WAGNER: Tannhäuser – Inbrunst im Herzen

  • WAGNER: Tannhäuser – Inbrunst im Herzen

    Meine Lieben,



    Die MET-Live-Aufnahmen aus den 1950er Jahren sind in der Regel nicht nur ausgezeichnet besetzt, sondern auch tontechnisch ganz ordentlich - an damaligen Maßstäben gemessen natürlich. Ich vermute daher, daß bei dieser ANDROMEDA-Edition das Remastering teilweise nicht so geglückt ist. Während die tiefen Stimmen prächtig tönen, hören sich hohen Töne vielfach weit weniger schön an.
    Rudolf Kempe dirigierte im Jänner 1955 eher bedächtig und schwerblütiger als sonst. Gerade bei dieser Oper gefällt mir das weniger, ich ziehe die Art von z.B. Sawallisch deutlich vor.
    Warum ich dennoch unbedingt zur Anschaffung rate: Der Wolfram George Londons ist einfach phänomenal, und es ist eigentlich ungerecht, daß dieser Edelmensch mit ebensolcher Stimme das Nachsehen hat. Auch die Partie des Landgrafen ist bei Jerome Hines bestens aufgehoben.
    Ramón Vinay hingegen scheint nicht seinen besten Tag gehabt zu haben, er quält sich ein bißchen. Ein überbordender Tatmensch wie Othello lag im besser. Dieses Konfliktbündel von Minnesänger kriegt er nicht richtig hin. Zudem muß er manchmal drücken (sein späterer Wechsel zurück ins Baritonfach vollzog sich ja nicht grundlos). Die mäßige Tontechnik mag diesen Eindruck vielleicht ungerecht verstärken. Nicht wirklich beurteilen möchte ich Astrid Varnays Elisabeth, weil sie natürlich am meisten unter jener leidet. Dieses Tondokument wird dieser kostbaren Stimme nicht gerecht.
    Der Rest ist ordentlicher Durchschnitt, ohne besonders herausragende Leistungen.

    Psychologisch stellt "Tannhäuser" für mich eine der interessantesten Schöpfungen Richard Wagners dar, weil namentlich die Titelfigur ein Zerrissener ist, und das keineswegs allzu vordergründig aufzufassende Kontrastieren von hoher und niederer Minne ja auch etwas vom alten "Herkules am Scheidewege"- Problem enthält. Das Vielschichtige kommt weder bei Kempe noch bei Vinay heraus. Dabei würden sich veiel Deutungsnuancen anbieten. Wie seht Ihr das?

    Liebe Grüße

    Waldi

    ______________________

    Homo sum, ergo inscius.

  • Psychologisch stellt "Tannhäuser" für mich eine der interessantesten Schöpfungen Richard Wagners dar, weil namentlich die Titelfigur ein Zerrissener ist, und das keineswegs allzu vordergründig aufzufassende Kontrastieren von hoher und niederer Minne ja auch etwas vom alten "Herkules am Scheidewege"- Problem enthält. Das Vielschichtige kommt weder bei Kempe noch bei Vinay heraus. Dabei würden sich veiel Deutungsnuancen anbieten. Wie seht Ihr das?

    Ich sehe das ganz ähnlich wie du. Ob dieses Vielschichtige bei Kempe und Vinay herausgearbeitet wird, dazu kann ich nichts sagen, ich kenne die Aufnahme nicht, aber dass der "Tannhäuser" eine der psychologisch spannendsten Schöpfungen Wagners ist, da stimme ich dir sofort zu. Spannend wird dieses Stück auf psychologischer Ebene meiner Meinung nach dadurch, dass die Figuren immer ein wenig undurchschaubar und geheimnisvoll bleiben. Sie lassen den Betrachter nicht an sich heran - und gerade dadurch wirken sie so spannend und geheimnisvoll.
    Vor allem bei Tannhäuser und Elisabeth frage ich mich immer wieder, warum sie sich nun gerade so verhalten, wie sie sich verhalten, und beide machen es dem Zuschauer besonders schwer, sich in sie einzufühlen. Bei Wolfram, dem Landgrafen und Venus ist das schon etwas leichter, aber auch mit ihnen kann man sich nicht so leicht identifizieren wie mit vielen anderen Operfiguren. Vielleicht am sympathischsten und normalsten ist da noch Wolfram von Eschenbach, der zumindest mir dann doch recht nahe ist - ganz im Gegensatz zu Tannhäuser, der in der Tat auch nach über drei Stunden Oper noch ein einziges Rätsel bleibt.
    Rein musikalisch möchte ich noch anmerken, dass Wagner in diesem Stück Ohrwürmer erfindet, wie sie ihm sonst nur selten eingefallen sind und Kantilenen schreibt, die mit den besten Italienern seiner Zeit mithalten können. Auch dadurch mag ich diese Oper sehr gerne; oft hören kann ich sie aber, wie fast alles von Wagner, nicht.

