Schubert / Wilhelm Müller: Die Winterreise - Wenn der Boden entzogen ist... eine Annäherung

  • Jedenfalls funktioniert sowas nur, wenn man SELBST auf Musik stößt.

    Nein. Du kannst höchstens sagen, dass es bei Dir nur so funktioniert. Ich kenn sowas aber sehr gut. Schon seit 20 Jahren. :rolleyes: Ich kann mir den Mund fusselig reden, aber wenn man es woanders liest oder hört, dann wird es mir als die grösste Neuigkeit und Weisheit, der ich unbedingt Gehör schenken muss aufgetischt, die ich dann auch noch sofort befolgen soll. Wenn ich dann erwidere: "ja, mach ich schon lange so". Dann fällt man ganz erstaunt aus den Wolken.....Cosi fan tutte. :pfeif:

  • Für mich stellt Fischer-Dieskau nach wie vor bei Schubert das "non plus ultra" dar.

    Hallo Bernd! Ich weiß, dass es vielen so geht; ich kann mich da allerdings nicht anschließen. Fischer-Dieskau ist zweifelsfrei ein großer Sänger, mich hingegen berührt sein Gesang einfach nicht. Da würde ich unter den Baritonen Prey oder Quasthoff vorziehen bzw. beim Liedgesang sowieso den für mich unübertroffenen Schreier (den wiederum manche betulich/langweilig finden, ich ganz und gar nicht). So unterschiedlich sind die Geschmäcker!

    Als Erklärung zum Lindenbaum: Ich kannte das Lied vorher nur quasi als harmloses Volkslied (wobei ich nicht einmal wusste, dass ich die Silcher-Melodie kannte und nicht die Schubertsche). Wieso sollte mich ein Liederzyklus mit 23 anderen harmlosen Volksliedern interessieren...?
    Dass die Winterreise etwas anderes ist als Silcher, habe ich erst später gemerkt. Trotzdem ist die Winterreise für mich lange nicht der beste Liederzyklus, auch wenn er mitunter als der beste angesehen wird.

    Nein. Du kannst höchstens sagen, dass es bei Dir nur so funktioniert. Ich kenn sowas aber sehr gut. Schon seit 20 Jahren. :rolleyes: Ich kann mir den Mund fusselig reden, aber wenn man es woanders liest oder hört, dann wird es mir als die grösste Neuigkeit und Weisheit, der ich unbedingt Gehör schenken muss aufgetischt, die ich dann auch noch sofort befolgen soll. Wenn ich dann erwidere: "ja, mach ich schon lange so". Dann fällt man ganz erstaunt aus den Wolken.....Cosi fan tutte. :pfeif:

    Es reicht auch, sich ein bisschen mit Lernmotivation auszukennen...

    Wegen der im Mai 2023 in Kraft getretenen Forenregeln beteilige ich mich in diesem Forum nicht mehr (sondern schreibe unter demselben Pseudonym in einem anderen Forum), bin aber hier per PN weiterhin erreichbar.

  • Es reicht auch, sich ein bisschen mit Lernmotivation auszukennen...

    Ich bin mir nicht sicher, dass Du so richtig weisst, was Du hier sagst. Lassen wir das. Es soll hier um Schubert gehen.

    Nur nochmal zu den Transpositionen. Nach Martins Tabelle ist es wohl so, dass zumindest bei den 7 (waren es 7?) Tenören niemand wild nach Belieben hoch und 'runter transponiert hat.
    Es wäre wirklich interessant herauszufinden, wie es bei anderen ist.

    Was also an der Winterreise veranlassen soll, dass man selbst in psychische Not gerät, versteh ich nicht. Höchstens kann man sich denken: "Aha, dem Winterreise-Protagonisten gehts wie mir einmal/jetzt, also bin/war ich nicht allein", also was Aufbauendes, anstatt sich psychisch von einem Liederabend hinunterziehen zu lassen.

