Schumann, Robert: Dichterliebe op. 48

  • Ich mag dieses zerbrechliche Lied besonders gern und der sehr ausführlichen Beschreibung von Petra will ich nur noch hinzufügen, dass dieses Lied im Gesamtnachspiel des Zyklus zitiert wird, also eine ganz besondere Bedeutung gewinnt.

    Dazu kommen wir aber sicher am Ende noch.

    F.Q.

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Endlich komme ich dazu, mich mit Federicas schönem Beitrag zu "Am leuchtenden Sommermorgen" auseinander zu setzen. Besonders die Textbesprechung und die Darstellung epochenspezifischer Zusammenhänge haben mir gut gefallen.

    Das Lied ist harmonisch gesehen sicher ein komplexeres. Es kann helfen, sich zunächst über die Form Klarheit zu verschaffen:
    T. 1 – 2 Vorspiel (A)
    T. 3 – 6/3 Verse 1 und 2 (B)
    T. 6/4 – 7 Zwischenspiel (A)
    T. 8 – 11 Verse 3 und 4 (C)
    T. 11 – 12 Zwischenspiel (A)
    T. 13 – 16 Verse 5 und 6 (B)
    T. 17 – 20 Verse 7 und 8 (D)
    T. 20 – 30 Nachspiel (E)

    Zitat von Federica

    Thomas Synofzik (Musik und Ironie, S. 105, 106) stellt meine Laienohren auf musiktheoretische Füße, indem er dazu erläutert, dass im ersten Takt Figurationen eines übermäßigen Quintsextakkords erscheinen, die auf drei Arten aufgelöst werden können. Alle drei Möglichkeiten kommen im Lied vor: am Anfang eine Wendung zum B-Dur-Akkord in Quartsextstellung, in Takt 8 zum Dominantseptakkord zu H-Dur (mit der Singstimme eigentlich in Ces-Dur). Am Ende der zweiten Strophe erfolgt schließlich eine Auflösung nach F-Dur.

    Auffällig ist zunächst das immerhin dreimal erklingende Vorspiel mit dem eigentümlichen Eingangsakkord. Für meine Ohren und Augen handelt es sich zumindest in den Takten 1, 6 und 11 um einen verkürzten Dominantseptnonakkord mit tief alterierter Quinte. Der nicht erklingende Grundton hieße also c und damit wäre die Funktion des Akkordes die Doppeldominante auf die dann in Takt 2 die Dominante (mit Quartsextvorhalt) und in Takt 3 die Tonika folgen. Allerdings notiert Schumann für die None des Klanges cis statt des. Über die Gründe lässt sich trefflich spekulieren. Vielleicht wollte Schumann schon im Notenbild eine Mehrdeutigkeit veranschaulichen. Tatsache ist, dass der Akkord in T. 8 und 19 noch einmal in einem anderen Zusammenhang erscheint. In Takt 19, der weniger spannenden Stelle, liegt funktional gesehen keine andere Beziehung vor als in Takt 1, der Akkord steuert F-Dur an. Trotzdem schreibt Schumann hier des statt cis. Ich vermute das hängt mit der Singstimme zusammen, die an dieser Stelle ebenfalls ein des enthält, das seufzerartig zum c abwärts weitergeführt wird.

    Zitat von Federica

    Auf dem Notenblatt gesehen und mit meinen Laienohren gehört habe ich sie auch: die Wechsel der Tonart bei den Wendungen „Es flüstern und sprechen die Blumen“ (Takt 8 )

    In Takt 8 ist der Anfangsakkord enharmonisch verwechselt als normaler Dominantseptakkord mit dem Grundton Fis notiert. Auf den Akkord folgt ein weiterer Septakkord auf H, der anvisierte Zielklang E erklingt nicht, sondern wird durch eine Rückung nach C ersetzt. C-Dur ist hier Doppeldominante der Grundtonart, d. h. die Rückung hat die Bedeutung der Rückkehr zu den harmonischen Gefilden der Ausgangstonart. Der enharmonisch anders dargestellte Klang in T. 8 ermöglicht also eine kurze Ausweichung in harmonisch weit entfernte Bereiche (beginnen hier die Blumen zu sprechen?) um dann aber recht gewaltsam zur Ausgangsharmonie zurückzukehren (wodurch der Kontrast zum stumm wandelnden Ich verdeutlicht wird).

    Nun noch zur "wörtlichen Rede" der Blumen in T. 17 - 20: Hier erklingt bei "Sei unsrer Schwester nicht böse" zunächst das fremdartige G-Dur, bevor für "du trauriger, blasser Mann" nach G-moll (Tonikaparallele) zurückgekehrt wird. Auch hier entsteht also ein harmonischer Kontrast zwischen der heiter dargestellten Frauenfigur und dem erbärmlichen Ich.

    Die beiden harmonischen Kontraste grenzen jeweils das lyrische Ich von seiner Umgebung ab: einmal von den Blumen, einmal von der Frau. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass die Blumen die Frau als Schwester bezeichnen. Das traurige lyrische Ich erscheint als ein seiner leuchtenden und farbenfrohen Umwelt (Sommer, Blumen, Frau) Entfremdeter.

