BELLINI: I Puritani – Prima la melodia

  • Natürlich habe ich, o Königin der Feen, beim Anhören an Dich gedacht und kann Dich insofern beruhigen, als die Mängel fast nur den orchestralen Part betreffen, während die Stimmen gut eingefangen sind (kein Einzelfall - ich gebe zu, müßte ich mich als Techniker entscheiden, würde ich es vermutlich ebenso machen). Als ich die CD 1 das erste Mal einlegte, hörte ich nach einigen Tönen auf und dachte nur "O je!". Dann erinnerte ich mich aber an ähnliche Fälle, faßte Mut und wurde belohnt. Also keine Angst! Du hast Vollklang als Vokalklang gelesen.
    Dieser Riccardo singt zudem derart einnehmend, daß man fast versucht ist, der braven Elvira ausnahmsweise ein Dreierl zu empfehlen (natürlich nur, um den dadurch ausgelösten Belcanto-Schmerzensschrei des Arturo zu provozieren).

    Lieber Peter, ich darf ergänzen, daß Ildiko R. auch menschlich eine sehr sympathische Zeitgenossin ist, zu den Herren kann ich mangels näherer Bekanntschaft nichts sagen, hoffe aber, daß auch sie in diese Kategorie gehören (zu der nach allgemeinem Hörensagen auch Placido D. zählt, während Big P. sie zumindest zeitweise verfehlte).

    ______________________

    Homo sum, ergo inscius.

  • Lieber Waldi!

    Gianni Raimond lernte ich, persönlich, noch in Wien kennen, er war ein ganz besonders netter Mensch und ein Tenor wie man sich ihn wünschte. Er hat gern gelacht und Leute zum Lachen gebracht.

    Ruggero Raimondi hab ich zwar in der "Italienerin" mit Agnes Baltsa und als Escamillo in der "Carmen" zwar gesehen und gehört - aber persönlich bin ich diesem Ausnahmesänger erst nach seinem letzten Scarpia näher, am Bühnentürl, gekommen.

    lldiko muss ich erst kennenlernen.

    Liebe Grüße sendet Dir Peter. :wink:

  • Living Stage (TKM) 2001
    Rundfunkaufnahme des RAi aus Rom 1969

    Die Aufnahme vergnügte mich vorige Woche, als ich mich über die nicht ganz befriedigenden 1968er "Meistersinger" des gleichen Labels etwas trösten wollte.
    Riccardo Muti ist im italienischen Fach sicher einer der Allerbesten, wenngleich er damals noch nicht ganz so gut war. Aber seine Interpretation ist sehr gelungen.
    Mirella Freni ist eigentlich für die Elvira nur teilweise als Idealbesetzung zu bezeichnen, nämlich als Leidende. Als solche ist sie wirklich großartig. Die stimmlichen Kunststücke, welche die Rolle verlangt, bewältigt sie zwar tadellos, aber es ist doch nicht ganz ihr Stil, das merkt man. Meine Einwände sind jedoch eher als Pitzelei gemeint.
    Die beste Leistung bietet Bonaldo Giaiotti als Giorgio, dessen prächtige Samtstimme genau zu dieser Rolle paßt. Schade, daß es um diesen Sänger - er wird heuer übrigens 80 - inzwischen recht still geworden ist. Für mich war er eine Säule der italienischen Oper.
    Sesto Bruscantini leiht dem Riccardo seine vorzügliche, leicht rauhe Stimme. Im Gegensatz zu Ausensi erscheint er aber als herber Typ, das heißt, er ist schon von vornherein keine Konkurrenz für den Arturo. Besetzt man die Rolle mit einem sinnlich attraktiven Bariton wie bei Quadri, dann ergibt sich mehr Spannung. Apropos Arturo: Der junge Pavarotti braucht hier, wie oft auch später, eine gewisse Zeit, um sich warmzusingen. Am Anfang wirkt er noch ein kleines Bißchen unausgereift, aber im dritten Akt ist er großartig. Außerdem ist er ein Arturo, bei dem man stets das Gefühl hat, es sind noch Reserven vorhanden. Er hätte Kraft und Atem für noch höhere Töne. Das ist natürlich ein Glücksfall.
    Das restliche Ensemble ist tadellos, besonders der Valton Giovanni Antoninis gefiel mir sehr. Die Tonqualität scheint mir im großen und ganzen gut, nur wenn viele verschiedene Stimmen zusammenklingen, wird es ein paar Mal etwas breiig. Nicht arg jedoch.

    ______________________

    Homo sum, ergo inscius.

  • Lieber Waldi , ich kenne diese Aufnahme schon seit einigen Jahren (dank Rideamus und/oder Peter :kiss: :kiss: damit es i njedem Fall den Richtigen trifft) und mich hat sie sowohl überrascht als auch begeistert. Was natürlich vor allen Dingen an den Sängern liegt, um Mutis und des Orchesters Leistung richtig einzuordnen bin ich nicht kompetent genug; ich höre nur, wenn es wirklch schlecht ist oder mir überhaupt nicht als Interpretationsansatz zusagt.
    Weder Freni noch Pavarotti kannte ich in diesem Stimmfach und ich finde beide genau an ihrem Platz. :juhu: :juhu: :juhu:
    Bei Freni habe ich es nach dieser Elvira zutiefst bedauert, dass sie sich in zu schweren Rollen abgesungen und ihr wunderschönes Timbre ruiniert hat. auch wenn sie keine Turbo-Koloratuese ist, ihre agilität ist m.E; vollausreichend für die Rolle. Es gibt sicher bessere Vergine vezzose aber alles in Allem macht sie das durch ihre Stimmfarbe und ihre natürliche Ausdruckskraft mehr als wett. Ich will fûr diese wie für alle anderen Bellinirollen keine reine Nachtigall hören - das" bello" im Belcanto hier einfach entscheidend. Ihre berührende lyrische Stimme, die sie zur besten aller Mimis machte, ist in dieser Rolle zwar in Sachen Agilität und Virtuosität sehr gefordert, aber nciht überfordert. In den grossen Verdi Partien spâter finde ich sie viel eher überfordert. Pavarotti bracuht etwas Anlauf, was aber bei dem fulminanten einstieg des Arturo in dieser Oper kein Wunder ist. Von 0 auf 1000 mit a te o cara- so brutal darf eigentlich kein Komponist mit Tenören umspringen, aber Bellini ist da ja nciht der Einzige. 8+) Irgednwie schein Komponisten und Tenöre nciht ohne Animositâten auszukommen, nur dass der Tenor leider meist das Nachsehen hat...
    Bellini hatte seinen Rubini aber ich nehme mal an, dass der junge Pavarotti eine ähnliche Strahlekraft gehabt haben muss. Vor Florez und nach Alfredo Kraus ist es jedenfalls schwierig seinesgleichen als Arturo zu finden.
    Was du zum Giorgio sagst, kann ich natûrlich nur unterstreichen.