    Liebe Grüße,
    Lars

    Ich liebe Wagners Musik mehr als irgendeine andre. Sie ist so laut, daß man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne daß andre Menschen hören, was man sagt. - Oscar Wilde

  • Mir gefällt die Sawallisch-Aufnahme aus Bayreuth sehr gut mit Windgassen, Silja, Bumbry, Wächter und Crass. Ist schon etwas älter, aber musikalisch sehr "inbrünstig".

    Grüsse von Sotka

  • Von Sawallisch gibt es den "Tannhäuser" auch noch mit einer blendenden Janowitz, Kollo und Brendel in einem Live-Mitschnitt, Perugia 1972.

    Liebe Grüße

    Waldi

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    Homo sum, ergo inscius.

  • Persönlich finde ich "Tannhäuser" inhaltlich interessanter als "Tristan" oder den "Fliegenden Holländer" (den ich allerdings von den Wagner-Opern auch sehr gerne höre). Da gibt es eine Menge interessanter Ansätze, auf denen eine Inszenierung aufgebaut werden könnte ud außerdem wirkt die Szene (wie auch beim "Holländer" und den "Meistersingern" ) noch nicht so vollkommen abgeschlossen von der "Normalität", was in einigen Spätwerken der Fall ist, wo die Szene eben vollkommen isoliert wirkt ("Parsifal", "Ring" oder eben "Tristan").


    Die Hauptfiguren finde ich gar nicht sperrig, ihr Problem ist, dass eine normale Liebesbeziehung (zu der eben auch Sex bzw. die körperliche Seite gehört) in ihrem Umfeld (eher von der Moral des 19. Jahrhunderts als vom Mittelalter geprägt) verpönt ist. Zwar dreht sich alles am Hof des Landgrafen um das Thema Liebe wie der Sängerstreit zeigt, nur eine Verwirklichung kommt nicht zustande. Liebe wird da "diskutiert", aber nicht "erlebt". (Eine Parallele übrigens zu den "Meistersingern", wo es nicht um die Liebe, aber um die Kunst geht. Auch da droht die Erstarrung in den Regeln und die Gesellschaft sperrt sich gegen neue Impulse, die dringend notwendig wäre und die der Held Walter ähnlich wie Tannhäuser hat Im Gegensatz zum "Tannhäuser" gibt es hier aber mit Hans Sachs eine Figur, der in der Position ist, den Vermittler machen zu können und diese Aufgabe im wesentlichen mit Erfolg meistert.)


    Anzumerken ist, dass ich Elisabeth eigentlich nie als Gegenfigur zur Venus gesehen habe, sondern zum Pendant zum Titelhelden. Während er sich der Gesellschaft zunächst zu widersetzen versucht und damit zum "Sünder" wird, wagt sie das nicht und sucht schließlich Zuflucht in der Heiligenrolle.


    Die Venus sehe ich symbolisch für eine einseitige Form von Liebe und daher als Gegenpol zu Maria, die Tannhäuser auch anruft, als er den Venus-Berg verlassen will. (Die Parsifal-Inszenierung von Christine Mielitz, zurzeit an der Wiener Staatsoper, könnte so gesehen als positive Auflösung eines gar nicht so unähnlichen Konflikts verstanden werden, der allerdings noch extremer ist).

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    Il mare, il mare! Quale in rimirarlo
    Di glorie e di sublimi rapimenti
    Mi si affaccian ricordi! Il mare, il mare!
    Percè in suo grembo non trovai la tomba?

