Jazz-Fragen - Was ich immer schon mal über Jazz wissen wollte

  • Jazz-Fragen - Was ich immer schon mal über Jazz wissen wollte

    Auf verschiedentlichen Wunsch: Hier können Fragen aller Art zum Jazz gestellt, beantwortet und diskutiert, Themen vorgeschlagen, Bemerkungen zum Jazz aller Art gemacht werden.

    Wenn sich daraus zu einzelnen Themen längere Bemerkungen und Diskussionsstränge ergeben, können diese ja dann immer noch in einzelne Threads ausgegliedert werden.

    :wink: Matthias

  • Mozartinaa schrieb:

    Zitat

    Über den Begriff "Fusion" hab ich schon ein paar Mal drüber gelesen,was bedeutet das eigentlich genau und warum sollte dadurch ein langweiligerer Jazz entstehen?

    Achim antwortete:

    Zitat

    meint insbesondere die Vermischung von Jazz und Rock (aber auch Soul, Hiphop, Rap usw), die im zeitlichen Umfeld des legendäern albums "bitchs brew" von Miles Davis begann und bis heute anhält.
    Fusion kann langweilig sein, wenn der Rock-Charakter, bei Herbie Mann wohl eher Soul-Charakter, der Musik überwiegt, denn Jazz ist primär improvisierte und nicht komplett durchkomponierte Musik, die in der Improvisation Spannung aufbauen will.

    Charlie Parker:
    Ein Markstein setzender Bebop-Saxofonist, der allerdings den Drogen verfallen war, wie übrigens viele andere Jazzmusiker auch, zum Beispiel Chet Baker, Bud Powell und Bill Evans.

    Daraus ergaben sich Fragen zur Bedeutung von Drogen im Jazz. Einen ersten Antwortversuch von mir ist im Thread "Zur Sozialgeschichte des Jazz" zu finden, in dem alle Fragen zur Sozial- und Kulturgeschichte des Jazz diskutiert werden können.

    Eine umfangreiche Diskussion zum Jazz-Rock und Fusion haben vor allem Achim und ich bereits bei Tamino geführt. Wir sollten den Thread hier mal wieder in einen eigenen Thread rüberkopieren. Lieber Achim, du hattest die gute Eröffnung geschrieben. Kannst/willst du das übernehmen?

    :wink: Matthias

  • Liebe Jazzkenner :wink:

    Wenn ich schon gefragt werde 8+) , dann wünsche ich mir einen Thread "Charlie Parker - Empfehlenswerte Aufnahmen" oder so.

    Ich liebe die Musik von Charlie Parker. Irgendwo ist er zu einem sehr großen Teil auch dafür verantwortlich, dass ich überhaupt damit anfing, Jazz zu hören. Entsprechend habe ich eine ganze Reihe von CDs mit Parker-Aufnahmen im Schrank. Die meisten davon sind aber leider rudimentär dokumentierte Kompilationen, die mehr oder weniger willkürlich aus verschiedenen Aufnahmesitzungen zusammengestellt scheinen.

    Von einem solchen Thread würde ich Informationen erhoffen, anhand welcher (derzeit verfügbarer) CDs man sich den besten einen Überblick über die Aufnahmen Birds verschaffen kann. Eine umfangreiche Box "The complete Charlie Parker" mit passendem Buch dazu muss wäre auch ganz nett, aber das ist wohl ein Wunschtraum.

    Viele Grüße
    Michel

    Es gibt kaum etwas Subversiveres als die Oper. Ich bin demütiger Diener gegenüber diesem Material, das voller Pfeffer steckt. Also: Provokation um der Werktreue willen. (Stefan Herheim)

  • Lieber Michel,

    ich bin auch noch mit deinen Wünschen zu Clifford Brown und Don Cherry beschäftigt, aber gut, CharlieParker kommt auch. Ist ja auch wirklich wichtig und in der Tat sehr unübersichtlich. Einige Boxen gibt es, bzw gab es aber mal.

