VERDI: Ernani – Kommentierte Diskographie
Meine Lieben,
Der "Ernani" hat es dank seines perfekten Sturm-und-Drang-Charakters mittlerweile unter meine absoluten Verdi-Favoriten geschafft. Beim gemeinsamen Capriccio-Raubzug - eh schon wissen - griff ich daher begeistert nach jener DECCA-Box, die bei Amazon ein halbes Vermögen kostet und plötzlich für einen Bruchteil dessen zu haben war:
Die Aufnahme entstand 1987 mit dem Orchester und dem Chor der Welsh National Opera unter Richard Bonynge mit Joan Sutherland als Elvira und Luciano Pavarotti als Titelheld. Es ist unzweifelhaft eine sehr achtbare Aufnahme, die aber die Emotionen nicht so weckt, wie sie soll. Bonynge dirigiert im Grund tadellos, zu tadellos vielleicht. Auf mich wirkt das Resultat tadellos akademisch. Auszeichnung beim Rigorosum quasi, aber bei dieser Musik ist es besser, die Pferde ein wenig durchgehen zu lassen. Was er nicht tut, weil das auch nicht zu den Sängern paßt. Pavarotti ist mit seinem hellen Organ natürlich kein idealer Bandit, zudem lassen sich, besonders in der ersten Hälfte, Abnützungserscheinungen nicht leugnen. Zum Schluß allerdings hört er sich deutlich besser an. Auch singt er an sich wunderbar, an Phrasierungskunst und sängerischer Intelligenz kommt ihm kaum einer gleich. Trotzdem bleibt man kühl: Ein zu intellektueller Ernani. Wenn ich da an Corelli, del Monaco oder Bergonzi denke (ich könnte viel mehr Namen nennen), so besaßen die alle eine warme, viril-sinnliche Färbung, eine elementare Ausstrahlung, die viel überzeugender und weniger abgehoben wirkte.
Auch die Sutherland singt technisch makellos. Den Mangel an Jugendfrische kann sie mit ihrer zu zahmen Gestaltung allerdings nicht kompensieren. Sie bleibt hinter Pavarotti zurück.
Gegen Leo Nucci als Don Carlo läßt sich nicht viel sagen, außer daß ich mir mehr Grundgewalt wünsche. Im Grund macht er alles richtig, aber die königliche Stimmpotenz ist ein bißchen zu wenig ausgeprägt. Wenn man versucht, die Handlung möglichst zu vergessen, empfindet man ihn als erstklassig, aber nur dann.
Daher reiche ich die Palme des besten Sängers dem Silva Paata Burchuladzes, der meinem Ideal noch am nächsten kommt. Etwas mehr Dämonie hätte aber auch seine Rollenauffassung noch vertragen.
Ich gebe zu, das Finale hier ist besser als der geschilderte Gesamteindruck. Dennoch sage ich nur GUT mit Nachsicht. Kein Vergleich mit der Schippers-Aufnahme.
Liebe Grüße
Waldi