    Diese Deutung hilft mir auch bei der Beurteilung des Nachspieles, wo aus der Begleitung aus gebrochenen Akkorden eine kleine Melodie entwächst, deren Töne sich ganz auf B-Dur, die Grundtonart, beschränken... bis auf die entscheidende Stelle am Schluss von T. 24 wo für einen kurzen Moment der verkürzte Septnonakkord von G-Dur mit dynamischem Schweller versehen erklingt und nochmals aufzeigt, wie unpassend ein Fremdkörper in einer ansonsten idyllischen Umgebung wirken kann. Dieser Befund könnte auch eine Bedeutung für das letzte Lied haben, in dem das Nachspiel von "Am leuchtenden Sommermorgen" ja noch einmal erklingt.

    Die Grundtonart des Liedes, B-Dur, ist übrigens die Parallele des vorletzten Liedes ("Hör´ ich das Liedchen klingen"). Dort wurde vergeblich versucht, in der Natur den Liebesschmerz zu vergessen, hier zeigt sich nun, dass auch die Natur zur Fremde geworden ist.

    Tharon.

  • Einen schönen Dank an den Chorknaben, der mir gestattet hat, "sein" vorgemerktes Lied zu übernehmen.

    Ich hab´ im Traum geweinet

    Ich hab´ im Traum geweinet,
    mir träumte, du lägest im Grab.
    Ich wachte auf, und die Träne
    floß noch von der Wange herab.

    Ich hab´ im Traum geweinet,
    mir träumt´, du verließest mich.
    Ich wachte auf, und ich weinte
    noch lange bitterlich.

    Ich hab´ im Traum geweinet,
    mir träumte, du wärst mir noch gut.
    Ich wachte auf, und noch immer
    strömt meine Tränenflut.

    Dieses Lied eröffnet die Traumepisode der "Dichterliebe" (bestehend aus den Liedern 13, 14 und 15). Nach vielfältigem und schwerem Leiden in der Realität, verbunden mit unterschiedlichen, aber immer wieder fehlgeschlagenen Bewältigungsstrategien, folgt nun der Verarbeitungsversuch im Traum. Auffällig ist in meinen Augen, dass die drei Traumlieder atmosphärisch immer gelöster werden. Dieses erste hier ist noch recht tragisch, das zweite endet unentschieden, das dritte ist heiter. Es sieht also so aus, als sei das Träumen endlich das probate Mittel, den Schmerz zu besiegen. Wie facettenreich und gebrochen das aber aussehen kann, zeigt nur eine Detailanalyse.

    Der Text des vorliegenden Liedes verläuft für mein Empfinden gegenläufig. Von Strophe zu Strophe enthält der Traum ein zunehmend weniger tragisches Frauenbild (sie ist tot - sie verlässt ihn - sie ist ihm gut) und eine zunehmend tragischer werdende Reaktion des lyrischen Ich (er vergießt eine Träne - er weint noch lange bitterlich - aus ihm strömt eine nicht enden wollende Tränenflut). Der Grund für dieses Paradoxon liegt wahrscheinlich in der Fiktionalität des Traumes begründet. Wenn die Träume glücklicher werden, dann wird beim Erwachen deutlich, wie groß die Differenz zur Realität des lyrischen Ich ist, daher die stärkere Tränenflut.

    Die Satzstruktur ist im Vergleich zu den anderen Liedern des Zyklus´ ungewöhnlich. Die Singstimme ist rezitativisch gehalten, Emotionen und Tragik werden über unterschiedlich hohe Repetitionstöne zum Ausdruck gebracht. Einzelne Silben werden manchmal durch vorhaltsartige Seufzer betont. Die Begleitung besteht in den ersten beiden Strophen aus einem akkordischen Kommentar, der zwischen die Gesangsphrasen eingeschoben ist (ich empfinde es ein wenig wie eine Art "Schauern"). Das Geschehen ist einem Secco-Rezitativ nicht unähnlich. Erst in der dritten Strophe wird aus dem Nacheinander ein Miteinander. Hier gewinnt das Klavier an Bedeutung und beginnt mit der ursprünglichen Gesangsmelodie, in die der Sänger nachträglich einfällt. Zu den Worten „mir träumte, du wärest mir gut“ erklingt eine kurze Aufhellung nach Des-Dur, aber, da dieser Traum der abwegigste von allen zu sein scheint, folgen daraufhin zu den Worten „und noch immer strömt meine Tränenflut“ einige schwere, dissonante, chromatische Akkorde, die schließlich wieder zum Ausgangspunkt Es-moll zurückführen. In diesem Stadium scheint das Träumen noch keine Linderung zu verschaffen. Lange Pausen im Nachspiel künden von Ratlosigkeit (ach ja: Kennt jemand eine Aufnahme, bei der der Pianist im Nachspiel korrekt zählt oder eventuell auch ein kleines Ritardando macht? So etwas würde ich gern einmal hören! Diese Pausen muss man doch aushalten! Abkürzen ist eine Schande!).

    Zu Beginn des Stranges klang an:

    Zitat von Konrad Nachtigall

    Der Übergang von "Am leuchtenden Sommermorgen" zu "Ich hab im Traum geweinet" ist einfach brutal!