    Etwas Übersicht verschafft in solchen Fällen der alle zwei Jahre erscheinende "The Pinguin Guide to Jazz on Recordings" oder die umfassendste, ständig erneuerte Jazz Discography von Tom Lord. Dann mach ich vielleicht erst einmal einen Thread zu den wichtigsten Disographien und ihrern Vor- und Nachteilen. Vorab, der Pinguin Guide kommentiert auch die CDs und ist recht bezahlbar, erwähnt aber nur die zum Erscheinungszeitpunkt in den USA und GB lieferbaren CDs.

    :wink: Matthias Oberg

  • ich bin auch noch mit deinen Wünschen zu Clifford Brown und Don Cherry beschäftigt, aber gut, CharlieParker kommt auch

    Lieber Matthias,

    Vielen Dank schon vorab :wink: . No pressure, by the way :D .

    Kennst Du die folgende Seite (bin ich gestern zufällig drüber gestolpert): http://www.jazzdisco.org/ - jede Menge Info, ob man von dort ausgehend auch jetzt verfügbare CDs finden würde, habe ich noch nicht erforscht.

    Viele Grüße
    Michel

    Es gibt kaum etwas Subversiveres als die Oper. Ich bin demütiger Diener gegenüber diesem Material, das voller Pfeffer steckt. Also: Provokation um der Werktreue willen. (Stefan Herheim)

  • Lieber Michel,

    danke, das kenne ich. Das sind sehr brauchbare Discographien zu einigen Musikern, aber ohne Hinweise auf Erhältlichkeit und ohne Kommentierung.

    Zu sehr vielen Jazzmusikern findet man im Netz auch kurze Biographien, Hinweise und jedoch sehr unterschiedlich brauchbare Discographien bei "allmusic" -Jazz , Zu Charlie Parker eine sehr umfangreiche Discographie, die aber alleine der Orientierung auch wenig hilfreich ist. Sehr gut, weil recht brauchbar kommentiert, ist hier der Penguin Guide.

    Irgendjemand muß mir mal erklären, wie man hier links einsetzt. Dann kann ich auch mal ein paar nützliche Jazz-Links angeben.

    :wink: Matthias

  • Ein liebes Hallo,

    immer wieder stoße ich auf den Begriff des "Groove",wie Rumbagrooves,groovige Musik,Gesänge der Sklaven,die sich über freche Grooves erheben,um nur einige zu nennen.

    Ich hab zwar versucht,im Internet etwas darüber zu erfahren,mit dem Ergebnis,dass die zahlreichen Erklärungen und Einteilungen dieses Begriffes immer verwirrender für mich wurden.

    Nun bitte ich Euch,mir diesen Begriff,ob Eures großen Fachwissens, möglichst einfach zu erklären,bzw.den Beginn einer Erklärung zu versuchen.

    Danke Eure Mozartinaa

    " Das Österreichisch klingt wie ein einzig großer Topfenknödel "......Zitat aus der Krimiserie "Bella Block"

  • "Groove" kommt wie viele andere, nicht klar definierte Bezeichnungen - "Riff", "funky", "hip", "Fills", "compying" etc. - aus einer Jazzersprache und hat sich über die ganze Breite der Black Music in Rock, Pop und elektronische Tanzmusik ausgebreitet, wird dabei aber zunehmend beliebiger gebraucht. Ich bleibe beim Jazz.

