Musikerromane und andere Belletristik zum Thema Musik

  • Musikerromane und andere Belletristik zum Thema Musik

    Berühmte Komponisten der klassischen Musik sind immer ein beliebtes Thema gewesen für Autoren historischer Romane, scheint mir. Nicht nur über die berühmtesten gibt es Belletristisches, auch über Meister aus der "zweiten Reihe", das beginnt schon mit Brachvogels "Friedemann Bach", vielleicht so etwas wie dem "Urvater" der Musikerromane. Warum eigentlich sind Komponisten so ein beliebtes Thema für Romanautoren? Oder gibt es über andere Künstler ebensoviele Erzählungen, mir ist das nur noch nie aufgefallen? Welche Musikerromane kennt ihr und welche findet ihr besonders empfehlenswert? Ich habe im Regal stehen (zugegeben nur zum Teil auch gelesen):

    Albert Emil Brachvogel: Friedemann Bach (1858)
    Franz Werfel: Verdi.Roman der Oper (1924)
    Fritz Lange: Johann Strauß. Der Walzerkönig (1925)
    Joseph August Lux: Beethovens unsterbliche Geliebte (1926)
    Klaus Mann: Symphonie pathétique. Ein Tschaikowsky-Roman (1935)
    Andreas Liebert: Mein Vater, der Kantor Bach. Seine Tochter Catharina Dorothea erzählt (2000)

    Wenn ich mir diese Liste so ansehe, scheint es in den zwanziger und dreißiger Jahren besonders beliebt gewesen zu sein, historische bzw. biographische Romane über Komponisten zu schreiben. Es fällt bei genauerer Betrachtung noch eine Gemeinsamkeit auf: Egal, welchen Erzählausschnitt die Autoren wählen, alle Romane, ausgenommen der von Werfel, enden mit dem Tod ihrer Hauptfigur. Dieser Tod wird dann gerne noch pathtisch überhöht (wirklich frei von jeder Pathetik ist das Sterben nur beim jüngsten Autor, bei Andreas Liebert). Überhaupt neigen die Autoren dazu, die Künstlerfiguren als genialische Übermenschen zu schildern, vor allem Lange und Lux tun sich da hervor. Bei Interesse gucke ich gerne noch einmal genauer hin und schreibe mehr über diese Romane, vielleicht kennt ja auch der ein oder andere eines der Bücher.

    Ich liebe Wagners Musik mehr als irgendeine andre. Sie ist so laut, daß man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne daß andre Menschen hören, was man sagt. - Oscar Wilde

  • Mein Lieblingsmusikerroman ist immer wieder der Dr. Faustus (also das Leben des Tonsetzers Leverkühn).

    Hartmut Lange:juhu: ist ein fetziger Novellenschreiber:

    Sehr gut ist "Das Streichquartett" eine Art Kriminalgeschichte im Zusammenhang mit der Probe und Erarbeitung von Schönbergs 4. Streichquartett.

    Das Schicksal Karlrobert Kreiten war Anregung für die Novelle "Das Konzert"


    :wink:

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Im Gegensatz zu den Büchern, die Armin Diedrich und ich "vorgestellt" haben, geht es aber weder in "Doktor Faustus" noch in "Das Streichquartett" um historische Personen. Das ist doch im Prinzip noch einmal eine "andere Schublade", keine historischen Romane, sondern rein fiktionale Erzählungen. Ich denke, das kann man nicht so direkt vergleichen.
    Kennt eigentlich jemand von euch "Die kleinen Gärten des Maestro Puccini" von Helmut Krausser?

    Ich liebe Wagners Musik mehr als irgendeine andre. Sie ist so laut, daß man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne daß andre Menschen hören, was man sagt. - Oscar Wilde

  • Musik und Musiker in der Belletristik

    Ein thread über belletristische Bücher, in denen Komponisten, Musiker oder gar die Musik selber eine prominente Rolle spielen.
    Es geht also nicht um Musik-Fachbücher sondern um Romane, Erzählungen und andere Gattungen, in denen eine bestimmt Art von Lesevergnügen im Vordergrund steht. Mit in diesen Bereich fallen auch Bücher, die einerseits Komponistenbiographie sein wollen, andererseits aber gegen die Gesetze der modernen Biographik verstossen und das Leben des Komponisten romanhaft und mit freier Phantasie ausgeschmückt darstellen.