  • Liebe Teresa, warum nun ist diese verklemmte Story mit dem unsäglichen Frauenbild zwischen der Wahl entweder als Heilige zu vertrocknen oder als sündige Hure verdammt zu werden, interessanter als der Tristan????
    Ich finde ganz im Gegentiel, dass im Tristan des Gottfried von Strassburg ein Liebeskonzept entwickelt wird, das wesentlich moderner ist als dieser dualistische und frauenfeindliche Tannhäuser !
    Mittelalter konnte gottseidank auch ganz anders aussehen und die Vorstellung, die da im Tannhäuser vermittelt wird, finde ich beinahe so grässlich wie im Parsifal. Da kann dann nur noch mutiges Regietheater helfen, was draus zu machen, denn um die Musik ist es stellenweise wirklich schade.
    Obschon Wagner ja leider im Tristan nciht den Gottfried 1 zu 1 übernimmt, bleibt immerhin noch genug übrig, das mir sehr viel interessantere Ansätze bietet.

    F.Q.

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Man könnte es - sehr schnell und unrein formuliert - so sehen: Die gesellschaftliche Konvention verlangt, daß die Beziehung zwischen Tannhäuser und Elisabeth im Bereich der "hohen" Minne verbleibt, also eine poetisch sublimierte Verbindung ohne Anspruch auf reale Erfüllung darstellt. Zum Pech der beiden Liebenden entwickeln sie aber ein darüber hinausgehendes Verlangen, das nach Verschmelzung von Poesie und Leben strebt. Das stößt auf Widerstand. Tannhäuser sucht sich zeitweise ein Ventil in der Sinnlichkeit, die ihn vorübergehend betäubt, aber nicht befriedigt. Elisabeth als Dame ist dergleichen verwehrt, sie flüchtet sich sozusagen in neurotische Ekstase, die positiv zum Religiösen verklärt wird. Aber letztlich geht Elisabeth an dem unlösbaren Konflikt zugrunde.

    Was hier geschickt in visonäres Mittelalter gehüllt wird, spiegelt aber einen grundlegenden (Künstler-)Konflikt im 19.Jahrhundert (und nicht nur dieser Zeit). Im wirklichen Leben bewältigte Wagner ihn, indem er rücksichtslos Menschen aus seiner Umgebung vereinnahmte und für seine Absichten benützte. Sein schlechtes Gewissen, das er wohl auch hatte, konnte er mit dem Hinweis auf seine Schöpfungen beruhigen, die eben höhere Werte verkörperten. Ich weiß nicht, ob sich schon einmal Psychologen über die Struktur der "Tannhäuser"-Musik Gedanken gemacht haben. Eine Komposition wie der Pilgerchor könnte vermutlich auch als eine sublimierte Form von Erotik gedeutet werden.

    Liebe Grüße

    Waldi

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    Homo sum, ergo inscius.

  • Lieber Waldi, das kann ich Alles bestens nachvollziehen, was die Sache aber keinesfalls besser macht. :D
    Zur Musik-Psychologie haben sich schon viele Leute Gedanken gemacht, aber am Amüsantesten wäre sicher jemand wie Herr Oberhoff, falls jemand da was auf Lager hat......
    Für mich ist die Tannhäuserouvertüre "krass gehört" ein in Musik gesetzter, sich permanent steigernder Liebesakt- bis zum Höhepunkt und noch weiter.
    Über den Pilgerchor habe ich mir bisher keine Gedanken gemacht, aber halte deine These für ziemlich wahrscheinlich. Ein Stab der anfängt, zu grünen ist ja auch ein ganz besonderes diskretes und subtiles Symbol...... :whistling:
    Auch der Tristan und sehr vieles Andere von Wagner ist für meine Ohren geradezu aufdringlich erotisch komponiert .
    Mich wundert die orgiastische und fanatische Begeisterung vieler Wagnerianer angesichts dessen kein bisschen(man sehe sich unter diesem Gesichtspunkt auch mal die Beziehung von Thmas Mann zu Wagners Musik an), ich bin ihr in meiner Jugend ja selbst hoffnungslos verfallen.
    Liebste Feengrüsse aus Lille an den "alten charming Knacker" in Wien :fee:

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Liebe Fairy,

    Erotisch ist aber nicht nur die Musik von Wagner (nicht immer, sonst wär's ja wirklich anstrengend), sondern auch z.B. die von Puccini. Und unseren geliebten Bellini muß ich mir einmal speziell auf diesen Verdacht hin zu Gemüte führen. Bei dem ist aber das Eingebundensein ins Melodische, also eine als solche wahrnehmbare künstlerische "Form", gleichsam wiederum distanzierend. Kann es sein, daß bei Wagner, der da freier bzw. für Otto Normalverbraucher nicht so sehr den Standardformen folgend vorgeht, den Hörer das Erotische unmittelbarer anspringt und daher auch unter Umständen "stört"? Das würde vielleicht zum Teil erklären, warum der Pilgerchor im Durchschnitt besser ankommt als der "Tristan".

