ein Regisseur, der "Geisha" gleich" mit "Prostituierter" gleichsetzt, verrät nur seine himmelschreiende Unkenntnis. Eine Geisha à la Cio-cio-san war eher als Künstlerin zu verstehen, die sich einem Mann wirklich nur aus Liebe schenkt, was mit ihrem Beruf gar nichts zu tun hat (daß geldgierige Sippschaft das Mädchen als [ver]käufliche Ware ansieht, steht auf einem anderen Blatt). Und es geht hier nicht nur um Liebe, sondern auch um einen Ehrbegriff, der zwar spezifisch japanisch ist, mit dem Ehrbegriff des 19.Jahrhunderts (und die "Butterfly" ist trotz ihres etwas späteren Datums noch immer eine Schöpfung dieser Epoche) aber durchaus Berührungspunkte aufweist. Cio-cio-san tötet sich nicht nur aus enttäuschter Liebe etc., sondern weil sie nicht ehrenvoll weiterleben kann. Con onor muore chi non può serbar vita con onore. Sie hat "ihr Gesicht verloren" (Puccini vermochte seines krampfhaft zu bewahren; erst die Nachwelt enthüllt so ganz die menschliche Problematik dieses Machos). So etwas konnte man damals in Europa gut nachvollziehen, galt doch in besseren Kreisen noch meist die Regel, daß der Freitod die verlorene Ehre wiederherstellen könne.

    Wie schon Zauberton angesprochen hat, ist das in der Oper demonstrierte menschliche Verhalten - in positiver wie in negativer Hinsicht - zeitlos. Die Gefahr, das Werk durch Oberflächlichkeit zu verkitschen, ist freilich enorm.

    LG

    Waldi

    ______________________

    Homo sum, ergo inscius.


  • Aber diese Brüll-Orgien scheinen immer noch unheimlich populär. Mir kommts vor, als ob Puccini immer noch die Nummer Eins ist in den Opernhäusern der Welt.

    Lieber Said,

    das Für und Wider zu dieser Oper habe ich mir jetzt lange zu Gemüte geführt, ich bin der Meinung von Waldi, hätte es aber nie so beschreiben können.

    Aber wenn ich "Brüll-Orgien" im Zusammenhang mit "Madama Butterfly" lese möchte ich vorschlagen, sich doch mal, rein von diesem Standpunkt aus, die wirklich sensible Aufnahme mit Victoria de los Angeles und einem wunderbaren Giuseppe di Stefano :juhu: :juhu: :juhu: anzuhören. Da kann von einer Brüll-Orgie nicht im Entferntesten die Rede sein.

    Viele Grüße aus München

    Kristin :wink:

    Vom Ernst des Lebens halb verschont ist der schon der in München wohnt (Eugen Roth)

  • Lieber Said!

    Auch ich kann mich nur den Ausführungen von Kristin und Waldi, völlig, anschließen.

    Ich finde, das in Wagner Opern mehr gebrüllt wird, als in den italienischen Opern von Puccini, Verdi, Donizetti, Rossini oder Bellini!

    Auch nicht in den sog. Verismo Opern, die Puccini, Mascagni.... geschrieben haben, wird nicht gebrüllt, wenn Du in einer solchen Aufführung warst, dann waren die falschen Sänger "am Werk!"

    Liebe Grüße sendet Dir Peter aus Wien. :wink:


    Liebe Grüße sendet Dir Peter.

  • Guten Abend.

    Zu der Oper schreibe ich besser nichts, ich würde ansonsten wohl ausfällig werden . . . .

    Die einzige Version die ich bisher bis zum Ende und mit ein wenig Genuss(obschon wirklich nicht erstklassig gesungen!!!) sehen konnte ,war diese Opernverfilmung

    Es gibt noch eine alternative Verfilmung des Stoffes und da muß man nicht einmal die Musik ertragen und die arme Butterfly ist alles andere als ein hilfloses japanisches Mädchen :D :

    Der großartige Jeremy Irons in einer seiner bisher besten Rollen, Regie führte der große David Cronenberg - ein unbedingt sehenswerter Film.