    Es wäre viel einfacher, könnte ich es mit Carsten zusammen vorführen. :D Bass und Schlagzeug sind nämlich in der klassisch besetzten Jazz-Gruppe besonders für den Groove zuständig, der von den anderen Instrumenten aufgenommen werden kann. Aber auch andere Instrumente können die "Groove-Patterns" - Muster von wenigen Tonfolgen oder Akkorden zu antreibenden Rhythmus-Patterns des Schlagzeugs - übernehmen. Diese Groove-Patterns werden wiederholt, sie sind das, was in der Klassik "Ostinato" heißt. Es soll dabei der Effekt etwas beständig nach vorne Rollenden erzeugt werden. Dieser Effekt kann gesteigert werden, wenn diese Groove-Muster in sich leicht variiert werden, also durch leicht andere Zwischenschläge auf dem Schlagzeug, leicht veränderte Töne im Bass, innerhalb der Tonskala des oder der Grundakkorde des Groove-Patterns, die aber das Grundmuster erhalten, so dass, auch da, wo es leicht verändert gespielt wird, sozusagen im Kopf der Musiker und Hörer das Ostinato-Grundmuster weiterrollt. Das Pattern kann so auch weiterrollen, wenn ungefähr das gleiche jetzt in anderer Tonhöhe, auf einem anderen Grundakkord gespielt wird, wie zum Beispiel in einem Standard-Blues. Es kann durch Synkopen angeheizt werden, also rhythmische leichte Verzögerungen oder partielles "vor dem Beat -Spielen", z.B. der Bass greifft dem nächsten im Rhythmus-Muster des Schlagzeugs zu erwartenden Schlag kurz vor, - das ist dann "funky".

    Ein gelungener Groove als Ostinato-Spielweise erzeugt diesen Effekt, das dieser Groove-Pattern, in der Klassik das Ostinato-Motiv, im Kopf beständig vorwärts weiterrollt, - es erzeugt ein Groove-Feeling. Insofern wird Groove nicht nur als Ostinato-Spielweise, sondern auch als Gefühl gebraucht. Jemand, der das gut zu erzeugen weiß, "hat den Groove", ein Stück ist "groovig", "groovy".

    Der Groove wird zusätzlich angetrieben, dadurch, dass auch die Akkordinstrumente Piano, Gitarre oder die Bläser, wenn sie zusammen Akkorde blasen, kurze wiedererkennbare Akkordfolgen ostinato spielen, die nennt man dann "Riffs": Um ein Rock-Beispiel, das jeder kennt, zu bemühen, die Anfangstakte von Deep Purples "Smoke on the Water" oder ein bekanntes Jazzbeispiel, das zentral wiedererkennbare Themamotiv bei "The Sidewinder" von Lee Morgan. Diese Riffs können auch besonders hervorgehobene, sich wiederholende, einfach für die Hörer wiederzuerkennende Akkordfolgen aus nur wenigen Akkorden bestehend, innerhalb von längeren Melodiefolgen sein, z.B. wie in Horace Silvers "Song for my Father", das vielleicht viele kennen. Es ist ein ideales Beispiel für das Zusammenwirken von stetig wiederholten Groove-Patterns von Schlagzeug, Bass und linker Hand des Pianos, mit einer Melodielinie im zentralen Thema, gespielt von der rechten Hand des Pianos oder von den Bläseren, wobei die letzten zwei Takte des Melodie- Themas als Riff funktionieren. Man kann hier auch sehr gut hören, wie Silver hier am Klavier leichte Verzögerungen einbaut oder mal kurz vor dem Beat spielt. Er ist neben Bobby Timmons die Verkörperung einer "funky" Spielweise auf dem Klavier und seine Stücke hatten immer sehr viel "Groove", seine Bands, bestanden immer nur aus Musikern, die "grooven".

    Carsten kann das sicherlich aus der Sichtweise des Drummers noch ergänzen.

    Oder wir nehmen uns einzelne Stücke vor. Horace Silvers "Song for my Father" wäre gut geeignet. Oder ihr schlagt selbst etwas möglichst Bekanntes vor, wo ihr solche Ostinato-Motive, Grooves und Riffs heraushört oder vermutet. An Beispielen ließen sich dann auch noch weitere gebräuchliche Begriffe einführen und klären.

    :wink: Matthias

  • Groove geht auch ohne ostinato - auch ein "gerader" swing kann grooven! Wenn er es nicht tut ...
    Der Begriff ist typisch für afro-amerikanische Begriffsbildung.
    Die wörtliche Übersetzung hast Du dabei vergessen: Rille oder Rinne - in dem Sinn, daß es wie geölt läuft. Auch die Rille der Schallplatte heißt groove ...