    Für mein Empfinden stimmt das zum Teil, aber nur zum Teil. Ein Bruch besteht vorwiegend in der Satzstruktur. Dieser Bruch korrespondiert aber auch mit dem Inhalt: Mit dem Betreten der Traumwelt entfernen wir uns ja von der Realität, wen wundert es, dass das auch musikalisch zu hören ist? Im Übrigen ist die Andersartigkeit der Satzstruktur auf dieses eine Lied beschränkt. Ähnlich aufsehenerregend anders klingt auch "Im Rhein, im heiligen Strome". Solche musikalischen Grenzüberschreitungen sind also hin und wieder möglich, ohne dass sie gleich eine Bedeutung für den Gesamtzyklus haben müssen. Derzeit habe ich erst einen kurzen Blick auf die beiden ursprünglich von Schumann zwischen Lied 12 und Lied 13 geplanten Stücke werfen können. Mein erster Eindruck ist der, dass der Bruch durch "Es leuchtet meine Liebe" und besonders durch "Mein Wagen rollet langsam" durchaus geglättet würde. Inwiefern das aber sinnvoll ist (glatt ist ja nicht gleich gut), lässt sich erst nach einer Gesamtbetrachtung des Zyklus´ abschätzen. Ich komme später auf die "aussortierten" Lieder zurück.

    Die Tonart des Stückes lautet es-Moll. Auch die hier plötzlich auftauchenden 6 bee´s könnten als Bruch angesehen werden. Für mich bleibt die bisherige Logik aber gewahrt, denn das vorangegangene Stück steht in B-Dur. Es liegt also erneut einer der Quintfälle vor, die zwischen den Stücken Folgerichtigkeit anzeigen. Da "Am leuchtenden Sommermorgen" aufzeigte, dass das lyrische Ich in der Realität zum Fremdling geworden ist, ist die Flucht aus dieser Realität hinein in die Traumwelt nicht weiter verwunderlich. Der Quintfall liegt also nahe. Dass Schumann dann aber es-Moll und nicht Es-Dur verwendet, ist in meinen Augen darin begründet, dass die Traumwelt hier eben noch nicht Linderung mit sich bringt. Die real existierende Tragik wirkt noch in die Traumwelt hinein, der traurige Mann von Lied 12 ist zum Weinenden geworden, daher die Moll-Tonart.

    Tharon.

  • (ach ja: Kennt jemand eine Aufnahme, bei der der Pianist im Nachspiel korrekt zählt oder eventuell auch ein kleines Ritardando macht? So etwas würde ich gern einmal hören! Diese Pausen muss man doch aushalten! Abkürzen ist eine Schande!).

    Ganz meine Meinung! Das sind unglaubliche Pausen, eine Todesstille, in die ab und zu noch ein paar dürre Akkorde hineinklingen.

    Ich kenne eine einzige Interpretation, bei der die Pausen wirklich korrekt ausgezählt werden: Der Tenor Hans-Peter Blochwitz hat sie mit dem Pianisten Rudolf Jansen für EMI eingespielt, irgendwann in den frühen 90ern (glaube ich). Wenn man bei Amazon "Schumann" und "Blochwitz" eingibt, kommt z. Zt. als zweiter Treffer ein entsprechender US-Import mit ein paar Markktplatzangeboten (sehr dürftige Angaben, aber es müsste diese CD sein - außerdem enthalten: op. 39).

    Die beiden letzten Achtel kommen in dieser Aufnahme übrigens auch etwas zögernd - ich weiß nicht, ob Du darauf mit dem Ritardando abzielst (oder auf eine Verlängerung der Pausen)?


    Viele Grüße

    Bernd

    .

  • Zitat von Zwielicht

    Die beiden letzten Achtel kommen in dieser Aufnahme übrigens auch etwas zögernd - ich weiß nicht, ob Du darauf mit dem Ritardando abzielst (oder auf eine Verlängerung der Pausen)?

    Danke erstmal für den Tipp. Vielleicht lege ich mir die Aufnahme zu. Mit "Ritardando" wollte ich nur andeuten, dass es mir jetzt auch nicht um die präzis ausgezählten auf die Nanosekunde genauen 9 oder 10 Achtel Pause ankommt. Ein Langsamerwerden halte ich hier, wie bei den meisten Schlüssen, für legitim. Ob sich das nun erst bei den letzten Achteln ereignet, oder der Pianist auch die Pause davor ritardierend fühlt (und sie somit verlängert) ist für mich beides im Rahmen des Möglichen. Nur: Weil nicht mehr viel zu spielen ist die Pausen kürzen... das halte ich für schwach.

    Tharon.

  • Da wir gerade im Klassikforum die Rede von der Diskothek in Zwei haben: ich habe die dortige Diskussion zur Dichterliebe inzwischen gehört und trotz der seit Jahren ausgiebigen Hör-und Diskussionserlebnisse immer noch neue Facetten entdeckt. Diskutiert wurden Aufnahmen von Roman Trekel, Simon Keenlyside, Thomas Quasthoff, Christoph Homberger, Werner Güra, Ian Bostridge und Barbara Bonney- die diversen dazugehörenden Pianisten habe ich mir leider nciht alle gemerkt, nur den Besten: Julus Drake!
    Gewonnen haben Werner Güra mit Jan Schulz auf einem historischen instrument und Ian Bostridge mit dem überragenden Julius Drake. trekel und homberger sidn sofort rausgeflogen, und Bonney wurde dermassen verrsisen, dass bereits Vergleiche mit Florence Forster Jenkins bemüht wurden (was ich hochgradig ungerecht fand, obschon mir ihre Aufnahme der Dcihterleibe auch nciht gefallen hat). die Bewertungskriterein von sängerischer und piansitischer seite waren sehr interessant und fûr mich gut nachvollziehbar. Obschon mich Bostridge live total enttäuscht hat, ist ihm die Dichterliebe im Studio gut gelungen. Meine Traumpaarung aus den hier besprochenen wâre aber Güra mit Drake gewesen. Wer eine solche Stimme hat, bracuht ncihts zu fürchten, sagte eine Juiorin zu recht. :juhu: Und Güra hält, wie Gerhaher, auch live was er auf Cd verspricht, ich habe ihn schon mehrfach gehört.und Drakes Spiel hat mich wirklich begeistert.
    Zuim Zuge kommen dort aber nur neuere Einspielungen, Fans von Souzay, Hotter oder Lotte Lehmann kommen nciht auf ihre Kosten. Und eine Dcihterliebe Diskussion ohne Wunderlich oder FiDi..... :shake:

