Glenn Gould - der Schrecken der connoisseurs?

  • Na ja, für mich gehören die 2. und 3. Klaviersonate von Chopin zum Faszinierendsten, das jemals für Klavier geschrieben wurde. So "scheitern" wie Chopin in diesen Ausnahmewerken würde ich auch mal gerne im Leben...

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Aus aktuellem Anlass habe ich mir jetzt mal die Sonaten von Mozert in der Einspielung von Glenn Gould zugelegt, nachdem ich immer einen Bogen darum gemacht hatte, wohl auch weil ich die meisten dieser Sonaten für recht langweilig halte. Die Einspielung der Sonate A-Dur KV331 wird ja allgemein recht ungnädig besprochen, was ich aber nach dem Anhören derselben nicht nachvollziehen kann. Ich finde diese Interpretation nämlich ganz große Klasse. Sie entspricht natürlich keineswegs den tradierten Hör- und Spielgewohnheiten, aber sie ist in ihrer Konsequenz sehr eindrucksvoll. Das er z.B. die Variation V eher Allegro als Adagio spielt klingt zunächst als Verstoss gegen Mozarts Willen (wobei den ja eigentlich niemand kennt), der eben Adagio notiert hat. Der ganze Gestus dieser Variation ist aber m.E. überhaupt nicht "Adagio like" sondern fordert eigentlich ein schnelleres Tempo. Aber Gould arbeitet in den Variationen dahin, in der abschliessenden Variation VI das Allegro-Tempo zu erreichen, verfolgt also vollkommen schlüssig ein selbst gesetztes Ziel. Und den letzten Satz mit dem "alla turca" spielt er in korrektem "Allegretto", wo viele andere meinen auftrumpfen zu müssen, und "Allegro" spielen. Auch die für ihre Zeit so beliebten türkischen Anklänge bringt er sehr schön heraus. Auch das non legato Spiel und die gelegentlichen Auszierungen finde ich für Mozarts Musik sehr passend.

    Was allerdings sein anderes "most hatet recording" anbelangt, nämlich die "Apassionata" von Beethoven, so finde ich zumindest Satz 1 und 2 in dem gewählten Zeitlupentempo zu langatmig und quälend, obgleich zumindest im 1. Satz dadurch einige recht interessante Klangwirkungen entstehen. Aber den letzten Satz spielt er wunderbar: nicht zu schnell, klar und transparent und mit Leidenschaft (was ihm im 1. abgeht), besonders ab der "Presto" Passage und in der Coda.
    Was man Gould sicher nicht vorwerfen kann ist, dass er sich nicht gründlich mit den Werken beschäftigt hat. Er hatte sicher keine Präferenzen für Mozart, aber seine Interpretationen (auch der anderen Sonaten) enthalten eine Menge, worüber man nachdenken kann, und bieten intressante Sichtweisen.

    Peter

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

  • Sonate A-Dur KV331

    Und das Trio vom 2. Satz spielt er ja nun wirklich berückend.

    Nur weil etwas viel Arbeit war und Schweiß gekostet hat, ist es nicht besser oder wichtiger als etwas, das Spaß gemacht hat. (Helge Schneider)

  • Nun habe ich mir den 1. und den 3. Satz von KV 331 mit Gould auch mal angehört (auf youtube) und ich muss sagen: der Anfang hat mich ob des ungewohnt sehr langsamen Tempos sehr verblüfft; aber insgesamt gefällt mir die Interpretation sehr gut.
    Auch das schon angesprochene gemäßigte Tempo im 3. Satz ist für "allegretto" sicher passend und mal eine sehr angenehme Abwechslung zum sonst üblichen Gerenne ....
    Leider ist der 2. Satz auf youtube nicht zu finden ....

    Viele Grüße - Allegro

    "Musik ist ... ein Motor, Schönheit, Intensität, Liebe, Zauber, alles in allem: ein Elixir." Lajos Lencsés

  • Wie ich vermutlich schon dreimal irgendwo geschrieben habe, halte ich KV 331 auch für eine der interessantesten Gould-Aufnahmen. M.E. ist es eine Art Umkehrung des Variationsprinzips. Durch das sehr langsame Tempo und die trockene non-legato Artikulation wirkt das Thema noch unfertig, zögernd, stockend und man hat das Gefühl, dass bei den ersten Variationen die Musik langsam zusammengesetzt wird und erst gegen so richtig zu sich gekommen und "fertig" ist. Er spielt es beinahe so, wie man sich die Einleitung von Beethovens Eroica-Variationen denken kann, die mit drei vorgelagerten Variationen aufwartet, bis mit dem Thema das Stück eigentlich erst beginnt.
    Das ist natürlich angesichts eines expliziten Variationensatzes unkonventionell und vielleicht streng genommen "falsch" (zusammen mit dem zu schnellen Tempo für die Adagio-Variation), aber faszinierend und für mich auch eine in sich schlüssige Alternative.

