Haydn - Spitzenquartette in Spitzenaufnahmen

  • Ich besitze mit dem Festetics Q. opp. 9,17,50, 54/55, 64 und 71/74. Bei opp.9 und 17 habe ich nicht viele Vergleichsmöglichkeiten (und erst seit kurzem gibt es überhaupt eine andere HIP-Aufnahme mit dem London Haydn Quartet, von denen ich aber bisher nichts kenne). Insgesamt fehlt es den Interpretationen m.E. etwas an Esprit. Der Klang ist sehr warm, "erdig" und unterscheidet sich sowohl vom typischen traditionellen Quartettklang wie auch von vielen, etwas trocken oder spitz klingenden HIP-Ensembles. (Das Mosaiques Quartett klingt allerdings auch eher weich und warm.) Am besten gefallen mit oft die langsamen Sätze und die gemächlicheren Allegro-Sätze. In op.54 fand ich z.B. das erste brillant-virtuose Quartett mit dem Festetics enttäuschend, das zweite funktioniert erheblich besser.
    Mein Favorit ist vermutlich ihr op.50 (auch hier gibt es erst seit kurzem eine HIP-Alternative), u.a. weil sie da meiner Erinnerung nach etwas zügiger unterwegs sind.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Ja, mit dem Esprit halten sie deutlich zurück und ersetzen ihn durch Intimität. Aber gerade das macht für mich diese Aufnahmen so lohnend. Espritgeladene Aufnahmen, nicht zuletzt die neuen vom Doric String Quartet, gibt es ja zur Genüge, und auch diese schätze ich oft sehr. Interessant wird für mich op. 71/74. Das sind mMn doch sehr extravertierte Werke. Ob das den Festetics liegt?

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Übrigens hat das Doric Quartett dieser Tage die zweite CD von Haydns. op. 64 aufgenommen. Also die DoppelCD sollte dann wohl nächstes Jahr erscheinen.

    Beste Grüße

    Gerhard

  • Ja, mit dem Esprit halten sie deutlich zurück und ersetzen ihn durch Intimität. Aber gerade das macht für mich diese Aufnahmen so lohnend. Espritgeladene Aufnahmen, nicht zuletzt die neuen vom Doric String Quartet, gibt es ja zur Genüge, und auch diese schätze ich oft sehr. Interessant wird für mich op. 71/74. Das sind mMn doch sehr extravertierte Werke. Ob das den Festetics liegt?

    Für mich, ähnlich wie op.54/1 eine ihrer weniger überzeugenden Aufnahmen; allerdings habe ich die ewig nicht gehört.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Wieland hat hier dankenswerterweise auf die Neuaufnahme von op. 64 mit dem Doric String Quartet hingewiesen:

    Bei Spotify schon abrufbar. Ich habe mir gleich mal das h-moll-Quartett angehört: Hervorragendes Ensemblespiel. Die Tempi sind nicht ungewöhnlich, aber das Spiel steht ständig unter Spannung. Dissonanzen und extreme Lagen werden besonders betont, kompositorische Überraschungen oder Gags fast überbetont: das geheimnisvoll chromatisch aufsteigende Oktavenmotiv in der Durchführung (T. 53-57) wird in puncto Dynamik und Tempo extrem zurückgenommen, beim sopra una corda im Finale (T. 46-51) geht die Primgeige stehgeigermäßig mit pointierten Portamenti in die Vollen. Sehr variable Dynamik, in Menuett und Finale kommt es bei Wiederholungen gelegentlich zu der neuerdings so beliebten Vertauschung von Piano- und Forte-Blöcken. Die Mittelstimmen sind überaus präsent, im Adagio drängen sich die Begleitstimmen ziemlich in den Vordergrund. In der Schlussgruppe der Exposition des Kopfsatzes knallt das Pizzicato fast so, als hätte Bartók es notiert. Unbedingt hörenswert, aber vielleicht doch nicht der Weisheit letzter Schluss.

