Schumann, Robert: Dichterliebe op. 48
Um es gerade eben noch im wunderschönen Monat Mai zu schaffen- hier nun der erste saisongerechte Kunstlied-Thread .
Robert Schumanns vielleicht beliebtester Liederzyklus „Dichterliebe“ (nach Gedichten aus Heinrich Heines Lyrischem Intermezzo) ist im überaus fruchtbaren „Liederjahr“ 1840 entstanden. Schumann war zu diesem Zeitpunkt 30 Jahre alt.
Es fällt schwer, sich einen Lied-Schaffensrausch zu vergegenwärtigen, in dem innerhalb weniger Wochen, ja Tage, einige von Schumanns grössten und berühmtesten Werken enstanden sind.
Nachdem er sich zuvor intensiv dem Lied ohne Worte in Form von Klaviermusik widmete und lediglich etliche Jugendlieder komponierte, „explodierte“ nun im Jahr 1840 die neue Ausdrucksform „Lied“. Im Mai wurde der Liederkreis opus 39 beendet, vom 24-31.Mai komponierte er die Dichterliebe und am 11.und 12 Juli schliesslich Frauenliebe und –leben.(veröffentlicht 1843). Dazu die Liederkreise opus 24 und 25 (Myrthen)-darinnen auch das unsterbliche Hochzeitsgeschenk für Clara Wieck-Schumann „Widmung“.
Im Februar hatte Schumann an seine Verlobte Clara geschrieben:
„O Clara! Welch ein Glûck wieder für den Gesang zu schreiben! Ich war so lange davon abgetrennt.“
Schumann komponierte in diesem einen Jahr tatsächlich mehr als die Hälfte seines gesamten Liedschaffens und alle bedeutenden Zyklen !
Es ist daher ganz entscheidend, zu wissen, dass 1840 just das Jahr war, in dem sich die tragisch-romantische Liebesgeschichte zwischen Clara Wieck und Robert Schumann durch alle Verzweiflung und Glückseligekeit, Hoffen und Bangen, Kämpfe und Resignationen in der Hochzeit vollendete.
Alle Höhen und Tiefen der Liebe, die Schumann in seinen Liedern in Musik setzte hatte er selbst durchlebt und durchlebte er noch , während er die Lieder schrieb.
Die Hochzeit war bis zum Ende ungewiss, es gab nicht nur keine Erlaubnis sondern erbitterten Widerstand des Vaters Wieck und Clara und Robert mussten ihre Ehe per Gerichtsbeschluss erzwingen.
Schumann hat sich noch über die Heirat hinaus bittere Vorwürfe gemacht, Clara von ihrem Vater entzweit zu haben.
„Eine grosse Schuld lastet auf mir. Diejenige, dich von deinem Vater getrennt zu haben und das quält mich oft.“
Vielleicht machen solche Briefzitate ein wenig deutlicher, dass eine Tränenflut auch beim Gedanken, die Geliebte sei einem noch gut, fliessen kann?
Man kann auch ohne zu biographisieren , legitimerweise davon ausgehen, dass sehr viele persönliche Erfahrungen Schumanns in die Dichterliebe eingeflossen sind
Dieser grosse romantisch Liebende der Muskgeschichte hat gewiss nicht ohne Grund im Jahr 1840 Heines Texte aus dem „Lyrischen Intermezzo“ zu einem Zyklus zusammengestellt.
Schumann hat die Gedichte Heines so ausgewählt und geordnet, dass eine Geschichte daraus entstehen konnte.
Vielleicht resultiert die grosse Beliebtheit dieses Liederzyklus eben daraus, dass er einen nachvollziehbaren emotionalen Weg erzählt, mit dem sich die Hôrer eher indentifizieren können als mit der scheinbar losen Folgen der Myrthen oder der Eichendorff-Lieder?
Schumann zeigt uns in der Dichterliebe den inneren Weg eines verschmähten Liebenden:
das Erwachen der Liebe im Frühling und die romantisch verklärte Hoffnung auf Liebesglück (1-6) , die Erfahrung der Untreue und Unwürdigkeit der Geliebten mit all den verschiedenen Empfindungen , die diese Erkenntnis hervorufen kann: zärtliche Erinnerung, Selbstmitleid, Depression, Flucht in die Natur, Versuche sich sarkastisch zu distanzieren und zu entlieben.