    Liebe Grüße aus Wien

    Bernhard


    "Alles Syphilis, dachte Des Esseintes, und sein Auge war gebannt, festgehaftet an den entsetzlichen Tigerflecken des Caladiums. Und plötzlich hatte er die Vision einer unablässig vom Gift der vergangenen Zeiten zerfressenen Menschheit."
    Joris-Karl Huysmans

  • Liebe Fairy

    Du missverstehst Puccini, er war doch nie und nimmer Macho. Er liebte die Frauen ! :D
    Aber im ernst. Das wäre auch reichlich weit hergeholt. Und das Wort Unterdrückung würde ich mit Ausbeutung ersetzen. Denn das passte zu ihm. Die Beute. Puccini war der Lebemann in Person. Gefieder schoss er ja bekanntlich tonnenweise vom Himmel und ich weiss nicht ob er wohl mehr Vögel abgeschossen oder Frauen vernascht hat.

    Die Musik zu dieser Oper fand ich noch nie gut. Ich habe es paar mal probiert, aber liess es bald mal bleiben. Natürlich gefallen mir einige Arien von ihm, aber ich kann eigentlich mit keiner seiner Opern etwas angfangen. Mir ist das einfach alles zu dick aufgetragen, dieses Mama-Amore-Leiden. Aber diese Brüll-Orgien scheinen immer noch unheimlich populär. Mir kommts vor, als ob Puccini immer noch die Nummer Eins ist in den Opernhäusern der Welt.

    Lieber Gruss
    Said

    Lieber Said,
    als Züricher musst du doch die sehr kritische und gar nicht rührselige Butterfly-Produktion in der Joachim-Hertz-Inszenierung kennen, die mir dieses Werk zum ersten Mal nahebrachte und vor allem erträglich machte. Auch die musikalische Wiedergabe vermied jeden Zuckerguss, und gebrüllt würde von keinem der Sänger. Bis zu dieser Aufführung fand ich die "Butterfly" auch immer ziemlich furchtbar und mache auch heute noch einen weiten Bogen um dieses Werk, denn eine solche Sternstunde wie damals in meiner lieben Züricher Oper wird sie mir wohl nie wieder bereiten.
    lg Severina :wink:

    "Das Theater ist ein Narrenhaus, aber die Oper ist die Abteilung für Unheilbare!" (Franz Schalk)

  • Es gibt noch eine alternative Verfilmung des Stoffes und da muß man nicht einmal die Musik ertragen und die arme Butterfly ist alles andere als ein hilfloses japanisches Mädchen :
    Der großartige Jeremy Irons in einer seiner bisher besten Rollen, Regie führte der große David Cronenberg - ein unbedingt sehenswerter Film.

    Hm, naja, klar spielt Cronenberg mit dem Butterfly-Mythos, aber er erzählt dann doch eine ganz andere und höchst bizarre Geschichte :S ...also nicht dass jetzt jemand denkt, dieser "M.Butterfly"-Film sei eine Verfilmung der Oper. Was das anbetrifft, finde ich die hier schon mehrfach erwähnte Filmversion von Frédéric Mitterand sehr gelungen und sehenswert!

  • Lieber Maldoror!

    Ich habe Jeremy Irons in weit besseren Filmen in Erinnerung, und wenn Said meint, dass Puccini, leider, zu einer der führenden Opernkomponisten, auch heute noch gehört, dann kann ich nur den guten Geschmack des Publikums bestätigen.

    Ich kenne fast alle Puccini Opern, mir gefallen, nicht durch Brüllerei, sondern vom Thema aus, die "Suor Angelica" und "La Rondine" nicht besonders, und Puccini als Schrei - Komponist, so einfach abzutun ist einfach nicht wahr.