    Meiner Erinnerung nach haben mir mindestens eine weitere der 330er, vermutlich die F-Dur, immer sehr gut gefallen, ebenso die a-moll und natürlich die stärker kontrpunktischen späten KV 570 und 494/533; eine Travestie ist dagegen die Sonata facile unter Goulds Händen.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Glenn G. hin + her + pro + contra . . . jedenfalls hatte er seinen Landsmann, den (sich weit häufiger mit Jazz beschäftigenden) Trickfilmer Norman McLaren, 1969 zum 3min. - Kleinod "Spheres" angeregt . . . https://www.youtube.com/watch?v=XkRduJH0QIE

    <= musste mal gesagt werden . . . i c h ginge (jedenfalls: führe) meilenwert für ein paar Minuten Norman McLaren >1914-1987< :jaja1: :jaja1:

    :wink:

    Das TV gibt mehr 'Unterhaltung' aus, als es hat - in der bürgerl. Gesetzgebung nennt man das 'betrügerischen Bankrott' Werner Schneyder Es ging aus heiterem Himmel um Irgendwas. Ich passte da nicht rein. Die anderen aber auch nicht. FiDi über die Teilnahme an seiner ersten (und letzten) Talkshow

  • Wie ich gerade sehe, ist dieser Film

    derzeit bei YT in akzeptabler Ton- und Bildqualität nachverfolgbar.

    THIRTY TWO SHORT FILMS ABOUT GLENN GOULD


    R.: François Girard, D.: Colm Feore (G. G.) u.a., Canada 1993

    Keine abgerundete filmische Biografie im üblichen Sinn, sondern eine Inspirationsquelle darüber nachzudenken wie es war, Glenn Gould zu sein.

    Meine Lieblingsepisode ist übrigens "Hamburg" ab 14:57. Vier Wochen krankheitsbedingter Aufenthalt im Hamburger Hotel Vier Jahreszeiten - wie Gould diese Zeit wohl verbracht hat?


    Zitat

    One of the best shorts is called "Hamburg." Gould is in a hotel room, while a chambermaid cleans up. A package arrives containing his latest record and he puts it on the turntable and forces the maid to sit and listen. She is bored and uninterested but as the jaunty "Allegro molto e vivace from Sonata No. 13 in E Flat Major" by Beethoven plays, you see a smile break across her face and Gould is delighted. The maid picks up the album sleeve, realizes who Gould is and whispers "danke schön."

    Ausblenden sollte man allerdings, dass die Aufnahme (op. 27/1 - Allegro molto e vivace - attacca) etwa 21 Jahre nach Goulds Hamburger Hotelaufenthalt, nämlich am 04.09.1979, entstanden ist.

    CD 3

    Für Diejenigen, die es interessiert, hier noch zur Ergänzung eine Glenn Gould-Timeline. Auch dort heißt es:

    Zitat

    Oct, Nov 1958

    Illness forces Gould to cancel several performances and hole up at the Hotel Vier Jahreszeiten in Hamburg.

  • der Salzburger Auftritt (am 10.08.58: BWV.1052 m. d. Concertgebouw unter Mitropoulos), in dessen Umfeld sich Glenn die schwere Erkältung eingefangen hat, ist hier zu hören...

    die Scheibe enthält noch das SchönbergKonzert aus dem gleichen Jahr (N. Y., auch mit Mitropoulos) sowie - lt. Stegemann - das einzige (legal erhältliche?) Dokument der Kombi G.G. / Josef Krips: Beethovens "Fünftes" 1960 aus Buffalo (wo Krips damals ja GMD war . . .)

    Das TV gibt mehr 'Unterhaltung' aus, als es hat - in der bürgerl. Gesetzgebung nennt man das 'betrügerischen Bankrott' Werner Schneyder Es ging aus heiterem Himmel um Irgendwas. Ich passte da nicht rein. Die anderen aber auch nicht. FiDi über die Teilnahme an seiner ersten (und letzten) Talkshow

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