    :wink:

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  • Wieland hat hier dankenswerterweise auf die Neuaufnahme von op. 64 mit dem Doric String Quartet hingewiesen:

    Bei Spotify schon abrufbar. Ich habe mir gleich mal das h-moll-Quartett angehört: Hervorragendes Ensemblespiel. Die Tempi sind nicht ungewöhnlich, aber das Spiel steht ständig unter Spannung. Dissonanzen und extreme Lagen werden besonders betont, kompositorische Überraschungen oder Gags fast überbetont: das geheimnisvoll chromatisch aufsteigende Oktavenmotiv in der Durchführung (T. 53-57) wird in puncto Dynamik und Tempo extrem zurückgenommen, beim sopra una corda im Finale (T. 46-51) geht die Primgeige stehgeigermäßig mit pointierten Portamenti in die Vollen. Sehr variable Dynamik, in Menuett und Finale kommt es bei Wiederholungen gelegentlich zu der neuerdings so beliebten Vertauschung von Piano- und Forte-Blöcken. Die Mittelstimmen sind überaus präsent, im Adagio drängen sich die Begleitstimmen ziemlich in den Vordergrund. In der Schlussgruppe der Exposition des Kopfsatzes knallt das Pizzicato fast so, als hätte Bartók es notiert. Unbedingt hörenswert, aber vielleicht doch nicht der Weisheit letzter Schluss.

    :wink:

    Gibt es für die Haydn Quartette auch im Kauf erhältliche Partituren(du hast ja Taktangaben genannt, weshalb ich davon ausgehe, dass du Partituren besitzt)?

    Gib dich nicht der Traurigkeit hin, und plage dich nicht selbst mit deinen eignen Gedanken. Denn ein fröhliches Herz ist des Menschen Leben, und seine Freude verlängert sein Leben.

    Parsifal ohne Knappertsbusch ist möglich, aber sinnlos!

  • Gibt es für die Haydn Quartette auch im Kauf erhältliche Partituren(du hast ja Taktangaben genannt, weshalb ich davon ausgehe, dass du Partituren besitzt)?

    Ich habe die bei IMSLP abrufbare Eulenburg-Partitur mit Taktangaben genutzt:
    https://imslp.nl/imglnks/usimg/…._64,_No._2.pdf

    In Buchform sind die Urtextausgaben im Henle-Verlag empfehlenswert (da besitze ich op. 20, 33, 76; alle mit Taktangaben):


    Wenn man in Buchform alle zusammen haben möchte, ist wahrscheinlich die Doblinger-Edition am erschwinglichsten:


    Man kann sich auch alte Ausgaben (z.B. Eulenburg, Philharmonia, Dover) antiquarisch preiswert zusammenkaufen. Oder eben IMSLP benutzen - das ist natürlich die einfachste und billigste Variante (dort unterschiedliche, nicht immer auf dem neuesten Stand befindliche Editionen).

    :wink:

    PS: Im Werbetext zur Doblinger-Ausgabe bei Amazon findet sich übrigens folgender Ausschnitt aus einer Rezension in der nmz: Seit 1977 haben im Verlag Doblinger die international führenden Haydn-Experten Robbins Landon und R. Barrett-Ayres eine kritische Neuausgabe sämtlicher Streichquartette Haydns betreut, die mittlerweile abgeschlossen und im offenen Wettbewerb mit der Gesamtausgabe des Henle-Verlags eindeutig zu bevorzugen ist, da die im Notentext getroffenen Entscheidungen im Zweifelsfall musikalischer Logik und aufführungspraktischen Erwägungen folgen anstatt blinder Befolgung philologischer Gegebenheiten.

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  • Vielen Dank.

    Gib dich nicht der Traurigkeit hin, und plage dich nicht selbst mit deinen eignen Gedanken. Denn ein fröhliches Herz ist des Menschen Leben, und seine Freude verlängert sein Leben.

