"Deutsche" oder "amerikanische" Orchesteraufstellung?

  • Bolero

    Youtube sei dank: Das London Symphony Orchestra unter Valery Gergiev spielt mit antiphonischen Violinen.
    Mein Notenbeispiel kann man ab 11:11 verfolgen. Anders als im Konzert hört man die Violinen eher punktuell über die Stützmikrofone links und rechts, aber für eine Ahnung, was Ravel hier gewollt hat, sollte es ausreichten. Die Kameraführung erlaubt es übrigens nicht herauszufinden, wo die 2. Violinen sitzen.
    Weitere Beispiele würde ich bitten im Bolero-Thread anzuführen.

  • Eine aktuelle Diskussion hat mich daran erinnert, dass ich noch zwei kleine Notenbeispiele aus dem Finale der 4. Sinfonie von Beethoven präsentieren wollte, aus denen die Bedeutung der antiphonischen Violinen augen- und ohrenfällig wird.

    Erstes Beispiel:
    Violinen 1+2 ab Takt 266
    Die zweimal vier Takte lange Phrase der 1. Violinen wird von den 2. Violinen kanonisch übernommen, im Abstand von 2 Takten. Wobei, wenn man beide Stimmen in ein System schreiben würde (bzw. wenn beide Gruppen nahe beieinader sitzen), je zwei Takte identisch sind bzw. gehörmäßig kaum unterscheidbar werden. Auch die zweite Hälfte unterscheidet sich kaum von der ersten. Das bedeutet: In der amerikanischen Sitzordnung erklingt viermal hintereinander annähernd das gleiche. Mit ziemlicher Sicherheit hätte Beethoven anders komponiert oder instrumentiert, wenn er nicht auf den links-rechts-Effekt der antiphonischen Violinen hätte vertrauen können.


    Zweites Beispiel:
    Violinen 1+2 ab Takt 290
    Das Viertonmotiv (Themenkopf des Hauptthemas) wird zwischen den beiden Violinen hin- und hergereicht. Die antiphonische Aufstellung bewirkt ein Zickzack dieser Linie, wodurch diese Überleitungstakte klar von dem darauf einsetzenden Hauptthema abgegrenzt sind. Bei der amerikanischen Sitzordnung wird daraus eine einzige durchgehende Linie, und der ganze Witz geht flöten. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass die zweiten Violinen, die ab Takt 294 jeweils die Sequenzierung um einen Ton nach unten einleiten, als Hauptstimme empfunden werden. Die ersten Violinen wiederholen dreimal wörtlich das vorangehende Motiv der zweiten Vl. und können leicht als "Echo" gehört, der Taktschwerpunkt dadurch verschoben empfunden werden. Das ist mir anfangs tatsächlich passiert, und ich habe lange gebraucht, mich wieder zurecht zu hören.
    Für die amerikanische Sitzordnung hätte Beethoven diese Stelle entsprechend einrichten können, damit die Frage-Antwort-Rolle klar definiert bleibt, z.B. so:
    workaround für Takt 294 ff
    :etsch1:

    Gruß, Khampan
    [der den dringenden Wunsch hätte, dass diese Notenbeispiele auf dem Capriccio-Server gespeichert und direkt angezeigt werden. Das würde meine Bereitschaft beträchtlich steigern, von hunderten weiteren schönen Notenbeispielen noch einige hier einzustellen]

  • Der Thread war vorübergehend geschlossen. Hier kann jetzt weiter über verschiedene Orchesteraufstellungen diskutiert werden.

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