Telemann: Konzerte (TWV 51-54)

  • Telemann: Konzerte (TWV 51-54)

    Liebe Freunde Telemanns, liebe Freunde der Barockmusik!

    Dieser Thread ist Teil des Telemann-Projekts Capriccio, das aus mehreren Threads besteht:

    - dem Organisationsthread, in dem Näheres über das Projekt zu erfahren ist, in dem insbesondere die Reihenfolge der Werkvorstellungen/-besprechungen abgestimmt wird und in dem diesbezügliche Wünsche geäußert werden können: Telemann-Projekt Capriccio

    - dem Inhaltsverzeichnis, das threadübergreifend die besprochenen Werke nach TWV und nach Benennung auflistet: (link wird später nachgetragen)

    - den Werkbesprechungsthreads zu den jeweiligen TWV-Gruppen

    Im hiesigen Werkbesprechungs-Thread werden ausschließlich Werke aus den im Thread-Titel ersichtlichen Werkgruppen vorgestellt und besprochen.

    Es wird gebeten, Beiträge nur zu dem jeweils gerade besprochenen Werk einzustellen. Sollte der Wunsch bestehen, ein anderes Werk Telemanns vorzustellen oder vorgestellt zu bekommen, wird gebeten, diesen Wunsch in dem oben genannten Thread zu äußern. Über dort geäußerte Anregungen jeglicher Art freuen wir uns. Sollte ein Werk bereits besprochen worden, also nicht mehr an der Reihe sein, aber gleichwohl der Wunsch bestehen, zu dem Werk noch etwas zu schreiben – z. B. weil eine neue Aufnahme herausgekommen ist -, besteht dazu jederzeit die Gelegenheit, wobei jedoch nach Möglichkeit nicht gerade stattfindende Diskussionen gestört werden sollten.

    Viele Grüße
    Thomas

  • Einige Gedanken zu den Instrumentalkonzerten Telemanns vorab:

    Schwerer noch als andere Werke Telemanns hatten es Telemanns Konzerte, sich gegen die Herabsetzung durch die Vertreter des J.S. Bach-Singularität-Dogmas durchzusetzen. Nicht zuletzt lag das an dem guten Argument, das Telemann selbst ihnen in den Köcher gelegt hat, als er in der Autobiographie von 1718 schrieb (zitiert nach: http://www.telemann.org/pages/3_3_2b.html):

    „Alldieweil aber die Veränderung belustiget / so machte mich auch über Concerte her. Hiervon muß bekennen / daß sie mir niehmals recht von Hertzen gegangen sind / ob ich deren schon eine ziemliche Menge gemacht habe…“

    „Seht ihr, nicht einmal Telemann selbst schätzte seine Konzerte“, fiel es bei diesem Befund leicht, zu sagen.

    Hinzu kam, dass selbst die Zeitgenossen offenbar die Quartette und Ouvertürensuiten höher schätzten als die Konzerte. So schreibt Reinhard Goebel im Booklet zur unten abgebildeten CD „Bläserkonzerte“: „Wie spätere Theoretiker waren bereits seine [Telemanns] Zeitgenossen der Meinung, dass Telemanns Stärke woanders zu suchen sei: Das Lob über seine Quatuors und Ouverturen durchzieht die Schriften von Scheibe, Mattheson, Quantz wie ein roter Faden – über die Konzerte des Meisters hingegen kein Wort!“

    Allerdings geht das oben genannte Zitat weiter (a. a. O.):

    „…/ worüber man aber schreiben möchte: Si natura negat, facit indignatio versum. Qualemcunque potest.--- (Juv. Sat. 1.). Zum wenigsten ist dieses wahr / daß sie mehrentheils nach Franckreich riechen. Ob es nun gleich wahrscheinlich / daß mir die Natur hierinne etwas versageb wollen / weil wir doch nicht alle alles können / so dürffte dennoch das eine Uhrsache mit seyn / daß ich in denen meisten Concerten / so mir zu Gesichte kamen / zwar viele Schwürigkeiten und krumme Sprünge / aber wenig Harmonie und noch schlechtere Melodie antraff / wovon ich die ersten hassete / weil sie meiner Hand und Bogen unbequem waren / und / wegen Ermangelung derer letztern Eigenschafften / als worzu mein Ohr durch die Frantzösischen Musiquen gewöhnet war / sie nicht lieben konnte / nach imitiren mochte.“

    Daran anknüpfend fällt es dem Telemann-Kenner Martin Ruhnke leicht, das zuerst genannte Zitat ins rechte Licht zu rücken (Die Musik in Geschichte und Gegenwart: Telemann (Familie). Musik in Geschichte und Gegenwart, S. 73696 (vgl. MGG Bd. 13, S. 204) (c) Bärenreiter-Verlag 1986, http://www.digitale-bibliothek.de/band60.htm)):

    „Seine Äußerung, die Konzerte seien ihm niemals recht von Herzen gegangen, darf nicht auf die ganze Gattung und auch nicht auf das konzertierende Prinzip im allgemeinen bezogen werden, sondern lediglich auf den Konzert-Typ, bei dem Melodik und Harmonik einer übertriebenen Virtuosität untergeordnet werden. Das Prinzip des Konzertierens in allen möglichen Abwandlungen hat Telemann auch in seinen Orch.-Suiten zur Anwendung gebracht.“

    Hinzu kommt, dass von den gut 100 Konzerten Telemanns nur sehr wenige datierbar sind. Legt man Hirschmanns Schätzung (in Barockmusikführer Instrumentalmusik 1550-1770, Hrsg: Ingeborg Allihn, S. 450) zugrunde, dass Telemann sich in den Jahren 1708 bis 1730 intensiv mit der Konzertgattung beschäftigt habe, ist es nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich, dass die uns erhaltenen Konzerte später als 1718 komponiert worden sind und sich das maligne Zitat daher gar nicht auf die uns bekannten Konzerte bezieht. Sicher, Telemann hat 1718 geäußert, eine ziemliche Menge Konzerte gemacht zu haben. Aber es gibt nur sechs Konzerte im Autograph, die meisten sind nur in zeitgenössischen Abschriften überliefert. Wenn die frühen, von Telemann im oben genannten Zitat gemeinten Konzerte schlecht waren, liegt es dann nicht nahe, dass gerade sie nicht abgeschrieben und mithin nicht überliefert wurden?

    Uneinigkeit besteht überdies darüber, was an Telemanns Konzerten schätzenswert ist, insbesondere ob die Konzerte formal von Interesse sind.

    Um das beurteilen zu können, muss man allerdings zumindest einen Überblick über das Konzertschaffen Telemanns besitzen. Diesen hat offenbar nicht jeder. So heißt es im Reclam-Konzertführer (15. Aufl. 1994, S. 899) schlicht und falsch: „Seine Konzerte entwarf er für alle möglichen Blas- und Streichersoli meist nach dem Formmuster der Violinkonzerte Vivaldis. Demgegenüber richtig R. Goebel (a. a. O.): „Offenbar aus innerer Caprice verschloß Telemann sich – oder besser: öffnete sich nie so recht dem „narrensicheren“ Norm-Concerto à la Vivaldi.“ Vielmehr entsprechen die meisten Konzerte Telemanns dem - vergleichsweise altmodischen - Muster der italienischen Kirchensonate (vier Sätze: langsam-schnell-langsam-schnell). Hirschmann (a. a. O., S. 452) hierzu: „Sie [diese Form] bot Gelegenheit, die Konzerte mit einem Satz zu eröffnen, der anstelle der virtuosen Präsentation des Solisten, wie sie in Allegro-Sätzen erforderlich ist, die kantable Dimension des konzertanten Satzes in den Vordergrund rückt.“