    Güra und Gerhaher haben übringens auch beim Liederkreis 39, meinem Lieblingszyklus, gewonnen, Dort konnte ich das vollkommen nachvollziehen; insbesondere Gerhaher und Gerold Huber sind einfach nur ein traum an Makro- und Microinterpretation und Klangfarben.

    F.Q.

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Heute Abend habe ich so einige neue LPs durchgehört, und in einer Schumann-Box war die Dichteliebe mit Hermann Prey und Karl Engel. Ich bin beeindruckt... das hätte ich dem Prey gar nicht zugetraut. Aber er macht das wirklich gut - vielleicht teils mit einem etwas weinerlichen Unterton, aber ansonsten sehr ausdrucksstark und auf den Punkt. Auch Karl Engel ist - wie immer, und wie auch in seiner Schumann-Klavier-GA - oberstes Niveau, und sein Flügel hört sich Weißgottnicht wie ein Steinway an. Vielmehr wirkt der Klang wie von einem frühen Boesendorfer. Weiß da jemand Genaueres drüber?


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    Immer noch da ... ab und an.

  • Einen schönen Dank an Matthias Oberg, der mir gestattet hat, das Lied trotz seines Vormerkens zu besprechen.

    Allnächtlich im Traume seh´ ich dich

    Allnächtlich im Traume seh´ ich dich,
    und sehe dich freundlich grüßen,
    und laut aufweinend stürz´ ich mich
    zu deinen süßen Füßen.

    Du siehest mich an wehmütiglich
    und schüttelst das blonde Köpfchen;
    aus deinen Augen schleichen sich
    die Perlen Tränentröpfchen.

    Du sagst mir heimlich ein leises Wort,
    und gibst mir den Strauß von Zypressen.
    Ich wache auf und der Strauß ist fort,
    und´s Wort hab´ ich vergessen.

    Im Gegensatz zum ersten Traumlied (Ich hab´ im Traum geweinet) ist dies hier musikalisch eher ein heiteres Lied. Es ist harmonisch im Vergleich zu den anderen Liedern des Zyklus relativ einfach und steht in Dur. Was im Text allerdings über die Träume ausgesagt wird, ist etwas rätselhaft und eher bedrückend. Warum stürzt das lyrische Ich der Angebeteten zu Füßen, wenn sie ihn doch freundlich grüßt? Warum schüttelt sie den Kopf und muss dann auch noch selber weinen? Die Zypressen dürften ein Symbol der Trauer sein, das dazu gesprochene "heimliche Wort" (also die konkrete Bedeutung des Symbols) erfahren wir aber ausdrücklich nicht. Die Diskrepanz zwischen heiterem Charakter der Musik und bedrückender Atmosphäre des Textes hat mich zunächst einmal irritiert. Also höre und sehe ich genauer hin:

    Zunächst fällt mir auf, dass das „Weinen“ durch einen Taktwechsel und kürzere Notenwerte etwas dramatischer als der Rest ausgestaltet ist, das Klavier kommentiert die Passage mit einem verminderten Septakkord der Doppeldominante. Die Musik ist zwar heiter, emotionale Regungen werden aber trotzdem sensibel von der Musik ausgestaltet.

    Erklärt wird die Diskrepanz zwischen Text und Musik allerdings erst am Schluss: Hier bleibt das Weinen aus, denn das lyrische Ich erwacht und kann sich an nichts mehr erinnern. Schumann komponiert diese Passage so, als würde der Sänger zu schnell sein und bereits auf dem Quartsextakkord der Dominante seinen Schlusston erreichen. Der Pianist bricht ab und kann nur noch die beiden Schlussklänge (Auflösung des Quartsextvorhaltes und Tonika) nachliefern. So wird veranschaulicht, dass das plötzliche Erwachen das lyrische Ich tatsächlich aus dem Traumgeschehen herauswirft.

    Das Stück steht in H-Dur. Das Lied davor stand in Es-moll. Einen enharmonisch verwechselten Quintfall von Es-moll entfernt liegt Gis-moll, H-Dur ist die Parallele davon. Wieder ist also mittels Quintfall und Parallelbereich eine Verwandtschaft zu erkennen. Allerdings fällt doch auf, dass die harmonische Progression hier eine Drehung mehr vollzieht, als bei anderen Übergängen: Es gibt den Quintfall UND es gibt die Parallele UND es gibt sogar noch die enharmonische Verwechslung (wobei ich keine Ahnung habe, wieweit Schumann in einem solchen Fall bei einer enharmonischen Verwechslung von einer veränderten Tonartencharakteristik gesprochen hätte). Der Bezug deutet natürlich auf die inhaltliche Kontinuität hin: es geht weiterhin um Traumbegegnungen. Der zusätzliche Dreh könnte aber anzeigen, dass hier der Leidensprozess des lyrischen Ichs langsam umgekehrt wird. Zuvor wurden angenehme Träume beim Erwachen als irreal erkannt... die Folge war Leid (und die Tonart Es-moll). Nun werden unangenehme Träume beim Erwachen vergessen... die Folge ist eine heitere, entspannte Grundstimmung (und die Tonart H-Dur). Der Kummer weicht dem Vergessen.