    Ob man selbst in psychische Not gerät, hängt sicher von der eigenen Verfassung ab. Aber Die Winterreise geht weit über das hinaus, was man so im Alltag an Liebeskummer haben mag. Es ist für mich klar, dass die Liebesgeschichte "nur" ein Aufhänger für existentielle Probleme ist. Mit anderen Worten: der Protagonist wird sich durch seinen Liebeskummer seiner viel tiefer liegenden menschlich existentiellen Probleme bewusst. Seiner Einsamkeit als Mensch, und damit meint man nicht "mal allein" sein, sondern die existentielle Einsamkeit, die zur Human Condition gehört und der man schwerlich entkommen kann. Dann die Sinnlosigkeit seines Lebens, derer man sich oft erst so ab 40 bewusst wird. Wenn hier also jemand von psychischen Problemen durch "zu viel Winterreise" gesprochen hat, dann ging es nicht um pubertären Liebeskummer, sondern eher um end of life Gedanken und Zustände, die in der Tat sehr düster sein können.
    Dass Du diese nicht hast ist ja wunderbar. Es gibt aber etliche Menschen, die sie haben.

    Die Liszt-Transkriptionen sind so gut, wie man sie fürs Klavier vermutlich nicht besser schreiben könnte, nämlich nicht bloße Transkriptionen, sondern künstlerisch entwickelte Musik auf Basis der Lieder. Kann man nur empfehlen.

    Ich habe mir einige angehört und finde sie nicht besonders interessant. Eine Wagner T finde ich ganz schön.

  • Dann die Sinnlosigkeit seines Lebens, derer man sich oft erst so ab 40 bewusst wird. Wenn hier also jemand von psychischen Problemen durch "zu viel Winterreise" gesprochen hat, dann ging es nicht um pubertären Liebeskummer, sondern eher um end of life Gedanken und Zustände, die in der Tat sehr düster sein können.

    Derjenige, der hier von möglichen psychischen Problemen durch die "Winterreise" schrieb, bezog sich ausdrücklich auf Musikstudenten. Die sind in der Regel deutlich jünger als 40 und werden auch wesentlich häufiger von Liebeskummer als von "end of lfe Gedanken" geplagt. Im Übrigen hat Sadko völlig recht, dass die künstlerische Verarbeitung eines menschlichen Problems eher zu seiner Lösung als zur Verstärkung beitragen kann.

    Ich habe mir einige angehört und finde sie nicht besonders interessant.

    Das finde ich wiederum nicht besonders interessant.

  • Der "Lindenbaum" hat bei mir zwar nicht zur Ignoranz der "Winterreise" geführt, aber gemocht habe ich genau dieses Lied schon ganz am Anfang meiner Bekanntschaft mit Schuberts genialem Zyklus (sprich zu meiner Schülerzeit so mit dreizehn, vierzehn Jahren) überhaupt nicht. Und auch heute noch wirkt es auf mich ziemlich....ähhh..... :schaem1: :versteck1: .

    Was soll ...ähhh... bedeuten ??? Schnulzig, banal... ??? Dann siehst und hörst Du nicht die versteckte Ebene der Todessehnsucht. Lies mal den Zauberberg von Thomas Mann. Da wird am Ende viel über das Lied geschrieben...

    Jedenfalls finde ich so einen Kommentar recht substanzlos...

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    Was ist heute Kunst ? Eine Wallfahrt auf Erbsen. (Thomas Mann, Doktor Faustus, Kap. XXV)

  • Jedenfalls finde ich so einen Kommentar recht substanzlos...

    Da möchte ich GANZ klar widersprechen. Erstens nervt es ganz gewaltig, dass es gewisse "heilige Kühe" gibt, also dass jemand, der was gegen die Winterreise sagt, als ahnungslos hingestellt wird (es scheint wirklich gewisse Diskurse zu geben, denen man nicht widersprechen darf, wenn man "dazugehören" will), zweitens nervt das "Wenn es Dir nicht gefällt, hast Du es nicht verstanden"-Argument, weil es falsch ist, denn genauso kann man argumentieren "Eben WEIL ich es verstanden habe, gefällt es mir nicht", und drittens Thomas Mann irgendwo als Referenz anzuführen... naja.

    Wegen der im Mai 2023 in Kraft getretenen Forenregeln beteilige ich mich in diesem Forum nicht mehr (sondern schreibe unter demselben Pseudonym in einem anderen Forum), bin aber hier per PN weiterhin erreichbar.

  • Zur Frage, ob der "Lindenbaum" ein harmloses Volkslied ist:

    Und seine Zweige rauschten,
    Als riefen sie mir zu:
    Komm her zu mir, Geselle,
    Hier findst du deine Ruh’!

    Es war, wenn ich mich recht erinnere, Hans J. Fröhlich, der in seinem Schubertbuch die Zeilen als Selbstmordgedanken deutete. Ganz abwegig ist dies gewiss nicht.

