Telemann: Konzerte (TWV 51-54)

  • Hallo Bernd,

    du meinst sicher die neue Einspielung. Da ich diese nicht besitze, kann ich deine Frage nicht beantworten. Wer die Oboe bei der alten Haselböck-Aufnahem spielt, weiß ich allerdings auch nicht, da es bei der oben gezeigten Brilliant-Box nicht angegeben ist.

    Gruß, Thomas

  • Liebe Telemaniacs,

    ein wenig OT - aber merket Euch schon mal den Februar 2011 vor. Dann ist eine große Ausstellung zu Leben und Werk des Mannes, der 46 Jahre hier gewirkt hat, im Hamburger Rathaus geplant. Ich hoffe jedenfalls, dass sie zustande kommen wird - es werden derzeit noch Sponsoren gesucht.

    Cheers,

    Lavine :wink:

    “I think God, in creating man, somewhat overestimated his ability."
    Oscar Wilde

  • Nun denn, auch wenn ein Urteil schwer fällt und ich gerade an einer miserablen Wiedergabemaschine (Computerlaufwerk) sitze. Aber zuhause komme ich wg. der Kinder zu nichts.

    Wie gesagt, ich besitze diese drei:

     

    ...und ich bin froh, alle drei zu haben, da sie sehr unterschiedlich sind.

    Die Hogwood-Aufnahme würde ich als die Rauheste bezeichnen, mit sehr prominentem Cembalo, wie Du, Thomas schon schriebst, manchmal mag ich das. Diese Lesart kommt dem Vivace sehr zustatten, das Bäuerliche kommt sehr gut und lebendig zum Ausdruck. Ansonsten scheint mir das Verhältnis der Tutti zu den Solisten zulasten Letzterer nicht ganz ausgewogen zu sein. Spieltechnische Unsauberkeiten habe ich nicht gehört, liegt aber sicher an meinen ungeschulten Hörwerkzeugen.

    Manze gefällt mir ebenfalls, auch wenn ich Thomas` Ansicht teile, daß die Soloinstrumente recht spitz aufgenommen sind. Der erste Satz stört mich allerdings ernsthaft: Zu langsam, buchstabiert, stark betonte Viertel.

    Kommen wir zu meiner Lieblingsaufnahme, auch wenn diese nicht restlos überzeugt. Vergleiche zur alten Haselböckversion kann ich natürlich nicht anstellen, möglicherweise sind die von Dir, Thomas, festgestellten Defizite (zu groß, viel Hall, karajanesk) in der neuen Einspielung abgestellt. Ich kann nur eine sehr warme, trotzdem plastische und direkte Wiedergabe konstatieren. Haselböck bleibt sich wohl insofern treu, als daß diese Aufnahme als die Ausgewogenste, wenn man so will: Edelste anzusehen ist. Das Tutti, insbesondere das Cembalo, treten gegenüber den Konkurrenten stärker in den Hintergrund, dadurch gewinnt das Stück mehr den Charakter eines Solokonzertes. Wunderbar die Dialoge der drei Soloinstrumente. Allerdings auch etwas braver als z.B. Hogwood. Vor allem der letzte Satz erscheint mir zu harmlos, zu langsam, nicht lebendig genug. Von Deiner Beschreibung her könnte dies eine möglicherweise ähnliche Auffassung wie die von Kußmaul sein (?).

    Die Solisten empfinde ich in allen Aufnahmen als gut, aber bitte.. s.o.

    I.Ü., Bernd, nochmal: die Oboe d`amore in der neuen Haselböck-Aufnahme spielt ein gewisser Gonzalo Ruiz. Laut Booklet-Angabe "einer der gefragtesten und von der Kritik am meisten gefeierten Solisten der historischer Holzblasinstrumente in Nordamerika". ...Tätig als erster Oboist in Ensembles von Jordi Savall, Andrew Manze und Nicholas McGegan...und ein anerkannter Experte für historische Techniken der Rohrblatt-Herstellung u.s.w.

    Jetzt weißt Du`s ;+)

    Bei den Sätzen wären meine Favoriten:

    1.-3. Satz: Haselböck
    4. Satz: Hogwood

    Liebe Grüße

    Andreas

  • Danke, Andreas! Jetzt weiß ichs wirklich....