    Schumanns Pointe beim Schluss des Liedes ist in meinen Augen ein weiterer Moment, an dem zu erkennen ist, dass Schumann Heines Ironie durchaus verstanden hat. So wie das lyrische Ich den Traum vergisst, so scheint der Sänger hier am Schluss der dritten Strophe geradezu das Strophenende zu vergessen. Das Lied zeigt an, dass es hier zwar auf ein Ende des Leidens hinausläuft, dass damit aber keineswegs ein Happy End verbunden ist. Daher erklingt hier ja auch kein affirmativer Schluss, sondern etwas, was sich eher wie ein Versehen anhört.

    Ich finde Aufnahmen gut, bei denen der Sänger im vollen Galopp vom Pferd fällt. Wer hier ein Schlussritardando macht, mogelt sich um den vergessenen Vers herum und will dann doch noch ein abgerundetes Ende präsentieren. Aber weil man sich ja nicht vornehmen kann einen erlittenen Schmerz zu vergessen, muss auch das Vergessen des Schlussverses möglichst unfreiwillig klingen. FiDi/Brendel machen das ganz gut. FiDi/Eschenbach und Goerne/Ashkenazy finde ich weniger überzeugend.

    Tharon.

  • Der Graf gab sein placet, dieses Lied an seiner Stelle besprechen zu dürfen. Habe die Ehre.

    Aus alten Märchen winkt es

    Aus alten Märchen winkt es
    hervor mit weißer Hand,
    da singt es und da klingt es
    von einem Zauberland;

    wo bunte Blumen blühen
    im gold´nen Abendlicht,
    und lieblich duftend glühen
    mit bräutlichem Gesicht;

    und grüne Bäume singen
    uralte Melodei´n,
    die Lüfte heimlich klingen
    und Vögel schmettern drein;

    und Nebelbilder steigen
    wohl aus der Erd´ hervor,
    und tanzen luft´gen Reigen
    im wunderlichen Chor;

    und blaue Funken brennen
    an jedem Blatt und Reis,
    und rote Lichter rennen
    im irren, wirren Kreis;

    und laute Quellen brechen
    aus wildem Marmorstein,
    und seltsam in den Bächen
    strahlt fort der Wiederschein.

    Ach, könnt ich dorthin kommen,
    und dort mein Herz erfreu´n,
    und aller Qual entnommen
    und frei und selig sein!

    Ach! Jenes Land der Wonne,
    das seh´ ich oft im Traum,
    doch kommt die Morgensonne,
    zerfließt´s wie eitel Schaum.

    "Aus alten Märchen" ist das dritte Traumlied, es beginnt als fröhliches Lied über ein wunderbares "Zauberland".

    Schon das Vorspiel kündet von Energie, was durch die nachschlagenden Bassachtel noch verstärkt wird. Diese Achtel wirken nämlich als Impulse für den kommenden Schlag. Im Verlauf des textreichen Liedes gerät der Sänger immer mehr in Extase, was durch häufige Tonartwechsel angedeutet wird (Vorspiel und Strophe 1 und 2: E-Dur; 1. Zwischenspiel und erste Hälfte von Strophe 3: G-Dur; zweite Hälfte von Strophe 3: H-Dur; 2. Zwischenspiel: E-Dur; 4. und 5. Strophe: H-Dur; erste Hälfte der 6. Strophe: Dis-moll; zweite Hälfte der 6. Strophe: Cis-moll; danach Rückkehr nach E-Dur). Die Melodie nimmt manchmal Rücksicht auf das jeweilige Strophenthema (für die aus der Erde steigenden Nebelbilder wird z. B. zunächst eine tiefe Lage gewählt). In der besonders fantastischen Strophe 6 werden die Akkorde massiver und die Modulationen steuern den Höhepunkt des Liedes an: das „Ach!"

    Doch dann geschieht etwas Entscheidendes: die Musik enttarnt das "Zauberland" als Utopie und Trugbild. Das Tempo wird augmentiert und wirkt nun schleppend. Bei „zerfließt´s wie eitel Schaum“ wechseln ein verminderter Septakkord und ein Dominantseptakkord ohne funktionalen Bezug zueinander ab und ergeben eine chromatische Wellenbewegung. Die zusätzlich auf lange Halteakkorde reduzierte Begleitung verstärkt den Eindruck: die Musik zerfließt tatsächlich. Das Nachspiel nimmt zunächst den Beginn wieder auf, die nachschlagenden Bassachtel laufen allerdings ins Leere (da sie nicht für eine nachfolgende Betonung genutzt werden) und die Energie verpufft schnell wieder.