    Natürlich sind Geschmäcker verschieden, das sehe ich ein, aber man kann doch Puccini nicht als schlechten Komponisten hinstellen.

    Ich will nicht, dass man, sogar bei meinen, nicht so sehr geliebten, Richardl [Wagner] sagen, dass alles in Schreierei ausartet, weil es nicht stimmen muss, wenn aber ein Dirigent die Sänger mit dem Orchester "zudeckt", dann kann es auch geschehen, dass die besten SängerInnen "schreien", auch schon passiert. Das hat Karajan bewiesen, als er weniger "von ihm geliebte" Sänger für Aufnahmen nahm. Das kam, durch Verträge, auch vor, [auch bei Puccini].

    Es bleibt unvoreingenommen, Pucccini oder Italiener, im Allgemeinen, nicht zu mögen, aber, dass, die [möglicherweise] Süßlichkeit der Butterfly -Musik, weder ein Pinkerton, noch eine Cio Cio San, von der Suzuki und Sharpless ganz zu schweigen, in "Brüll-Orgien" verfallen" funktioniert nicht. Das hat Puccini nie so komponiert, und es käme auch dem Sänger nicht entgegen.

    Die Aufnahme mit Victoria de los Angeles und den, damals, herrlichen Giuseppe di Stefano, oder auch Domingo und Freni, beweisen doch das Gegenteil.

    Auch alternative Inszenierungen haben einen Nachteil, sie stimmen nämlich nicht immer damit ins Werks-und Kompositionskonzept des Komponisten hinein.

    Liebe Grüße Peter aus Wien. :wink:

  • Ich habe Jeremy Irons in weit besseren Filmen in Erinnerung

    Lieber Peter,

    also das kann ich nur nachhaltigst bestätigen!

    Liebe morgendliche Grüße

    von Kristin, die auch der Meinung ist, daß Puccini kein Komponist von "Brüll-Orgien" war.

    Vom Ernst des Lebens halb verschont ist der schon der in München wohnt (Eugen Roth)

  • Ich oute mich dann auch mal als jemand, der Puccini im Allgemeinen und "Madame Butterfly" im Besonderen sehr gerne mag. Mit dem Libretto habe ich zwar gewisse Probleme, aber das geht mir bei diversen Opern anderer Komponisten von Händel über Mozart und Verdi bis Mascagni kaum anders.

    Puccinis höchst raffinierte Orchesterbehandlung, die Farbigkeit und gleichzeitige Ausgewogenheit seiner Partituren beeindruckt mich immer wieder. Aber noch viel mehr begeistert mich der mitreißende melodische Sog seiner Opern, der für meine Begriffe gerade in "Madame Butterfly" unwiderstehlich ist. Das ist nicht nur handwerklich extrem gut gemachte, sondern auch im Hinblick auf das Melos äußerst zwingende Musik - ich würde viel darum geben, wenn ich beim Zwischenspiel nach dem zweiten Akt mal im Orchester an der ersten Oboe sitzen könnte...

    Insofern kann ich Saids "Brüllorgien"-Problem nicht nachvollziehen. Puccini kann man vielleicht einen Hang zur übermäßigen Süße vorwerfen, aber wohl kaum eine Tendenz zum Groben. Wenn es sich bei seinen Werken letztlich um *Kitsch* handeln sollte, dann ist es auf jeden Fall sehr subtil gestalteter Kitsch.

    Leider habe ich "Madame Butterfly" schon lange nicht mehr live auf der Opernbühne erlebt. Hier in Aachen sieht es mit der Aufführung von Puccini-Opern vergleichsweise eher mager aus.

    Viele Grüße

    a.d.

  • Lieber Arondo. donax!

    Genauso wie Du schreibst ist es!

    Selbst in der, bei manchen hier, nicht beliebten "Turandot", gibt es keine Brüll Szenen, auch nicht bei den drei Fragen,

    bei der "Bohéme" sowieso nicht und bei der "Butterfly" schon gar nicht, selbst in der "Tosca" ist das "Vittoria" keinesfalls ein Gebrüll.

