Schostakowitsch: Sinfonie Nr. 8 c-Moll op. 65

  • "Besagte Stelle bei 15:38 und da geht die Post ab !!!!!"

    Yes , Dok Stänker :klatsch: :juhu: :klatsch: und wie !

    LG palestrina

    „ Die einzige Instanz, die ich für mich gelten lasse, ist das Urteil meiner Ohren. "
    Oolong

  • Bitte schau mal genauer nach!

    Zitat

    Die von mir empfohlene Fedossejew-Aufnahme ist von 1999


    Das ist eine Jubiläumsausgabe, die Du da als Bild publizierst! 25 Jahre Fedosejev in Moskau. Vielleicht ist das Publikationsdatum der CD von 1999, die Aufnahme aber älter, immerhin suggeriert der Titel, dass Werke aus 25 Jahren Fedosejev, den ich übrigens mal großartig in Kiel gesehen habe (Strawinski, da flog fast das Dach weg!), dort veröffentlich wurden.
    Das würde mich schon interessieren.
    Gruß aus Kiel

    "Mann, Mann, Mann, hier ist was los!"

    (Schäffer)

  • Genauer nachgeschaut

    Habe genauer nachgeschaut.

    Deine Aufnahme dürfte die mit der ASIN B000VH87DY sein (Link funktioniert leider nicht). Aufnahmejahr wie auch in Amazon-Beschreibung 1985

    Meine CD ist nicht mehr da, ich habe nur noch die ausgelesenen Tracks. Allerdings habe ich bei Recherchen im Netz auf verschiedenen Seiten die Angabe Live-Aufnahme 1999, Ort unklar, gefunden. Ich glaube mich auch zu erinnern, dass es so und nicht anders auf der Verpackung steht.

    Die Spielzeiten (24:38, 6:30, 6:33, 8:04, 14:42) unterscheiden sich ausreichend von denen Deiner Aufnahme, um sie als andere Einspielung zu identifizieren. Ich hatte immer wieder Interesse an der von Dir als Dutzendware beschriebenen 85er Einspielung, aber nach 15 oder 20 Aufnahmen der Achten ist irgendwann Schluss. Die 99er Aufnahme übrigens klingt zumindest sehr gut, deutlich besser als alles, was ich aus sowjetischen Aufnahmen aus den 1980ern kenne. Da ist finde ich kaum mehr ein Unterschied zu westlichen Live-Aufnahmen zu hören.

    Da ich Deine Aufnahme nicht habe, kann ich auch nicht sagen, ob Fedossejew in meiner Aufnahme ein wesentlich anderes Konzept verfolgt. Es kann gut sein, dass Du und ich das Stück einfach ganz unterschiedlich hören wollen. Grundsätzlich finde ich ungewohnte oder unerwartete Temporückungen gerade bei Schostakowitsch sehr häufig spannend. Und gerade die russischen Dirigenten, zumindest solange sie in der SU dirigierten, waren für solche Geschichten immer gut.

    Fedossejew finde ich in jedem Fall oft einen Versuch wert. Zum Teil finde ich z. B. auch seine Mahler-Aufnahmen, mal abgesehen von den Vokalleistungen, spannend.

    Schönen Gruß ans andere Ende von Deutschland!

  • Vielleicht liegt diese zurückhaltende Rezeption daran, dass diese hervorrragende italienische Label noch immer ein zu geringen Bekanntheitsgrad hat. Das Cover-Artwork ist oft nur durchschnittlich, aber hinsichtlich der Aufnahmetechnik bemüht man sich um den bestmöglichen Standard, und Spitzen-Interpreten wie Ottavio Dantone (Dirigat) und Stefano Montanari (Violine) müssten mittlerweile über die Fachwelt hinaus bekannt sein. Als würde man Italienern nichts zutrauen, nur weil die Kultur dort von der Politik aus systematisch beschädigt wird!