    Hirschmann weist allerdings auch darauf hin, dass die Konzerte Telemanns formal mehr zu bieten haben, als weithin angenommen: „Telemanns Ideal einer ungezwungen fließenden, melodiegesättigten Musik verbindet sich auch in den Konzerten mit einer anspruchsvollen, substanzreichen Durchbildung des mehrstimmigen Satzes: Galante Fugierungs- und Imitationsverfahren, komplexe vier- und fünfstimmige Satztechniken spielen vor allem in den schnellen Sätzen seiner Konzerte eine tragende Rolle.“

    R. Goebel drückt sich deutlich zurückhaltender aus, wenn er schreibt (a. a. O.): „Einem Großteil der Konzerte liegt die Satzfolge der italienischen Kirchensonate, die zweimalige Abfolge eines langsam-schnellen Satzpaares zugrunde. Daneben aber gehören auch mehr oder minder verkappte Tanzsätze und zweiteilige Formen zum ebenso alltäglichen wie verwirrenden Erscheinungsbild Telemannscher Konzert.“

    Im deutlichen Kontrast zu dieser Zurückhaltung steht Goebels Begeisterung über Telemanns Instrumentationskunst: „Mit ungeheurer Kühnheit hingegen (es ist heute kaum mehr nachzuvollziehen) mischte Telemann aus der bunten Palette des barocken Instrumentariums Mögliches und Erdenkliches, das immer wieder die Normen seine Zeit sprengte und selbst die Instrumentationskunst des Zeitgenossen Rameaus zuweilen übertrifft.“

    Vielleicht ist es gerade diese immer wieder neue Mischung verschiedenster Klänge (aus dieser Freude am Mischen erklärt sich Telemanns Vorliebe für Konzerte mit mehreren Soloinstrumenten), die mich an Telemanns Konzerten am meisten fasziniert (wohingegen mich als Laien die Satztechnik wenig bis gar nicht interessiert). Entgegen kommt mir aber sicher auch Telemanns Eigenschaft, hohle Virtuosität – sozusagen nichts als Schwürigkeiten und krummen Sprünge - zu vermeiden und den Instrumenten stattdessen das zu geben, was sie leyden können. Selbstverständlich sollte überdies sein, dass nicht jedes Konzert gelungen sein kann oder gar auf höchstem Niveau steht. Nicht wenige aber halte ich für unbedingt hörenswert. Welche das sind, werde ich hier beizeiten berichten.

    Viele Grüße
    Thomas

  • Konzert für zwei Chalumeaux, Streicher und Basso continuo d-moll, TWV 52:d1

    Das Instrument

    Das Chalumeau, ein Holzblasinstrument der Barockzeit, wird üblicherweise als Vorläufer der Klarinette bezeichnet. Äußerlich ähnelt es jedoch, abgesehen vom Mundstück mit dem einfachen Rohrblatt, eher der Blockflöte. Im Vergleich zu dieser klingt es tiefer, im Vergleich zur Klarinette weicher. Der Ambitus des Instruments ist mit einer Dezime gering. Telemann hat das Chalumeau mehrfach verwandt, auch von Vivaldi gibt es ein Konzert. Das Chalumeau gab – und gibt es wieder – in mehreren Größen und Stimmlagen. Für Einzelheiten zum Chalumeau siehe: „http://de.wikipedia.org/wiki/Chalumeau“. Bei Chalumeaux – also mit x hinten – handelt es sich um den Plural von Chalumeau.

    Darüber, wie der Klang einzuschätzen ist, gehen die Meinungen offenbar weit auseinander (s. bereits die Zitate bei Wikipedia). Arnd Richter schreibt beispielsweise im Konzertführer Barock, Orchestermusik von A-Z (Hrsg. Wulf Konold und Eva Reisinger, S. 659) im leider wenig inhaltsreichen Beitrag zu diesem Konzert: „Wer die Instrumente im klanglichen Zusammenhang eines „authentischen „ Barockorchesters hört, bekommt einen lebendigen und zunächst Befremden weckenden Eindruck in ein Kapitel aus der Frühgeschichte eines der wichtigsten modernen Orchesterinstrumente.“ Einer von uns hat sich anderenorts ähnlich über das hier besprochene Konzert geäußert. Die Bläserkonzerte-CD hat er vorab mit zwei Jubelmännchen bedacht, dann jedoch ergänzt: „- allerdings ist das aktuell laufende Chalumeaux-Konzert echt Hardcore! - Da sage nochmals einer, moderne Musik sei von ihrem Klangbild her schräg...“ Dieser Mensch schämt sich allerdings – bis heute! - ob dieser Aussage so sehr, dass er den Namen gewechselt hat (obwohl der alte viel besser war), um hier nicht als eben jener welcher erkannt zu werden. Man bedenke nur, dieser Vorgang wäre vor der Wahl bekannt geworden.... Im Ernst, mich erstaunen diese Einschätzungen sehr, ich höre einen sehr warmen, anheimelnden Chalumeau-Klang und gebe dem Amazon-Rezensenten Recht, der ausgesprochen klangschöne Solisten hört.


    Das Konzert

    Wenn ich jetzt das Konzert näher vorstelle, stehe ich vor einem Problem: Die Noten liegen mir nicht vor, das Konzert wird in meinen Büchern nicht näher besprochen und ich besitze nur eine Aufnahme – die allerdings ist superb: Goebel, s. u.. Was ich schreibe, entstammt daher mit ganz wenigen Ausnahmen meinem Höreindruck. Dieser lässt es aber z. B. zumeist nicht zu, die Chalumeaux auseinander zu halten, so dass der beim Livekonzert wohl besonders interessante Wechsel zwischen den beiden Solisten von mir größtenteils nicht einmal wahrgenommen wird. Zudem bin ich mir bei vielen Wiederholungen nicht hinreichend sicher, inwieweit es sich nur um Wiederholungen oder bereits um Fortschreibungen bzw. Ausschmückungen handelt. Wichtiger noch: Mir ist unbekannt, wie viel meines Eindrucks der Interpretation Goebels geschuldet ist. Mehr noch als sonst bitte ich daher um Richtigstellung, falls ich mich verrennen sollte.

    Besetzt ist das Konzert mit zwei Chalumeaux, Streichern und Basso continuo. Bei Goebel spielen zwei Chalumeaux, Violine I mit drei Violinen, Violine II mit drei Violinen, zwei Violas, Violone und Cembalo.

    Das Konzert entspricht in der Form der oben als typisch für Telemann angegebenen Kirchensonate (Sonata da chiesa), die Satzabfolge ist somit: langsam-schnell-langsam-schnell. Die Satzbezeichnungen lauten. 1. Largo, 2. Allegro, 3. Adagio. 4. (Vivace). Die Sätze dauern 4:14, 3:01, 2:25 und 1:37 Minuten. Es fällt auf, dass sie immer kürzer werden

    1. Largo

    Der Anfang könnte langweiliger kaum sein. Eins, zwei, eins, zwei, eins, zwei geht der Zweierrhythmus seinen ruhigen Gang, die schweren Taktteile schön betont und durch Cembaloklänge akzentuiert. Assoziationen eines langsamen Schreitens, eines sich wiegenden Kopfes stellen sich ein. Melodisch ereignet sich ebenfalls nicht viel. Einzelne Töne in kleinen Abständen ertönen immer schön nacheinander. Ein kleiner Triller, eine Generalpause, dann folgen die ersten Soli (bei Goebel: 0:36). In deutlich beschleunigtem Tempo umspielen die Chalumeaux einander, dabei leise lächelnd. Das Ende des Solos wird – wie später auch - durch einen Triller angekündigt. In den letzten Ton hinein ertönt das Tutti. Die Streicher treten in den Vordergrund. Der Anfang wird aufgegriffen. Es folgt wiederum ein Solo (1:34), dieses mal prägnanter vorgetragen. Melodisch ist es sehr ähnlich – wie der gesamte Satz; ein zweites Thema, eine thematische Entwicklung gibt es nicht. Das folgende Tutti (2:09) ist wiederum eine Stufe lauter und sogar etwas strahlend, aber nur kurz. Abermals folgt ein Solo (2:22), das ausgeschmückter ist als die ersten Soli es waren. Es beinhaltet überdies zwei Trugschlüsse (3:13 und 3:31) – nun ja, nicht wirklich, es gab keinen Triller. Nach dem Solo wird erneut das langsame Schreiten des Anfangs wieder aufgegriffen. Das Ende wird, na klar, mit einem Triller angekündigt, ein lang ausgehaltener Ton bringt die Musik zur Ruhe.