    Ein gewisser Peter Wuttke, einer meiner Freunde, der auf das Musikstudium mit Hauptfach moderne Oboe noch ein Barockoboenstudium in den Niederlanden gesetzt hat, spielt öfter bei Haselböck. Ich werde ihn mal auf Gonzalo Ruiz ansprechen.

    Herzliche Grüße

    Bernd

  • Ja das Telemann-Konzert ist eins der eingängigsten Werke der Barockzeit und diese Einspielung ist auch seit einiger Zeit in meiner Fan-Liste :) . Dachte eigentlich das wäre Allgemeinwissen (also das Konzert, nicht mein sonstiges tun). :pfeif:

  • Ja das Telemann-Konzert ist eins der eingängigsten Werke der Barockzeit [...]. Dachte eigentlich das wäre Allgemeinwissen [...].


    Ich komme von der U-Musik und der klassischen Moderne. Ich lerne Musik von vor 1900 immer noch erst ganz allmählich kennen... :)

  • Ja das Telemann-Konzert ist eins der eingängigsten Werke der Barockzeit und diese Einspielung ist auch seit einiger Zeit in meiner Fan-Liste :) . Dachte eigentlich das wäre Allgemeinwissen (also das Konzert, nicht mein sonstiges tun). :pfeif:

    Ich denke nicht, dass es auch nur ein einziges Konzert von Telemann geschafft hat, den Status des allgemein Gekannten zu erreichen. Was natürlich nicht heißt, dass das gerechtfertigt wäre.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Ja das ist ein Problem, gegen Bach und Händel "anzustinken". Aber vielleicht gelingt es diesem besonderen Werk. Ich schließe doch immer wieder von mir auf andere und überfordere sie.

  • Besagtes Doppelkonzert, eins der Oboenkonzerte und ein Bratschen-Konzert dürften wohl die bekanntesten sein.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Ich sähe v.a. gerne die Chalumeaukonzerte in größerer Bekanntheit. Das sind Spitzenwerke. Ansonsten finde ich, dass Telemann nicht zu Unrecht für seine Suiten und Kammermusik berühmter ist.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Hallo zusammen,

    seit einiger Zeit befindet sich die Gesamtaufnahme Schneiders der Konzerte für gemischte Instrumente in meinem Besitz. Ich bin seit einigen Tagen ebenfalls von diesem großartigen Konzert für Traversflöte, Oboe d'amore und Viola d'amore TWV 53:E1 begeistert, das hier weiter oben im Faden ausführlich besprochen wird. Auf dieser Aufnahme gespielt von Karl Kaiser, Martin Stadler und Swantje Hoffmann.

    Was für eine wunderbar positive gestimmte, sinnlich ausgesprochen reiche Musik hat Telemann da geschrieben. Die Überlegungen im Beiheft gehen dahin, dass Telemann das Konzert in den frühen 1730'er Jahren in Hamburg für einen konkreten Anlass und mit Hinblick auf spezielle Solisten verfasst hat. Schön finde ich die Assoziation mit einem, selbstverständlich idealisierten, Tag im Landleben statt: von Sonnenaufgang über das lustige Zusammensein der Landleute, über eine nachmittägliche Liebesklage zum abendlichen Tanzvergnügen.

    Was für prachtvolle, exquisite Musik! Sicher nicht das Übermaß an Konstruiertheit, aber ein wunderbarer Beleg, dass Telemann eine großartige (im besten Sinne) Unterhaltung schreiben konnte.

    Hach!

    Gruß Benno

    Überzeugung ist der Glaube, in irgend einem Puncte der Erkenntniss im Besitze der unbedingten Wahrheit zu sein. Dieser Glaube setzt also voraus, dass es unbedingte Wahrheiten gebe; ebenfalls, dass jene vollkommenen Methoden gefunden seien, um zu ihnen zu gelangen; endlich, dass jeder, der Überzeugungen habe, sich dieser vollkommenen Methoden bediene. Alle drei Aufstellungen beweisen sofort, dass der Mensch der Überzeugungen nicht der Mensch des wissenschaftlichen Denkens ist (Nietzsche)

  • Konzert für Blockflöte und Fagott F-Dur, TWV 52:F1

    Anderenorts berichtete ich von einer Lektüre von Harnoncourts Klangrede-Buch, in dem er im Zusammenhang über Telemanns besondere Instrumentationskunst und konkrete Klangvorstellungen bemerkte, viele seiner Werke seien hinsichtlich der Instrumentation in keiner anderen als der vom Komponisten geforderten Besetzung denkbar. Das illustrierte Harnoncourt eben an diesem Konzert, in dem der als Soloinstrument tausendfach erprobten Blockflöte als Soloinstrument und damit Dialogpartner das bis dahin mit ganz wenigen Ausnahmen nur als reines Orchester-Bassinstrument verwendet worden sei. Grund genug, das Konzert hier vorzustellen, meine ich, zumal es eine Vielzahl von Aufnahmen gibt und so mancher Capriccioso es in seinem Besitz haben könnte.