    Arts ist kein italienischer Label, sondern gehört - leider - dem berühmt-berüchtigten Herrn Pilz. Ein klein wenig Googeln genügt, um sich vom Herrn ein Bild zu machen.
    Er hat viele Verträge mit italienischen Künstlern gemacht und tatsächlich findet man bei diesem Label hervorragende Aufnahmen made in Italy, aber seine Methoden sind nicht besonders lobenswert.
    Wenn man eine Arts-CD kauft, muß man wissen, daß man wenig tut, um die italienische Künstlerszene zu unterstützen - außer den Künstlern zu einer weiteren Bekanntschaft zu verhelfen - im Vergleich zu dem, was Herrn Pilz zukommt.
    Bei Arts ist das Budget sehr knapp gehalten. Artwork, Werbung, Produktionskosten ... wird minimiert, um den Ertrag nicht zu verringern (inzwischen sind deren CDs auch nicht so billig, wie sie am Anfang waren). Auch die Künstler werden nicht übermäßig honoriert. Vertragstreue ihrerseits kann man nicht erwarten - kein Vertragsbruch im juristischen Sinne, denn sie sind gut abgesichert - und Fairness mit den Künstlern auch nicht. Die schlechte Lage der italienischen Kulturszene wird von denen ausgenutzt.

    Tut mir leid, dies hat mit dem Thread-Thema nicht zu tun, aber sollte gesagt werden.

    Alles, wie immer, IMHO.

  • Wenn man eine Arts-CD kauft, muß man wissen, daß man wenig tut, um die italienische Künstlerszene zu unterstützen - außer den Künstlern zu einer weiteren Bekanntschaft zu verhelfen

    Das hört sich nicht gut an. Wie macht man's da richtig? Boykottieren oder Kaufen, damit die Künstler wegen gesteigerter Nachfrage vielleicht anderswo unter besseren Bedingungen unter Vertrag kommen.

  • Wenn man eine Arts-CD kauft, muß man wissen, daß man wenig tut, um die italienische Künstlerszene zu unterstützen - außer den Künstlern zu einer weiteren Bekanntschaft zu verhelfen - im Vergleich zu dem, was Herrn Pilz zukommt.

    Ich kenne kein einziges Label, bei dem das anders wäre.

    Auch die Künstler werden nicht übermäßig honoriert.

    Das heißt, sie werden überhaupt noch honoriert und müssen nicht selbst für die Produktionskosten aufkommen? Das ist purer Luxus, den es so kaum noch gibt.

    Boykottieren oder Kaufen, damit die Künstler wegen gesteigerter Nachfrage vielleicht anderswo unter besseren Bedingungen unter Vertrag kommen.

    Völlig egal. Die Bedingungen sind überall ähnlich oder schlechter.

    Christian

  • Ich kenne kein einziges Label, bei dem das anders wäre.


    Ich wollte nicht sagen, Pilz sei ein Einzelfall, wollte aber das Bild, Arts sei ein kleines aber feines italienisches Label, ins rechte Licht rücken.
    Pilz ist aber in diesem Haifischbecken sicher nicht der zahmste...

    anderswo unter besseren Bedingungen unter Vertrag kommen.


    Ist leider utopisch. Boykottieren bringt nichts, da "diese Leute" den Markt mit einer Flut von Produktionen überschwemmen, die man nicht einfach ignorieren kann.
    Wenn man etwas gut findet, einfach kaufen, sich darüber freuen und hoffen, bei dem/den Künstler(n) wird es irgendwie ankommen. Nicht materiell, aber wenigstens, daß sie wissen, daß ihre Arbeit, ihr Können, ihr Engagement ... anerkannt wird.

    Wir sind vom Thread abgerückt. Deshalb, weiter mit Schosta und seiner 8ten. Ich kenne mich auf dem Gebiet zu wenig aus, um im Thread positiv einzugreifen, bedanke mich aber herzlich für die hier vorhandene Information.

    Alles, wie immer, IMHO.

  • RE: Swetlanow / LSO (IMG/BBC, 1979, ADD)

    Wie ich den Geschmack von Wolfgang alias Teleton kenne, wird er enttäuscht sein. Auch ich hatte mir die Aufnahme voller Vorfreude gekauft und gehofft, dass sie mir ein ähnliches Erlebnis bieten wird wie seine Aufnahme der 5. von Shosti, die nach wie vor für mich über allen anderen steht. Stattdessen hat sich für mich nur eines geboten - pure Langeweile. Kein Vergleich mit Kondrashin, Rozhdestvensky oder auch Ashkenazy.


    Hallo Roger und alle Schosty-Freunde,

    wenn es um die Tempovorstellungen geht, dann liegt mir Kondraschin noch am nächsten. Swetlanow ist weit davon entfernt und zelebriert besonders den 1.Satz (27:44) , 4.Satz (10:02) und 5.Satz (14:44) besonders aus; so wie es der späte Bernstein auch gemacht hätte. Darin sind sich Beide sehr ähnlich.

