Lieber Wolfgang,
Es gab - leider kann ich mich nicht genau erinnern und habe im Thread auch nicht zurückgeblättert - irgendwo eine Inszenierung, bei der Samiel und der Eremit miteinander verschmolzen wurden. Allerdings bin ich kein solcher Freischütz-Spezialist wie unser unvergessener Peter Brixius. daher neige ich, ohne es jetzt hieb- und stichfest begründen zu können, zu der Annahme, daß das nicht unbedingt im Sinn der Oper bzw. ein übertriebener Ansatz ist. Man fragt sich ja, warum der stolze Fürst so bereitwillig seine eben behauptete Autorität plötzlich dem Eremiten abtritt. Das läßt sich eigentlich nur so erklären, daß dieser Eremit nicht irgendein alter weltflüchtiger Mann aus dem Volk ist, sondern früher eine weltliche Person hohen Ranges war. Ihm zu weichen, bedeutet für Ottokar daher keinen Ansehensverlust, sondern eine Respektsbezeugung gegenüber dem ehemaligen Standesgenossen. Es geht nicht nur um einen naiv konzipierten deus ex machina.
Der Librettoverfasser Friedrich Kind griff nicht nur auf das Gespensterbuch J.A.Apels zurück, sondern vor allem auf ein Stück von Fr.X. von Caspar, was Kind aber stets verschwieg. Dort ist der Eremit eindeutig als Inkarnation des Guten und Werkzeug der göttlichen Fügung fixiert. Weber unterscheidet zwar auch musikalisch klar zwischen dem höllischen Bereich und der Sphäre Agathe/Eremit, aber schmuggelt in diese Klarheit auch ein wenig Ungewißheit. Heißt soviel, wie: Kein Himmel ohne Hölle und umgekehrt in der menschlichen Welt. Die heile Welt ist im "Freischütz" immer von Unheil bedroht, wie es Ulrich Schreiber in seinem Opernführer so treffend beschrieben hat.
Die Erzählung von der Hexe von Endor in der Bibel ist in der Auslegung, soviel ich weiß (und ich bin da auch alles andere als zuständig), sehr umstritten und wird sehr kontrovers interpretiert. Ich weiß natürlich auch nicht, wie zuverlässig der überlieferte Text bzw. die Übersetzung ist. Durchaus möglich, daß der Urtext (den wir ja wahrscheinlich nicht zur Verfügung haben) eindeutiger formuliert war.