    Liebe Grüße

    Waldi

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    Homo sum, ergo inscius.

  • Lieber Waldi, interessante Reflektion,aber ich kann da natürlich nur für mich reden oder allgemeine Mechanismen deuten.
    Es gibt nicht ganz wenige Menschen, die brauchen eine gewisse Distanz, Dosierung und Sublimierung, um sehr starke ästhetische (also Sinnen-) Eindrücke positiv annehmen und geniessen zu können.
    Wagners Musik ist volle emotionale Breitseite (die von Puccini auch, wenn auch auf anderem Niveau) und tritt dabei ausserdem reichlich aufdringlich und wie z.B. im Tannhäuser Vorspiel sogar hemmungslos auf.
    Wer die Ouvertüre zum Tannhäuser oder den Liebestod aus dem Tristan hört, wird überrrollt. Das ist eine Art musikalischer Vergewaltigungsakt, bei dem das Opfer am Ende mit dem sehr ambivalenten Gefühl dasteht, vollkommen machtlos gewesen und in einen Sog gezogen worden zu sein- ob es nun wollte oder nciht.
    Bei Wagner muss man die Kontrolle aufgeben und das fällt nicht immer ganz leicht.
    Wenn man das Gefühl hat, es dabei mit einem wohlwollenden, integren und rechtschaffenen Gegenüber zu tun zu haben, ist das weniger ein Problem, als wenn sich der Verdacht einschleicht, einem Manipulator auf den Leim zu gehen.
    Man lässt sich gerne spielerisch "manipulieren", wenn man Vertrauen zu den Motiven und Zielen des "Manipulators" hat.
    Hat man das nicht, bzw verliert man das, wird es unangenehm.
    Ich hoffe, du versteht richtig, was ich sagen möchte.

    F.Q.

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Lieber Waldi!

    der Pilgerchor kommt deshalb besser an - weil er kürzer ist, er geht blendend auf eine 45er LP drauf. :klatsch: :klatsch:

    Das kann man wohl vom Tristan und Isolderl nicht sagen. :o: :o:

    Liebe Grüße sendet Dir Peter. :wink: :wink:


  • Liebe Teresa, warum nun ist diese verklemmte Story mit dem unsäglichen Frauenbild zwischen der Wahl entweder als Heilige zu vertrocknen oder als sündige Hure verdammt zu werden, interessanter als der Tristan????
    Ich finde ganz im Gegentiel, dass im Tristan des Gottfried von Strassburg ein Liebeskonzept entwickelt wird, das wesentlich moderner ist als dieser dualistische und frauenfeindliche Tannhäuser !
    Mittelalter konnte gottseidank auch ganz anders aussehen und die Vorstellung, die da im Tannhäuser vermittelt wird, finde ich beinahe so grässlich wie im Parsifal. Da kann dann nur noch mutiges Regietheater helfen, was draus zu machen, denn um die Musik ist es stellenweise wirklich schade.
    Obschon Wagner ja leider im Tristan nciht den Gottfried 1 zu 1 übernimmt, bleibt immerhin noch genug übrig, das mir sehr viel interessantere Ansätze bietet.

    F.Q.

    Gottfried von Straßburgs "Tristan und Isolde" (leider nicht vollendet) finde ich wesentlich moderner als eben die Oper von Wagner. Aber das mag Ansichtssache sein.

    Das Frauenbild bei Wagner ist in fast jeder seiner Opern problematisch und soviel fortschrittlicher als die Figur der Elisabeth finde ich Wagners Isolde (anders als die von Gottfried) eigentlich auch nicht. Beide Frauenfiguren haben das Problem, dass sie ohne den Partner nicht existieren können. Isolde ist Tristan nach Cornwall gefolgt um Marke zu heiraten, sie folgt ihm überall hin, also auch in den Tod nach, wie sie selbst sagt. Elisabeth sucht ihre Erfüllung letztlich im Opfer für den Geliebten und sein Seelenheil. Senta begeht Selbstmord, um ihn zu erlösen und Elsa sinkt tot zu Boden, als Lohengrin sie verlässt. (Wäre es für sie wirklich nicht möglich weiterzumachen, nachdem sie ein wenig um ihn getrauert hat?) Ähnlich auch bei Brünnhilde, die in die Flammen geht. Immerhin könnte sie auch nur den Ring den Flammen übergeben und dann zusammen mit Grane in ein neues Leben reiten. Bei den meisten Frauenfiguren der Wagner-Opern habe ich nicht den Eindruck, dass ihr Bühnentod unbedingt notwendig wäre, vielleicht ausgenommen Senta, wenn man davon ausgeht, dass ihr Selbstmord tatsächlich die Erlösung des "Holländers" bedeutet.