    Beim späten Swetlanow (mit Westorchestern) stelle ich oft fest, dass der alte Biss von damals (60er-70er - Jahre) verflogen ist. Zuletzt bei seiner auszelebrierten Petruschka-Aufnahme von 1999, bei der der tänzerische zupackende und flotte Biss einfach weg ist.

    *** Hier bei der Sinfonie Nr.8 von Langeweile zu sprechen halte ich allerdings für absolut verfehlt. Im Gegenteil. Das ist eine wohlüberlegte starke Interpretation, die Details offenlegt, die bei so manchen verborgen bleiben. Zupackend in den Höhepunkten mit wohldosiertem Aufbau bis zur Sidehitze. Das treborian zufrieden ist und sein kann, kann ich jetzt genau so nachvollziehen, wie Thomas Worte. OK - der 3.Satz mit Roshdestwensky, Kondraschin, Ashkenazy (genau die 3 würde ich auch nennen) erreicht er nicht ganz. Daran ist auch etwas die Klangtechnik schuld, die die Pauken nicht so unmittelbar rüber bringt, wie die 3 Lieblinge ! Insgesamt aber eine hochkarätige Int/Aufnahme, die man auch jedem Ersthörer bedenkenlos empfehlen kann. Da ist so viel Potential und Wissen und Klasse des Dirigenten Swetlanow enthalten, dass ich diesesmal nicht sagen kann: Der alte Biss war weg ! :thumbup: Er ist da und zeigt auch Swetlanow 1979 als grossen Schostakowitsch-Interpreten. Ich freue mich jedenfalls diese Aufnahme zu besitzen.

    Mein Eindruck der Aufnahme ist auf den ersten Eindruck besser als der, den ich bei Mrawinsky (1982) im Februar hatte.

    ______________

    Gruß aus Bonn

    Wolfgang


  • Hallo Roger und alle Schosty-Freunde,

    wenn es um die Tempovorstellungen geht, dann liegt mir Kondraschin noch am nächsten. Swetlanow ist weit davon entfernt und zelebriert besonders den 1.Satz (27:44) , 4.Satz (10:02) und 5.Satz (14:44) besonders aus; so wie es der späte Bernstein auch gemacht hätte. Darin sind sich Beide sehr ähnlich.

    Beim späten Swetlanow (mit Westorchestern) stelle ich oft fest, dass der alte Biss von damals (60er-70er - Jahre) verflogen ist. Zuletzt bei seiner auszelebrierten Petruschka-Aufnahme von 1999, bei der der tänzerische zupackende und flotte Biss einfach weg ist.

    *** Hier bei der Sinfonie Nr.8 von Langeweile zu sprechen halte ich allerdings für absolut verfehlt. Im Gegenteil. Das ist eine wohlüberlegte starke Interpretation, die Details offenlegt, die bei so manchen verborgen bleiben. Zupackend in den Höhepunkten mit wohldosiertem Aufbau bis zur Sidehitze. Das treborian zufrieden ist und sein kann, kann ich jetzt genau so nachvollziehen, wie Thomas Worte. OK - der 3.Satz mit Roshdestwensky, Kondraschin, Ashkenazy (genau die 3 würde ich auch nennen) erreicht er nicht ganz. Daran ist auch etwas die Klangtechnik schuld, die die Pauken nicht so unmittelbar rüber bringt, wie die 3 Lieblinge ! Insgesamt aber eine hochkarätige Int/Aufnahme, die man auch jedem Ersthörer bedenkenlos empfehlen kann. Da ist so viel Potential und Wissen und Klasse des Dirigenten Swetlanow enthalten, dass ich diesesmal nicht sagen kann: Der alte Biss war weg ! :thumbup: Er ist da und zeigt auch Swetlanow 1979 als grossen Schostakowitsch-Interpreten. Ich freue mich jedenfalls diese Aufnahme zu besitzen.

    Mein Eindruck der Aufnahme ist auf den ersten Eindruck besser als der, den ich bei Mrawinsky (1982) im Februar hatte.