    Ein Blick in meine Bücher zeigt: Keine Erwähung bei Konold, nur die Bemerkung, Blockflöte und Fagott konzertierten in dem reifen, mit souveräner Hand durchgebildeten F-Dur Konzert in Allihns Barockmusikführer, aber einige interessante Absätze im Konzertbuch Orchestermusik 1650-1800, hrsg. von Korff, dort S. 725 f.). Dazu noch wenige interessante Absätze im Booklet von Schneider, Wind Concertos Nr. 7. Das zusammengerührt und mit eigenen Eindrücken ergänzt ergibt:

    Telemann hat 21 Doppelkonzerte geschrieben, darunter fünfzehn für zwei gleiche Soloinstrumente, den Rest für verschiedene, darunter eines für Blockflöte und Fagott. Genau genommen ist keine Blockflöte vorgesehen, sondern eine Flöte a bec, siehe dazu: „https://musikwissenschaften.de/lexikon/f/flute-a-bec/

    Das Konzert besteht aus vier Sätzen: 1. Largo, 2. (Allegro), 3. (Grave), 4. Allegro.

    Bei Korff heiß es zusammenfassend, Telemann Vorliebe für aparte Besetzungen und farbige Klangstrukturen ofenbare sich in diesem Doppelkonzert, das sich durch charakteristische Behandlung der beiden Blasinstrumente und abwechslungsreiche Satzgestaltung auszeichne. Im cpo-Booklet íst die Rede von vier groß dimensionierten Satzverläufen mit Ebenmaß und formaler Balance mit fast schon klassischen Zügen.

    1. Satz: Largo

    Formal ist der Satz als Modulationsronde gegliedert in vier Tuttiritornelle und drei Soloepisoden. In diesem Rahmen entfaltet Telemann ein ruhig-schönes melodiösen Neben- und Miteinander der klar geschiedenen und sorgfältig austarierten Flötenfarben.

    2. Satz: (Allegro)

    Der zweite Satz in zweiteiliger Repirsenform ist schnell und virtuos . Flöte und Fagott haben erhebliche konzertierende Anteile mit eigenen Themen und sollen in den Wiederholungen eigenständig verzieren, was Telemann willkürlich verändern nennt.

    3. Satz: (Grave)

    Der dritte Satz steht im langsamen 3/2-Takt, beginnt schwermütig und enhält davon eingerahmt eine wunderschöne Melodie, von der es im cpo-Booklet heißt, dieses opernhafte Abschiedsduett sei eine der anrührendsten Kantilenen des Telemannschen Konzertschaffens. „Expressiver Zwiegesang im herausragenden Mittelteil“, heißt es bei Korff.

    4. Satz: Allegro

    Eine schneller Finalsatz, erneut in Gestalt eines Tuttiritornells mit drei Episonden, bildet den Abschluss dieses Konzert.

    Abschließend heißt es bei cpo, die außergewöhnliche Solobesetzung habe Telemann zu einer herausragenden Konzertkomposition inspiriert. Bei Korff wird hervorgehoben, dass die Solisten in den langsamen Sätzen anfangs mit kanonischen Einsätzen dialogisieren und sich sodann zum Deutte mit klangfreudigen Terzen- und Sextenpassagen vereinigen, wohingegen sie in den schnellen Sätzen virtuose Entfaltungsmöglichkeiten enthalten.

    Aufnahmen:

    Meine älteste ist mit Michala Petri und Klaus Thunemann unter Iona Brown mit der Academy of St Martin in the Fields aus 1982. Den historischen Gegebenheiten gemäß wird Barockmusik in dieser Aufnahme so gespielt, wie die Academy damals Barockmusik eben gespielt hat. Dennoch: Was insbesondere Petri spielt, ist warm und anrührend, und Thunemann ist ein vollwertiger Partner. Ich höre den Beiden äußerst gern zu und nehme den in meinen Ohren unangemessen Orchesterklang dafür gern in Kauf.