    Heute ist es durchaus üblich bei Inszenierungen in das Libretto einzugreifen und seine Frauenfiguren am Leben zu lassen (so zum Beispiel schon in den 1970er-Jahren im "Parsifal", später im "Lohengrin" und die Tristan-Serie an der Wiener Staatsoper im letzten Dezember lässt Isolde am Schluss in stehender Haltung an der Leiche Tristans zurück. (Es ist also offen, wie es jetzt mit ihr weitergeht. Ihr Weiterleben wäre da schon vorstellbar. Auffallend ist für mich, dass ich solche Änderungen bisher noch keineswegs als störend oder aufgesetzt empfunden habe, obwohl ich durchaus (auch im Regietheater) für Librettotreue bin. Das zeigt mir jedenfalls, dass die meisten weiblichen Toten bei Wagner keineswegs von der Handlung her notwendig sind. (Einen Eindruck, den ich bei Pucchini, der auch gerne weibliche Figuren in seinen Opern "killt", eigentlich nicht habe.)

    Warum ich mit "Tannhäuser" mehr anfangen kann, als mit "Tristan" liegt sicher daran, dass die Konflikte dort direkt eine Austragung finden und das Umfeld stärker in diese verstrickt ist. Bei Tristan und Isolde habe ich den Eindruck, dass beide ein wenig im "luftleeren" Raum schweben und sich eigentlich längst von ihrem Umfeld abgekapselt haben. Daher gibt es für sie keinen wirklichen Konflikt mehr. Bei der Konfrontation mit Marke ist zum Beispiel für Tristan eigentlich nur wichtig, dass ihm Isolde folgt, wohin er auch geht. Dann lässt er sich von Melot töten, was eindeutig als Suicid rüberkommt. Er geht auf Marke und dessen Situation absolut nicht ein, versucht es nicht einmal ansatzweise. Auch wenn er sich rechtfertigen will oder kann, könnte er zumindest den Dialog mit seinem Verwandten suchen, sich auf die Situation von diesem einlassen.

    Tristan und Isolde sind von Anfang an eigentlich todessüchtig und nur auf sich bezogen, ein Zustand, der die ganze Oper hindurch erhalten bleibt. Im Tannhäuser ist das keineswegs der Fall ist, das Umfeld spielt eine stärkere Rolle, es werden immerhin sogar andere Lösungen ansatzweise versucht, zunächst scheint sogar eine günstige Entwicklung durchaus möglich.

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  • Warum ich mit "Tannhäuser" mehr anfangen kann, als mit "Tristan" liegt sicher daran, dass die Konflikte dort direkt eine Austragung finden und das Umfeld stärker in diese verstrickt ist. Bei Tristan und Isolde habe ich den Eindruck, dass beide ein wenig im "luftleeren" Raum schweben und sich eigentlich längst von ihrem Umfeld abgekapselt haben. Daher gibt es für sie keinen wirklichen Konflikt mehr.

    Na eben. Schluss mit den ganzen Intrigen, Konflikten, Entwicklungen, mit den ganzen uralten, überlebten, sterbensmüden Relikten abendländischen Theaters. Weg, aus, tot.

    :faint:

    .

  • Warum ich mit "Tannhäuser" mehr anfangen kann, als mit "Tristan" liegt sicher daran, dass die Konflikte dort direkt eine Austragung finden und das Umfeld stärker in diese verstrickt ist. Bei Tristan und Isolde habe ich den Eindruck, dass beide ein wenig im "luftleeren" Raum schweben und sich eigentlich längst von ihrem Umfeld abgekapselt haben.