    Das Stück steht in E-Dur, ein Quintfall vom vorigen Lied entfernt. Im bisherigen Kontext des Zyklus wird damit die Heilungsphase des lyrischen Ichs fortgesetzt. Nach den schweren Träumen ("Ich hab im Traum geweinet") und den rätselhaften Träumen ("Allnächtlich im Traume") folgen hier nun heitere Träume, die danach klingen, als sei der Kummer überwunden, insofern deutet der Quintfall die logische Progression an. Dennoch beinhaltet das Lied eine schicksalhafte Wendung: Die letzte Strophe und die damit verbundene Erkenntnis, dass das "Zauberland" eine Utopie darstellt, hat eine besondere Bedeutung für den gesamten Zyklus. Wir erfahren in diesem Lied nichts mehr über die Gefühle des lyrischen Ichs zur vergangenen Geliebten, vielleicht haben die Träume wirklich eine Distanzierung ermöglicht. Dennoch geht gerade in diesem Lied mit dem Erwachen aus den Träumen die Erkenntnis einher, dass eine glückverheißende Zukunft nicht in Aussicht ist. Und diese Situation spielt möglicherweise auch eine Bedeutung für das letzte noch folgende Lied.

    Tharon.

  • Hier schließlich ein paar Beobachtungen zum Schlusslied der Dichterliebe (Fairy Queen war so freundlich mir trotz Reservierung den Vortritt zu lassen).

    Die alten bösen Lieder

    Die alten bösen Lieder
    Die Träume schlimm und arg,
    Die laßt uns jetzt begraben,
    Holt einen großen Sarg.

    Hinein leg ich gar Manches,
    Doch sag ich noch nicht was;
    Der Sarg muß sein noch größer
    Wies Heidelberger Faß.

    Und holt eine Totenbahre,
    Von Brettern fest und dick:
    Auch muß sie sein noch länger
    Als wie zu Mainz die Brück.

    Und holt mir auch zwölf Riesen,
    Die müssen noch stärker sein
    Als wie der heilige Christoph
    Im Dom zu Köln am Rhein.

    Die sollen den Sarg forttragen
    Und senken ins Meer hinab,
    Denn solchem großen Sarge
    Gebührt ein großes Grab.

    Wißt ihr, warum der Sarg wohl
    So groß und schwer mag sein?
    Ich legt auch meine Liebe
    und meinen Schmerz hinein.


    Der Text wirkt entschlossen: Mit dem Katzenjammer soll endgültig Schluss sein. Die Aussage wirkt auf mich aber irgendwie auch sperrig und umständlich. Nachdem in der ersten Strophe eigentlich schon relativ konkret angedeutet wird, worum es geht, vergehen vier weitere Strophen, in denen lediglich der Eindruck verstärkt wird, dass das ausstehende Begräbnis im Meer eine gewaltige Kraftanstrengung sein wird. In der letzten Strophe erfahren wir dann (als hätten wir es nicht sowieso schon gewusst), dass es die Liebe ist, die begraben werden soll. Vielleicht wollte Heine Spannung aufbauen. Auf mich wirkt der Text aber eher mühevoll und vielleicht auch etwas verbittert.

    Schumanns Vertonung verstärkt diesen Eindruck. Das donnernde Vorspiel kündet von der Entschlossenheit des lyrischen Ichs. Die ersten vier Strophen sind ähnlich vertont, stehen aber in unterschiedlichen Tonarten (1. Strophe cis-Moll, 2. Strophe beginnt in gis-Moll, endet in E-Dur, 3. Strophe fis-Moll, 4. Strophe Gis-Dur). Die vom E-Dur der zweiten Strophe sekundweise aufwärts führenden Tonarten (E-Dur, fis-Moll, Gis-Dur) erzeugen zusammen mit der Gesangspartie eine breit angelegte Steigerung, deren Höhepunkt das Begräbnis im Meer darstellt und auf mich musikalisch ähnlich kraftaufwändig wirkt, wie der Versuch im Text Spannung zu erzeugen. In der fünften Strophe erklingt bei „hinab“ ein donnernder verminderter Septakkord der Doppeldominante (platsch!), danach folgt eine Kadenz aus langen, bleischweren Akkorden (die bleibt unten, die Kiste!). Für die letzte Strophe wird neue Spannung aufgebaut. Es erklingt ein lang anhaltender Dominantseptakkord, dann folgt eine Ausweichung nach Fis-moll. Die Wörter Liebe (starke Vorhaltsbildung) und Schmerz (Trugschluss) sind deutlich hervorgehoben.

    Die Schlusskadenz mündet in das Nachspiel, für das das Cis-moll enharmonisch verwechselt und verdurt (Des-Dur) wird. Zitiert wird hier das Nachspiel von „Am leuchtenden Sommermorgen“, dann folgt ein kurzer rezitativartiger Einschub (vielleicht vergleichbar mit "Der Dichter spricht" aus den Kinderszenen: auch dort steht am Ende des Zyklus´ ein Rezitativ, das einen Blick auf den Erzählvorgang selbst wirft), schließlich beendet eine weit ausgreifende Kadenz den Zyklus.

    Warum aber erklingt hier das Nachspiel von „Am leuchtenden Sommermorgen“? Es verkörperte im 12. Lied eine Naturidylle, in der das lyrische Ich sich allerdings als Fremdkörper fühlen musste. Was bedeutet die Reminiszenz am Schluss des Zyklus´? Ist der Liebeskummer bewältigt, das Gefühl der Entwurzelung aber noch immer vorhanden? Das ist meine Interpretation, andere sind sicher möglich.

    Das Stück steht in Cis-moll, der Parallele zum vorigen Lied. Die schöne Traumwelt wird hier wieder mit der in der Vergangenheit wirksam gewordenen bitteren Realität konfrontiert.