    Aus 2004 stammt die Aufnahme von Musica Alta Ripa in einer Konzerte-Box aus 2004, die insgesamt gesehen sehr gelungen ist. Ist nur blöd, wenn man diese Blockflöte direkt hinter Petris hört, dann klingt sie angestrengt und etwas scharf – was ich nicht hören würde, wenn ich nicht vorher … Das dem heutigen Barockmusikverständnis entsprechende Orchesterspiel nimmt für sich ein, ist transparent und klar gegliedert. Die Solisten kommen aber im Vergleich zu Petri/Thunemann nicht recht in den Dialog. Immer noch eine gute Aufnahme, aber kein Spitzenplatz.

    Schneider mit La Stagione Frankfurt hat das Konzert 2010 aufgenommen. Im ersten Satz schlafe ich leider fast ein, so bedächtig ist das Tempo. Leider, in meinen Ohren, gilt das auch für das Grave und so bleibt trotz des bekannten Niveaus der Kombo und der großen Telemann-Erfahrung eine Enttäuschung.

    Oberlinger und das Ensemble 1700 haben das Werk 2014 eingespielt und ich erschrecke, als die ersten Töne erklingen, so laut und prachtvoll strahlend setzt das Orchester ein. Nach dem ersten Schreck gewöhne ich mich und denke, warum nicht? Sehr französich in seiner gemessenen Pracht klingt das und es passt. Oberlingers Blockfötenspiel ist sehr gut, obgleich im Vergleich zu Petri etwas heiser, und ich höre ihr und ihrem Solistenpartner Makiko Kubarayashi durchweg sehr gern zu, frage mich am Ende aber doch, ob das Orchester nicht doch ein wenig zu sehr strahlt. Zu viel des Guten tun die Musiker am Grave-Beginn. Der schwermütige Rahmen ist hier eher ein Hexentreffen, weil die Intervall-Reibungen nach meinem Dafürhalten allzusehr betont weden.

    Mein Fazit: Der erste Platz im heutigen Hördurchgang geht, man höre und staune, ich hätte es selbst nicht gedacht, an die Petri-Aufnahme:

    Nebenbei bemerkt: Nach dem Forenupdate sind die Überschriften weg und damit die Namen der oben besprochenen Werke.

  • Grund genug, das Konzert hier vorzustellen, meine ich, zumal es eine Vielzahl von Aufnahmen gibt und so mancher Capriccioso es in seinem Besitz haben könnte.

    Das grenzt an Hexerei!

    Gestern habe ich zum Oboespielen in meinem Notenordner herumgekramt, was ich mir denn mall wieder vornehmen könnte, und bin bei Telemann gelandet. Das hat mich dann dazu gebracht, mal wieder etwas über Telemann nachzulesen und als in währenddessen das Forum aufgemacht habe, hattest du den alten Thread zum "Telemann-Projekt" wieder hervorgeholt. Was ein Zufall!
    Die Diskussion dort finde ich unheimlich interessant, also habe ich ein bisschen mehr mitgelesen, mitgedacht und heute zur Schreibtischarbeit Musik von Telemann angemacht, was eben so auf der Festplatte herumliegt. Da sehe ich im Forum einen neuen Beitrag zu den Konzerten. TWV 52:F1 - Moment mal, ist das unter all den hunderten KOnzerten von Telemann nicht das, was hier gerade läuft? Tatsächlich! So langsam glaube ich nicht mehr an Zufall! :D

    Ich liebe Wagners Musik mehr als irgendeine andre. Sie ist so laut, daß man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne daß andre Menschen hören, was man sagt. - Oscar Wilde

  • Die folgenden drei Violinkonzerte von Georg Philipp Telemann (1681 – 1767) dokumentieren nicht nur je deren eigene Originalität, sondern auch die fantasievolle Vielfalt von formalen Möglichkeiten Telemannscher Violinkonzerte. Es sind über 20 ziemlich unterschiedliche Violinkonzerte von ihm erhalten, zudem noch Ouvertüren-Konzerte mit bedeutenden Violinsoli, die sich an der Suitenform anstelle der Concerto-Dreisätzigkeit orientieren. Auch musikalisch mischen sich bei Telemann deutscher, italienischer und französischer Stil. Dass Telemann mit dem italienischen Stil nicht warm wurde, bezeugt ein Zitat aus seiner Autobiografie, wo er schreibt: «dass ich in denen meisten Concerten / so mir zu Gesicht komen / zwar viele Schwürigkeiten und krumme Sprünge / aber wenig Harmonie und noch schlechtere Melodie antraff / wovon ich die ersten hassete / weil sie meiner Hand und Bogen unbequehm waren / und / wegen Ermangelung derer letztern Eigenschafften / als wozu mein Ohr durch die Frantzösische Musiquen gewöhnet war / sie nicht lieben konnte noch imitieren mochte.»