    Auch bei der "La Fanculla del West" ist es eine, das muss ich zugeben, süßliche Musik, die mir, und bestimmt vielen hier, gefällt.

    Deshalb ist ja Puccini einer der meist gespielten italienischen Opernkomponisten, neben Giuseppe Verdi, Donizetti und Rossini.

    Liebe Grüße sendet Dir Peter aus Wien. :wink: :wink:

  • Butterfly mit Mitropoulos

    Anlässlich des 80. Geburtstags gab Michael Gielen ein Interview mit Jörg Hillebrand bei DW-Radio. Da erwähnte er kurz über Puccinis Butterfly (Quelle: http://www.dw-world.de/dw/article/0,2144,2634764,00.html )

    „Die Musik von Puccini wurde damals im deutschen Kulturkreis nicht sehr hoch geachtet. Sie wurde zu klein besetzt und flüchtig aufgeführt. Puccinis Sinnlichkeit und Technik des Orchesterklangs wurden nicht ausreichend gewürdigt. Mitropoulos wurde nun von Karajan eingeladen, „Madame Butterfly“ einzustudieren. Das war sonst in Deutschland ein Stück in der Nähe von „Das Land des Lächelns“, kitschig, billig, nur mit ein paar hübschen Nummern, aber bei Mitropoulos wurde es zu großer Musik. Nach dieser sehr dramatischen und engagierten Version der „Butterfly“ klang ein Puccini unter Karajan zwar schön, aber sehr süßlich. Mitropoulos brachte die humanen Inhalte hervor, während Karajan hauptsächlich die Oberfläche gestaltete.“

    Auf Mitropoulos' Butterfly war ich, nachdem ich das Zitat gelesen hatte, sehr gespannt. Mitropoulos ist ein Dirigent, der mir meist sehr gut gefällt, gerade bei Opern von Strauss und Puccini. Es sind fast nur Livemitschnitte mit ihm greifbar, von Madama Butterfly gibt es aber auch eine Studioaufnahme aus dem Jahr 1957 mit dem MET-Orchester, allerdings nur eine gekürzte Version. Der Umfang der Kürzungen ist ungewöhnlich; herausgekommen ist deutlich mehr als ein Querschnitt, aber auch keine echte Gesamtaufnahme. Insgesamt läuft diese Butterfly in etwa 95 Minuten ab. Über die Gründe dafür kann ich nur spekulieren; die nahe liegende Erklärung dürfte aber sein, dass man die Veröffentlichung schlicht auf 2 LPs begrenzen wollte. So darf schon Sharpless ein wenig früher als gewohnt auftreten, Cio-Cio-Sans Verwandtschaft hat Federn lassen müssen und auch Suzuki hat nicht mehr allzu viel zu singen. Ansonsten vermisse ich, wenn ich ehrlich sein soll, eigentlich nicht allzu viel.

    Was mit den humanen Inhalten gemeint ist, weiß ich zwar immer noch nicht, aber wie Mitropoulos die Oper angeht, gefällt mir ziemlich gut. Nach meinem ersten Eindruck spielen insbesondere die Streicher weniger klangprächtig als trocken und unsentimental. Immer wieder gibt es fahle oder klirrende Orchesterklänge, hart und kalt klingt es zum Beispiel als im Duett Cio-Cio-Sans mit Pinkerton kurz vor "Vogliatemi bene" das Erinnerungsmotiv der Verwandten wieder auftaucht. Als Cio-Cio-San im zweiten Akt das Kind hervorholt ("E questo?"), fällt die opulente Klangentladung des Orchesters mit dem prominenten Beckenschlag bei Mitropoulos ungewohnt verhalten aus. Die Handschrift des Dirigenten erkennt man aber deutlich wieder: Auch hier gibt es die brodelnde Erregtheit im Orchester, die scharfe rhythmische Akzentuierung, die zum Beispiel auch seine Tosca oder seine Elektra so spannend machen. Dadurch dass Mitropulos auf Kontraste setzt, wirken bei dieser Butterfly die sanften Passagen dann wieder tröstend und weniger sentimental.