    :fee:

    Eine sehr empfehlenswerte Aufanhme, die zu smeinen Top-Ten Bellinis gehört.

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • MYTO 2009

    Auf diese Aufnahme hat schon Calisto hingewiesen und ihrem Lob schließe ich mich an: Diese "Puritani" sind sehr empfehlenswert und stellenweise auch günstig zu bekommen. Meine folgenden kritischen Einwendungen mögen nicht zu schwer genommen werden.
    Es handelt sich um eine Rundfunkaufnahme (Mailand 1959) mit manchmal etwas halliger, aber generell sehr guter Tonqualität.
    Mario Rossi gehört im italienischen Fach zu meinen Lieblingen, und er zeigt auch hier seine große Klasse. Allerdings wird er wohl zumindest teilweise für die Besetzung verantwortlich gewesen sein - hier dominiert eher das kulinarische Moment. Mit einer Ausnahme: Gianni Raimondi singt nicht nur schön, sondern gestaltet auch seine Rolle wirklich gut. Für mich ist er ein idealer Arturo, auch in der Stimmfarbe: Romantischer Jüngling, etwas eindimensional im Typ, aber ehrliches Gefühl verströmend und es überzeugend ausdrückend. Genau das tut seine Elvira, Anna Moffo, nur hie und da. Sie singt überaus sorgfältig und mit wunderbarer Stimme. Ihr Wohllaut in der mittleren Lage scheint fast unerreicht und ist reinster Ohrenschmaus. Aber hinter all diesem Schöngesang wird nur selten echte Empfindung spürbar (daß die Moffo es kann, beweist sie an ein paar Stellen). Das wäre bei dieser Oper kein Kardinalfehler, aber: dort, wo es ganz hinaufgeht, da verliert diese Stimme ihren Wohlklang, und weil es an der Emotion fehlt, können diese - wenigen - Augenblicke dann nicht so überzeugen. Die Höhe wird zwar erreicht, aber die Anstrengung dominiert. Bei Raimondi hingegen kommen die Extremismen emotionell so gut getarnt, daß sie stimmig wirken. Aber purer Schöngesang ist auch bei den anderen Protagonisten angesagt. Vor allem beim Riccardo Ugo Savareses (ein stimmlich ausgesprochen edler Rivale, doch im Ausdruck hinter Ausensi zurückbleibend) und besonders beim Giorgio Raffaele Ariés, dem ein bißchen die Autorität fehlt. Aber Belcanto pur ist trotzdem etwas Herrliches. Ich möchte auf diese Einspielung keineswegs zugunsten der von mir schon besprochenen verzichten. Sie sind alle der Begeisterung wert..

    ______________________

    Homo sum, ergo inscius.

  • Hallo zusammen?

    Bin heute beim suchen auf diesen Thread gestoßen .

    Als erstes :
    Die wunderschöne Aufnahme mit Caballe u. Kraus (hatte ich richtig gesehen die hatte noch keiner genannt) EMI '88
    Technisch perfekt u. unglaublich gut gesungen.

    Die alte Sutherland Aufnahme mit Pierre Duval , Sutherland am Anfang ihrer großen Karriere , alles klingt sehr genau aber
    spannungslos u. der Tenor ist ohje . DECCA '63

    Dann Ricciarelli / Merritt Live '86 beide Sänger singen zu sehr am Stück vorbei. FONIT CETRA

    Bofadelli / Secco Live 2003 greuslich ,erspart jedes Kommentars.

    Sills/Pavarotti Live Philadelphia '72 LEGATO CLASSICS
    Sehr schön anzuhören B S ist in einer sehr guten Form mit viel Nuoncen im Ausdruck, Pavarotti wie immer seiner Rolle gerecht.

    Dann eine echte Rarität : Gruberova / Fisichella und mein liebster Bariton G. Zancanaro (viele male Live gehört)
    Bregenz ' 94 das Label SERENISSIMA gibt es meines Wissens nicht mehr . Ob anderswo , sorry??????


    Und zuletzt noch : Devia / Matteuzzi Live Catania '91 NOVA ERA
    Eine sehr beklueckende Interpretation beide Sänger am Anfang ihrer Karrieren und durchaus ihrer Rollen gerecht!,

    Mein Fazit : wie schon o.e. Callas / diStefano und Caballe / Kraus
    Die Callas mit beseehltem Ton und einem Ausdruck dem man sich nicht entziehen kann (Sie war die beste).
    Kraus der beste Arturo bis heute.

    LG palestrina

    „ Die einzige Instanz, die ich für mich gelten lasse, ist das Urteil meiner Ohren. "
    Oolong

  • Dann Ricciarelli / Merritt Live '86 beide Sänger singen zu sehr am Stück vorbei. FONIT CETRA

    Dabei muß man erwähnen, daß es sich um die Version handelt, die Bellini für die Malibran umgearbeitet hatte und die damals wegen einer Reihe unglücklicher Umstände nicht aufgeführt wurde.

    Und zuletzt noch : Devia / Matteuzzi Live Catania '91 NOVA ERA

    Eine sehr beglückende Interpretation beide Sänger am Anfang ihrer Karrieren und durchaus ihrer Rollen gerecht!,

    Matteuzzi singt hier das Rubini-F; dazu ist die finale Cabaletta der Elvira vorhanden. Eine sehr vollständige Aufnahme, die für mich am überzeugendsten ist.

    Die Callas mit beseeltem Ton und einem Ausdruck, dem man sich nicht entziehen kann (Sie war die beste).