    An dieser Stelle lohnt zunächst noch einmal eine Gesamtübersicht über die Tonarten des Zyklus´:

    1 fis-Moll - A-Dur - fis-Moll (3 Kreuze)
    2 A-Dur (3 Kreuze)
    3 D-Dur (2 Kreuze)
    4 G-Dur (1 Kreuz)
    5 h-Moll (2 Kreuze)
    6 e-Moll (1 Kreuz)
    7 C-Dur (0 Vorzeichen)
    8 a-Moll (0 Vorzeichen)
    9 d-Moll (1 bee)
    10 g-Moll (2 bees)
    11 Es-Dur (3 bees)
    12 B-Dur (2 bees)
    13 es-Moll (6 bees / 6 Kreuze)
    14 H-Dur (5 Kreuze)
    15 E-Dur (4 Kreuze)
    16 cis-Moll (4 Kreuze) - Nachspiel Des-Dur quasi Cis-Dur (5 bees bzw. 7 Kreuze)

    Fazit: In aller Regel handelt es sich beim Übergang von einem Lied zum anderen um Quintfortschreitungen und/oder Parallelklänge. Die Tonarten stehen im Quintenzirkel in einem Nachbarschaftsverhältnis zueinander. An zwei Stellen geschieht aber etwas anderes:

    Vom 12. zum 13. Lied folgt zusätzlich zum Quintfall auf ein Lied in Dur eines in Moll. Dadurch kommt der Wechsel von 2 zu 6 bees zustande. Der Moment ist auch inhaltlich signifikant: Hier enden die Klagelieder und es beginnen die Traumlieder. Die Tonartenfolge, die zwar in Beziehung zueinander steht, aber doch nicht ganz so unmittelbar wie an anderen Stellen, ist also inhaltlich gerechtfertigt, denn auch die Träume stehen in Bezug zum Vorangegangenen, sind aber eben keine Realität.

    Die enharmonische Verwechslung vom Schluss des 16. Liedes zu dessen Nachspiel hin könnte praktische Gründe haben. Fünf Bees sind leichter zu lesen als sieben Kreuze. Deutet man aber das Ende in Des-Dur als Cis-Dur und denkt imaginär einen weiteren Quintfall abwärts, ist man wieder bei Fis-moll, der Ausgangstonart des Zyklus´. Damit beschreibt der Zyklus eine komplette Runde um den gesamten Quintenzirkel herum. Das dürfte kein Zufall sein: Geht das Ganze von neuem los, ein endloser Kreislauf von Liebeshoffnung, -schmerz und neuer Liebeshoffnung? Ich halte das für wahrscheinlich.

    Tharon.

  • Ich habe heute in der Oper eine Dichterliebe live erlebt: Toby Spence Tenor und Julian Milford Klavier. Die hâtten mal besser unseren Thread lesen sollen! Das Einzige was wirklich gut und "interpretiert" war, war Spences depressiv resignierter Ansatz und mezza voce fast detimbriert bei "Hör ich das Liedchen klingen" Nix von romantischem Dahinschmelzen. Dasselbe wâre ihm grossartig bei "Ich hab im Traum geweinet" gelungen, zumal da der Pianist mal wirklich etwas ausgesagt hat, er hat die Akkorde superkurz und trocken gespielt. Wenn nicht Spence eine totale Freud'sche Fehlleistung gehabt hâtte! Da singt dieser.... doch tatsächlich statt "strömt meine Tränenflut" nochmal "und die Träne floss mir von der Wange herab" :boese: :o: :cry:
    Und das noch dazu bei einer gereimten Zeile.Heine lacht sich sicher eins dazu!
    Ich bin bald vom Sitz gesprungen und hâtte am liebsten aufgejault, aber da ich mit einem deutschen Bariton da war, konnten wir uns wenigstens gegenseitig finsterste Blicke zuwerfen- die Franzosenbanausen haben natürlich nix gemerkt.....
    Spence hat eine schône Stimme, ich habe ihn ja schon mehrfach im Barockfach gehört und hat seine Sache ordentlich gemacht, aber von interpretation Pianist/Sänger hab ich wenig gemerkt. Und was machen wir uns hier für Gedanken!!!!!!

    Er hat in der ersten Hälfte übrigens Beethovens "An die ferne Geliebte" und Poulencs "Tel jour telle nuit "gesungen. Ersteres (was für wunderschône Musik :wink: ein Gedanke an den fahrenden Ritter, der diesen Zyklus so ausführlich besprochen und mir bekannt gemacht hat) war besser interpretiert als Letzteres. Eines muss man Spence in jedem Fall lassen: die deutsche Aussprache ist perfekt. Und er hat eine echte Liedstimme, wie er dagegen in London den Lensky singt, würde ich gerne mal wissen, er klang ja in unser Salonoper schon recht klein.
    Der Hammer war die zweite Zugabe, so verrückt muss man am Ende eines konzerts erstmal sein: Schuberts schweineschweres Lied "Nacht und Träume" Das ging auch entsprechend daneben...... ;(

    Ich weine nun hoffentlich nicht im Traum und wenn dann nur mit Tränenflut :fee:

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Wenn nicht Spence eine totale Freud'sche Fehlleistung gehabt hâtte! Da singt dieser.... doch tatsächlich statt "strömt meine Tränenflut" nochmal "und die Träne floss mir von der Wange herab" Und das noch dazu bei einer gereimten Zeile.