    Hallo Wolfgang,

    was ich geschrieben hatte, ist natürlich von sachlicher Kritik weit entfernt und war auch nicht bierernst gemeint. Ich hatte mir nur damals quasi eine neue Referenz für die 8. erhofft, in der ich wie bei der 5. die "russische Seele" genauso heraushören kann wie den -wie Du so zutreffend beschrieben hast- wohldosierten Aufbau bis zur Siedehitze. Aber das musste selbstredend schief gehen, da es natürlich unfair ist zu erwarten, dass das LSO unter Svetlanov genauso klingt wie das Staatliche Sinfonieorchesters der UdSSR, das Svetlanov quasi nach seinen (Klang-)Vorstellungen formen konnte. Und wahrscheinlich hast Du auch damit Recht, dass die Aufnahmetechnik eine gewisse Rolle spielt. Nichtsdestotrotz werde ich mir die Aufnahme aufgrund besserer Alternativen wahrscheinlich nur noch selten anhören.

    Viele Grüße

    Roger

    :wink:

    "Ich brauche keine Musikkritiker"
    (Gennadi Roshdestwenskij)

  • Die oben genannte Aufnahme der Achten mit Fedosejev finde ich auch ausgezeichnet. (Ebenso seine Zehnte und Dreizehnte.) Am besten finde ich, wie stark die Pauke hier dem grotesken Marsch im ersten Satz den Takt einpeitscht. Das habe ich noch in keiner anderen Aufnahme so drastisch gehört.

    maticus

    Social media is the toilet of the internet. --- Lady Gaga

    Ich lieb‘ den Schlaf, doch mehr noch: Stein zu sein.
    Wenn ringsum nur Schande herrscht und nur Zerstören,
    so heißt mein Glück: nicht sehen und nicht hören.
    Drum leise, Freund, lass mich im Schlaf allein.
                       --- Michelangelo Buonarroti (dt. Nachdicht. J. Morgener)

  • Da ich ja im November ins Staatstheater Darmstadt zu einem Sinfoniekonzert gehe, bei dem einmal das Dvorak-Cellokonzert (Daniel Müller-Schott) und die 8. Sinfonie von Schostakovitch gegeben werden, habe ich mich erstmals diesem Werk zugewandt und es heute das erste mal gehört. Es ist wirklich sehr bewegend und aufgrund der sehr stark ausgedrückten Trauer kann ich holgerdent verstehen, der aufgrund der Emotionalität zunächst Schwierigkeiten hatte, sich diesem Werk musikalisch zu nähern, denn mir geht es nach zweimaligem Hören immer noch so.

    Ich werde morgen einen neuen Versuch starten, doch danach brauche ich dann erst mal wieder etwas weniger Bedrückendes zum Hören...

    LG Lotte

  • Mariss Jansons sagt zur im Sommer 1943 komponierten, am 4.11.1943 in Moskau uraufgeführten Symphonie Nr. 8 c-Moll op. 65, zu der es die Beinamen „Stalingrader Sinfonie“ und „Epos der Qual“ gibt, die Achte sinniere über alles nach, was mit der Zeit verbunden sei, die Diktatur, die Invasion der Nazis, die schreckliche Zeit unter Stalin, als Leute ohne Warnung nach Sibirien geschickt wurden, sie sei sehr negativ, aber es gäbe Hoffnung – "ein kleines Lichtchen eines sehr langen Tunnels". Svjatoslav Richter soll gesagt haben, für ihn sei die Symphonie Nr. 8 das wichtigste Werk aus Schostakowitschs Leben.

    Wie Krieg und Frieden erschien mir das Werk bei der akustischen Erstbegegnung im Radiosender Ö1 am 5.8.1994, als eine Konzertaufzeichnung aus dem Großen Festspielhaus in Salzburg vom 31.7.1994 mit Bernard Haitink und den Wiener Philharmonikern ausgestrahlt wurde. Drei Jahre später, am 26.9.1997, konnte ich das Werk im Radiosender Bayern 4 Klassik erneut hören, diesmal in einer Aufzeichnung vom 9.6.1997 aus der Berliner Philharmonie, mit Kurt Sanderling und den Berliner Philharmonikern, und schon zwei Monate danach erneut mit den Wiener Philharmonikern, diesmal unter der Leitung von Mstislav Rostropowitsch, der am 23.11.1997 sein Debüt in den Abonnementkonzerten im Großen Wiener Musikvereinssaal unter anderem mit diesem Werk gab, live übertragen in Ö1. Weitere neun Jahre später brachte das zweite Konzert des damals durchgeführten Münchner Schostakowitsch Festivals am 23.9.2006 das Werk in die Philharmonie im Gasteig, live übertragen in Bayern 4 Klassik. Diesmal dirigierte Bernard Haitink das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Auch diese Radioausstrahlung konnte ich hören.