    Auch die Sänger kann man sich recht gut anhören. Weder Dorothy Kirsten noch Daniele Barioni (!) haben es in die allererste Reihe geschafft, aber sowohl Cio-Cio-San als auch Pinkerton habe ich von bekannteren Sängern auch schon schlechter gehört. Sharpless und Suzuki sind allerdings etwas schwächer besetzt.

  • Ich finde, man tut Puccini unrecht, wenn man ihn hier als Macho anprnagert, der eine Oper über die Unterdrückung der Frau schreibt und das auch noch gutheißt. Für den Text ist er ohnehin nur bedingt zur Verantwortung zu ziehen, und seine Musik enthält herrliche Melodien und teilweise wirklich gelungene Stimmungsmalerei. Wie Puccini das Stück über mit dem Orchester stets eine ganz spezifische Atmosphäre kreiert, das ist schon bewundernswert! Das diese Atmosphäre mit dem echten Japan so viel zu tun hat wie deutsche China-Restaurants will ich meinetwegen gerne glauben, aber kommt es darauf denn an?

    Ich kann die Vorbehalte gegen "Madame Butterfly" allerdings durchaus verstehen und ich höre die Oper auch nicht oft, täglich Marzpantorte ist einfach unbekömmlich. ;+)
    Wenn man gerade aber einmal Lust hat auf herzergreifendes Liebesschmachten, dann gibt es doch wohl kaum etwas Schöneres, als das große Liebesduett aus dem ersten Akt "Butterfly"! :angel:

    Kennt jemand hier die DVD aus der Mailänder Scala von 1986? Sie ist recht preiswert zu erstehen und auf mehreren Labels verbreitet, glaube ich. (An dieser Stelle sehe ich in anderen Beiträgen dann immer ein nettes anschauliches Coverbild. Kann mir Frischling vielleicht jemand erklären, wo ich eine Anleitung finde, um das Einfügen von Bildern auch zu können?)

    hier ist sie. R. :)


    Die Inszenierung stammt vom Japaner Keita Asari und ist meiner Meinung nach wirklich gelungen. Asari bemüht sich, gerade die "Atmosphäre", die ich oben meinte und die in Puccinis Musik das zentrale Gestaltungselement ist, auf der Bühne umzusetzen. Den Klangfarben im Orchester werden Lichtstimmungen auf der Bühne an die Seite gestellt, Asari reagiert dabei sehr sensibel auf die Musik und nimmt sie absolut ernst. Er liefert mit solch einem Ansatz natürlich nicht gerade eine neue Sichtweise auf das Werk.
    Das Bühnenbild (Ichiro Takada) ist etwas stilisiert, vor einem leeren (illuminierten) Hintergrund steht das Haus, das Goro im ersten Akt anpreist, es wird den Erfordernissen der handlung folgend flexibel umgebaut und umgestellt.
    Yasuko Hayashi singt zwar keine überragende, aber eine wirklich gute Cio-Cio-San, ähnliche auch Peter Dvorsky als Pinkerton, der mit einer schönen Stimme beeindruckt, leider aber auch durch die fast völlige Abwesenheit von darstellerischem Talent. Hak-Nam Kim hat für die Suzuki eine ungewöhnlich helle Stimme, die sich vom Sopran Hayashis in den Duetten kaum unterscheiden lässt, singen tut sie die Rolle aber tadellos. in der kleinen Rolle der Kate Pinkerton ist Anna Caterina Antonacci zu sehen, damals eine blutjunge Nachwuchskraft der Scala, inzwischen eine Mezzosopranistin mit internationaler Karriere.
    Das Highlight unter den Darstellern ist für mich Giorgio Zancanaro als Sharpless. er singt großartig und er spielt den etwas blasierten, aber irgendwie doch sehr menschlichen Bürokraten einfach nur wunderbar!