    Resümiere ich das bisher Geschriebene, komme ich nicht umhin, festzustellen, dass es langweilig anmutet. Das ist die Musik aber ganz und gar nicht! Denn das immer gleiche, salopp geschrieben, Gedudel der Chalumeaux hat jedenfalls für mich unentrinnbaren Ohrwurmcharakter. Ist der Satz vorbei, habe ich immer aufs Neue große Lust, ihn von vorn zu hören. Auf mich wirkt diese Musik beruhigend, ein Wiegenlied könnte es sein. Sehr behaglich wird mir, wenn ich sie höre. Schräges Klangbild, ts ts ts.

    2. Allegro

    Im zweiten Satz ertönt ein munteres Wechselspiel verschiedener Motive. Wenn man es allegorisch mag: Es wird ein Konflikt ausgetragen zwischen emotionaler Aufgeregtheit und seufzender Resignation, zwischen Mut und Verzagen. Den Chalumeaux und dem Cembalo kommt die Rolle als Vermittler zu.

    Hart intonierende Streicher – hier vor allem hege ich die Vermutung, diese Intonation könnte der Interpretation Goebels geschuldet sein – spielen zu Beginn des Satzes eine heftig bewegte Musik, als beschriebe Telemann einen Sturm. Nach 15 Sekunden flaut der Sturm ab, endet die Gefühlsaufwallung in Resignation: Decrescendo wird fünf Mal ein Seufzermotiv gespielt (zu dem man ein „Ich lass’ es“ mitsingen könnte). Einmal noch ertönt der Donner (Sturm, Aufruhr …), dann gehen Chalumeau und begleitendes Cembalo dazwischen. Die sich nach dieser Schlichtung offenbar als Sieger fühlende Resignation meldet sich bei 0:33 zu Wort. Aber nur ein einziges Mal kann sie ertönen, denn sogleich kehrt das Sturmmotiv zurück. Das Chalumeau unterbricht dieses Aufglühen des Konflikts sofort. Mit Erfolg, beim nächsten Erklingen ist der Sturm bereits deutlich abgeschwächt (0:49). Die sich wie eingangs anschließenden Seufzer sind entsprechend bereits deutlich leiser und erklingen nur drei Mal.. Der Rest des Satzes ist gewissermaßen Wiederholung Wesentliche Neues ereignet sich nicht mehr. Im Gegenteil erklingt am Ende des Satzes wieder der Beginn. Eine Entwicklung hat es mithin nicht gegeben.

    3. Adagio

    Der dritte Satz ist der schönste! Er wird solo vom Chalumeau eröffnet, das von einfachen, weit auseinander liegenden Strichen der Streicher begleitet eine relativ hoch liegende, von langen Noten geprägte, wehmütig- melancholische Melodie spielt (die mich merkwürdigerweise immer an S. Leones Film „Es war einmal in Amerika“ denken lässt). Nach 21 Sekunden übernimmt das tiefere Chalumeau, welches die Melodie wiederholt. Wie kann es jetzt weitergehen, fragt man sich. Genau diese Frage komponiert Telemannn nun aus. Die Streicher ziehen sich zu einer kurzen, nur eine knappe Sekunde währenden Klangmasse zusammen, um sodann quasi wiedergeboren in einem völlig anderen Gewand fünf Mal hintereinander dieselben acht Noten zu spielen, so dass sich der Eindruck von etwas Motorischem, gleichwohl auf der Stelle Tretendem einstellt. Übermalt wird diese Motorik vom Chalumeau, das gegenteilige lange Noten spielt, ganz als höre es irritiert zu und überlege, was nun zu tun sei. Aus diesen langen Noten wird sodann, anfangs noch vorsichtig tastend, vielleicht sogar taumelnd, jedenfalls anfangs noch immer orientierungslos, eine Melodie geboren – die Motorik der Streicher ist verschwunden, nur ein Zupfen geben sie noch von sich. Ein Wechselspiel zwischen Chalumeau und zupfenden Streichern entsteht und für einen Moment fühlt sich der Hörer außerhalb der Zeit. Als nächstes greift das Chalumeau die Melancholie des Anfangs auf, wobei der Traurigkeit nun etwas Licht, eine kleine Hoffnung beigegeben ist. Das Solo endet in einer Generalpause, nach der die Streicher erneut die Achterfigur spielen, dieses Mal aber stärker und lauter, nicht mehr orientierungslos auf der Stelle stehend, sondern aufbruchfreudig. Die Achterfigur geht über in eine Streichergrundierung. Das überlagernde Chalumeau betreibt erneut das bereits gehörte Wechselspiel. Erneut stellt sich die Frage: Wohin? Bei 1:57 traut sich das Chalumeau einen Aufstieg. Also doch Hoffnung? Nein, bei 2:01 stoppt eine einzige, merkwürdig falsche, aus dem Rhythmus fallende Note diesen Aufschwung. Stoßseufzer der Geigen und abfallende Linien des Chalumeaus sind die Folge. Es bleibt Trauer.

    4. (Vivace)

    Im letzten Satz kehrt der Sturm als fröhlicher Kehraus zurück. Die Chalumeaux spielen schnell wie nie. Die Streicher strahlen prachtvoll. Quirlige Freuden, munteres Vergnügen, wahrhaft ein Vivace.

    Die Aufnahme

    Die von mir empfohlene, auch unabhängig von diesem Konzert unbedingt empfehlenswerte Einspielung Goebels mit der Musica Antiqua Köln entstand 1986:

    Mittlerweile gibt es einige andere Einspielungen (mit Klöckner gibt es auch eine mit Klarinetten), die ich allerdings sämtlich nicht kenne.

    :wink:
    Thomas

  • Nachzutragen habe ich, dass ich mir vor einiger Zeit eine zweite Aufnahme des Konzerts für zwei Chalumeaux zugelegt habe:

    Wenn ich diese Aufnahme des Konzerts besser als die von Göbel gefunden hätte, hättet ihr es schon erfahren. Dass das nicht der Fall ist, liegt wesentlich darin, dass ich bei Göbel nicht nur mehr Esprit, Verve, Lebendigkeit höre, sondern auch und vor allem mehr Wehmut und Melancholie.

    Der Booklet-Text von Nicholas Anderson (übersetzt von Inge Moore) bleibt leider recht pauschal: "Was uns an diesen Werken besonders auffällt", schreibt er, "ist die sensible, kantable Stimmführung der Soloinstrumente, hauptsächlich in den langsamen Sätzen, wo der Komponist seine Tonpalette mit viel Überlegung und Geschick angelegt hat." Ja, das ist wahr, die Kantabiliät vor allem macht die Schönheit des Konzerts aus, aber es ereignet sich beim genaueren Hinhören erstens eben doch weit mehr - auch über die von Anderson im Folgenden noch erwähnten subtilen Klangfarbenwechsel hinaus - und darf man zweitens fragen: Welche tonale Holzbläsermelodie mittlerer Tonhöhe ist nicht kantabel?