  • Groove geht auch ohne ostinato - auch ein "gerader" swing kann grooven! Wenn er es nicht tut ...

    Klar, das ist eine sehr wichtige Ergänzung, danke! Ich hatte mir das so zurechtgelegt, das diese weitere, übertragene Gebrauschsweise allmählich zur heute üblichen geworden wäre, so dass wie heute "Groove" und wie früher "Swing" gebraucht wurde, allmählich verwischen. Die wörtliche Übersetzung "Rille" kam mir irgendwie gar nicht in den Sinn, aber, naklar, das ist auch schon eine anschauliche Vergegenwärtigung.

    Dann bin ich von Mozartinaa in etwas anderem Zusammenhang weiter gefragt worden:

    Zitat

    du schreibst von Sessions und setzt diese mit "ad hoc Improvisiertem" gleich,zumindest hab ich das jetzt so verstanden? Was genau sind jetzt Sessions und sind diese immer improvisiert?

    Meine andere Frage,die mich schon immer interessierte,bezieht sich auf das Improvisieren: kann es eigentlich vorkommen,dass so ein Improvisieren in die Hose gehen und man zumindest eine Zeitlang total aus dem Rhythmus kommen und sich das eventuell auch auf die anderen Musiker auswirken kann?

    Mein Anwortversuch:

    Session meint einfach nur kein fertiges, vorher abgesprochenes, eingeübtes Programm, etwa wenn nach Auftritten auf Festivals am Ende noch Musiker aus verschiedenen Bands zusammenspielen. Oder auch: in einigen Jazz-Clubs gibt es offene Jam-Sessions, wo Musiker hingehen und einsteigen können. Wenn eine Band im Aufnahmestudio ihr übliches Live-Programm nicht extra für den Studiotermin besonders vorbereitet, oder im Studio erst verschiedene Musiker zusammenkommen und vorher nicht alles abgestimmt worden ist und quasi wie Live alle zusammen aufgenommen werden, nicht alle oder die meisten Stimmen einzeln, dann wird das Studio-Session genannt.

    Klar kann bei Sessions jede Menge in die Hose gehen. Wenn das nicht extrem vertrackte, ungerade Rhythmen sind, die dann aber eher nicht für Sessions gewählt werden, dann werden Profis zwar nicht so leicht aus dem Rhythmus kommen, aber sie haben sich vielleicht nicht viel zu sagen, spielen aneinander vorbei, einer ist in schlechter Tagesform und zieht die anderen mit runter, so dass es irgendwie uninspiriert klingt, z.B. nicht "groovt " , sondern schleppt usw.

    Improvisiert wird klassischerweise über Standards, die jeder Profi drauf hat, also einer sagt "Love for Sale" oder Miles Davis "All Blues" oder spielt z.B. am Klavier auch nur die ersten Takte an, dann wissen alle Bescheid und es geht schon irgendwie, mal besser, mal schlechter, - je besser die Interaktion, desto mehr fällt dir meistens auch solistisch, oder wo auch für die Begleitung viel Raum ist, in variierter Begleitung ein und das Stück beginnt zu "grooven"

    Je offener die Form, also z.B. wo in einer Free Jazz Session vorher gar nicht festgelegt ist, desto höher ist das Risiko: Da finden dann auch schon mal berühmte Musiker dieser Richtung einfach nicht zueinander, oder 10 Minuten sind genial, aber 40 Min davor eher mühsamer Suchprozess, eine Art musikalisches Abtasten und Aufeinanderzubewegen, - manchmal kann auch das spannend sein, manchmal bleibt es auch ein Nebeneinander.