    Liebe Grüße,
    Lars

    Ich liebe Wagners Musik mehr als irgendeine andre. Sie ist so laut, daß man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne daß andre Menschen hören, was man sagt. - Oscar Wilde

  • Lieber Lars,

    willkommen im Forum. Aus dem Szand heraus dermaßen fleißig postende Opernliebhaber wie Du werden hier besonders gerne gesehen. :yes:

    Alles, was Du zum Einfügen der Cover und anderen praktischen Hinweisen wissen möchtest, findest Du in den FAQ vom 31. Mai hier: FAQ

    :wink: Rideamus Moderatus

    Ein Problem ist eine Chance in Arbeitskleidung

  • Nehmt meinen Dank, ihr holden Gönner!

    Lieber Rideamus,

    danke für die nette Begrüßung und den nützlichen Link! Die FAQs hätte ich eigentlich auch selber finden können, aber wenn man sich hier erst einmal orientieren muss, sieht man manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht, fürchte ich! :hide:

    Ich liebe Wagners Musik mehr als irgendeine andre. Sie ist so laut, daß man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne daß andre Menschen hören, was man sagt. - Oscar Wilde

  • Meine Lieben,

    Cantus Classics 1998

    Diese Aufnahme aus der rumänischen Serie ist relativ spät entstanden, nämlich 1979, und auch nicht im hauptstädtischen Milieu, sondern in Satu Mare (Szatmár, früher Szatmárnémeti) mit dem dortigen Philharmonischen Orchester unter Paul Popescu. Von den Sängern ist nur die Darstellerin der Titelrolle, Eugenia Moldoveanu (* 1944), international bekannt geworden.

    Beim Hören denkt man sich anfangs über Orchester und Dirigenten: Achtbar, aber doch unkaschierbar Provinz. Doch spätestens im zweiten Akt revidiert man dieses Urteil. Da laufen Popescu, seine Musiker (und das Ensemble) zu sehr beachtlicher Leistung auf. Man muß sich nur daran gewöhnen, daß hier nicht so sehr die lyrischen Akzente herausgearbeitet werden, sondern die dramatischen. In diesem Bereich liegen auch die interpretatorischen Stärken. Moldoveanus gut geführte Stimme hat nicht viel lyrischen Charakter, sie "blüht" mir vorerst zu wenig, klingt zu hart und läßt mehr an eine Tosca denken, aber je mehr "Whisky" in die Sache kommt, desto großartiger wird sie. Die unterdrückte Verzweiflung liegt ihr viel mehr als das innige Liebesgesäusel. Emil Gherman (Pinkerton) paßt gut dazu. Seine Stimme klingt stellenweise etwas eng und - ich kenne mich da nicht so aus - singt er manchmal nicht ein bißchen zu sehr durch die Nase? Andererseits drückt er perfekt eine rollengerechte Affektiertheit aus und vermittelt nicht das Sympathiegefühl, das die "edlen" Tenöre à la Domingo etc. verströmen und daß es so schwer macht, diesen Bruder Leichtfuß scharf zu verurteilen. Gherman weiß aber auch den gefühlsmäßigen Wandel, dem Pinkerton dann unterliegt, sehr glaubhaft zu machen, die "Butterfly"-Rufe sind wirklich beklemmend.
    Sehr gut besetzt sind die Nebenrollen, ich nenne stellvertretend: Mihaela Agachi (Suzuki), Eduard Tumageaninan (Sharplesss) und Stefan Popescu (Goro).
    Die Tonqualität ist überwiegend ordentlich, die anfängliche Abmischung vielleicht nicht immer ausgewogen.


    Liebe Grüße

    Waldi

    ______________________

    Homo sum, ergo inscius.