    Hier meine Auswahl der entsprechend besonderen Violinkonzerte Telemanns:

    Violinkonzert G-Dur TWV 51:G8

    Noch ganz im italienischen Stil von Albinoni und Vivaldi gestrickt, überrascht dieses kaum 7 Minuten dauernde Konzert durch seine vitalen Ecksätze und durch einen zarten und berührenden Pianissimo-Mittelsatz. Ob es für Telemann selbst, der Geiger war und noch viele andere Instrumente beherrschte, geschrieben wurde oder für den Eisenacher Geiger Pantaleon Hebenstreit, lässt sich nicht erweisen. Im dritten Satz sollen den Themen polnische Tanzsätze zugrunde liegen, Telemann hat am Hofe von Sorau, einer seiner ersten Anstellungen am dortigen Hof, polnische Musik kennen und schätzen gelernt.


    Satz 1 Allegro

    Ein sich auf- und abwärts bewegendes G-Dur Ritornell-Thema beginnt im vollen Streichertutti (inklusive Solovioline, die mitspielt), zudem mit zwei Oboen verstärkt. Unspektakulär beginnt die Geige mit dem gleichen Thema, spinnt es aber – unterbrochen von Orchesterzwischenrufen – weiter bis zu einem von Synkopen geprägten Übergang, der zum kurz aufscheinenden Ritornell-Thema in A-Dur führt. Die Geige verziert mit Sechszehntel Figurationen, bis das die gesamte Wiederholung des Tutti-Ritornells, diesmal aber in D-Dur, wiederkommt. Der nächste Violin-Soloeinsatz bringt ein neues rhythmisch antreibendes Motiv, das sich in wilde Sechszehntel auflöst. Das nächste Tutti bringt wieder das Ritornell-Thema in A-Dur, mit entsprechenden virtuosen Figurationen, von Synkopen der Oboen begleitet. Dann ist G-Dur wieder erreicht, Orchester und Violine mit neuen noch wirkungsvolleren Doppelgriff-Verzierungen lösen sich ab, dann beschliesst das Orchesterritornell den Satz.


    Satz 2 Andante

    Leise stellt das ganze Orchester ein schlichtes melodiöses Thema in drei sich antwortenden Teilen vor. Dann setzt die Geige eine Quint höher mit dem gleichen Thema ein, entwickelt es aber durch berührend schöne Seufzerfiguren und harmonisch gleichsam schwebende Kantilenen weiter. Zwischendurch mischt sich kurz eine Oboe mit ein (bzw. Flöte je nach Interpretation) überleitend zum zweiten Soloteil, der der Geige gute Gelegenheit gibt, sich auszusingen.


    Satz 3 Allegro

    Mit emphatischer Verve stürzt sich das volle Orchester in einen polnischen Tanz, der am Schluss in leere G-Saiten runterstürzt. Die Geige folgt mit energischem Schwung und vorantreibenden schnellsten Sechszehntelläufen. Von G-Dur geht’s dann nach D-Dur, immer im gleichen vorantreibenden wilden Tempo, bis ein Schatten auf das Ganze fällt, doch dann folgt ritornellkonform wieder der G-Dur-Tanz, dann ein letztes Violinsolo und ein Schluss, der auch die leeren G-Saiten wieder bringt und fast etwas zu schnell kommt. Das wäre eine Gelegenheit, das kurze Konzert gleich nochmals zu hören.


    Violinkonzert B-Dur TWV 51:B1

    Telemann interessierte sich vor allem für die Melodie und ihren Platz in einer Komposition und missbilligte die übertriebene Virtuosität des italienischen Konzertstils. Er bevorzugte den französischen Stil mit seinem gedämpften und eleganten melodischen Aufbau. So finden wir eine Reihe seiner Konzerte in viersätziger Form (langsam-schnell-langsam-schnell), im Gegensatz zum italienischen dreisätzigen Stil (schnell-langsam-schnell). So auch in diesem Konzert, das Telemann bei einem Besuch in Dresden 1719 für den Geiger Johann Georg Pisendel komponierte, in dem er italienische Verve mit französischer Melodik mischt und so den deutschen galanten Stil (auch «gemischter Geschmack» genannt) voranbringt und das Zeitalter der Empfindsamkeit vorausnimmt.


