Wilma Lipp – Die Königin der Nacht des Wiener Mozart-Ensembles
Am Anfang der 2. Republik in Österreich (Mai - Juni 1945) gastierte an der Hofburg in Wien in einer Freilicht - Aufführung eine etwa 16jährige Sopranistin, in Ermöglichung ihres Lehrers Jerger, "die Rosina, im Barbier von Sevilla" - Wilma Lipp.
So, und das weiß ich von ihr, persönlich:
Sie wurde im 13. Bezirk geboren und machte da die Schule, übersiedelte aber dann in den 19. Bezirk, Gymnasium, also ein echtes Wiener Bürgermädel, das bei einer Geburtstagsfeier etwas sang, und ein Frau die Gast war, sagte das Kind hat Talent, die muss Gesang studieren.
Sie machte die Handelakademie, war aber auch bei Wenko Wenkoff und in der Klasse Bahr-Mildenburg, da musste sie aber sagen, sie sei schon 16, denn sonst hätte sie sich einen anderen Lehrer nehmen müssen.
Am Ende des Krieges hatte sie zwar schon vorgesungen, auch die Königin, aber ihre Eltern schickten sie aufs Land damit sie nicht abnimmt, und so musste man sie erst suchen - das war damals 1945 eigentlich öfter der Fall.
So kam sie zu ihrem Lehrer Alfred Jerger, wo sie dann nochmals an der WSTO vorsang, damals im Theater an der Wien, dem Ersatzquartier. Auch hier die Königin wieder.
Im Jänner 1948 debütierte dann, mit einem sensationellem Erfolg, diese blutjunge Sängerin als Königin der Nacht.
Bis zu ihrem 60.Geburtstag gastierte sie, die noch unglaublich jungendfrisch aussehende, sympathische Sängerin, als Jungfer Leitzmetzerin, in der Karajan Wiederaufnahme, sie die einstige wohl wienerischte Sophie an der gleichen Oper, mit einer großartigen Kritik, wo ein Kritker meinte: Wenn man die Augen schließt und dem Timbre der Stimme lauscht, so tönt es wie aus verklungenen Tagen des damaligen "süßen Wiener Mädels" unseres Opernhauses...(1986).
Damals war sie vielbeschäftigte und hochgeschätzte Professorin am Salzburger Mozarteum.
War das also das Geheimnis dieser langen Weltkarriere? Wilma Lipp hat diese zweimal durchlebt:
zuerst im Koloraturfach mit dem grandiosen Erfolg als Königin der Nacht (136mal allein im Theater an der Wien und Staatsoper), als Constanze, Zerbinetta, Gilda, Esmeralda , Musette etc.,
dann später im lyrischen Fach, vor allem als Pamina, Margarethe und Nedda.
Sie wurde zur ersten Wiener Sängerin, der es gelang in italienischen Rollen in Mailand und Rom Trumphe zu feriern -
ja ihre Nedda führte sie über London sogar an die MET New York.
Doch trotz all dieser Erfolge bleib sie Österreich, blieb sie Wien unerschütterlich treu und lebte dort, geliebt und verehrt von ihren Fans, ihre ganz intensive Karriere.
Am Anfang wie am Schluss derselben stand neben dem Opernfach aber auch die leichte Muse der Operette.
In den Zeiten des Theaters an der Wien nach 1945 war sie zusammen mit Erich Kunz eine resche Pepi in "Wiener Blut", mit Hilde Güden oder Gerda Scheyrer, wie Sena Jurinac ein kokettes Kammermädchen Adele in der "Fledermaus" und mit Hilde Zadek eine flotte Briefchristl im "Vogelhändler" war - am Ende ihrer Laufbahn eine liebenswerte noble Lisa, zusammen mit Rudolf Christ, hatte die ganz eigene Atmosphäre eines wehmütigen Abschieds von einer Kunstgattung:
ich kann mich gut erinnern, als bei ihrem 3.-Akt-Lied "Ich möcht' wieder einmal die Heimat sehn" bei der Stelle "Ich möcht wieder atmen Wiener Luft" eine wahre Applaussalve aus dem Publikum ihr entgegenkam, und man ihr so demonstrieren wollte, dass sie zu den ganz großen Sängerlieblingen unserer Stadt zählt.
Auf ihr spezifisches Wienertum angesprochen, meinte die Kammersängerin:
"Ich habe in allen Partien immer versucht, ich selbst zu bleiben und auch nie meine Stimme für Experimente zu missbrauchen - vielleicht war das mein Erfolgsrezept!"
Durch ihre langjährige Professur hat sie auch hier eine Karriere gehabt.
Als ich sie auf die einzige Partie ansprach, die meiner Meinung gefehlt hätte, und die die letzte Krönung gewesen wäre - die Feldmarschallin, da meinte sie nur:
"Das ist sich nicht ausgegangen, wahrscheinlich war ich für die Direktoren und mein Publikum zu lange die Sophie!"
Meine traditonell letzte Frage nach ihrer liebstgewordenen Opernrolle wurde mit liebevoll glänzenden Augen beantwortet:
"Das ist doch wohl klar "Die Zauberflöte", mit Dermota, Kunz, Seefried und Schöffler - mit diesen auf der Bühne gestanden zu haben, wird für mich immer die höchste Erfüllung in meinem Sängerleben bedeutet haben!".
Zum Abschuss passen wohl die Anfangsverse von Josef Weinheber in seinem Gedicht "Auf eine Wienerin":
"Heiter ohne Schwere, wo auf Erden wäre jene stille Größe, die dich ehrt!"
Übrigens wer den Film "Das Dreimäderlhaus" mit Hannerl Matz und Gustav Knuth sowie Rudolf Schock sieht, sieht auch Wilma Lipp in der Karlskirche, in Wien, bei der Hochzeit, Hannerl und Baron Schober, das "Ave Maria, von Schubert" singen.
Auch singt Wilma Lipp die Gesangstücke von Hannerl Matz.
Auf ihr blendend jugendliches Aussehen angesprochen, meinte sie: "Als Sängerin lebt man ein Leben auf Sparflamme, man darf nicht lange aufbleiben, nicht rauchen, deshalb sehen Sängerinnen im Alter so gut aus!"