     

    Die intensiven persönlichen Höreindrücke, notiert am ausführlichsten zur Übertragung mit Sanderling, haben sich nun im Rahmen meines Projekts „Alle 15 Symphonien und 15 Streichquartette chronologisch“ mit der enorm spannenden, klanglich exquisiten, von hoher, präziser Orchesterkultur geprägten CD Aufnahme (ja sicher, zu orchesterperfekt, zu sehr Brass, ich konnte trotzdem total mitleben hier) mit Mariss Jansons und dem Pittsburgh Symphony Orchestra (Harold Smoliar spielt das Englischhornsolo), aufgenommen 9. bis 11.2.2001 in der Heinz Hall (Pittsburgh), gehört aus der Schostakowitsch Jansons EMI Box, verdichtet.

    Meine Eindrücke:

    Der erste Satz (Adagio – Allegro non troppo – Adagio), fast 25 Minuten lang, führt bald ins Irgendwo, in ein Niemandsland. Unheimlich drohende Steigerungen nach einiger Zeit wirken demaskierend, dann walzt die Musik alles nieder, bis zu einem Höhepunkt, eine Fanfare im Paukenwirbel. Nicht erst hier sind alle möglichen außermusikalischen subjektiven Assoziationen möglich. Ein verloren wirkendes Englischhornsolo lässt die Zeit stillstehen. Eine neue Landschaft tut sich auf, aber man ist desillusioniert. Wieder Fanfaren, doch wir sind erschöpft. Harmoniesuche.

    Mit dem zweiten Satz (Allegretto, ca. sechseinhalb Minuten) bringt Schostakowitsch wieder einen skurrilen Marsch über Stock und Stein, parodistisch bis bedrohlich.

    Satz 3 (Allegro non troppo, auch ca. sechseinhalb Minuten), eine Art Toccata, „ein unmenschliches Perpetuum mobile“ (EMI Einführungstext), wirkt wie ein gehetzter Lauf in zerklüfteter Felsengegend. „Im Trioabschnitt“ übernimmt ein Trompeter die Führung, er lässt uns aber dann wieder allein in den Felsen (oder war er gar kein Motivator, sondern ein euphorisch manipulierter Verfolger?), wir laufen weiter – ins Schicksalsinferno.

    Vierter Satz (Largo), ca. 10 Minuten – Innehalten, „eine trostlose Passacaglia“ (EMI), ein Requiem., weite Einsamkeit, Stille einer Wüste.

    Die Suggestivität der Sätze 3 und 4 ist einmalig, in ihrer Intensität und Kontrastwirkung, zuerst die gehetzte Verfolgung, suggestiv genauso wie beklemmend, dann der fahle Stillstand.

    Im fünften Satz (Allegretto, ca. 15 Minuten, ich hab´ den innerlich anders gehört als verschiedene Vorschreiber) wird es Zeit, einen Platz im Leben zu finden. Man sucht die Gegend ab, Sehnsucht nach dem Frieden breitet sich aus. Wir bauen ein Haus. Das Fagott zeichnet den Grundriss. Die Arbeit geht los, wir bauen in der Natur, ringsum hört man die Tiere. Es wird ein prachtvoller Bau, ein Monument, aber schon müssen wir das Haus verteidigen, erneut entbrennt ein schicksalsschwerer Kampf. Danach wieder Stillstand. Als erstes sind die Tiere wieder da. Friedliche Stille jetzt. Die Hoffnung bleibt. Bleibt sie?

    Ein aufwühlendes, erschütterndes Werk.

    Der Jansons Aufnahme beigefügt sind knapp 13 Minuten lange Probenausschnitte, die Jansons als musikhistorisch fundierten Künstler (Verweis auf 1943 etc.), als leidenschaftlichen Enthusiasten und vor allem auch als herzlichen Menschen vorstellen.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Der Aufnahmezyklus der Schostakowitsch-Sinfonien mit verschiedenen Orchestern unter Mark Wigglesorth, erschienen bei BIS, scheint nicht sonderlich bekannt, geschweige denn "populär" zu sein.