    Die harte Intonation im Allegro findet sich übrigens auch bei Standage.

    :wink: Thomas

  • Thomas, zu meiner Schande muss ich gestehen, dass das Konzert für zwei Chalumeaux trotz meiner großen Telemann-Begeisterung zu meinen schlimmen Bildungslücken gehört. Das muss sich aber demnächst ändern, und vermutlich wird es dann doch auf die Goebel (! :D)-CD hinauslaufen.

    Kurz noch ein oberlehrerhafter Einwurf zur Terminologie:

    Zitat

    Die harte Intonation im Allegro findet sich übrigens auch bei Standage.

    Bei den Fachchinesen bezieht sich der Begriff Intonation auf Tonhöhen und ihre Relation zueinander. Intonation kann zu hoch, zu tief, sauber, schief, auseinanderdriftend etc. sein, aber nicht "hart" oder "weich".

    Das, was du meinst, ist die Artikulation. Die ist mal länger, mal kürzer, mal härter, mal weicher.

    Herzliche Grüße

    Bernd

  • Lieber Bernd,

    wenn mich jemand darum bäte, fünf oder auch nur drei Telemann-CDs zu empfehlen, wäre die Bläserkonzerte-CD von Göbel immer dabei! Von Schande zu reden, wenn man ein Telemann-Konzert nicht kennt, halte ich für arg übertrieben. So bekannt ist das Konzert für zwei Chalumeaux ja nun wirklich nicht. Ich mag's halt nur so gern. Und velen Dank für deinen Hinweis zur Terminologie. Für Berichtigungen bin ich immer dankbar.

    :wink: Thomas

  • Oboenkonzert e-moll TWV 51:e2

    Eigentlich wollte ich ja etwas über das Bratschenkonzert schreiben, aber zu meinem Schrecken musste ich feststellen, dass ich das Stück gar nicht auf Konserve besitze, sondern wirklich nur aus diversen Proben/Livekonzerten mit befreundeten Musikern kenne...

    Deshalb folgen jetzt erst einmal ein paar Zeilen zum (nicht nur) meiner Meinung nach stärksten Oboenkonzert des Meisters:

    Das e-moll-Konzert entspricht wieder dem viersätzigen Kirchensonaten-Schema (es gibt von Telemann aber auch dreisätzige Konzerte wie z.b. das Oboenkonzert in f-moll). Über die Entstehungszeit konnte ich ím Internet nichts herausbekommen, und meine Telemann-Biographie, in der ich neulich noch geschmökert habe, habe ich hoffnungslos verkramt. Angesichts der Stilistik vermute ich eher einen späten Telemann, kann mich aber irren und bin für jeden näheren Hinweis dankbar.

    Das einleitende Andante gehört für meine Ohren zu Telemanns zwingendsten Eingebungen. Drängende Tonwiederholungen in den Streichern sind charakteristisch für das erste Motiv, welches bald den Klangteppich für die zunächst mit einer ruhigeren Gesangslinie einsetzende Solooboe bildet. Deren motivisches Material wird weiterentwickelt und nimmt dann schließlich auch Elemente der im Hintergrund drängenden Streicherthematik auf. Die zwischen Moll und Dur changierende Melodik zeigt eine ungewöhnliche, über die gewohnten barocken Maßstäbe herausgehende Leidenschaftlichkeit, das Soloinstrument kann in vollen Zügen singen.

    Das folgende Allegro molto bietet zunächst etwas weniger spektakulär zwischen Streichern und Oboe in recht rascher Folge wechselnde Sechzehntelketten, deren Drive dann plötzlich durch einen deutlich langsameren Mittelteil unterbrochen wird. Hier kann die Oboe in triolischen Kantilenen von eher schmerzlichem Charakter erneut ihr ganzes gesangliches Potential ausspielen, bevor die Sechzehntelraketen erneut ihre Fahrt aufnehmen. Solch einen ruhigen Einschub mit einer ganz anderen Motivik kenne ich sonst aus keinem anderen schnellen Satz eines barocken Konzerts. Telemann ist hier also einen formal außergewöhnlichen Weg gegangen.

    Im Largo wird ein mit einem Quartsprung nach unten beginnendes Streichermotiv von elegischem Charakter durch die Solooboe aufgegriffen und in einer langen, expressiven Gesangslinie variiert. Auch dieser Satz hat seinen Reiz, aber nach etwa der Hälfte der Zeit wirkt er dann doch etwas statisch. Die Höhe des Andante erreicht Telemann für meine Begriffe hier nicht mehr ganz.

    Einen ziemlich *fetzigen* :D, tänzerischen Kehraus bietet dann das Schlussallegro, in dem sich für meine Ohren teilweise auch die *exotischen* Elemente finden, die Telemann "in ihrer wahren barbarischen Schönheit" polnischen und hanakischen Musikanten abgelauscht hat.

    Alle vier Sätze sind - auch das scheint mir wohl eher eine Ausnahme zu sein - in geraden Taktarten gehalten.

    Unter den (spät)barocken deutschen Oboenkonzerten stellt dieses Werk in e-moll zweifelsohne einen besonderen Höhepunkt dar. Mir liegen zwei verschiedene Aufnahmen mit dem Ex-DDR-Staroboisten Burkhard Glaetzner vor. Die ältere von ihnen habe ich (noch auf LP) mal vor der Wende bei einem Ost-Berlin-Besuch für meine zwangsumgetauschten Ostmärker erstanden; auf dieser Scheibe wird Glaetzner vom Kammerorchester Carl Philipp Emanuel Bach unter Hartmut Haenchen begleitet. Tonlich bietet der Solist hier wie in seiner späteren Interpretation eher Bescheidenes, der Klang wirkt dünn und streckenweise sehr hell mit Tendenz zum Plärrigen. Aber *musikalisch* finde ich seine Leistung exzellent, denn die Kantilenen werden mit großem Atem, hoher Flexibilität und äußerster Eindringlichkeit geblasen. Unter dem Strich ist das schon eine überwältigende Aufnahme, die ich Glaetzners auch nicht ganz schlechter, aber längst nicht so intensiver CD-Version mit dem "Telemann-Kammerorchester" unter Eitelfriedrich Thom bei weitem vorziehe.

    Interessiert wäre ich an Hinweisen zu auch für mich empfehlenswerten (d.h. nicht besonders motorisch-perkussiven) HIP-Aufnahmen des Konzerts.

    Beste Grüße

    Bernd

  • Lieber Bernd,

    danke für die Vorstellung des Werks!

    Deine Angabe TWV 51:e2 hat mich zunächst verwirrt. Kann es sein, dass sie falsch ist? Interessante Ausführungen zu dem Konzert finden sich in dem Konzertführer Barock von Konold (S. 644) und im Konzertbuch Orchestermusik 1650-1800 (S. 781). Dort wie auch im Programmheft zu den Telemann-Festspielen 1981 wird das Konzert als Oboenkonzert e-moll bezeichnet, ohne dass eine TWV-Angabe gemacht wird. Im Barockmusikführer von Alllihn wird von Wolfgang Hirschmann ebenfalls nur ein Oboenkonzert e-moll erwähnt, aber TWV 51:e1. Also habe ich nachgeschaut im Online-TWV: http://www.uquebec.ca/musique/catal/telemann/telgp51.html. Dort ist das Konzert mit den vier von dir genannten Sätzen als TWV:e1 bezeichnet, wohingegen das TWV 51:e2 drei unbenannte Sätze hat. Online habe ich Angaben eines Notenversenders zum Werk TWV 51:e2 gefunden (http://www.aka-musikverlag.de/telemann.html): Danach ist Twv 51:e2 geschrieben für Oboe d‘amore, Streicher und Generalbass in drei Sätzen: Allegro, Andante, Allegro. Nur in einer der vier CDs, die ich mit dem Konzert besitze, wird eine TWV-Angabe gemacht, in der Glaetzner-Thom-CD. Dort aber steht TWV 51:e2! Verwirrend, oder? Nun ja, ich gehe davon aus, dass bei der CD ein Fehler gemacht wurde und du die Angabe von der CD hast. Hirschmann ist ein ausgewiesener Telemann-Experte. Das online-TWV ist ebenfalls sehr verlässlich. Die Angaben des Notenversands sprechen ebenfalls dafür. Oder hast du weitere Erkenntnisse?