    Wahrscheinlich hatte er Versagensangst:

    "Ich leide an Versagensangst, / besonders, wenn ich dichte. / Die Angst, die machte mir schon oft / den schönsten Reim zuschanden." (Robert Gernhardt)

    Viele Grüße,

    Christian

  • Erwerbbar

    Die Aufnahme von Blochwitz mit R.Jansen stammt von 1990 und ist bei amazon erwerbbar. Vielleicht nicht seine beste Liederaufnahme. Aber doch eine der sehr guten der beiden Zyklen op. 39 und 48. Leider war seine Karriere sehr kurz und er ist fast der Vergessenheit anheim gefallen.

  • Anton Saris singt die Dichterliebe

    Der holländische Tenor Anton Saris singt die "Dichterliebe op.48" am 1.12.2017 in der Kirche Bad Weißer Hirsch in Dresden-Oberloschwitz.
    Daneben erklingen noch Britische Folksongs, Lieder von Benjamin Britten und Roger Quilter.
    Beginn ist 19 Uhr 30

  • Ich habe in den letzten Tagen wieder einmal Heine gelesen - und bin dabei vorhin über das achte Stück gestolpert "Und wüssten´s die Blumen die kleinen". Nimmt man die ersten drei Strophen ist der Inhalt nicht so überraschend. Sprachlich auffällig die Verwendung des Konjunktivs. Der Aha-Effekt ist für mich die letzten Strophe, die dem Gedicht eine Wendung um 180 Grad gibt. Heine wechselt dann auch vom Konjunktiv in den Indikativ-Präteritum. Aus der Möglichkeit des Konjunktivs wird Realität. Die Vertonung bildet diesen Wechsel von der dritten Strophe zur Schlusstrophe ebenfalls ab.

    Wie gefällt Euch die Interpretation Wunderlichs?

    Und wüssten´s die Blumen die kleinen ...

    Und hier der Text:

    Und wüßten's die Blumen, die kleinen,

    Wie tief verwundet mein Herz,

    Sie würden mit mir weinen,

    Zu heilen meinen Schmerz.


    Und wüßten's die Nachtigallen,

    Wie ich so traurig und krank,

    Sie ließen fröhlich erschallen

    Erquickenden Gesang.


    Und wüßten sie mein Wehe,

    Die goldenen Sternelein,

    Die kämen aus ihrer Höhe,

    Und sprächen Trost mir ein.


    Sie alle können's nicht wissen,

    Nur eine kennt meinen Schmerz;

    Sie hat ja selbst zerrissen,

    Zerrissen mir das Herz.

    Herzliche Grüße

    Christian

    Rem tene- verba sequentur - Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen

    Cato der Ältere

  • Der Indikativ ist aber in den ersten drei Strophen latent vorhanden, oder? In den ersten beiden Strophen ist es nur die Ellipse, die den Indikativ mehr schlecht als recht unterdrückt:

    "Wie tief verwundet mein Herz ist,"

    "Wie ich so traurig und krank bin,"

    Auch das "Wehe" der dritten Strophe ist ja offenbar nicht nur Möglichkeit.

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Der Abgrund des Gedichts wird m. E. nicht durch den Wechsel des Modus, sondern der Erzählzeit aufgerissen:

    Und wüßten's die Blumen, die kleinen, - Gegenwart
    Wie tief verwundet mein Herz, - Gegenwart
    Sie würden mit mir weinen, - Zukunft
    Zu heilen meinen Schmerz. - Zukunft

    Und wüßten's die Nachtigallen, - Gegenwart
    Wie ich so traurig und krank, - Gegenwart
    Sie ließen fröhlich erschallen - Zukunft
    Erquickenden Gesang. - Zukunft

    Und wüßten sie mein Wehe, - Gegenwart
    Die goldenen Sternelein, - Gegenwart
    Die kämen aus ihrer Höhe, - Zukunft
    Und sprächen Trost mir ein. - Zukunft

    Sie alle können's nicht wissen, - Gegenwart
    Nur eine kennt meinen Schmerz; - Gegenwart
    Sie hat ja selbst zerrissen, - Vergangenheit
    Zerrissen mir das Herz. - Vergangenheit

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Der Wechsel der Erzählzeit war mir noch nicht aufgefallen :) Aber was den Konjunktiv angeht: Der fehlt eben in der letzten Strophe komplett - deswegen ist der Kontrast zwischen den ersten drei Strophen und der letzten um so schärfer.

    Rem tene- verba sequentur - Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen

    Cato der Ältere

  • Aber was den Konjunktiv angeht: Der fehlt eben in der letzten Strophe komplett - deswegen ist der Kontrast zwischen den ersten drei Strophen und der letzten um so schärfer.

    Das ist freilich wahr ... Erich Fried wusste: Es ist, was es ist. Doppelter Indikativ.

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Das ist schon typisch Heine. Fängt fast klischeehaft romantisch an - mit Blümchen und Nachtigallen und Sternlein zu Genüge - und dann ... in cauda venenum ...
    Wunderlich singt wie üblich sehr schön, färbt seine Stimme für "weinen", "traurig" ... aber insgesamt ist seine Darbietung für mich zu elegisch, was wohl auch Hubert Giesen anzukreiden ist, der aus dem Klaviernachspiel nichts macht.

    Alles, wie immer, IMHO.

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