    Wieviel vorgegeben, vorher abgesprochen oder sogar notiert und als Notenblätter bei Eigenkompositionen oder Stücken, die keine Standards sind, verteilt wird, wieviel improvisiert wird, da ist eigentlich jedes Verhältnis möglich. Oder z. B. auch: Bass und Schlagzeug geben einen nicht zu komplizierten Groove-Pattern vor, Piano oder Gitarre setzten spontan da ein paar Akkorde drüber, die Bläser setzten nach und nach solistisch ein und finden dann vielleicht auch ein paar gemeinsame Tonfolgen im Zusammenspiel, so sind auch schon aus der Gruppenimrovisation viele gute und bekannte Stücke entstanden.

    Ergänzungen und Korrekturen sind natürlich, genauso wie weitere Nachfragen, gerne gesehen.

    :wink: Matthias

  • Lieber Matthias,

    zunächst möchte ich dir einmal ganz herzlich danken,dass du mir auf meine Jazz-Fragen immer so ausführlich und gut verständlich antwortest.

    Und schon hab ich nächste Frage: [Blockierte Grafik: http://www.smileygarden.de/smilie/Schleifchen-Girls/smilie_girl_242.gif]


    Oder auch: in einigen Jazz-Clubs gibt es offene Jam-Sessions, wo Musiker hingehen und einsteigen können.


    Der Begriff "Jam" ist mir schon des Öfteren untergekommen. Was bedeutet "Jam" und was sind "Jam-Sessions"?


    [Blockierte Grafik: http://www.smileygarden.de/smilie/Schleifchen-Girls/smilie_girl_205.gif] Mozartinaa

    " Das Österreichisch klingt wie ein einzig großer Topfenknödel "......Zitat aus der Krimiserie "Bella Block"

  • Jam session

    "Jam" ist das englische Wort für "Durcheinander" (weshalb es nicht zuletzt auch "Konfitüre" bedeutet). Bei einer jam session spielt also keine feste Band, sondern das, was sich aus dem "Durcheinander" der anwesenden und spielwilligen Musiker ergibt. Eigentlich hat Matthias die Umstände oben schon beschrieben. Im Prinzip kann jeder mitmachen, was draus wird, muß sich halt zeigen.

    In Jazz-Literatur oder in Ohrenzeugenberichten liest man immer wieder, daß bei solchen Anlässen gerne regelrechte musikalische Schlachten (manchmal auch nicht-musikalische Schlachten) zwischen Musikern oder Musikergruppen ausgefochten wurden. Ob es das heute noch so gibt, weiß ich nicht; aber natürlich kann einer, der mal zeigen will, was er so drauf hat, damit rechnen, daß es ein anderer noch besser zu machen versucht.

    Bernd

    Fluctuat nec mergitur

  • In Jazz-Literatur oder in Ohrenzeugenberichten liest man immer wieder, daß bei solchen Anlässen gerne regelrechte musikalische Schlachten (manchmal auch nicht-musikalische Schlachten) zwischen Musikern oder Musikergruppen ausgefochten wurden. Ob es das heute noch so gibt, weiß ich nicht;

    Das waren die legendären Sax-Battles, Trumpet-Battles, Drums-Battles usw. vor allem mit der Hochzeit in den 40ern bis frühen 60ern, gab es aber auch schon vorher, die zumeist nach den normalen Club-Auftritten der festeren Bands in den kleinen Clubs, in denen man sich danach noch traf, stattfanden und sich häufig von spät nachts bis weit in den nächsten Morgen oder Mittag hereinzogen. Einige Impresarios, wie Norman Grantz haben dann ab ca. Mitte der 40er solche Battles der Stars auch aus der Geheimtipp-Ecke auf die großen Konzertbühnen geholt, wobei hier dann jedoch das Experimentelle solcher "Hinterhof-Club-Jams" und die Möglichkeit für Newcomer, mit einzusteigen und im Zusammenspiel mit den Größen zu lernen, verlohren ging. Da wurden solche Battles tendenziell zur Zirkus-Nummer, was sie in den offenen Jams in den kleinen Clubs nicht waren.

    Dem ging voraus, das auch schon ab ca. Mitte der 30er die größeren Swing-Big-Bands oft mehrere bekannte Solisten eines Instruments extra für Tourneen oder besondere, größere Konzerte engagierten und auch hier oft schon Battles Teil der Show waren.