    Zum Entstehungszeitpunkt aller Oboenkonzerte Telemanns, also auch dem des von dir vorgestellten in e-moll, schreibt Hirschmann – der diesen Konzerten eine eigentümliche Verbindung von substanzreicher Satztechnik, expressiver Melodik und ungewöhnlicher, teils bis ins Extravagante vordringender melodisch-harmonischer Detailgestaltung bescheinigt –, wahrscheinlich seien fast alle in der späteren Eisenacher und in der Frankfurter Zeit entstanden. Speziell von dem von dir vorgestellte Oboenkonzert e-moll weiß man allerdings, dass Telemann es für den Oboisten der Dresdner Hofkapelle, Johann Christian Richter (1689-1744) geschrieben hat. Vermutlich deshalb schreibt Günter Fleischhauer im o. g. Konzertbuch, das Konzert sei in Telemanns Frankfurter Zeit (1712-1721) entstanden. Deine Vermutung, das Konzert werde aus den von dir genannten Gründen später entstanden sein, kann ich gut nachvollziehen. Die Satzfolge ist allerdings, darauf hast du ja bereits hingewiesen, mit langsam, schnell, langsam, schnell althergebracht (dazu ganz oben in der Einführung).

    Das musikalische Geschehen hast du bereits hervorragend beschrieben. Da will ich mich nicht versteigen und noch mehr hinzufügen. Interessante Erkenntnisse aus den genannten Büchern will ich aber doch weitergeben: So schreibt Günter Fleischhauer, dass die vier Sätze durch harmonische und motivische Substanzgemeinschaft miteinander verknüpft seien: Sie hätten als Grundtonart e-moll und bildeten jeweils Tutti-Themenköpfe aus diatonisch absteigenden Quartzügen und fallenden Quintmodellen. Bezüglich des lyrischen Monologs inmitten des hzweiten Satzes weist Fleischhauer auf Parallelen im Satz „Der ganze Himmel“ aus dem Morgen in den Tageszeiten hin. Gerhard Wienke weist im Konold-Konzertführer darauf hin, dass die Oboe sich in den letzten sechseinhalb Takten des ersten Satzes dem strengen Kanon des Orchesters füge, dass die Oboe dort erst (endlich) integriert sei und dass vorher eine Kraftprobe zwischen Orchester und Oboe stattgefunden habe. Mir scheint das zuviel der Auseinandersetzung. Fleischhauer stellt sachlicher fest, erst im Abgesang übernehme der Solist in der Grundtonart e-moll die variierte Tuttithematik. Das trifft es besser, finde ich. Denn ich höre keine Kraftprobe, keine gegeneinander zwischen Oboe und Orchester, sondern ein Miteinander. Nichts Gefährliches wohnt den Streichern inne. Und der Einsatz der Solooboe ist doch weich und warm und nicht hart, oder?

    Aufnahmen besitze ich, wie gesagt, vier:

    Glaetzner mit Haenchen aus 1978
    Glaetzner mit Thom aus 1980
    Indermühle mit dem English Chamber Orchestra aus ich weiß nicht wann und
    Westermann mit der Camerata Köln aus 1990

    Mein haushoher Favorit ist die letztgenannte Aufnahme:

    Die Aufnahmen unter Haenchen und Thom gefallen mir vor allem wegen der Streicher nicht so sehr. Das ist eben noch sehr alte Schule, will sagen unkonturiert, wenig transparent, groß besetzt. Bei Indermühle fällt der Raum dann in sich zusammen, gefällt mir schon besser. Ein wirkliches Lächeln zaubert aber nur die Camerata Köln in mein Gesicht. Nicht motorisch und ruppig, sondern sehr warm wird gespielt und wenn die Oboe einsetzt, geht wirklich die Sonne auf. Für meine Ohren ist hier der mit Abstand schönste Oboenklang zu hören. Und das Beste ist: Die Aufnahme ist 2009 frisch aufgelegt und dadurch ausgesprochen günstig geworden.

    :wink: Thomas

  • Lieber Thomas,

    ich muss mich ebenfalls bedanken: Da ich die von dir angeführte Literatur leider nicht besitze (vielleicht sollte ich diesen Zustand mal ändern, aber meine kleine Butze quillt leider vor Papier über, teilweise lagern die Bücher schon unterm Bett :hide: ), ist dein Posting besonders interessant für mich!

    Zitat

    Deine Angabe TWV 51:e2 hat mich zunächst verwirrt. Kann es sein, dass sie falsch ist?

    Selbstverständlich kann das sein! Ich dachte zunächst, das Problem sei mal wieder meiner inzwischen zu schwachen Lesebrille geschuldet, aber auf der CD steht tatsächlich die angegebene Bezeichnung. Ich würde jetzt erst einmal glauben wollen, dass der Fehler dort liegt.

    Die Oboistenzunft kennt von Telemann kein anderes Oboenkonzert in e (gibt es noch eines?). Wir reden deshalb einfach vom e-moll-Konzert und wissen, was gemeint ist.

    Zitat

    Und der Einsatz der Solooboe ist doch weich und warm und nicht hart, oder?

    Nach meiner Auffassung fraglos, auch wenn es in der Praxis schwer ist, einen solchen weichen Einsatz zu realisieren. :D

    Zitat

    Mir scheint das zuviel der Auseinandersetzung. Fleischhauer stellt sachlicher fest, erst im Abgesang übernehme der Solist in der Grundtonart e-moll die variierte Tuttithematik. Das trifft es besser, finde ich. Denn ich höre keine Kraftprobe, keine gegeneinander zwischen Oboe und Orchester, sondern ein Miteinander. Nichts Gefährliches wohnt den Streichern inne.

    Zustimmung!

    Zitat

    Die Aufnahmen unter Haenchen und Thom gefallen mir vor allem wegen der Streicher nicht so sehr.

    Ich hörte - Berufskrankheit! - natürlich mehr auf den Solisten als auf die Streicher (bei denen ich es aber auch gerne etwas *romantischer* mag :hide: ). Und unter Haenchen finde ich Glaetzner einfach unglaublich beeindruckend! Aber die Aufnahme mit der Camerata Köln kommt jetzt auch mal auf meine Liste!

    Herzliche Grüße

    Bernd

  • Wie ich gerade gesehen habe, ist das Oboebenkonzert e-moll auch auf dieser CD enthalten (die ich noch nicht habe; für Schnippsel-Hörer: Track 17-20):

    Die Bläserkonzerte-Reihe bei cpo ist ausgezeichnet. Wenn also irgendjemand sich eine Aufnahme des Konzerts zulegen möchte (und die cpo-CD dereinst im Preis gesenkt ist), sollte er sie in Betracht ziehen.

    @ Bernd: Zu Glaetzner/Haehnchen: Da wird mir mal wieder bewusst, wie unterschiedlich wir hören. Für mich sind die Unterschiede der Oboisten nicht so wichtig - es sei denn, sie wären sehr stark -, weil ich die nicht so sehr wahrnehme bzw. sie für mich nicht im Vordergrund stehen. Die Streicherunterschiede höre ich demgegenüber sofort.