    Parsifal ohne Knappertsbusch ist möglich, aber sinnlos!

  • Wieland hat hier dankenswerterweise auf die Neuaufnahme von op. 64 mit dem Doric String Quartet hingewiesen:

    Bei Spotify schon abrufbar. Ich habe mir gleich mal das h-moll-Quartett angehört: Hervorragendes Ensemblespiel. Die Tempi sind nicht ungewöhnlich, aber das Spiel steht ständig unter Spannung. Dissonanzen und extreme Lagen werden besonders betont, kompositorische Überraschungen oder Gags fast überbetont: das geheimnisvoll chromatisch aufsteigende Oktavenmotiv in der Durchführung (T. 53-57) wird in puncto Dynamik und Tempo extrem zurückgenommen, beim sopra una corda im Finale (T. 46-51) geht die Primgeige stehgeigermäßig mit pointierten Portamenti in die Vollen. Sehr variable Dynamik, in Menuett und Finale kommt es bei Wiederholungen gelegentlich zu der neuerdings so beliebten Vertauschung von Piano- und Forte-Blöcken. Die Mittelstimmen sind überaus präsent, im Adagio drängen sich die Begleitstimmen ziemlich in den Vordergrund. In der Schlussgruppe der Exposition des Kopfsatzes knallt das Pizzicato fast so, als hätte Bartók es notiert. Unbedingt hörenswert, aber vielleicht doch nicht der Weisheit letzter Schluss.

    Jetzt mal was Bekanntes, op. 64 Nr. 5. Im ersten Satz versucht das Doric Quartet, etwas Moderato-Lässigkeit zu simulieren, wirkt aber trotzdem ziemlich angespannt. Die Lerche ist leicht erkältet. Entweder stimmt in der Eulenburg-Partitur die Hälfte der Dynamikangaben nicht oder das Ensemble nimmt sich dabei erhebliche Freiheiten heraus. Das Prinzip "beim erstenmal Piano, bei der Wiederholung Forte" bzw. vice versa strengt auf die Dauer an. Insgesamt erwische ich mich zum erstenmal bei dem Gedanken, dass das hier praktizierte sehr vibratoarme Spiel auf Darmsaiten möglicherweise weniger sägend klingen würde. Alles auf hohem technischen Niveau. Aber etwas mehr Charme wäre schön.

    :wink:

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  • etzt mal was Bekanntes, op. 64 Nr. 5. Im ersten Satz versucht das Doric Quartet, etwas Moderato-Lässigkeit zu simulieren, wirkt aber trotzdem ziemlich angespannt. Die Lerche ist leicht erkältet. Entweder stimmt in der Eulenburg-Partitur die Hälfte der Dynamikangaben nicht oder das Ensemble nimmt sich dabei erhebliche Freiheiten heraus. Das Prinzip "beim erstenmal Piano, bei der Wiederholung Forte" bzw. vice versa strengt auf die Dauer an. Insgesamt erwische ich mich zum erstenmal bei dem Gedanken, dass das hier praktizierte sehr vibratoarme Spiel auf Darmsaiten möglicherweise weniger sägend klingen würde. Alles auf hohem technischen Niveau. Aber etwas mehr Charme wäre schön.

    Habe mich heute durch die erste CD gehört und war extrem unbegeistert von dieser Eispielung. Durch 64/3 walzen die Dorics wie ein Panzer: null Charme, null Flexibilität im Ton, null Humor. Bei op. 20 und op. 76 haben sie mir gut gefallen, das sind ja auch zwei sehr ernste Zyklen, aber beim augenzwinkernden, witzigen op. 64 kann ich nur einen "epic fail" konstatieren. Da sie als nächstes wahrscheinlich op. 33 einspielen werden, weiß ich schon, welche Haydn Aufnahme ich nächstes Jahr nicht kaufen werde.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

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