    Insofern würde ich unterscheiden zwischen der Show-Battle, obwohl natürlich auch hier die Soli zumeist improvisiert waren und sich gute Musiker öfter gegenseitig zu solistischen, gelegentlich auch darüner hinaus musikalischen Spitzenleistungen anregten, und den Battles, die aus der offenen Jam-Session im kleinen Club entstehen konnten, in denen auch konzeptiv Neues ausprobiert werden konnte.

    Bei einige, sehr erfolgreichen Stars, die zeitweilig von einem großen Battle-Auftritt in großen Shows zum nächsten eilen konnten und damit in den 50ern auch endlich mal gut verdienen konnten, hat es gleichzeitig dadurch dann auch einen gewissen musikalisch-konzeptiven Stillstand gegeben und zu wenig Feilen an den eigenen Stücken und musikalisch.konzeptives Ausprobieren.

    Für Lernende war und ist die Jam-Session unverzichtbar. Aber die Möglichkeit, dabei auch von und mit den Größen zu lernen, sind spärlich geworden. Die Festival-Programme lassen solche Jam-Sessions nur noch selten zu, Ausnahme z.B. "Jazz Baltica", die musikalischen Konzepte sind im Jazz tendenziell komplexer geworden und wer sein Geld vor allem damit verdient, zu unterrichten, kann sich auch nicht mehr die ganze Nacht um die Ohren schlagen. Trotzdem, in Städten mit Jazzprogrammen an den Musikhochschulen und ein paar kleinen Clubs, die soche Sessions zulassen, wird man sie auch als Hörer noch finden und manchmal steigt dann auch der Professor noch bei seinen Schülern ein. Hier in Berlin machen das jedenfalls einige noch. Und z.B. der Saxophonist David Liebman, der ein ganz hervorragender und viel gefragter Lehrer ist und ständig unterrichtend und spielend um die ganze Welt reist, macht das sogar überall gerne. Ich habe ihn schon mit seinen örtlichen jungen Schülern in verschiedenen Städten und Ländern erlebt.

    Die offene Jam als Konzerterlebnis mit darauf ausgerichteten Bands und Festivals ist wohl hingegen zum offenen, auch Experimente zulassenden Rock gewechselt, wo in der Nachfolge von solchen Bands wie den Greatful Deads und den Allman Brothers eine eigene sehr offene "Jam-Rock"- Szene entstanden ist, oft mit alternativen Vermarktungs- und Verbreitungsformen und Übergängen zu manchem Jazz, etwa zu John Scofield, dem Orgeltrio Medeski, Martin & Wood, dem Piano-Trio The Bad Plus u.a. , aber auch mit Schittmengen zum Blues, zum Alternative Country und zum Alternative Bluegrass. Und auch mancher Jazz-Star findet gefallen, auf diesen Jam-Rock-Festivals genreübergreiffend einzusteigen, neben den genannten z.B. Branford Marsalis, Vernon Reid oder David Murray. - Freilich steht dann hier eher die E-Gitarren-Battle im Vordergrund. -
    Diese Entwicklung finde ich mit das Interessanteste, was gegenwärtig musikalisch passiert und sie stellt ein gutes Gegengewicht zur Akademisierung und Intellektualisierung des Jazz dar, insbesondere da es genug KünsterInnen gibt, die an beiden Tendenzen teilhaben, denn beide bringen auch sehr viel Produktives hervor.

    :wink: Matthias

  • Modaler Jazz war meines Wissens ein Reaktion auf die immer rasanter werdenden Akkordprogressionen des Bebop, bei der sich von vornherein auf eine einzige Skala beschränkt wurde.