  • Ansonsten bin ich hier schon wieder weg.

    Lieber Bernd! Ich respektiere das, möchte aber eindeutig klarstellen, dass ein Meinungsaustausch von unterschiedlichen Meinungen und Zugängen lebt. Daher sind mir alle Argumente/Meinungen willkommen, und Deine Beiträge sind immer sehr gut. Ich würde es begrüßen, weiterhin von Dir in verschiedenen Threads zu lesen. Es wäre ja fad, wenn das hier ein Schuberts-Winterreise-ist-ganz-toll-und-wer-das-nicht-kapiert-soll-Zauberberg-lesen-andernfalls-schreibt-er-substanzlos-Thread entwickelt. Dafür brauchen wir kein Online-Forum.

    Ganz abwegig ist dies gewiss nicht.

    Natürlich ist das nicht abwegig -- im Kontext der Winterreise sehe ich das auch klar als Selbstmordgedanken. Aber wenn man die Silcher-Version für sich allein betrachtet, kommt man da halt nicht so wirklich drauf...

    Wegen der im Mai 2023 in Kraft getretenen Forenregeln beteilige ich mich in diesem Forum nicht mehr (sondern schreibe unter demselben Pseudonym in einem anderen Forum), bin aber hier per PN weiterhin erreichbar.

  • Zur Frage, ob der "Lindenbaum" ein harmloses Volkslied ist:

    Und seine Zweige rauschten,
    Als riefen sie mir zu:
    Komm her zu mir, Geselle,
    Hier findst du deine Ruh’!

    Es war, wenn ich mich recht erinnere, Hans J. Fröhlich, der in seinem Schubertbuch die Zeilen als Selbstmordgedanken deutete. Ganz abwegig ist dies gewiss nicht.

    Ja klar, seh ich auch so. Auch die nächsten beiden Verse kann man so deuten:

    Die kalten Winde bliesen
    mir grad ins Angesicht;
    der Hut flog mir vom Kopfe,
    ich wendete mich nicht.

    Nun bin ich manche Stunde
    entfernt von jenem Ort,
    und immer hör’ ich’s rauschen:
    Du fändest Ruhe dort!

  • Den vom Kopfe geflogenen Hut hätte ich nicht so gedeutet, die "Ruhe" aber sehr wohl.

    Wegen der im Mai 2023 in Kraft getretenen Forenregeln beteilige ich mich in diesem Forum nicht mehr (sondern schreibe unter demselben Pseudonym in einem anderen Forum), bin aber hier per PN weiterhin erreichbar.

  • Da möchte ich GANZ klar widersprechen. Erstens nervt es ganz gewaltig, dass es gewisse "heilige Kühe" gibt, also dass jemand, der was gegen die Winterreise sagt, als ahnungslos hingestellt wird (es scheint wirklich gewisse Diskurse zu geben, denen man nicht widersprechen darf, wenn man "dazugehören" will), zweitens nervt das "Wenn es Dir nicht gefällt, hast Du es nicht verstanden"-Argument, weil es falsch ist, denn genauso kann man argumentieren "Eben WEIL ich es verstanden habe, gefällt es mir nicht", und drittens Thomas Mann irgendwo als Referenz anzuführen... naja.

    Es würde dem Diskurs vielleicht gut tun, wenn derjenige, der "was gegen die Winterreise sagt", auch eine klitzekleine Begründung dazu schreiben würde, statt nur seine persönliche Abneigung in Babysprache zu artikulieren. Nur dann könnte man auch beurteilen, ob er von der Sache etwas verstanden hat. Die Aussage "Ich finde den LIndenbaum bääh" mag auf tiefer Durchdringung der Sache beruhen, lässt aber andere leider in keiner Weise daran teilhaben.

  • Hallo Christian! Dass eine stichhaltigere Begründung die Abneigung nachvollziehbarer machen würde, stimmt natürlich, aber ich finde es nicht verwerflich kundzutun, dass man gegen ein konkretes Musikstück Abneigung empfindet. Besser keine Begründung als eine schlechte. Hingegen halte ich es für falsch, Kritik an einem Werk pauschal mit Unverständnis des Werks gleichzusetzen.

    Wegen der im Mai 2023 in Kraft getretenen Forenregeln beteilige ich mich in diesem Forum nicht mehr (sondern schreibe unter demselben Pseudonym in einem anderen Forum), bin aber hier per PN weiterhin erreichbar.