    Leider ist di Stefano nicht ganz auf der Höhe des Geschehens und die Partitur ist arg manipuliert.

    Alles, wie immer, IMHO.


  • Dem getreuen Haus-und Hofhund sei Dank, dass ich diese Aufnahme meiner Liebling-Arie (O rendetemi la speme) und (Mit-)Lieblingsoper nun heute auch bekommen habe :kiss: :jub:
    Ich habe zuerstmal Akt zwei gehört, eben wegen besagter Lieblingsarie und kann Waldi nur Recht geben, dass es sich um eine für Puritani-Fans "must-have" Einspielung handelt. Das für mich Faszinierendste an dieser Live-Aufanhme von 1961 ist ihr Enthusiasmus und ihre Emotionalität, die bei all technischen Mängeln so gut rüberkommt, dass man die Sänger vor seinem inneren Auge jubilieren, klagen und weinen sieht. Den Gänsehautfaktor von dem Waldi spricht, empfinde ich ebenso und die Aufnahmetechnik und einige andere Mängel sind mir dann ziemlich egal.. Es gibt natürlich immer etwas auszusetzen in diesem Turbo- Quartett Elvira, Arturo, Riccardo und Giorgio das die weltbesten Sänger braucht, aber ich habe keine Lust, hier die Beckmesserin zu geben. Leyla Gencers Cabaletta "Vien diletto" ist sensationell und übertrifft all meine Erwartungen. Und das bei einem Live-Mitschnitt :faint: :juhu: :juhu: :juhu:
    Mit welcher Leichtigkeit sie die Koloraturen singt und wie sie am Ende das es3 taktelang hält....... nicht zu fassen! Die Arie davor ist mir ein bisschen arg veristisch gesungen, aber 1961 war der Geschmack ein Anderer als heute und in Argentinien im Tango-Land muss es wohl auch so klingen...... ;+)
    Die Lebendigkeit und der Schwung der Interpretation des mir bis daton unbekannten Dirigenten haben mich mehr als angenehm überrascht und die Aufnahme gehört in die allererste Liga.
    belliniselige und dankbare Grüsse nach Wien und sonstwohin :fee:

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • MYTO 2010

    Mitschnitt einer Glyndebourne-Aufführung von 1960. Die Tonqualität ist leider nicht besonders, namentlich am Anfang sehr dumpf. Im weiteren Verlauf wird sie aber besser. Ähnliches läßt sich auch über den Dirigenten sagen. Vittorio Gui schleppt zu Beginn eher und wirkt mehr als passiver Begleiter, auf der zweiten CD wacht er dann mit dem "Riccardo!" sichtlich auf und kann mich dann einigermaßen überzeugen.

    Die Stärke der Aufnahme liegt in den Sängern. Joan Sutherland als Elvira ist nicht nur geläufige Gurgel (sie hat übrigens ein paar Mal leichte Schwierigkeiten bei den Spitzentönen, was nicht bloß aufs Konto der Technik zu gehen scheint). Sicher hat sie nicht die volle Gefühlsbreite anderer Elviras, aber die Stimme ist richtig timbriert, und man hört gerne hin. Nicola Filacuridi singt einen hellen, sicheren Arturo, der klug seine Grenzen wahrt und insgesamt sehr überzeugend wirkt. Ernest Blanc gehört zu den "edlen" Riccardos, seinem wunderbaren Schmelz erliegt man schon nach den ersten Tönen. Giuseppe Modesti gibt einen ordentlichen Giorgio, Monica Sinclair eine gute Enrichetta.

    ______________________

    Homo sum, ergo inscius.

  • Eine Nachricht für alle Puritani-Fans: in Paris an der Opéra Bastille werden die Puritani Vom 25.11. bis 19.12 aufgeführt und wie es aussieht, komme ich endlich einmal dazu, meine Lieblingsoper live und mit Inszenierung(konzertant kam ich schon in den Genusss) zu sehen! :jub: :jub: :jub:
    Kein Geringerer als Laurent Pelly wird inszenieren, Michele Mariotti (kennt den jemand?) dirigiert. Die Sänger sagen mir ausser Michele Pertusi und Markus Kwiecien leider auch nichts und ich hoffe inständig dass ich nciht enttäuscht werde. Dmitri Korchak ist Arturo und Maria Agestra Elvira. Falls jemand Positives zu vermelden hat, nehme ich das dankbar an, bitte behaltet aber einstweilen negative Kritik für euch , denn ich habe nur noch eine sehr teure Karte für die Premiere am Montag bekommen und will nicht im Vorfeld schon bereuen. ;+) Falls zufällig jemand da ist, meldet euch gerne per PN.
    Falls jemand an einer Bewertung meinerseits interessiert ist, kônnt ihr euch hier im Thread melden.
    Belliniselige Grüsse :fee:

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Dmitri Korchak ist Arturo [...] Falls jemand Positives zu vermelden hat, nehme ich das dankbar an

    Korchak hat vor zweieinhalb Jahren in Köln in einer recht austauschbaren Rigoletto-Inszenierung von K. Thalbach den Duca gesungen (Rollendebut) und ist mir angenehm (wenn auch nicht restlos umwerfend) in Erinnerung. Er hatte einen Riesenapplaus, ich weiß aber nicht, inwieweit das seinem Singen und inwieweit das seinem Aussehen geschuldet war :D IIRC ein unangestrengt höhensicherer Tenor - das braucht er für den Arturo aber auch.