    Ich habe zwar eine gewisse Vorstellung, wie das funktioniert, aber ganz sicher bin ich nicht. Also frage ich mal nach:

    1. Heißt das, modaler Jazz schließt das Spielen von Standards aus?
    2. Ein paar angeblich modale Nummern aus real books kenne ich, in aller Regel beinhalten sie mindestens 2 Harmonien. Ist die eine Skala nur eine ideale Maximalreduktion oder handelt es sich bei den Nummern um Akkorde, über die man mit einer einzigen Skala improvisieren kann?
    3. Gibt es Stücke, die durchaus eine normale Vielfalt von Akkorden aufweisen, sich bei den Imrpovisationen aber auf eine einzige Skala beschränken (modal also nur beim Improvisieren sind)?

    Danke für die Aufklärung,

    Tharon.

  • Im Modalen Jazz bildet den Gruppenzusammenhang nicht oder nicht in erster Linie das Imrovisieren entlang von Akkordprogessionen, sondern auf der Basis von einer oder mehrerer Skalen, z.B. den Blueston- oder Kirchentonarten. Modale Spielweisen haben sich herausgebildet zwar auch in Absetzung vom BeBob mit, gegenüber dem älteren Jazz meist längeren, etwas komplexeren Akkordfolgen meistens im 32 Takt-Schema, aber vor allem im Cool Jazz, in dem es einerseits oft darum ging, komplexere Formen zu entwickeln, das Tonalitätsspektrum zu erweitern tendenzeill hin zur zeitgenössischen klassischen Musik. Dieser Strang führte zu "Progressive Jazz", "Westcoast Jazz", "Third Stream". Andererseits, wenn dabei der Improvisationsspielraum gegenüber Bebob und Hardbob nicht eingeengt, sondern im Gegenteil erweitert werden sollte, entichelte sich zunächst im Cool Jazz die modale Improvisation, wobei dann schrittweise immer mehr andere Zusammenhang stiftende Parameter aufgegeben werden konnten und schließlich auch die Modi selbst nur noch Ausgangspunkt kollektiver Improvisation werden und dann selbst undogmatisch bis zur Aufgabe behandelt werden konnten. Lennie Tristano und sein Schüler-Kreis (z.B. Lee Konitz, Warne March) spielten zuerst diese Entwicklung schon Ende der 40er/Anfang der 50er durch. So entstand mit "Intuition", 1949, die erste Free Jazz Aufnahme. Diese Entwicklung kann man auch von den Miles Davis- Gruppen mit John Coltrane hin zur Entwicklung des John Coltrane Quartetts verfolgen. Miles Davis Stück "So what" und die meisten Stücke auf dem berühmten Album "Kind of Blue" stehen für typischen modalen Jazz der 50er.
    Theoretisch war neben Tristano vor allem der Stephan Wolpe-Kompositionsschüler George Russell für diese Entwicklung bedeutend mit seinem Buch „The Lydian Chromatic Concept of Tonal Organization“ (1953), dass Möglichkeiten aufzeigte, den alten tonalen Raum chromatisch, hin zur "Atonalität" über modale Spielweisen zu erweitern.

    Soweit kurz zur Geschichte. Anhand der Fragen läßt sich auf die Spielweise eingehen. Allgemein dazu vorweg, modale Spielweise schließt Anderes nicht dogmatisch aus, wurde aber zeitweilig zur den improvisatorischen Zusammenhang stiftenden Dominante, ist das vielfach auch heute noch. Jedenfalls sind modale Spielweisen heute nach wie vor ganz wesentlich.