    Satz 1 Largo

    Das Konzert beginnt sehr melodiös mit einem langsamen Satz im Tutti des ganzen Orchesters, wobei sich schnell einzelne kurze Motive der Melodie hervortun, die von der Sologeige auch gleich übernommen werden. Ein genüssliches Musizieren entfaltet sich aus den vielen Facetten der Anfangsmelodie, abwechselnd zwischen Geige und dem Orchestertutti. Die Solovioline beginnt dann bei ihrem nächsten Einsatz mit einem besonders galant-tänzerischen Vorschlagsmotiv, das wiederum übergeht in freie Erinnerungen der Anfangsmelodie in Orchester und Geigensolo. Eine Oktav tiefer erscheint wieder das Vorschlagsmotiv, das jetzt etwas dunkler daherkommt und dann leicht stockend zum Schluss des Satzes führt.


    Satz 2 Vivace

    Nach diesem eher französisch geprägten melodiösen Eröffnungssatz ergreift ein energisches, zweimal wiederholtes Motiv mit italienischem Temperament die Führung. Sofort wird es in italienischen Geigenfigurationen weitergeführt und prägt das Ritornellthema bis zu dessen Schluss. Mit einer eigenen Phrase steigt die Geige ein und steigt aufwärts, wiederholt diese Phrase und lässt sie weitgespannt ausklingen. Dann kommt gleich wieder das energische Anfangsmotiv, jetzt in der Dominante F-Dur, gefolgt von Varianten der Geigenfigurationen des Anfangsthemas. Mit fantasievollen Läufen und abwechslungsreichen, schnellen Figuren führt die Geige dann zum erneuten Ritornellthema, dieses Mal in G-Dur und überlässt dann der Sologeige die Überleitung zur B-Dur-Reprise. Orchester und Sologeige steigern sich in einen brillanten Vivace-Schluss.


    Satz 3 (sempre piano)

    Pianissimo wird ein fein gewobener Klangteppich ausgelegt, in dem Geigen und Bratschen Duolen gegen Triolen spielen. Darauf singt die Geige eine hinreissend schöne Arie und macht diesen Satz unvergesslich. Auch wenn der Satz nur gut 2 Minuten dauert, man könnte der wunderschönen Melodieführung der Sologeige noch sehr lange zuhören…


    Satz 4 Allegro

    Ein sogleich mitreissendes Allegro-Ritornell mit imitatorischen Melodie-Elementen eröffnet diesen bewegten Satz. Besonders originell das Nachhinken der Bratschen. Der Soloteil lässt die Geige gleich brillieren und führt in grossem Bogen zur C-Dur-Wiederholung des Ritornells. Das zweite Solo der Geige, immer wieder unterbrochen vom Einwurf der mitgestaltenden Tutti-Streicher, steigert die Brillanz der Geigenfiguren, kulminiert in einer virtuosen d-moll Passage und bereitet so die Reprise in B-Dur vor. Das Ritornell tritt nochmals in den fantasievollsten Imitationen seiner Selbstreferenz auf und die Geige fügt gekonnt ihre virtuosen Zwischenrufe mit ein, sodass die Steigerung des Ausdrucks fast notwendigerweise zum Schluss führen muss.


    Ouvertüren-Konzert für Violine, Streicher und Basso Continuo TWV 55:D14

    Telemann habe an die 600 Ouvertüren, wie er die Orchestersuiten auch nannte, komponiert. Davon erhalten seien 137. Offensichtlich eine Lieblingsgattung, die er der italienischen Konzertform vorzog und die ihm Gelegenheit gab, eine Vielzahl von musikalischen Stilen, Tänzen und Melodien zu erproben. In einigen Ouvertüren lässt er aber trotzdem Solisten auftreten, so im D-Dur Ouvertürenkonzert, oder wie der Telemannforscher Steven Zohn sie nennt: Concert en ouverture. Der Geigenpart ist immerhin so anspruchsvoll, dass auch Pisendel diese Solopartie selbst gespielt hat. Von Pisendel stammt auch eine Abschrift dieses Ouvertürekonzerts in D-Dur, deren Autograf, wie oft bei Telemann, verloren ist.