    Viel Vergnügen wünscht

    Bernd

    Fluctuat nec mergitur

  • Vincenzo Bellini « I Puritani » Opéra Bastille Paris 25.11. 2013
    Zum ersten Mal seit 1987 wurde in Paris, dem Ort ihrer Uraufführung 1835, Bellinis letzte Oper« I Puritani » wieder gespielt. Ich hatte das grosse Glück noch eine Premierenkarte für diese meine Lieblingsoper zu bekommen und möchte, da ich « I Puritani » zum 1. Mal auf der Bühne sehen konnte, davon berichten.
    Musikalische Leitung: Michele Mariotti
    Inszenierung und Kostüme: Laurent Pelly
    Bühnenbild: Chantal Thomas
    Elvira:Maria Agresta
    Lord ArturoTalbot: Dmitri Korchak
    Sir Riccardo Forth: Mariusz Kwiecien
    Sir Giorgio: Michele Pertusi
    Sir Bruno Roberton: Luca Lombardo
    Enrichietta di Francia : Andreea Soare
    Lord Gualtiero Walton : Wojtek Smilek
    Chor(Patrick Marie Aubert) und Orchester der Opera Bastille Paris

    Laurent Pelly hatte seine Inszenierung ursprünglich für seine Lieblingssängerin Nathalie Dessay geplant und auf deren enorme Bühnenpräsenz und schauspielerische Begabung gebaut. Leider hat sich Dessay inzwischen aus dem Opernbetrieb zurückgezogen und steht für die Puritani nicht mehr zur Verfügung. Die Puritani sind Bellinis letzte Oper und wurden im Jahr seines allzu frühen Todes 1835 in Paris am Theatre des Italiens uraufgeführt. Eine andere Fassung, die Bellini der von ihm hoch vereehrten Diva Maria Malibran angepasst hatte, war für das Teatro San Carlo geplant konnte jedoch wegen einer Choleraepidemie zunächst nciht aufgeführt werden und musste dann durch die kurz aufeinanderfolgenden frühen Tode Bellinis und der Malibran auf Eis gelegt werden. Diese tiefere gelegte neapolitanische Fassung, in der zudem Riccardo von einem Tenor gesungen wird, wurde erst 1985 in London und 1986 in Bari uraufgeführt.
    Die heuer in Paris gegebene Fassung hat Bellini den damals besten Belcanto-Sängern ihrer Zunft in die geläufigen Gurgeln hineingeschrieben: der Sopranistin Giulia Grisi, ihres Zeichens ein eher leichter Sopran, dem Bellini sogar ausdrücklich von der Norma abgeraten hatte (was sie aber nciht daran hinderte, sie trotzdem
    zu singen….), dem Wundertenor Giovanni Battista Rubini, der laut Urteil seiner Zeitgenossen ein einmaliges Stimmphänomen gewesen sein muss, dem Bariton Arturo Tamburini und dem Bass Luigi Lablache. Bellini hatte damit Traumbedingungen, um seine Bel-Canto Auffassung, die in allererster Linie auf der Schönheit und Ausdruckskraft der Gesangslinie fusst, künstlerisch umzusetzen. Das ist ihm in herausragender Weise gelungen, trotz des in sich nicht besonders logischen Librettos von Carlo Pepoli, mit dem er seit dem Bruch mit Felice Romano zum 1. Mal zusammenarbeitete und das auf dem Theaterstück« Têtes rondes et cavaliers » von D’Ancelot et Santine fusst. Auch wenn nach einhelligem Urteil Bellinis Orchestrierung in den Puritani reicher und differenzierter ist als in seinen anderen Opern, tritt das
    Orchester doch deutlich hinter den Sängern zurück und diese Vorrangstellung die Bellini als Italiener dem Gesang in der Oper einräumt wurde von insbesondere Komponistenkollegen des aufsteigenden romantischen Zeitalters immer wieder scharf kritisiert. Es handelt sich dabei aber um eine ganz bewusste künstlerischeEntscheidung, die mit der Ära Wagner/Berlioz dann vor allen Dingen in deutschen und frz. Breiten als obsolet galt und deren musikalischer Wert weiterhin vielfach angezweifelt wird. Der Vorrang der Melodie (nicht wie bei Rossini der Virtuosität) vor der Harmonie wird mitBellini auf die Spitze getrieben und sein hoher Wiedererkennungswert und seine besondere Position beruhen auf dieser (für mich)unerreichten melodischen Begabung.
    Bellinis Opern sind dem heutigen Opernbetrieb, in dem es vor allen Dingen um Regie und Orchesterleistungen geht geradezu entgegengesetzt. Was auch die 26jährige
    Abstinenz an der Pariser Oper zeigt. Die grösste Schwierigkeit besteht in der adäquaten Besetzung des Sänger-Quartetts.
    Die Puritani brauchen die besten zur Verfügung stehenden Belcantisten. Bellini selbst hat das genau gewusst und gesagt ;,man könne als Sänger in dieser Oper entweder ewigen Ruhm oder ein Massaker bekommen.
    Heute wird das anders gesehen und gestern gab es dementsprechend weder das Eine noch das Andere. Zunâchst ein paar Worte zur Inszenierung. LaurentPelly/Chantal Thomas haben gottseidank in keiner Weise versucht ,die in sich nicht gerade logische Handlung zu aktualisieren oder politisch zu deuten. Sie haben das Libretto als das gesehen, was es für Bellini war: eine dramatische Vorlage, um die Gefühle und Leidenschaften der Protagonisten in Gesang zu setzen. Das Bühnenbild ist schlicht aber serh wirkungsvoll: eine Art filigraner und beweglicher Drahtkâfig in Form eines englischen Schlosses, ein Vogelkâfig mit
    zahlreichen Auf- und Abstiegen (Treppen) für Elviras Seele, die für Pelly der Dreh- und Angelpunkt seiner Interpretation ist. Ich finde diese Idée ausgesprochen gelungen- felicitation! :juhu: :juhu: :juhu:

    Die Kostüme sind eine modernisierte und geschmackvolle Version puritanisch- und sogar viktorianischemAmbiente und setzen den in dieser Oper stark präsenten Chor(bravi!) bestens in Szene. Die Sänger haben grosse Freiheiten und sind als Singschauspieler gefordert. Pelly trägt damit der Schwierigkeit der Partien weitgehend Rechnung, auch wenn Elvira im Laufe des Abend sehr viele Treppen herauf-und herunterlaufen muss- mit Nathalie Dessay kann man sowas ja problemlos
    machen………. Einige Slapstickelemente hâtte Pelly sich sparen kônnen. Wenn er die puritanischen Soldaten wie Komikfiguren über die Bühne marschieren lässt oder Riccardo mit Enrichietta und Arturo dreimal auf der Bühne hin-und zurückgeht, ist das eher unfreiwillige Komik und einfach unpassend. Aber seine Vorliebe für komische Stoffe kann sich wohl nicht ganz unterdrûcken lassen. Das ist mein einziger Kritikpunkt an dieser Inszenierung.
    Michele Mariotti hat sein Orchester bestens im Griff und ich war angenehm überascht von der Leichtigkeit und dem “Auf Hânden tragen” der Musik- ideale Bedingungen für das Solistenquartett. Vielleicht muss man Italiener sein um Belcanto-Opern so zu dirigieren? Weder langweilig noch trâge, weder zurückhaltend noch aufdringlich und auch nicht kitschig sentimental. Fûr meine Ohren genau richtig und am Anfang hatte ich sogar den Eindruck, dass ich eine HIP- Version vor mir habe, dem war
    aber nciht so. Den Mann wurde ich gerne mal Wagner dirigieren hören!!!!!!
    Was haben nun die Sänger aus dieser Idealvorlage gemacht? Ich habe mit jedem Einzelnen mitgezittert- was für ein Druck !
    Michele Pertusi als Giorgio war für mich eine Idealbesetzung. Da stimmte jeder Ton, das Timbre der Stimme warm und stark zugleich, die Bühnenpräsenz dieses
    hochgewachsenen und attraktiven Italieners, sein perfekter Belcanto-Stil, einfach Alles. Die Rolle des liebevollen gütigen Onkels, der seiner Nichte ihr Lebensglück um jeden Preis erhalten will und seinem Bruder eine politisch motivierte Zwangsheirat ausredet, ist eine sehr dankbare Partie. Man môchte sich diesem Ideal -onkel, wie Elvira es reichlich tut, sofort in die Arme und an die starke Brust werfen. Wohlklang pur in jeder Beziehung. Das Duett “Suoni la tromba" mit Riccardo war eine Wucht und eine der besten Nummern des Abends. Pertusi verstand es aber auch sich zurückzunehmen im Trio “O rendetemi la speme » oder im Gebet des 1. Aktes setzt er wirkungsvolle Piani ein. Bravissimo ! Mein Favorit des Abends. :juhu: :juhu: :juhu:
    Mariusz Kwiecien, der den unglûcklich liebenden Riccardo sang und gleich zu Anfang eine Traumarie « Ah per sempre io ti perdrei » hat, kam nicht an diese Leistung heran ,war aber nach anfänglichen Schwierigkeiten eine gute Besetzung. Ein warmer und kraftvoller Bariton mit weitgehend guter Höhe und Beweglichkeit, der der Rolle gerecht wurde. Schauspielerisch souverän, er musste ja vom enttâuschten Rächer zum verständnisvollen Sublimierenden warden. Seine Einstiegsarie hat mich trotz Wackeltönen (Lampenfieber nehme ich an) sehr berührt, :juhu: :juhu: :juhu:
    Leider war das Pariser Publikum was Szenenapplaus anging, ziemlich penible und man wurde sofort angezischt, wenn man vor der letzen Note des Orchesters Begeisterung zeigte. Was meine Begeisterungsausbrüche dann etwas dämpfte…….. ;(

    Der Tenor Dmitri Korchak hatte die schwierigste Partei zu singen. Selbst ein Ausnahmestar wie Juan Diego Florez hat vor dieser Oper Manschetten und das zu Recht!
    Schlimmer geht es kaum. Von Null auf 100 auf die Bühne mit der Turbo-Arie “A te o cara” die von Allen sehnlichst erwartetund vom Chor vorbereitet wird- die Erwartungshaltung steigt und steigt und dann muss Arturo sofort brillieren oder untergehen. Ins Eiswasser geschmissen und man soll nicht nur schwimmen sondern olympiareif schwimmen. Dann im letzen Akt eine Kraftanstrengung ohnegleichen, mit mehreren hohen C’s und dem hohen F als Sahnestûckchen. Meiner
    Kenntis nach gibt es keinen Tenor ,der das einfach so schafft. Korchak jedenfalls nicht. Sein Einstieg war ziemlich katastrophal und er brauchte bis zum dritten Akt, um seine Stimme wirklich zu entfalten . Er hat im Finale dann noch eine erstaunlich gute Leistung gezeigt, aber “A te o cara” war die pure Enttäuschung. Wie ein Dampkochtopf, dem man den Deckel nicht abgenommen hat, die Stimme war dünn und untimbriert, und ich weiss nicht, was davon nun Lampenfieber und was reine Überforderung war. Ich kannte den Sänger vorher nicht. Korchaks Stimme an sich ist keine Offenbarung, ihr fehlt der einschmeichelnde Schmelz des Bel-canto und ich nehme an, in einer etwas weniger angespannten Tessitur klingt sie besser. Sein Rollenporträt war dagegen in Ordnung bis gut, er gibt den jugendlichen Liebhaber überzeugend. Arturo ist der einzige Mann in den Puritani,der nach “Rollenschema” handelt. Er stellt seine politische Überzeugung und sein “der Mann muss hinaus in feindliche Leben” über die Gefühle zu Elvira und vor allen Dingen über Elviras Gefühle- Anders als Riccardo und vor allen Dingen Giorgio die in dieser Hinsicht total opernunüblich handeln , erstaunlich was Bellini und Pepoli da auf die Bühne bringen.
    Doch ich bleibe weiter bei Korchak: seine italienische Aussprache war nicht durchgehend idiomatisch, man hörte den Akzent zuweilen sehr deutlich. Ich bin aber trotz allem heilfroh, dass es überhaupt einen Arturo gab und dazu eine deutliche Steigerung vom 1. zum letzten Akt,wo er seine SuperTöne fast immer erreicht hat und im Duett mit Elivira überzeugen konnte. Er hat dann auch viel Applaus bekommen, bei dieser Rolle mehr als verdient. Wer soll das singen? Rubinis gibt es meines Wissens leider keine mehr. :fee:


    Nun zur Heldin der Oper, einzige Frau im Solistenquartett, wenn man von der Nebenrolle der Enrichietta absieht. Was für eine Herausforderung für Maria Agresta ,die damit zudem ihr Paris-Debut gab! Ich kann diese junge Italienerin nur bewundern. In den Spuren der Callas zu wandern, deren Elvira bis heute unerreicht bleibt und dann in einer Inszenierung, die auf Nathalie Dessay zugeschnitten war, die weder stimmlich noch als Person irgendwie mit Maria Agresta vergleichbar ist. Chapeau! Sängerisch hat sie eine grosse Leistung geboten, sie ist der Rolle technisch gewachsen, hat sowohl die Koloraturfeuerwerks- Polonaise “Son vergin vezzosa” als auch die lyrischen und eher dramatischen Teile(Schlussduett) der Rolle so tadellos, wie man es von einer Live-Premiere nur erwarten darf, hinbekommen. Ihre anfänglcihe Nervosität unter der ausser Pertusi alle Protagonisten offenbar stark gelitten haben, vergessen wir einfach. Für ihre Gesangsleistung gebührt ihr grosse Hochachtung! :juhu: :juhu: :juhu:
    Dazu musste sie, Spiegel -ihrer Seelenzustände- häufig die Treppen ihres Burg-Käfigs auf und ablaufen, und kam trotzdem hörbar nicht ausser Atem. Maria Agresta ist sehr verdi-erfahren (Violetta, Elena, Desdemona Leonora etc) und auch bei Puccini zu Hause. Sie hat eine angenehme, solide, runde aber unauffällige Stimme, man kann ihr weder ein besonders schönes Timbre noch besondere Ausdruckskraft zusprechen, aber genausowenig das Gegenteil. Auch wenn sie kein Koloratursopran sui generis ist, hat sie die môrdersichen Läufe in “Vien diletto” und die “Vergin vezzosa” gut gemeistert. Und sie hat nuanciert gesungen und die grosse Palette der Stimm-Farben dieser Rolle gut genutzt. An ihrem Gesang gibt es m.E. nichts Wesentliches zu meckern. Mein einziges Problem ist, dass ich sie nicht für die adäquate Besetzung dieser Rolle halte .Es fehlt einfach das typisch fragile Bellini-Element, das diese zwischen Liebe, Melancholie und Wahnsinn schwankenden und schwebenden Frauenfiguren unbedingt brauchen. Maria Agresta ist viel zu robust und stark für diese Rolle, ein ähnlicher Fall wie Anna Netrebko als Antonia. Bellini hat Giulia Grisi oder
    eine Terz tiefer Maria Malibran in dieser Rolle gesehen und nciht Giuditta Pasta oder Giulias Schwester Giuditta Grisi. Das zerbrechliche und schwebende Element gehört unbedingt dazu. Ein Universal Sopran wie die Callas konnte das erzeugen, sie war eben ein Genie. Aber viele grosse lyrische Soprane(wie Agresta einer ist) bekommen das einfach nicht hin, und daraus kann niemand ihnen einen Vorwurf machen. Und das geht dann leider leider zu Kosten der Rolle und der emotionalen Tiefe des Gesangs, die für Bellini Alles war. Nathalie Dessay hâtte trotz anderweitiger Schwächen dieses Element verkörpert und Pelly hat seine Inszenierung darauf zugeschnitten. Als Videoprojektion taucht auch Elviras Bild im Hintergrund auf bzw ihre Augen (bei Riccardos Arie z.B.) das ist sehr wirkungsvoll ,hat aber mit dieser Elvira nur sehr bedingt funktioniert. Schauspielerisch hat mir die Leistung allenfalls mittelmässig gefallen, ich glaube kaum, dass Signorina Agresta neben der Wahnsinnsgesangsleistung überhaupt die Energie und Möglichkeit hatte, sich in die Figur einzuleben. Ausser einem ziemlichen Hin-und Hergerenne und aufs Bett oder in Giorgios Arme werfen war da sehr wenig. Ich stelle sie mir serh gut als Trovatore-Leonora vor, als Elvira hâtte ich lieber jemand vom Schlage Patricia Sciofi gesehen.
    Die Produktion kommt 2014 an die Met und wird ausserdem am 9.12. hier im Kino gezeigt. Ich hoffe, hingehen zu kônnen und vielleicht eine andere Vorstellung als die Premiere zu erwischen , in der die Sänger weniger nervös sind und evtl noch anders wirken. Trotz allem bin ich auf rosa Wolken aus der Oper geschwebt , und die nâchtlcihe Taxifahrt durch Paris war dann noch “la cerise sur le gateau”. Paris bei Nacht in der Vorweihnachtszeit ist einfach “féérique. Der algerische Taxifahrer hat
    sich mit mir gefreut, obschon er noch nie eine Oper gesehn hat, muss das ansteckend gewesen sein. Ich bin sehr dankbar , dass I Puritani in Paris gegeben wurde und ich diese wunderschöne Oper endlich live sehen konnte. Trotz versemmeltem" A te o cara"- ohne den Mut des Tenors, sich dieser "unsingbaren"Partie zu stellen hâtte es keine Aufführung gegeben. :jub: :fee:

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Mon Dieu, quel enthousiasme, chère Fairy Queen !
    Vielen Dank für Deinen ausführlichen Bericht, der mich die Premiere regelrecht miterleben ließ ! Es ist ja auch nicht so, dass Wagner die Behandlung der menschlichen Stimme durch die Belcantisti verurteilt hätte - im Gegenteil . Er stellte sie als Vorbild hin.

    Ciao. Gioachino :juhu:

    miniminiDIFIDI

  • Caro gioachino, Wenn ich mich begeistere dann richtig! Und bei Bellini kann ich nciht anders. Wenn pure Schönheit einer Gesanglinie glücklich machen kann, dann ist mir Bellini der Garant dieses Glücks in der Musik. Seine Ensembles in den Puritani sind einfach genial. Wenn Rideamus das erlebt hâtte (er war auch ein ganz grosser Fan der Puritani!) hätten wir uns wochenlang hier zusammen freuen kônnen. :jub: Und in den Ensembles haben alle Sänger am Montag in Paris ihr Bestes gegeben. Auch Arturo. Das Duett Suoini la tromba von Pertusi und Kwiecien war so emphatisch gesungen, dass ich mich kaum beherrschen konnte nciht mitzusingen (und mit noch mehr Unmut meiner Mit-Hörer in der ausverkauften Bastille zuzuziehen :hide: ) und was das Trio "O rendetemi la speme" angeht, ist Bellini damit sein Meisterstück gelungen. Zwei tiefe Männerstimmen, die einen zwischen Liebe und Wahnsinn schwebenden Sopran umrahmen und trotz all ihrer kriegerischen Cromwellerei ganz weich und sanft werden- das ist einzigartig. Eifersucht, Parteienrivalität und politische Interessen werden bei Bellini/Pepoli hinter die Gefühle einer Frau gestellt, ich finde das unglaublich angesichts der "normalen" Operngeschichte.
    Wagner hat zwar Bellinis Gesangslinie gelobt (und Teile der Norma), ihn andererseits aber als unmöglcihen Komponisten bezeichnet, der bei jedem x-beliebigen deutschen Dorfschullehrer noch Kompositionstechnik lernen kônnte.
    saluti bellineschi:fee:

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Ja, liebe Fairy,
    was Wagner betrifft, hast Du natürlich Recht ! Der Gesamtkunstwerker konnte mit Leuten, die primär dem Gesang huldigten, nicht viel anfangen. Das hat er ja auch im Gespräch mit Rossini, das Hiller aufgezeichnet hat, zugeben müssen. Seine Ambitionen gingen halt in eine völlig andere Richtung, weit über die Nummernoper hinaus.

    Ciao. Gioachino :wink:

    miniminiDIFIDI

  • Hier noch ein link auf eine Kritik im Deutschlandfunk, deren Tenor in Sachen Regie ich absolut nciht teile. Nicht für Bellini. Im Gegenteil. (siehe oben) Der arme Tenor Korchak wird gnädigerweise gar nciht erwähnt, aber die Kritik an Signorina Agresta finde ich nciht gerecht. Dass sie falsch besetzt wurde, ist nciht ihre schuld und dafür dass sie ein lyrischer grosser Sopran ist, singt sie die koloraturen mehr als ordentlich. Was tiefe Stimmen, Chor und Musik angeht bin ich allerdings 100%d'accord mit dem Autor. :yes: Warum Deutsche so aufs Regietheater fixiert sind, kônnte man hier provokativ fragen und neue Diskussionen des Endlos-Themas entfesseln...... :rolleyes:
    "http://www.deutschlandfunk.de/oper-vincenzo-bellinis-melodram-i-puritani-an-der-opera.691.de.html?dram:article_id=270230"+++

    :fee:

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Bei uns gibt es "I Puritani" in der Pelly-Inszenierung live aus Paris morgen abend in den Kinos. Ich weiss nciht ob das auch im Ausland übertragen wird, wenn ja, unbedingt ansehen!!!!!! :fee:

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • I Puritani zum Zweiten

    Zum ersten Mal sehe ich mir eine Oper zweimal hintereinander an und beginne allmählich Severina und Andere zu verstehen, die das ja regelmässig (und manchmal
    mehr als 2mal.... [Blockierte Grafik: http://www.das-klassikforum.de//images/smilies/biggrin.gif] ) tun. Heute gab es eine Live-Übertragung der Puritani aus der Opéra Bastille Paris im Kino (die 250 km Reise plus Übernachtung kann/will ich mir
    bei den horrenden Pariser live dann doch nicht leisten) Ich habe viele Dinge erst beim zweiten Durchlauf richtig gesehen und Manches neu verstanden. Erfreulicheweise war Dmitri Korchak als Arturo heute wesentlich besser in Form als bei der Premiere, allerdings war der Ton insgesamt sehr laut und ich frage mich , was nun echte Klangfülle und was Tontechnik war. Man kann aber in jedem Fall sagen, dass "A te o cara" nicht total versemmelt war wie in der Premiere, sondern recht ordentlich gesungen und bis auf eine intonatorische Entgleisung beim hohen C war das angenehm zu hören, wenn auch lange nicht mein "Wunschklang". Maria Agresta als Elvira war noch virtuoser und auch ausdrucksstärker, den Namen muss man sich unbedingt merken, das muss m/E. eine herausragende Verdi-Interpretin sein und sie bewältigt Bellini in dieser Vorstellung technisch einwandfrei. Mariusz Kwiecien weniger nervös und souveräner von Beginn an, Ah per sempre purer Genuss nur Michele Pertusi vielleicht ein bisschen müder und weniger stralend als bei der Premiere. Im Orchester hatten die Blâser grosse Momente und ich konnte nur Signore mariotti gazn aus der Nähe beobachten. ein junger italienr, der genau weiss, wie man Bellini dirigieren muss und weder zuviel noch zuwenig macht- er nimmt diese Musik, die so oft abwertend als reine Gesangsuntermalung betrachtet wird ernst. Schon rein musikalisch war es wirklich ein Gewinn, die Puritani ein zweites Mal zu sehen. Was die Inszenierung angeht, gefällt sie mir ebenfalls noch besser als beim ersten Anlauf.
    Ich habe jetzt verstanden, dass die Nachtigallenkäfig-Burg-Gefängnis-Konstruktion auf der Bühne nicht nur Spiegel von Elviras Seele ist, sondern dass das Ganze sogar im Innern Elviras selbst spielen könnte und sozusagen ein Albtraum oder eine Resie in ihre Psyche sein kann. ist. Am Beginn liegt sie im Bett und wacht bei den 1. Tönen des Chors auf und sie kehrt immer wieder in dieses Bett zurück. Elvira könnte man durchaus als bi-polare Persönlichkeit sehen, was besonders in der Wahnsinnsszene "O rendetemi la speme" deutlich wird. Manisch in "Vien diletto" und depressiv in " Qui la voce". Und wenn man das pathologische Element
    herausnimmt: sie zeigt die typischen himmelhochjauchzendzutodebtrübt Verhaltensweisen pubertärer hysterischer Mädchen und ist eine romantische Heldin par excellence. Nach einer Interpretation von Domnique Fernandez ( frz. Schriftsteller,Mitglied der Academie française) sind Bellinis Frauenfiguren Inkarnationen seiner Heimat Sizilien- ohnmâchtig dem Willen und der Willkür wechselnder Eroberer ausgeliefert. Die Flucht in den Wahnsinn oder Somnambuismus sei die einzige Rettung. Nun ja......
    Ich finde, dass wenige Frauen in einer Oper so sehr auf Händen getragen werden wie Elvira. Die kriegerischsten Typen, die "Suoni la tromba" schmettern, liegen vor ihren Tränen zu Füssen und weinen aus Mitleid mit ihr und selbst ihr Vater erlaubt ihr, einen erklârten Feind zu heiraten. Wo gibt's denn sowas bitte sonst noch? Davon können andere Heldinnen nur träumen! Die Produktion kommt nâchstes Jahr an die MET und ich hoffe, dass es dann Diskussion geben wird, wenn Andere sie evtl
    auch sehen konnten. Ich kann sie trotz einiger Einschränkungen bei der Besetzung nur wärmstens empfehlen . Man kann schon froh sein, die Puritani überhaupt auf der Bühne zu sehen und in dieser sehr guten Produktion sollte man sich das nicht entgehen lassen.[Blockierte Grafik: http://www.das-klassikforum.de//images/bowdown.gif] :juhu: :juhu:


    belliniselig zum zweiten F.Q.

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Da die Aufzeichnung gestern im Fernsehen wieder einmal zu sehen war (mit einer sich zur Inszenierung ungewohnt kritisch äußernden Barbara Rett), nehme ich das zum Anlaß, meinen Senf loszulassen:

    Diejenigen, die meinen, ohne die Netrebko wäre die Sache so ziemlich zu vergessen, haben meiner Meinung nach recht. Die Inszenierung ist streckenweise reichlich uninspiriert, von Personenführung ist vielfach nichts erkennbar. Das alte Bühnenbild geht ja an (war aber nie etwas Besonderes), und sicher war die Regie seinerzeit wenigstens besser präsent, aber viel Gedankenarbeit steckte da wohl nicht dahinter, wenn man die Puritaner so bunt auftreten läßt.
    Patrick Summers' Dirigat kommt mir ungleichmäßig vor, einmal besser, einmal dürftig, insgesamt keine Leistung, die sich dauerhaft einprägt.
    Die Aufführung lebt von der Persönlichkeit und der Ausstrahlung Anna Netrebkos. Da ist es völlig egal, ob einmal ein Ton nicht ganz perfekt herauskommt, die Lady ist großartig, weil sie nicht nur schön singt, sondern die Rolle wirklich lebt. Die Herren stehen dagegen zu oft unglücklich herum und wissen nicht recht, was sie mit sich anfangen sollen. Eric Cutler als Arturo arbeitet sich tapfer durch die schwere Rolle, quält sich an manchen Stellen so sehr, daß er einem fast leid tut. Ihm ist kein Vorwurf zu machen, denn er gibt offenbar alles, was er kann. Daß die Met keinen geeigneteren Tenor fand (es muß nicht immer Flórez) sein), bestätigt das Geunke von der allgemeinen Krise in diesem Fach. John Relyea singt gar nicht schlecht, auch wenn es bessere Giorgios gibt, aber als Darsteller wirkt er hilflos. Franco Vassallo als Riccardo hatte vermutlich nicht seinen besten Tag, denn ich habe ihn schon überzeugender gehört. Das große Duett mit Relyea gelang aber beiden wirklich gut, das möchte ich ausdrücklich anerkennen.

    Zur DVD mit Flórez/Machaidze ein anderes Mal (bisher habe ich immer nur die erste Hälfte geschafft und mußte dann stets unterbrechen) - scheint aber auch so zu sein, daß man glaubte, man könne Spitzenqualität im Zentrum mit viel Mittelmäßigkeit garnieren.

    ______________________

    Homo sum, ergo inscius.

  • DVD einer Aufführung im Teatro Comunale di Bologna 2009, DECCA 2010

    Lobenswerterweise hat man hier die kritische Ausgabe von Fabrizio Della Seta (2008) zugrunde gelegt. Musikalisch ist hier auch viel zu preisen, aber die Augen hält man meistens besser geschlossen.. Die Inszenierung von Pier' Alli ist primitiv und häßlich, in der Personenführung überwiegen meist abgedroschene Elemente, von den manche in einer Staubi-Inszenierung vermutlich eher erträglich wären. Modernistisches Arrangement mit oberflächlichen Symbolismen, geometrisierende Statik und und ödes Herumstehen, kontrastierend mit einigen ebenso kurzen wie unpassenden Herumrennereien, sind der romantischen Musik Bellinis völlig unangemessen. Dafür aber ist es auf der Bühne oft so finster, daß man nicht viel erkennt. Die Protagonisten wirken manchmal recht unglücklich in diesem pseudoexpressionistischen Ambiente.
    Die Bildregie ist auch kein Hammer, aber wer hätte da schon Wunder wirken können?

    Michele Mariotti am Pult läßt anfangs etwas von der Eleganz vermissen, die Bellini fordert, aber dann läuft er mit dem Orchester zu sehr guter Form auf. Mit diesen Spitzensängern ist das auch kaum ein Wunder. Allen voran beeindruckt mich Nino Machaidze als Elvira, die es schafft, wirklich bellineskes Gefühl in diese trostlose Inszenierung hineinzubringen. Natürlich kommt auch sie bei den höchsten Tönen an ihre Grenzen, aber man weiß ja, daß das bei dieser Oper selbst bei den Allerbesten der Fall ist. Zu denen gehört sie natürlich. Ihr Arturo, Juan Diego Flórez, hatte damals noch nicht viel Erfahrung in dieser Rolle. technisch bewältigt er sie bravourös (klarerweise ein paar Mal mit Anstrengung), aber die persönliche Ausstrahlung kann mit Machaidze nicht ganz mithalten. Allerdings wird Flórez im Verlauf der Vorstellung immer besser und zum Schluß finde ich ihn ebenbürtig. Sehr gut auch Ildebrando d'Arcangelo als Sir Giorgio und der junge Gabriele Viviani (* 1977) als Riccardo, der übrigens auch recht attraktiv ausschaut. Zu beiden ist dem Regisseur nicht viel eingefallen, aber wer Ohren hat, der höre und genieße! Ebenso hält Nadia Pirazzini als Enrichetta das hohe Niveau, nur Gianluca Floris' Bruno ist eher solides Mittelmaß.

    ______________________

    Homo sum, ergo inscius.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!