  • Hallo Thomas,

    es handelt sich bei mir - ich habe das ja auch schon anderswo geschrieben - sicherlich um eine Art "Berufskrankheit". Obwohl ich um die Problematik weiß und mich durchaus bemühe, sie in einem gewissen Maße zu bekämpfen, komme ich von der Fixierung auf das eigene Instrument bzw. auf die Bläser nie ganz los.

    Ich entschuldige mich - wie in solchen Fällen üblich :D - mal damit, dass es unter den Bläserkollegen genug "schlimmere Fälle" gibt. Ich kenne etliche, die z.b. mit Streicherkammermusik überhaupt nichts anzufangen wissen und noch nie bewusst ein Beethoven-Quartett gehört haben....

    Herzliche Grüße

    Bernd

  • Ach, so allein bist du gar nicht, glaube ich. Wenn ich beispielsweise eine Cellosonate höre, interessiert es mich meistens nicht die Bohne, was da geklimpert wird. So dürfte es vielen anderen auch gehen. Bei Instrumentalisten wie dir ist das allerdings wohl besonders stark ausgeprägt, klar.

  • RE: Oboenkonzert e-moll TWV 51:e2

    Lieber Bernd,

    Interessiert wäre ich an Hinweisen zu auch für mich empfehlenswerten (d.h. nicht besonders motorisch-perkussiven) HIP-Aufnahmen des Konzerts.

    vielleicht wäre dies was für dich:

    Paul Dombrecht - oboe

    bzw.

    Gonzalo Ruiz - oboe

    Beide Aufnahmen sind von sehr guter Qualität, allerdings weiß ich nicht, wie die sich zu Deiner Empfehlung verhalten. Ich würde sie jedenfalls als nicht runtergehämmert bezeichnen, sondern sehr ausgespielt.

    Die Zeiten:

    1. Andante: Dombrecht 3:17, Haselböck 3:09;
    2. Allegro: Dombrecht 2:28, bei Haselböck 2:25 (allegro molto)
    3. Largo: Dombrecht 4:26, Haselböck 3:26
    4. Allegro: Dombrecht 2:20, Haselböck 2:14

    Größere Unterschiede also nur im Largo.

    Für mich gewinnt die Haselböck-Aufnahme durch die etwas bessere Aufnahmequalität (SACD) und die Stückzusammenstellung - mein Liebling, das Konzert für Flöte, Oboe d`amore und Viola d`amore ist dabei -.

    Ansonsten erfreue ich mich gerade an den wunderbaren Concerti für 4 Violinen ohne basso continuo D-Dur TWV 40:202 und G-Dur TWV 40:201, natürlich mit Goebel, alt: 1979, wohl nicht mehr erhältlich, und neu:

    Viele Grüße

    Andreas

  • Hallo Andreas,

    Dombrecht ist mir natürlich ein Begriff. Von Ruiz habe ich dagegen noch nie etwas gehört, was aber erst einmal gar nichts zu besagen hat.

    Zitat

    Ich würde sie jedenfalls als nicht runtergehämmert bezeichnen, sondern sehr ausgespielt.

    Klingt interessant. Wobei die nachfolgenden Zeiten nur bedingt etwas sagen - manchmal kann man in einem etwas flüssigeren Grundtempo die Musik besser ausspielen, weil man eben dann nicht so schnell Gefahr läuft, insgesamt ins Statische zu verfallen

    Zitat

    ...mein Liebling, das Konzert für Flöte, Oboe d`amore und Viola d`amore ist dabei...

    .

    Ja. ein wunderberes Werk, an dessen Aufführung ich schon drei- oder viermal beteiligt sein durfte (Oboe d´amore spielen macht enormen Spass!). Wer übernimmt die nähere Vorstellung?

    Herzliche Grüße

    Bernd

  • Konzert für (Quer)Flöte, Oboe d’amore und Viola d’amore, Streicher und B. c. in E-dur, TWV 53:E1

    Satzfolge: langsam, schnell, langsam, schnell in der Bezeichnung: Andante, Allegro, Siciliano und Vivace.

    Drei Soloinstrumente machen neben den Streichern und dem Basso continuo in diesem eine gute Viertelstunde dauernden Konzert die Musik. Schöne Musik ist es, kantabel und wohlklingend, die hier ertönt. Nur der halbe Spaß dürfte es sein, dieses Werk vor den heimischen Lautsprechern zu hören (was allein mir bisher vergönnt war). Die äußerst farbigen Klangkombinationen, das Ineinandergreifen der Melodien und Motive dürften live noch um ein Vielfaches wirkungsvoller sein.

    Wegen der Qualität des Konzertes ist weder an Besprechungen noch an Aufnahmen Mangel. Überblicke ich diese Besprechungen in den Konzertführern (wieder einmal im Konold und im Konzertbuch Orchestermusik (vormals nur unwesentlich anders im VEB-Schönewolf)), fällt mir auf, dass der erste Satz kaum erwähnt wird. Allein Günter Fleischhauer schreibt etwas über ihn, nämlich dass die Soloinstrumente Gelegenheit erhalten, sich melodisch auszuspielen. Vielsagend nichtssagend, oder? Wie man’s nimmt. Wenn man einen Blick auf die Noten wirft (bei imslp online verfügbar ist ein Manuskript mit der Angabe ca. 1710-1735:
    http://imslp.org/wiki/Concerto_for_Viola_d%27amore,_Oboe_d%27amore_and_Flute,_TWV_53:E1_(Telemann,_Georg_Philipp“) und sich dort die des Orchesters, also der Streicher und des Cembalos im 1. Satz anschaut (z. B. die Violino Primo auf Seite 13), dürfte man erstaunt sein und womöglich denken: So komponieren kann ich auch! So gut wie nichts anderes als anfängerhaft aneinandergereihte Viertel, und zwar immer schön sechs pro Takt (wir befinden uns im 3/2-Takt) in derselben Tonhöhe - Tonhöhenänderungen sind größtenteils nur beim Taktwechsel notiert. Neben/über/grundiert von diesem Orchesterstakkato spielen die Soloinstrumente ihre Melodien oder auch: stellen die Solisten die Farben vor, die sie gleich mischen werden.

    Für den Aufführenden stellt sich die Frage: Wie halte ich’s mit dem Orchester? Vor allem: Wie sehr soll das Cembalo verzieren? Hogwood beispielsweise akzeptiert die Primitivität des Orchesterparts in seiner Aufnahme nicht. Er lässt das Cembalo reich verzieren, es sogar das Konzert mit einer Verzierung eröffnen. Bei ihm tritt infolge dessen das Cembalo aus dem Kreis des Orchesters heraus und wird beinahe zu einem vierten Soloinstrument (nebenbei bemerkt ist sein Andante deutlich schneller als das Andante aller anderen mir bekannten Aufnahmen, so dass die Aura der Friedlichkeit bei ihm nicht entsteht). Bei Manze sind keine Verzierungen zu hören, werden die Stakkati aber sehr betont, wodurch dem Andante eine rhythmische Strenge verliehen wird. Mir am besten gefällt eine zurückhaltendere Orchesterbegleitung, so in Form eines leisen Pulses z. B. zu Hören bei Kussmaul.