    Die Achte wurde 2004 mit dem Philharmonischen Orchester des Niederländischen Rundfunks aufgenommen:

    Eigentlich meine ich ja, die gesamte Ästhetik, die dieser Aufnahme zu Grunde liegt, nicht zu mögen. Das fängt bei anscheinend weit überdehnten Tempi in den langsamen Sätzen an: I.28.49; II.6.52; III. 6.46; IV.10.35; V. 15.49. Noch viel mehr stört mich - normalerweise - das geradezu pefekt abgerundete Spiel aller Instrumentengruppen - die Streicher ohne die sonst von mir bei Schostakowitsch geforderte abschreckende Schärfe; sie erinnern im Kopfsatz doch - fast - an die süßliche Pseudo-Trauer des Adagios von Barber. Die Bläser ohne das Schräge, Unzulängliche, was ich von den den klassischen sowietischen Aufnahmen kenne, und mit dem Komponisten identifiziere. Nein, alles ist perfekt, jedes Decrescendo - sind die in der Sinfonie nicht wichtiger als die Crescendi? - makellos. Dann aber vor allem die Klangtechnik, diese abermalige Perfektionierung des Karajan-Ideals, dass die Tontechnik die Mängel des Orchesterraums zu kompensieren habe - schon der Beginn an der Hörbarkeitsschwelle, die dann zum Schluss - scheinbar - unterschritten wird, obwohl der Verstärker deutlich über das Normalmaß aufgedreht wurde. Dann aber die unvermittelte Präsenz z.B. der kleinen Trommel im ersten Satzes oder auch des Fagotts im Finale - das ist doch alles nur künstlich. Eigentlich lehne ich so etwas grundsätzlich ab.

    Ein Gedanke, der mit "eigentlich" beginnt, ist allerdings immer falsch. Wigglesworth ist 1964 in Sussex geboren, hat also weder biographisch noch aus sonst erkennbaren Gründen irgendeinen Bezug zum Zweiten Weltkrieg oder gar zur Sowietunion unter Stalin, auch eine Verbindung zur "sowietischen" Schule der Schostakowitisch-Interpretaton gibt es anscheinend nicht - der Gewinn eines "Kondrashin-Dirigierwettbewerbs" im Jahr 1989 (also 8 Jahre nach dem Tod Kondrashins) reicht wohl kaum. Auch beim Orchester ist eine besondere Affinität zu Schostakowitsch eher nicht zu vermuten.

    Es nähert sich der Achten Sinfonie unter der Leitung von Wigglesworth aus größtmöglicher Distanz, was die extreme Aufnahmetechnik unterstreicht. Die Musiker gehen der Frage nach, ob die Musik auch dann noch trägt, wenn es die vorgebliche Unmittelbarkeit der emotionalen Erfahrung nicht mehr gibt. Die extreme Langsamkeit und die ganz ungewohnte Stille der Aufnahmetechnik zu Beginn des ersten Satzes zwingen zum angestrengten Zuhören: was geschieht da, geschieht da überhaupt etwas, oder schwebt das nur im Unverbindlichen? Dadurch entsteht eine Spannung, die sich ganz stark danach sehnt, irgendwann durch den großen Ausbruch (vegleichbar im Kopfsatz von Mahlers Erster) erlöst zu werden, so dass man sich zurücklehnen kann. Diese Erwartung wird aber bitter enttäuscht: man mag die - makellos und ohne jede Zutat von "Schrägheit" intonierten! - Einbrüche der Blechbläser nicht hören, sie sind widerwärtig. So ekelhaft wie die Zeit, in der die Musik entstand. Die Musik trägt auch noch ohne die Attitüde der Wiederholung einer vorgeblich unmittelbaren Erfahrung, die nur falsch wäre.

    Im dritten Satz kommt angesichts der Perfektion des Orchesters der Gedanke auf, ob die Musik nicht vielleicht auch tauglich wäre zu Untermalung eines fesch modernen Werbespots. Ja, wäre sie - aber damit sagt die Interpretation mehr über die Verlogenheit von "Untermalungsmusik" aus, als wenn sie sich krampfhaft dagegen sperren würde. Im letzten Satz gibt es auch bei Wigglesworth an einigen Stellen Anklänge an das "Aufbauende", das AlexanderK hier gehört hat - diese hindemithsche Geschaftlhuberei nach dem Ideal einer Bausparkasse. Es gibt aber dann diese - wie gesagt makellos abgerundeten - Streichereinsätze, die die fröhliche Aufbauideologie der Bläser demaskieren - es geht nicht. Unter den Bedingungen, die diese Komposition voraussetzt, kann man nichts aufbauen. Am Ende bleibt die Leere wie bei Tarkowski.