    Liebe Teresa, das kann ich nun gerade gar nciht nachvollziehen. :shake: Du findest den Tannhäuser interessanter, WEIL da klar Schiff gemacht wird, und die Konflikte dualistisch "gelöst" werden? No sex please, Heilige oder Hure, keuscher Tod= Paradies , unkeuscher Venusberg= Hölle?
    Der angeblich luftleere Raum um Tristan und Isolde ist nur insofern leer, als er von den sinnentleerenden Konventionen geleert wird.
    Der Raum um die Beiden ist im Gegenteil ganz erfüllt und das Geniale daran ist, dass die Musik die Auflösung der Konventionen und das Verschmelzen ineinander und miteinander genau wiederspiegelt .
    Und wie Zweilicht es in einer etwas anderen Form :D sagt: moderner und dabei gleichzeitig utopistischer ist der Tristan nun allemal.

    Nein, die Isolde im Tristan ist natürlich letztlich auch eine Wagner-Frau, für ihn gabs ja offenbar ncihts Anderes, als Frauen, die sich dem Genius und der Erlösung des Mannes mit Haut und Naaren verschreiben und opfern müssen um darin ihren heiligsten Lebenssinn zu finden.
    Aber Isolde ist auch immer noch die Isolde des Gottfried von Strassburg. Sie wird nicht dualistisch verklärt, sie ist auch bei Wagner eine Frau aus Fleisch und Blut und dem Tristan mindestens gleichgestellt.
    Wenn ich Waltraut Meier als Isolde in einer Konwitschny inszenierung sehe ist das jedenfalls ein ganz anderes Kaliber von Frau-Sein als eine Heilige Elisabeth. Wenn mir jemand ene Inszenierung nennen kann, in der Elisabeth eine ähnliche Wertung bekommt, schau ich mir das gerne mal an.
    Dass Wagner für mich von guten Regisseuren und Dirigenten, die keine kreischenden Schweinshawxen erzwingen, geniesssbarer gemacht werden kann, wird mir immer klarer.

    F.Q.

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Bei Wagner muss man die Kontrolle aufgeben und das fällt nicht immer ganz leicht.
    Wenn man das Gefühl hat, es dabei mit einem wohlwollenden, integren und rechtschaffenen Gegenüber zu tun zu haben, ist das weniger ein Problem, als wenn sich der Verdacht einschleicht, einem Manipulator auf den Leim zu gehen.
    Man lässt sich gerne spielerisch "manipulieren", wenn man Vertrauen zu den Motiven und Zielen des "Manipulators" hat.

    Liebe Fairy,

    Ja, ich glaube, zu verstehen, was Du meinst.Trotzdem: Muß man bei Wagner wirklich die Kontrolle aufgeben? Oder genügt es nicht, sich sozusagen lediglich der - als solche bewußten - Illusion hinzugeben? Manipuliert Wagner nicht eigentlich oft unverhüllter, ja brutaler als etwa Puccini? Der "manipuliert" auf die feine, gesellschaftliche Tour, ist aber im Gund ein nicht weniger schlimmer Fiesling, der sich aber genial seiner Komplexe entledigt. Erinnere Dich, was wir seinerzeit auf der anderen Insel über die Liu diskutiert haben, wie kaltschnäuzig eigentlich Puccini über das Menschenopfer (im wahren Leben) zur Schilderung einer hinreißend sublimierten, unbeschreiblich innigen Selbstentäußerung aus Liebe und Mitgefühl gelangt. Da ist er für mich eigentlich der gefährlichere Manipulator, eben weil ich das Endergebnis so wunderbar finde, daß es fast schwer fällt, sich die Fakten des Puccinischen Familienlebens bewußt zu halten. Bei Wagner ist mir seine Selbstbezogenheit von Anfang an viel stärker präsent.

    Liebe Grüße

    Waldi

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    Homo sum, ergo inscius.