    Am zweiten Satz haben dann auch die Musikwissenschaftler ihre Freude. Auf ein großes, fröhlich-lebenslustiges Eingangstutti folgen abwechselnd reizvoll umspielte, am Austausch interessierte Soli und weitere, kleine aus dem Eingangstutti schöpfenden Tutti. Zur musikhistorischen Bedeutung schreibt Fleischhauer (in dem oben genannten Konzertbuch Orchestermusik, S. 727): „In der dritten Episode erhält der 2. Satz (2/4-Takt) nahezu „Durchführungs“-Charakter, indem einzelne Bestandteile der 28taktigen Tuttithemaik, von ähnlichen Soli unterbrochen, nacheinander vorgetragen werden. Mit dieser mosaikartigen Reihungstechnik und der differenzierten Verflechtung von Solo- und Tuttiabschnitten gelang es Telemann in mehreren Werken, die Ritornellform aufzulockern und späteren Generationen Ansätze zur thematisch-motivischen Arbeit aufzuzeigen.“

    Der dritte Satz, das Siciliano, ist reinste Klangfarbenmagie! Als charakteristische Merkmale eines Sicilianos nennt Wikipedia u. a. eine lieblliche, schmerzhaft-süße Melodik und den musikalischen Charakter eines Hirtenidylls (sowohl im erotisch-amourösen Sinne als auch im Sinne einer einfachen Naturverbundenheit). Ja, genau so ist es. Nacheinander spielen die Solisten (in der Reihenfolge Viola, Querflöte, Oboe) eine einfache, arkadische Melodie, welche wunderbarerweise genau die Mitte zwischen Schmerz und Süße hält, so dass der Musiker, wenn er denn möchte, zwischen diesen Polen changieren kann. Jeder Hörer mag Klangfarben etwas anders wahrnehmen. Auf mich aber wirkt die beginnende Viola d’amore schmerzlich und die ihr in der Paralleltonart G-Dur folgende Querflöte tröstend (ist die Oboe d’amore beides?). Das Ineinanderverschmelzen dieser verschiedenen Klänge als Stimmungsträger ist Zauberei (übrigens, Stichwort Zauberei: Im zweiten Satz gibt es neben Synkopen anapästische Rhythmen). Das arkadisch-intime dieses Satzes wird dadurch verstärkt, dass das Continuo nur ganz am Ende des Satzes zu hören ist und sich die Orchesterstreicher stark zurückhalten.

    Das abschließende Vivace erscheint nach diesem Siciliano besonders burschikos. Man kann den Eindruck gewinnen, dass Telemann die Solisten aus dem erträumten Arkadien zurück ins derbe deutsche Bauernland holen will. Im Konold ist zu lesen, dass Telemann hier polnischer Volksmusik einen italienischen Rock angezogen habe. Das liest sich nett. Aber so sehr virtuos geht es doch nicht zu. Die Solisten bringen sich in meinen Ohren, für die dieser vierte Satz der uninteressanteste ist, schlicht noch einmal in Rondoform zu Gehör – Fleischhauer schreibt von drei ausgedehnten Couplets, die von vier konstanten Tuttiritornellen refrainartig eingefasst werden.

    Aufnahmen habe ich mehrere:

    Mit kleinem Vorsprung am besten gefällt mir die Aufnahme von Kussmaul mit den Berliner Barock Solisten, Oboe: A. Mayer an der Oboe, Flöte: E. Pahud, Viola: W. Christ, aufgenommen 2002.

    Das zurückhaltende Orchesterstakkato des Beginns, wundervoll schönes und farbiges Spiel der Solisten, das Sicilano ein Traum. Allerdings handelt es sich um eine Aufnahme für Warmduscher. Wer Kontraste liebt, im vierten Satz derb-bäuerliches hören möchte, ist woanders besser aufgehoben.

    Hogwoods Aufnahme mit der Academy of Ancient Music (Oboe: C. Shanks, Flöte: S. Preston, Viola: M. Huggett) stammt aus 1981.

    Hogwoods erster Satz gefällt mir nicht. Das Cembalo verziert mir zu stark, das Tempo ist mir zu schnell, die Stakkati sind leicht verschmiert. Die Viola klingt im Vergleich zur Kussmaul-Aufnahme strähnig (hat noch was von Anfangs-HIP). Sehr lebendig der zweite Satz, allerdings klingen die Solisten im Verhältnis zum Orchester etwas leise (besonders die Viola). Weil die Viola weniger Klang trägt, wirkt auf mich auch der dritte Satz nicht wie gewohnt. im vierten Satz höre (sogar) ich einige Wackler der Oboe.

     

    Haselböck mit seiner Wiener Akademie (näheres weiß ich nicht) spielt mir zu edel, zu groß (woran auch der recht starke Hall Anteil hat), zu karajanesk. Die Viola im dritten Satz spielt seltsam unflüssig. Sehr tänzerisch das Tutti im Vivace. Achtung: Haselböck hat das Konzert nach einmal aufgenommen (s. oben bei Andres), bitte nicht verwechseln.

    La Stravaganza Köln mit Manze (aufgenommen 1994) gehen das Konzert wie oben bereits erwähnt kontrastreich an. Beim zweiten Satz wippt sofort der Fuß. Im dritten ist auch alles im grünen Bereich. Eine sehr gute Einspielung, die mich aber nicht zu bezaubern versteht, ohne dass ich sagen könnte, was genau der Grund ist (am ehesten könnte ich sagen, dass ich den Oboenklang als leicht scharf empfinde (bitte das leicht betonen), schalmeienhafter auch als anderswo).

    Auch Ponseele hat mit dem Ensemble Il Gardelino (Oboe: Ponseele, Flöte: J. De Vinne, F. Fernandez: Viola) eine äußerst gelungene Aufnahme vorgelegt. Für meinen Geschmack steht im ersten Satz das Cembalo etwas zu sehr im Vordergrund (ähnlich wie bei Hogwood). Das ist aber nur eine Kleinigkeit. Als wirklich störend empfinde ich die Laustärke der begleitenden Orchesterstreicher zu Beginn des dritten Satzes. Für mich – Geschmacksfrage, denke ich – gehört dieser Satz allein den Solisten (Gegenargument: Wäre es so, hätte Telemann nicht nur den B. c. gestrichen. Aber: Gerade die Streichung des B. c. zeigt doch, dass die Solisten hervorgehoben werden sollen. Diesen gewollten Effekt darf man dann nicht durch lautes Orchesterspiel abschwächen).

    Abschließend zur schnellen Orientierung eine Benotung meiner Aufnahmen (Höchstzahl: 10 Punkte)

    Kussmaul: 10
    Ponseele: 9
    Manze: 8
    Hogwood: 6
    Haselböck: 5

    :wink: Thomas

  • Hallo Thomas,

    zunächst einmal herzlichen Dank für die sehr gelungene Vorstellung des Tripelkonzertes!


    Zitat

    Wenn man einen Blick auf die Noten wirft ..... und sich dort die des Orchesters, also der Streicher und des Cembalos im 1. Satz anschaut (z. B. die Violino Primo auf Seite 13), dürfte man erstaunt sein und womöglich denken: So komponieren kann ich auch! So gut wie nichts anderes als anfängerhaft aneinandergereihte Viertel, und zwar immer schön sechs pro Takt (wir befinden uns im 3/2-Takt) in derselben Tonhöhe - Tonhöhenänderungen sind größtenteils nur beim Taktwechsel notiert. Neben/über/grundiert von diesem Orchesterstakkato spielen die Soloinstrumente ihre Melodien oder auch: stellen die Solisten die Farben vor, die sie gleich mischen werden.

    Speziell dieser scheinbar so simple Anfang ist nach meinen Erfahrungen sehr schwer zu spielen! Das betrifft sowohl die Gestaltung der Viertel als auch bei nicht ganz so hochprofessionellen Musikern das Finden der Intonation. Eigentlich sind die ersten Takte die problematischsten im ganzen Konzert.

    Zitat

    Bei ihm tritt infolge der Verzierungen das Cembalo aus dem Kreis des Orchesters heraus und wird beinahe zu einem vierten Soloinstrument (nebenbei bemerkt ist sein Andante deutlich schneller als das Andante aller anderen mir bekannten Aufnahmen, so dass die Aura der Friedlichkeit bei ihm nicht entsteht).