    Satz 1 Ouverture

    Mit einem tiefen G samt Vorschlag im Bass und der Antwort der übrigen Streicher erheischt diese Ouvertüre der Ouvertüre sofort unsere Aufmerksamkeit. Ganz der französischen Suite eines Lully oder Couperin folgend, eröffnet Telemann sein «Concert en ouverture» in langsam voranschreitenden, punktierten Vierteln.

    Im Mittelteil starten dann die ersten Geigen polyphon eine Art schnelle Fuge, die zweiten Geigen und der Bass folgen und bilden eine Art Ritornell-Tutti. Erst jetzt tritt die Sologeige auf und zeigt sich brillant in eilenden Sechstzehntelläufen und fantasievollen Figurationen. Fünf leicht veränderte Ritornell-Tutti und vier Soli-Abschnitte wechseln sich ab wie in einem italienischen Solokonzert.

    Die Wiederholung des langsamen Eröffnungsteils variiert subtil den Anfang, denn jetzt hinkt der Bass dem Streicherchor hinterher. Langsam und feierlich, aber dennoch nicht schwerfällig schreitet die Ouverture dem Schluss entgegen.


    Satz 2 Badinage – Vivement

    Die nun folgende Abfolge von Tanzsätzen eröffnet eine Badinage. Badinage heisst Spass, Schäckerei und ist durch einen schnellen Zweierrhythmus charakterisiert. Locker tändelnd und etwas von «oben herab» bringt das Streicher-Ensemble eine scherzohafte Tanzmelodie. Erst im Mittelteil des Satzes setzt die Sologeige ein und spielt sich mit langen Triolenketten in den Vordergrund. Erst als alle genug haben, was Triolen betrifft, wird der tändelnde erste Badinage-Teil wiederholt.


    Satz 3 Rondeau

    Es folgt ein schneller Rundtanz, mit einem melodiösen Orchesterthema und relativ schlichten Violinsoli, die sich mit den Orchestertutti rondohaft abwechseln.


    Satz 4 Menuet I & II

    Das Menuet I verwirrt durch seinen speziellen Tanzrhythmus. Der starke Taktteil wird durch den Akzent einer langen Note auf den zwei schwächeren Taktteilen abgeschwächt, als sollten die Tanzenden gestört oder im Gegenteil zu voller Konzentration aufgerufen werden.

    Im Menuet II stellt sich die Sologeige mit grossen Sprüngen auf und runter an die Spitze der Tanzenden. Die Bässe treten zurück und hören schweigend zu, was der Solist oder die Solistin alles anzubieten hat.


    Satz 5 Sarabande

    Im typischen Sarabande-Rhythmus schreitet das Streichorchester voran. Besonders spannend sind die harmonischen Varianten, die der Streicherchor auf seinem feierlichen Tanz abschreitet. Da ist genaues Hinhören ein Gewinn.


    Satz 6 Caprice

    In Kontrast zum vorigen gemächlich harmonischen Streichersatz bricht jetzt eine wilde Caprice «alla breve» ein. Kapriziös sind nicht nur die besonders auffallenden Orchester-Triller sondern auch die Spielvarianten der Solovioline. Über einen Streicherteppich im letzten Solo erfindet die Sologeige ihr eigenes «kapriziöses» Thema. Dann aber – kaum sind zwei Minuten vergangen – ist Schluss mit diesen Kapriolen.


    Satz 7 Gigue

    Eine tänzerisch schwungvolle Gigue bildet, wie oft bei Suiten, den Abschluss dieses Ouvertüren-Konzerts. Nachdem das Streichertutti das Gigue-Thema vorgestellt hat, bekommt die Sologeige nochmals Gelegenheit, ihre eigenen Motive und ihre Spielfreude einzubringen. Dann ist genug getanzt, auch wenn Telemanns Ouvertüren damals eher nicht zum Tanz aufspielten, sondern in eigenen Konzertanlässen bei Hof oder in Städten wie Leipzig, Frankfurt oder Hamburg – den Wirkungsorten Telemanns - dargeboten wurden.


    Hörbeispiele zu den einzelnen Sätzen dieser Violinkonzerte von Telemann finden sich auf meiner Homepage:
    https://unbekannte-violinkonzerte.jimdofree.com/barock/teleman…nzugef%C3%BCgt/

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