    Ich halte die Interpretation als Beispiel für einen Schostakowitsch aus der zeitlichen wie emotionalen Distanz für gelungen - was zunächst einmal sehr für die Komposition spricht.

  • Schostakowitsch zitiert hier ein Thema aus Tschaikowskys Werk. Das haben vor mir wahrscheinlich schon 8000 andere Hörer bemerkt, aber mir geht's um was anderes: Gerade Schostakowitschs Achte (speziell deren Kopfsatz) habe ich immer - wie wohl viele - mehr oder weniger vage als Artikulation des kollektiven Leids ihres historischen Kontextes gehört. Fast ein wenig befremdlich erschien mir jetzt die Bezugnahme auf die Weltschmerzwelt der in der Romantik so beliebten Manfred-Sphäre.

    Ich würde gern dies noch einmal hochspülen. So oft kommt einem bei Werkbeschreibungen die Erwähnung des Manfred-Zitats ja doch nicht unter. Und soweit ich das beim heute erneuten Hören richtig mitbekommen habe, wird das Manfred-Motiv nicht nur am Ende der Kopfsatz-Durchführung, sondern auch am Kulminationspunkt des Finales und (nicht ganz wörtlich) beim explosiven Übergang vom dritten zum vierten Satz zitiert, an drei Höhepunkten also, so dass es doch bedeutsam zu sein scheint.

    Warum Manfred? Ein gebrochener Typ, einer, der Buße tun will, aber als starkes Individuum die Erlösung verweigert, und dessen Schicksal im Jenseits ungewiss ist. Ich halte dabei vor allem die Betonung des Individuums für bedeutend. Schostakowitsch auf dem Weg zum D-Es-C-H der 10. Symphonie?

  • Die Bielefelder Philharmoniker bringen ab Oktober, gemeinsam mit dem Ensemble "TANZ Bielefeld", Schostakowitschs 8. Sinfonie auf die Bühne ("Opus Fünfundsechzig"). Ich überlege ja, ob ich mir ein Ticket kaufen soll. Ich werde mir auf jeden Fall - zunächst - die Einführungsveranstaltung dazu, die eine Woche vor der Premiere stattfindet, anschauen und dann erst entscheiden. Meine Bedenken sind zudem die, dass ich diese Sinfonie dann stets mit "konkreten Bildern" verbinden könnte. Hm.

    "Welche Büste soll ich aufs Klavier stellen: Beethoven oder Mozart?" "Beethoven, der war taub!" (Igor Fjodorowitsch Strawinsky)



  • Meine Bedenken sind zudem die, dass ich diese Sinfonie dann stets mit "konkreten Bildern" verbinden könnte. Hm.

    Ja, das kann ich gut verstehen. Über diese Tanzveranstaltung weiss ich nichts. Spielt ein Orchester live dazu? (Vermutlich die Bielefelder Philharmoniker.)

    Hast Du die Sinfonie schon (sogar häufiger) gehört? Ich denke ja --- andererseits --- dass die Musik so stark ist, dass sie ihre eigenen Bilder schafft und anderen wenig Raum lässt.

    maticus

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    Wenn ringsum nur Schande herrscht und nur Zerstören,
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                       --- Michelangelo Buonarroti (dt. Nachdicht. J. Morgener)

  • Bin hin- und hergerissen. Einerseits warum nicht? Wahrscheinlich kann man jede Musik betanzen, und die werden das schon ästhetisch ansprechend umsetzen. Andererseits warum? Schostakowitschs Achte ist halt keine Ballettmusik. Und die Bilder dazu stellen sich bei mir mal so, mal anders ein. Oder auch gar nicht. Nein, brauche ich glaube nicht. Für mich wäre insofern die Veranstaltung eher nichts, auch wenn ich mich vor einer dauerhaften Prägung gar nicht so fürchten würde.

  • [...] Über diese Tanzveranstaltung weiss ich nichts. Spielt ein Orchester live dazu? (Vermutlich die Bielefelder Philharmoniker.)[...]

    Weitere Informationen zu dieser Veranstaltung gibt es hier. Da es einen musikalischen Leiter gibt gehe ich mal davon aus, dass die Bielefelder Philharmoniker live dazu spielen.