    Das ist schade, denn eine größere Ruhe sollte der Satz für meine Begriffe schon ausstrahlen.

    Zitat

    Bei Manze sind keine Verzierungen zu hören, werden die Stakkati aber sehr betont, wodurch dem Andante eine rhythmische Strenge verliehen wird.

    Ebenfalls schade; der Satz sollte auf jeden Fall etwas Schwebendes bekommen. Das betont kurze Pochen mit dem Hämmerchen ist hier fehl am Platze.

    Zitat

    Mir am besten gefällt eine zurückhaltendere Orchesterbegleitung, so in Form eines leisen Pulses z. B. zu Hören bei Kussmaul.

    .

    Leider kenne ich die Aufnahme unter Kussmaul nicht, aber nach deiner Beschreibung sollte ich sie mir dringend besorgen!

    Zitat

    Das abschließende Vivace erscheint nach diesem Siciliano besonders burschikos. Man kann den Eindruck gewinnen, dass Telemann die Solisten aus dem erträumten Arkadien zurück ins derbe deutsche Bauernland holen will.

    Eher in die slawische Kneipe! Der Satz von der polnischen Volksmusik trifft es schon ganz gut, und den Ausführenden bringt dieses, wie Amfortas sich ausdrücken würde, "fetzige" Finale schon einen Heidenspass. Dass es mit der häufigen Widerholung des Themas (das man eventuell durch Verzierungen etwas variieren sollte!) auf den Zuhörer leicht ermüdend wirken kann, ist mir aber verständlich.

    Zitat

    Auch Ponseele hat mit dem Ensemble Il Gardelino (Oboe: Ponseele, Flöte: J. De Vinne, F. Fernandez: Viola) eine äußerst gelungene Aufnahme vorgelegt. Für meinen Geschmack steht im ersten Satz das Cembalo etwas zu sehr im Vordergrund (ähnlich wie bei Hogwood). Das ist aber nur eine Kleinigkeit. Als wirklich störend empfinde ich die Laustärke der begleitenden Orchesterstreicher zu Beginn des dritten Satzes.

    Ja, das kann ich unterschreiben, wobei mich die lauten Streicher am Anfang des dritten Satzes nur mäßig stören.

    Ich besitze außerdem noch eine alte Ex-DDR-Eterna-Aufnahme mit einem "Kammerorchester Berlin" unter Helmut Koch. Von dieser vergleichsweise leblosen Interpretation kann ich nur dringemd abraten.

    Beste Grüße

    Bernd

  • Hallo Bernd,

    vielen Dank und gern geschehen. Du hast dir die Vorstellung ja gewissermaßen gewünscht. Weil auch Andreas sich positiv zum Konzert geäußert hat, habe ich nicht lange gezögert.

    Deine Antwort zu meinen Ausführungen zum ersten Satz erinnert mich daran, dass ich noch etwas schreiben wollte. Oben könnte man mich dahin missverstehen, dass ich von dm ersten Satz wenig halte; deine Antwort geht auch in die Richtung. So ist es aber nicht. Im Gegenteil beeindruckt mich Telemanns Mut, den Solisten eine solche doch schlichte Begleitung beizugeben. Nach meinem, wegen des mir fehlenden nötigen Überblicks über die Barockmusik mit Vorsicht zu genießenden Verständnis handelt es sich dabei um eine ausgesprochene Kühnheit. Wobei: Dass er's kann, war ja allgemein bekannt und zeigt Telemann ja auch in den folgenden Sätzen.

    Interessant, was du zu den Schwierigkeiten des Anfangs schreibst. Das geht ja doch über den normalen Bammel am Start hinaus. Für mich sind tatsächlich die Anfänge der beiden langsamen Sätze ganz wichtig. Wenn das nicht stimmt, kommt das Gefühl nicht auf. Bei den schnellen Sätzen bin ich es gewohnt, dass die technischen Schwierigkeiten nicht nur kein Problem darstellen, sondern mühelos bewältigt werden. Da bin ich eben doch CD-Hörer, der nur echte Profis zu Gehör bekommt. Wenn ich an das Hören eines Amateurorchesters denke: Da könnten sich meine Maßstäbe, was für das Gelingen entscheidend ist, verschieben.

    Die Kussmaul-Aufnahme dürfte in der Tat perfekt für dich sein (allerdings: hast du dich nicht irgendwo mal etwas zurückhaltend zu A. Mayer geäußert?). Und günstig ist sie auch noch!

    Viele Grüße

    Thomas

  • Vielen Dank, lieber Thomas,

    da gibt es für mich ja doch noch einiges zu hören/lernen.

    Mir waren bislang nur die Hogwood-Manze und Haselböck(neu)-Aufnahmen bekannt. Schätzt Du auch die neuere Kußmaul-Aufnahme? Oder sind die beiden identisch? ?(

    LG

    Andreas

  • Hallo Andreas,

    die beiden oben abgebildeten Kussmaul-CDs enthalten dieselbe Aufnahme. Im englischen Sprachraum haben die CD-Führer "The Gramophone Classical Music Guide" und der "Penguine Guide" eine enorme Bedeutung. CDs, die in diesen Büchern enthusiastisch besprochen wurden, sind in einer extra Reihe herausgegeben worden, so z. B. die Kussmaul-Pahud-CD.

    Für Haselböck gilt entsprechendes: Ich kenne nur die alte Einspielung, die in beiden oben abgebildeten Ausgaben enthalten ist. Wenn du ein paar Worte über die neue schreiben möchtest, würde mich das freuen. Möglicherweise kann man daraus, dass Haselböck das Konzert nochmals aufgenommen hat, schließen, dass er mit der alten Einspielung ebenfalls nicht zufrieden war.

    Viele Grüße
    Thomas

  • Hallo Thomas,

    Zitat

    Im Gegenteil beeindruckt mich Telemanns Mut, den Solisten eine solche doch schlichte Begleitung beizugeben. Nach meinem, wegen des mir fehlenden nötigen Überblicks über die Barockmusik mit Vorsicht zu genießenden Verständnis handelt es sich dabei um eine ausgesprochene Kühnheit.

    Die Form der Steigerung - der Satz entwickelt sich ja wirklich fast aus dem Nichts - ist für die Barockzeit sicherlich ungewöhnlich. Hier handelt es sich um eine der Kompositionen, anhand derer deutlich wird, wie weit Telemann manchmal schon in der Zukunft stand.

    Zitat

    Das geht ja doch über den normalen Bammel am Start hinaus.

    Für die Streicher sicherlich (an der Oboe sind die ersten Töne immer besonders heikel, weil sie einfach schlechter ansprechen). Leider hört man bei der Aufnahme, an der ich beteiligt bin, die Problematik, die wohl auch mit der Bogentechnik zusammenhängt, recht deutlich heraus.

    Zitat

    (allerdings: hast du dich nicht irgendwo mal etwas zurückhaltend zu A. Mayer geäußert?)

    Zu Albrecht Mayer habe ich etwa fünf verschiedene Meinungen :D . Manche seiner Aufnahmen finde ich ganz großartig, so z.b. sein Marcello-Konzert auf der "In Venice"-CD. Anderes - etwa sein Strauss - tendiert mir wiederum etwas zu sehr zur Glätte. Und ich finde die Art, wie er sich vermarktet/vermarkten lässt, inzwischen unglaublich abstoßend. Hat ein Ausnahmekünstler solche Produktionen wie unlängst "Bonjour Paris" wirklich nötig? Alleine schon bei der Betrachtung des Covers wird mir ziemlich übel - aber das ist jetzt ein anderes Thema...

    Noch eine kurze Frage: Wer spielt denn unter Haselböck die Solo-Oboe d´amore?

    Beste Grüße

    Bernd

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