  • II. Akt

    Schade dass das Thema offenbar wenig populär ist... Natürlich ist die Butterfly keine sehr 'tiefgründige' Oper, und im I. Akt sicher oft wirklich süßlich, auch der Exotismus ist manchmal sehr äußerlich, wie Japan-Nippes ;-)... aber ich finde den II. Akt fast durchgängig so ein starkes Psychogramm von Warten & Hoffnung & Selbsttäuschung etc., dass ich um seinetwillen vieles andere von Puccini (den ich insgesamt eher schätze) drangäbe... im Folgenden zwei, drei Stellen, an denen ich das illustrieren möchte:


    - der Moment als Butterfly, nachdem sie bei der versuchten Suggestion Sharpless', Pinkerton könne vielleicht nicht wiederkommen, fast in die Tonlosigkeit versackt ist (diese taumelnden, hilflosen rezitativischen Stellen in der Musik finde ich so radikal und richtig, btw), in das "Ah! m'ha scordata" ausbricht und das Kind wie einen Beweis vorzeigt, ja wie eine Trophäe - wie an dieser Stelle nach einer Generalpause die amerikanische Hymne hereinbricht ist so schreiend brutal wie der ganze stattgefundene Prozess in der Handlung und das Fest-Klammern der Butterfly natürlich letztlich auch


    - das balladeske "Che tua madre dovrà", in dem die Butterfly sich selbst wie in einem alptraumhaften Film sieht, den sie mit dem in den Violinen 'mitgeatmeten' "Ah no! questo mai!" zugleich steigert und abbricht


    - die Ankunft des Schiffes, die nach dem Kanonenschuss in kompletter Atemlosigkeit der beiden Frauen vor sich geht, während unter drunter ganz leise die "Un bel di vedremo"-Melodie im Orchester läuft, bis Butterfly mit dem eigentlich völlig banalen Ausruf der Entzifferung "Abraham Lincoln!" die Kantilene aufnimmt und vollendet...


    ich finde diesen Akt VOLLER solcher Stellen, in denen Entzücken, Triumph, Entsetzen, Realismus, Blindheit, Zärtlichkeit und Gewalt ineinander übergehen und ineinander umschlagen


    Aber ich gestehe v. a. das zu was hier auch schon gesagt worden ist: dass diese Oper mehr als viele andere der 'rettenden' Interpretation bedarf, der wirklich großen Sänger- und Dirigierleistung. Für mich ist das bei Callas/Karajan erreicht.

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    Musica est exercitium metaphysices occultum nescientis se philosophari animi

  • Als vor fünf Jahren mit großem Werbeaufwand die EMI Wagners "Tristan und Isolde" herausbrachte, eine Aufnahme einer bekannten Oper mit Domingo, Stemme, Pape, Villazon etc. prominent besetzt, hieß es von der Plattenfirma dunkel raunend, dass es wahrscheinlich die letzte Aufnahme dieser Art sei, große Studienproduktionen von bekannten Opern mit prominenten Sängern, das lohne sich einfach nicht mehr. Ganz gleich, ob das damals nur Werbe-Schnickschnack war um die Bedeutung des gerade erschienenen Produktes hervorzuheben oder ob die EMI wirklich an das geglaubt hat, was sie da sagte, wir als Opernfreunde können uns freuen, dass die düsteren Prophezeiungen sich nicht bestätigt haben, sondern das immer noch Aufnahmen wie diese "Madama Butterfly" entstehen, eine Oper des Kernrepertoires, in sorgfältiger Studioarbeit aufgenommen, mit zwei der populärsten Opernstars dieser Jahre in den Hauptrollen.

    Die Aufnahme wurde 2008 in Rom aufgenommen, sie erschien Ende letzten Jahres, ist also noch sehr aktuell. Ich habe sie inzwischen drei oder vier Mal gehört und weiß immer noch nicht recht, was ich von ihr halten soll. Beim ersten Hören war der Eindruck ein sehr negativer, er wurde dann aber mit jedem Hören ein Bisschen besser. Es fällt mir also schwer, hier umfassend und gerecht zu urteilen, so sehr ich mich auch darum bemühe.