  • Hingegen halte ich es für falsch, Kritik an einem Werk pauschal mit Unverständnis des Werks gleichzusetzen.


    Das kommt auf den künstlerischen Rang des Werkes an.

    LG :wink:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Ich finde nicht, dass man die Winterreise besser versteht, wenn man Thomas Mann gelesen hat. Und der Rang eines Kunstwerks ist schwer zu bestimmen. Insofern bin ich nicht Deiner Meinung.

    Wegen der im Mai 2023 in Kraft getretenen Forenregeln beteilige ich mich in diesem Forum nicht mehr (sondern schreibe unter demselben Pseudonym in einem anderen Forum), bin aber hier per PN weiterhin erreichbar.

  • Hallo Christian! Dass eine stichhaltigere Begründung die Abneigung nachvollziehbarer machen würde, stimmt natürlich, aber ich finde es nicht verwerflich kundzutun, dass man gegen ein konkretes Musikstück Abneigung empfindet. Besser keine Begründung als eine schlechte. Hingegen halte ich es für falsch, Kritik an einem Werk pauschal mit Unverständnis des Werks gleichzusetzen.

    Ich würde mal sagen, der Ton macht die Musik. Und ...ähhh ist in meine Augen keine Kritik am Werk, sondern wie Christian schreibt, Babysprache, die in diesem Forum nicht sehr erhellend wirkt.

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    Was ist heute Kunst ? Eine Wallfahrt auf Erbsen. (Thomas Mann, Doktor Faustus, Kap. XXV)

  • Ich finde nicht, dass man die Winterreise besser versteht, wenn man Thomas Mann gelesen hat. Und der Rang eines Kunstwerks ist schwer zu bestimmen. Insofern bin ich nicht Deiner Meinung.


    Ich habe nichts von Thomas Mann geschrieben. Ob der Rang eines Kunstwerks schwer zu bestimmen ist, hängt ebenfalls vom Kunstwerk ab. Bei der Matthäus-Passion, dem Don Giovanni oder der Winterreise ist das nicht allzu schwer.

    LG :wink:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Und ...ähhh ist in meine Augen keine Kritik am Werk, sondern wie Christian schreibt, Babysprache, die in diesem Forum nicht sehr erhellend wirkt.

    Nein, das sehe ich nicht als Babysprache. Und vielleicht wäre es besser, sich mehr über Inhalte zu unterhalten als über Stilistik.

    Wegen der im Mai 2023 in Kraft getretenen Forenregeln beteilige ich mich in diesem Forum nicht mehr (sondern schreibe unter demselben Pseudonym in einem anderen Forum), bin aber hier per PN weiterhin erreichbar.

  • Nein, das sehe ich nicht als Babysprache. Und vielleicht wäre es besser, sich mehr über Inhalte zu unterhalten als über Stilistik.

    wo sind die Inhalte ????

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    Was ist heute Kunst ? Eine Wallfahrt auf Erbsen. (Thomas Mann, Doktor Faustus, Kap. XXV)

  • wo sind die Inhalte ????

    Hier:

    Der "Lindenbaum" hat bei mir zwar nicht zur Ignoranz der "Winterreise" geführt, aber gemocht habe ich genau dieses Lied schon ganz am Anfang meiner Bekanntschaft mit Schuberts genialem Zyklus (sprich zu meiner Schülerzeit so mit dreizehn, vierzehn Jahren) überhaupt nicht. Und auch heute noch wirkt es auf mich ziemlich....ähhh..... :schaem1: :versteck1: .

    "Winterreise" mit einer Frauenstimme geht für mich gar nicht. Mahlers "Lieder eines fahrenden Gesellen" besetzt man ja aus gutem Grund auch nicht mit einem Sopran oder Alt.

    Für mich stellt Fischer-Dieskau nach wie vor bei Schubert das "non plus ultra" dar. Weit vor Schreier, Bostridge und Holl - obwohl die allesamt auch nicht wenig zu bieten haben.


    Und wenn Du "ähhh" als Babysprache bezeichnest, liegt die Frage nahe, als was Du "????" bezeichnest.

    Wegen der im Mai 2023 in Kraft getretenen Forenregeln beteilige ich mich in diesem Forum nicht mehr (sondern schreibe unter demselben Pseudonym in einem anderen Forum), bin aber hier per PN weiterhin erreichbar.

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