    Erstes Beispiel:

    Sarah Quigley (in Berlin lebende Neuseeländerin, *1967)
    "Der Dirigent" (2011)

    Der Roman behandelt die Entstehung von Schostakowitsch "Leningrader Sinfonie" und die Umstände der durch den Dirigenten Karl Eliasberg geleiteten Aufführung im belagerten Leningrad.
    Zentrale Figuren dieses historischen Romans sind Schostakowitsch, der Musikwissenschaftler Sollertinski, natürlich Karl Eliasberg und eine Reihe weiterer fiktiver Figuren.
    Die Idee, darüber einen Roman zu schreiben, ist eigentlich recht vielversprechend. Herausgekommen ist aber eher nicht ein Buch über Eliasberg, Schostakowitsch oder seine Musik. Herausgekommen ist ein Roman mit den Handlungsverläufen einer Schnulze und eines Entwicklungsromans. Wirklich schön zu lesen und eine Super Drehbuchvorlage für eine TV-Produktion von ZDF oder Sat1. Ein sprachlich wie inhaltlich tiefer Roman ist es nicht. Das darf ja auch so sein als Unterhaltungsliteratur, die Erfolgreichsten Leute von der Konkurrenz machen es ja auch nicht anders. Der Krieg, die Belagerungssituation, Schostakowitsch, Eliasberg und die Musik sind nur Kulisse für eine Schnulze. Denn der Roman wird weder Schostakowitsch und seiner Musik gerecht, auch Eliasberg wird er wahrscheinlich nicht gerecht. Für ein Buch, dass sich von der Handlungsmotivation her hauptächlich mit der Entstehung und Einstudierung einer Sinfonie beschäftigt, sagt es erbärmlich wenig über die Musik selbst aus. Die Szene etwa, in der Schostakowitsch angeblich zu dem "Invasionsthema" inspiriert wird wirkt noch unglaubwürdiger und bemühter als eine schlechter Komponistenanekdote a la "So klopft das Schicksal an die Tür". Aus der Leningrader Sinfonie hätte man an literarischer Transformation westenlich mehr rausholen können. Wer die Musik nicht kannte, bevor er das Buch gelesen hat, kann sich auch hinterher kein rechtes Bild davon machen. Doch das ist ja genau der Knackpunkt und die Threadintention: das literarische Schreiben über Musik (konkret oder allgemein). Wem ist das schon beispielhaft geglückt?

    :wink:

    Ins Gebüsch verliert sich sein Pfad, hinter ihm schlagen die Sträuche zusammen.

  • Fetzige + fantastische Erzählungen des völlig unbekannten Hartmut Lange (geb. 1937) :

    Im Museum. In Nr. VI die Kindertotenlieder von Mahler
    3257067712

    Das Konzert bezieht sich auf den von den Nazis hingerichteten Karlrobert Kreiten


    Das Streichquartett: Eine Kriminalstory, die das 4. Streichquartett von Arnold Schönberg zum Gegenstand hat.


    Die Waldsteinsonate


    Der Herr im Cafe: Spielt gegen Anfang der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts; ein Unbekannter in einem Cafe studiert die Partitur von Weberns 5 Orchestertücken und behauptet mit dem Komponisten befreundet zu sein.

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • E.T.A. Hoffmann: Lebens-Ansichten des Katers Murr nebst fragmentarischer Biographie des Kapellmeisters Johannes Kreisler in zufälligen Makulaturblättern
    (noch eine Reihe Novellen von Hoffmann)
    E. Mörike: Mozart auf der Reise nach Prag
    Th. Mann: Doktor Faustus
    A. Carpentier: Barockkonzert
    D. Kühn: Beethoven und der schwarze Geiger
    Vikram Seth: An Equal Music (Verwandte Stimmen)

    es gibt sicher noch viel mehr, aber die fallen mir gerade ein und ich habe sie gelesen und es nicht bereut.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Herbert Rosendorfer: Briefe in die chinesische Vergangenheit (mit einem schönen Kapitel über eine Privataufführung von Beerthovens Streichquartett a-Moll, op. 132)

    Tharon

  • Ein thread über belletristische Bücher, in denen Komponisten, Musiker oder gar die Musik selber eine prominente Rolle spielen.


    So einen Thread gab es vor drei Jahren doch schon einmal kurz:

    Musikerromane
    Leider ist das Thema damals auf auffällig wenig Resonanz gestoßen.