    In der Hauptrolle hört man Angela Gheorghiu, die rumänische Starsopranistin, die 1994 als Violetta unter Georg Solti schlagartig berühmt und für das folgende Jahrzehnt eine der wenn nicht die dominierende Sängerin im italienischen und französischen Fach wurde. In den letzten Jahren scheint es um sie ruhiger geworden zu sein, durch ihr übertriebenes Divengehabe wurde sie als "Draculette" berüchtigt, in der Bekanntheit und Prominenz lief ihr die ebenso kometenhaft aufsteigende Anna Netrebko den Rang ab. Mit inzwischen 45 Jahren zählt Gheorghiu langsam auch altersmäßig eher zur "alten Garde", sie beweist mit dieser Aufnahme aber, wie gut sie immer noch ist. Da sitzt jeder Ton, die Stimme flutet voll und rund in allen Lagen (einige tiefe Passagen hat sich Gheorghiu allerdings oktavieren lassen) und es gelingen ihr im Detail immer wieder ausgesprochen schöne Momente, weich ausgesponnene Phrasenenden zum Beispiel, zarte Piani oder feine Lautstärkeschattierungen. Mehr als einige schöne Momente passiert allerdings nicht. Gheorghiu macht wenig falsch, aber das macht noch keine gute Interoretation aus. Sie klingt, und das ist vielleicht das Schlimmste, kein Bisschen betroffen von dem Schicksal, das sie darstellt - und kann so auch den Hörer nicht betroffen machen. Musikalisch ist das eine gute Interpretation, wenngleich man bei Gheorgiu nichts hört, was man nicht bei anderen Rollenvertreterinnen mindestend ebenso gut und überzeugend hört, meist sogar besser, dramaturgisch findet diese Cio-Cio-San gar nicht statt - und nimmt der Oper damit das Zentrum.

    Gheorghiu trat ja jahrelang nur mit ihrem Mann Roberto Alagna als Tenorpartner auf und nahm mit ihm diverse Opern auf. Seit der Scheidung von Alagna "benötigt" sie also einen neuen Tenor an ihrer Seite, ihre Wahl viel für diese Aufnahme auf den deutschen Startenor Jonas Kaufmann. Kaufmann, den ich sehr schätze, war für mich die größte Enttäuschung dieser "Madama Butterfly" - vielleicht gerade deshalb, weil ich mir von ihm so besonders viel erwartet hatte. Die Stimme klingt eng und gepresst, der typische warme Klang ist oft überhaupt nicht wiederzufinden. Im ersten akt hat man weniger Mitleid mit dem armen Mädchen, dessen leben hier ruiniert wird (dafür klingt Gheorghiu auch zu emanzipiert), sondern mit dem armen Tenor, der ständig diese hohen Töne herauspressen muss. Die Anstrengung ist regelrecht fühlbar. Im Liebesduett flüchtet Kaufmann sich dann meist in ein hauchendes Piano - wenn man Kaufmanns Stimme und seine Art zu singen liebt, leidet man bei dieser Aufnahme wirklich. Zum Glück klang er zum Beispiel letzte Woche in der Münchener "Tosca" ja schon wieder so, wie man ihn gewohnt ist, Sorgen muss man sich um diesen Prachttenor offenbar also nicht machen.

    Ich breche hier erst einmal ab und führe den Bericht über die Aufnahme morgen weiter, um auch den nebendarstellern und dem Dirigenten so viel Gerechtigkeit als möglich wiederfahren zu lassen.

    Ich liebe Wagners Musik mehr als irgendeine andre. Sie ist so laut, daß man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne daß andre Menschen hören, was man sagt. - Oscar Wilde

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