  • Lieber Waldi, nicht dass hier nun doch noch Missverständnisse entstehen: ich finde Puccini keinesfalls besser als Wagner, ganz im Gegenteil!
    Die Art und Weise der Manipulation von Puccinis Musik ist für mich nur weniger gefährlich, weil sie viel primitiver und duchschaubarer ist und ich deshalb viel mehr Distanz dazu habe. Bei Puccini sag ich mir: ist zwar Macho-Kitsch im Quadrat, aber tut manchmal ganz gut, also gönn ich mir ab und an mal ein Gläschen davon.
    Und zu singen ist es einfach wie Schokoladencreme mit Sahne mit Karamellsosse. Auch wenn's einem schlecht wird, das muss man sich manchmal einfach geben. :sev: In hömöopathischen Dosen.
    Dass der Kerl ein opportunistischer Ober-Macho mit pathetischem Italo- Herzen und begründet schlechtem Gewissen war... sei's drum, meine männliche italienische Verwandtschaft ist teilweise auch nicht viel besser...... ;(
    Wagner finde ich jedenfalls viel gefährlicher,
    weil ich mal süchtig war,
    weil der viel besser komponiert hat und daher neidlos bewundert werden muss,
    weil da anders als bei Puccini eine widerliche Ideologie mit verwoben ist, vor allem was die Wirkungsgeshcichte betrifft. Davon kann ich keinesfalls absehen.
    Es ist jedenfalls viel schwieriger, die Kontrolle nciht zu verlieren, wenn die Manipulation weniger plakativ und durchsichtig daherkommt sondern musikalisch von hohem Wert und in sich überzeugend ist.
    Dem nie wieder auf den Leim zu gehen, aber trotzdem auch nicht radikal den Riegel vorzuschieben , geht bei mir nur in kleinen Schrittchen. Mit dem älterwerden lenrt man aber vielleicht Illusion des Kontrollverlustes von echtem Kontrollverlust zu unterscheiden? Eigentlcih will ich das ja gar nciht, aber bei Wagner ist es sicher eine gute Strategie.
    saluti e baci :fee:

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Eben im Radio der „Interpretationen“-Sendung gelauscht: Tannhäuser – Gast: Marek Janowski. Mein Weg zu Wagner ist ein langer und steiniger, aber ich komme ihm immer näher. Jedenfalls fand ich interessant, was Janowski über die Oper zu sagen hatte, die Ausschnitte (fast alles ältere Aufnahmen) machen Lust auf mehr Wagner. Ich wusste bis dato nicht, dass es eine Dresdner und eine Pariser Fassung gibt. Gut nachvollziehbar war für mich, inwiefern Janowski die Pariser Fassung als Stilbruch empfindet.
    Ich habe hier nur die alte 1954-er Keilberth-Aufnahme. Gerade bei Wagner finde ich es schade, wenn die Klangqualität nicht so dolle ist. Das nimmt doch viel von der Freude an der Musik. Obwohl ich gerade beim Reinhören schon denke, dass das eine gute Aufnahme sein könnte.

    Habt Ihr den ultimativen Tipp für eine Aufnahme jüngeren Datums? (Bitte nicht Solti. Oder doch?) Wie ist denn diese hier zum Beispiel unter Cluytens aus 1965?

    Cluytens lässt doch eher einen schlanken, transparenten Wagner spielen, oder? Ich habe hier eine Ouvertüren-Aufnahme mit ihm, die ich sehr stark finde.

    Gruß, Cosima

  • Wie ist denn diese hier zum Beispiel unter Cluytens aus 1965?

    Die ist vor allem nicht von 1965, sondern von 1955 und live. Ziemlich verrauscht und mono. Ansonsten mag ich sie, vor allem wegen Frau Brouwenstijn, die du aber ja bei Keilberth sowieso schon hast.
    Falls du sie dir trotzdem anschaffen willst: bei Walhall gibt es sie zu einem Bruchteil des Orfeo-Preises.

    Grüße
    vom Don

  • Hallo Don und danke. Schade, da hatte ich falsch gelesen. Leicht verrauscht (obwohl für 1954 ziemlich gut im Klang bzw. gut remastered), mono und live ist die Keilberth-Aufnahme auch. Dann werde ich die Finger vom Cluytens lassen.

    Gruß, Cosima

  • Liebe Cosima,

    ich habe eine Empfehlung, die ich zwar immer an solcher Stelle ausspreche, die aber doch besonders Dir zu großer Innerlichkeit gereichen dürfte:

    Dresdner Fassung, bis auf vielleicht Hopf Sänger, wie man sie sich nur wünschen kann, und ein Dirigent, der die Partitur atmen läßt. Klangqualität auf LP überirdisch für die Zeit (1960), die CD ist aber auch sehr gut. Ach, und: Fischer-Dieskau in der verkappten Hauptrolle.

    Liebe Grüße :wink:


    "In the year of our Lord 1314 patriots of Scotland, starving and outnumbered, charged the field of Bannockburn. They fought like warrior poets. They fought like Scotsmen. And won their freedom."

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