    Ansonsten sehe ich das so wie Braccio, d. h. für mich sind solche Produktionen nichts, wo ein Werk wie z. B. eine Sinfonie oder ein geistliches Werk (z. B. Bachs Passionen) als Ballettmusik verwendet wird. Selbst Sellars Produktionen mit Bachs Passionen zusammen mit den Berliner Philharmonikern finde ich inzwischen nicht mehr so prickelnd obwohl ich sie anfangs interessant und sogar spannend fand aber der Effekt hat sich bei mir abgenutzt.

    Gerade bei sog. absoluter Musik, die keinen programmatischen Inhalt hat, wie einer Klaviersonate, einem Streichquartett oder einer Sinfonie, stellen sich bei jedem doch irgendwelche Bilder, Assoziationen ein, die von Stimmung zu Stimmung auch variieren können und da in Form einer Ballettinszenierung etwas vorgesetzt zu bekommen, was mit meiner Stimmung oder was auch immer nicht übereinstimmt halte ich für schwierig.

    "Musik ist für mich ein schönes Mosaik, das Gott zusammengestellt hat. Er nimmt alle Stücke in die Hand, wirft sie auf die Welt, und wir müssen das Bild zusammensetzen." (Jean Sibelius)

  • Auch ich bin hin- und hergerissen.

    Lionel :
    Danke fürs Einstellen des Veranstaltungs-Links!

    Hast Du die Sinfonie schon (sogar häufiger) gehört? Ich denke ja --- andererseits --- dass die Musik so stark ist, dass sie ihre eigenen Bilder schafft und anderen wenig Raum lässt.

    In dieser Woche überhaupt zum ersten Mal, da ich mir eine CD-Box seiner Sinfonien angeschafft hatte und sie mir nun komplett angehört habe.

    Ich überlege schon deshalb, weil ich im vergangenen Jahr die "La Traviata"-Inszenierung in Bielefeld sah und mich dort ein Tänzer, der den "Todesboten" verkörperte, sehr beeindruckt hat. So sehr, dass mich seine Performance noch immer verfolgt und ich diese Oper nun tatsächlich in erster Linie mit ihm assoziiere. Aber ich denke, so geht es vielen von uns. Gewisse Bilder prägen sich einfach bei uns ein, wenn sie einen gewissen Eindruck hinterlassen haben.

    Und ja, ich denke ebenfalls, dass die Musik so stark ist, dass sie ihre eigenen Bilder schafft. Mich interessiert dennoch, wie man sie tänzerisch darstellen möchte (wenn ich auch schon eine gewisse Vorstellung davon habe). Bei den Einführungsveranstaltungen, die im Vorfeld stattfinden, gab es bislang immer Kostproben zu hören bzw. zu sehen und ich denke, das wird mir die Entscheidung erleichtern. Na, mal schauen.

    "Welche Büste soll ich aufs Klavier stellen: Beethoven oder Mozart?" "Beethoven, der war taub!" (Igor Fjodorowitsch Strawinsky)



  • Mich interessiert dennoch, wie man sie tänzerisch darstellen möchte (wenn ich auch schon eine gewisse Vorstellung davon habe).

    Das weiss ich natürlich nicht, wie die das machen. Ich habe mal in einer Doku über Schostakowitsch so etwas gesehen, bei der 11. Sinfonie. Hier ist sie:
    https://www.youtube.com/watch?v=65cM2t8XPL0

    Nach 37:00 kommt diese Tanzperformance, wobei mir allerdings nicht klar ist, ob das hinterher nur dazu geschnitten wurde.

    Die ganze Doku von 1967 ist sehr interessant, da sehr viele schöne Bilder vom Komponisten und anderen Musikern (Rostropovich, Richter,...) vorkommen, und viele Ausschnitte aus der Musik. Unter anderem kommt auch die 8. Sinfonie an mehreren Stellen vor. (Leider ohne Untertitel. Aber Bilder und Musik sprechen für sich.)

    maticus

    Social media is the toilet of the internet. --- Lady Gaga

    Ich lieb‘ den Schlaf, doch mehr noch: Stein zu sein.
    Wenn ringsum nur Schande herrscht und nur Zerstören,
    so heißt mein Glück: nicht sehen und nicht hören.
    Drum leise, Freund, lass mich im Schlaf allein.
                       --- Michelangelo Buonarroti (dt. Nachdicht. J. Morgener)

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