    Ich liebe Wagners Musik mehr als irgendeine andre. Sie ist so laut, daß man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne daß andre Menschen hören, was man sagt. - Oscar Wilde

  • Recht hat er, der Cherubino! Mea culpa. Ich hatte einen derartigen thread gesucht aber nicht gefunden. Darf von mir aus gerne dem thread Musikerromane angehängt werden.

    Ins Gebüsch verliert sich sein Pfad, hinter ihm schlagen die Sträuche zusammen.

  • Ich habe schon vor Jahren die "Ungarische Rhapsodie". einen Roman über Franz Liszt verschlungen - obwohl ich von dem gar nichts höre ...

    Viele Grüße - Allegro

    "Musik ist ... ein Motor, Schönheit, Intensität, Liebe, Zauber, alles in allem: ein Elixir." Lajos Lencsés

  • Dieser Roman von Anna Enquist ist analog zu den Goldbergvariationen aufgebaut, die Aria und die Variationen werden zu Kapiteln aus dem Leben einer jungen Frau, die durch einen Unfall getötet wurde. Mich hat sowohl die Konstruktion als auch die Sprache der Erzählerin nicht ganz überzeugt, aber die Grundidee finde ich sehr interessant.

    Gruß, Carola

    Vom Schlechten kann man nie zu wenig und das Gute nie zu oft lesen. Arthur Schopenhauer

  • Mich hat sowohl die Konstruktion als auch die Sprache der Erzählerin nicht ganz überzeugt, aber die Grundidee finde ich sehr interessant.

    Erschienen ist der Roman vor fünf oder sechs Jahren. Mir ging es wie Dir. Die Hauptidee fand ich spannend - an das Buch selbst habe ich keine genauen Erinnerungen.

    :wink: :wink:

    Christian

    Rem tene- verba sequentur - Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen

    Cato der Ältere

  • Ein in meinen Augen recht gelungener Roman ist John Hamilton-Patersons "Der Traum des Gerontius" - allerdings begeistert mich Wolfgang Kreges Übertragung nicht wirklich.
    Ich würde zum Originaltext raten:

     

    :wink: Agravain

  • Kennt eigentlich jemand von euch "Die kleinen Gärten des Maestro Puccini" von Helmut Krausser?


    Ja! Hab's auf Elba im Bücherschrank meiner Unterkunft gefunden, versehentlich mit nach Hause genommen, und nun muss es zurück zum Erben des Eigentümers. :wacko:
    Ich denke, es gibt den Charakter von GP recht gut wieder und ist auch sauber bis gründlich recherchiert, da wo es geht. Stilistisch auch prima, und dumme Fehler betr. Musiktheorie sind mir auch nicht aufgefallen.
    Mir persönlich ist das Buch zu Butterfly-lastig. Natürlich ist diese schreckliche Premiere ein Schlüsselerlebnis für GP, aber die eventuellen Auswirkungen auf spätere Werke werden meiner Erinnerung nach nicht thematisiert.Im Prinzip steuert alles auf die Butterfly hin und läst es dann bewenden. Quasi ein Happy End im Leserhirn - dass die Butterfly heute ein Erfolgsstück ist, wird als bekannt vorausgesetzt. Vorsichtshalber liegt noch eine CD bei, die ich aber in irgend einem Autoradio vergessen habe, deshalb kann ich nicht sagen, welche der etwa 10.000 Einspielungen das war.
    Meine Erinnerung datiert alledrings bereits aus dem Sommer 2009. Was ich aber mit Sicherheit weiß: Als Freund der Fanciulla und des Trittico fand ich mich vernachlässigt.
    Hast du es unterdessen gelesen? Sonst rate ich zum antiquarischen Erwerb ohne CD.
    :wink:

    Ich habe eiserne Prinzipien. Wenn sie Ihnen nicht gefallen, habe ich auch noch andere.

  • Ein wirkliches Lesevergnügen,
    raffiniert aufgebaut, detailreich recherchiert und sehr angenehm zu lesen,
    dieser historische Musiker-Roman, der zugleich im "Kriminalgewand" daherkommt:
    SCHATTEN ÜBER SANSSOUCI von Oliver Buslau.

    Kenner werden schon die allerersten Zeilen genießen und sicher erraten, welcher berühmten Szene der Musikgeschichte sie da im Prolog beiwohnen dürfen,
    aus der Sicht eines Lakaien, soz. anonym, von "draußen vor der Tür" ...

    Liebe Grüße,
    Berenice

    Colors are like music using a short cut to our senses to awake our emotions.

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