Noch lange vor der Psychoanalyse sind allein drei Lieder(13-15) der unbewussten Verarbeitung der emotionalen Katastrophe im Traum gewidmet.
Am Ende steht die scheinbar vollzogene Heilung und ein reinigendes Begräbnisritual. (16) Diese wird aber durch die Musik Schumanns insbesondere im Nachspiel so relativiert und quasi konterkariert , dass sie ebensogut auf einen versöhnlichen Neuanfang und die Hoffnung auf den Wiederbeginn der Liebesgeschichte hinweisen könnte. Dazu aber noch bei der Interpretation des letzten Lieds.
Hier die Liedfolge im Einzelnen:
Im wunderschönen Monat Mai
Aus meinen Tränen spriessen
Die Rose, die Lilie
Wenn ich in deine Augen seh
Ich will meine Seele tauchen
Im Rhein, im heiligen Strome
Ich grolle nicht
Und wüssten’s die Blumen, die Kleinen
Das ist ein Flöten und Geigen
Hör ich das Liedchen klingen
Ein Jüngling liebt ein Mädchen
Am leuchtenden Sommermorgen
Ich hab im Traum geweinet
Allnächtlich im Traume
Aus alten Märchen
Die alten bösen Lieder
Die Dichterliebe hatte in ihrer Urfassung noch vier weitere Lieder und trug die opus Zahl 29 und die Bezeichnung „20 Lieder und Gesänge“. Sie war dem Komponisten FelixMendelssohn gewidmet, der ebenfalls etliche Heine-Gedichte vertont hat.Da der Zyklus aber erst 1844 publiziert wurde, erhielt er nunmehr die OpusZahl 48 und seine endgültige Form sowie den Namen „Dichterliebe“.
Widmungsträger wurde die mit den Schumanns eng befreundete Sängerin Wilhelmine Schröder-Devrient. Sie war bekannt durch ihre Interpretation von Beethovens Fidelio und der Interpretation von Wagner-Heroinen. Ab 1848 widmete sie sic haber auch intensiv dem Liedgesang und die Nummer 7 „Ich grolle nicht“ wurde eigens für sie geschrieben Leider ist es mir bisher nicht gelungen herauszufinden, ob auch sie es war, die die gesamte Dichterliebe uraufgeführt hat.
Da es sich heute um ein Tenorwerk sui generis handelt , wäre es schon sehr interessant, zu wissen ob Schumann sie ursprünglich von einer Frauenstimme gesungen haben wollte.
Die Tonartenfolge der End-Fassung:1.fis-moll 2. A-Dur 3. D-Dur 4. G-Dur 5. h-moll 6. e-moll 7. C-Dur 8. a-moll 9. d-moll 10. g-moll 11. Es-Dur 12. B-Dur 13 es-moll 14. H-Dur 15.E-Dur 16 cis-moll Nachspiel Des-Dur
Der Zyklus dauert etwa 30 Minuten und ist für eine lyrische Tenorstimme komponiert. Die Originaltessitur wäre aber auch von einem Sopran gut singbar.Transponierte Fasssungen für Bariton liegen ebenfalls vor. Rein gesangs- und klaviertechnisch gesehen ist die Ausführung (aus meiner subjektiven Sicht und Kommentaren Ausführender)) etwas leichter als etwa im Liederkreis opus 39. Was man von der Interpretation und dem künstlerischen Anspruch natürlich nicht sagen kann.
Da wir in einem anderen Forumsleben bereits eine sehr ausgiebige und teilweise überaus spannende und fruchtbare Diskussion zu diesem Zyklus hatten, würde ich die damaligen Mitschreiber, so sie unter uns sind, herzlich bitten, ihre Beotr¨ge zu den einzelnen Liedern zu recyceln oder auch unverändert hierher zu kopieren. Um einen Überblick zu bekommen, was dann noch fehlt und wer evtl neu dazukommen möchte, folgt noch eine Liste.
Liebe Maiengrüsse
F.Q.