    1. Heißt das, modaler Jazz schließt das Spielen von Standards aus?)?

    Abgesehen davon, dass modale Jazz-Stücke wie Miles Davis "So what" selbst zu Standards wurden, nicht, aber es wird jetzt nicht mehr entlang der genauen Akkordfolge imrovisiert, sondern die einfache Tonfolge der Melodie dient als Basis zur Bestimmung einer oder mehrerer sich in der Melodiefolge abwechselnder Skalen, die, wo es mit der Melodie nicht ganz passt, eben etwas erweitert werden, oder die Melodie wird so variiert, das sie in die gewählte Skala passt. Typisch ist dabei auch, dass in den stärker ausgedehnten Solo- oder dann über den modalen Zusammenhang auch Gruppenimprovisationsteilen die Melodie wesentlich reduziert wird auf wenige Grundtonfolgen oder auf 2-3 in die Skala passende markante Grundakkorde. Wie dabei der Freiheitsraum zunahm, die Melodie immer freier umspielt, immer mehr verlassen wird und schließlich nur noch gelegentlich aufleuchtet, kann man sehr gut verfolgen, wenn man sich die vielen verschiedenen Aufnahmen des John Coltrane Quartets von dem Standard "All the Things you are" anhört. Anfangs (1060/61) spielt McCoy Tyner am Klavier noch überwiegend nah an den Harmoniefolgen des Originals, Bassist Garrison und Coltrane modal um die Melodie, aber immer weniger an ihre Harmoniefolge gebunden. Schon bald wird auch Tyner einer der zentralen Neuerer eines modalen Klavierspiels. Die von ihm gewählten Akkordfolgen sind jetzt durch die gewählten Skalen, nicht mehr von der Harmoniefolge des Originals bestimmt, Coltrane hingegen nützt die Skalen live bereits seit 61 nur noch als Ausgangspunkte zur freien Improvisation, auf die man immer wieder gemeinsam zurückkommen kann. Hört man dann die letzten Aufnahmen von 65, nutzen jetzt alle die gemeinsamen Skalen nur noch als Ausgangs- und Orientierungsräume, also das Improvisationsgeschehen kommt immer wieder auf z.B. Lydisch A zurück, ist aber daran nicht mehr völlig gebunden. Rein modal gespielt, hieße hingegen, alle improvisieren innerhalb Lydisch A oder auch einer Abfolge von z.B. Lydisch A, Lydisch H, Lydisch E, Mixolydisch C, Lydisch A oder wie auch immer. Trotzdem werden auch in diesem naheliegenden Übergang vom modalen Jazz zu Free Jazz weiter Standards gespielt. Wie das dann funktioniert, die immer undogmatischer benutzten Skalen dennoch ein Zusammenhang stiften, die Standardsmelodie nur noch gelegentlich reduziert auftaucht, kann man z.B. gut wieder in den wunderbaren Aufnahmen des klassischen John Coltrane Quartets von 1965 von "Chim Chim Cherrie", "Bye Bye Blackbird" oder "Greensleafs" anhören.

    Zitat

    2. Ein paar angeblich modale Nummern aus real books kenne ich, in aller Regel beinhalten sie mindestens 2 Harmonien. Ist die eine Skala nur eine ideale Maximalreduktion oder handelt es sich bei den Nummern um Akkorde, über die man mit einer einzigen Skala improvisieren kann?

    Es ist beides möglich. Im real book sind manchmal auch von modalen Stücken weit mehr als die Grundakkorde angegeben, Ich kann die Akkordfolge weiter ausschreiben und dann auch ein weitgehend modales Stück wie Miles Davis "So what" klassisch, nicht moal spielen. Modal gespielt wäre sowohl so möglich, dass ich nur die Grundakkorde zur Basis der Wahl der Skala oder der Abfolge von Skalen nehme oder nur zu einigen Tönen der Melodiefolge Akkorde bilde, die in die gewählte Skala passen und die ich als Grundakkorde benutze oder ich spiele die Melodie so verfremdet, dass ihre Töne in die Skala passen und welche Akkorde, aus Tönen die in der Skala vorkommen, gespielt werden, entscheidet jeder Spieler selbst in der Improvisation. Und ich kann das natürlich auch kombinieren. Wenn ich einige ganz wenige Grundakkorde zur Basis nehme, wie Miles Davis in "So what", dann können die Grundakkorde die Abfolge der Skalen bestimmen, über die gemeinsam improvisiert wird, ganz ähnlich wie beim Blues, in dem eigentlich immer schon viel modal improvisiert wurde, in der Bluestonleiter, die zu dem Grundakkord passt der 1-4 Takte bestimmt etwa in der typischen Takt- und Grundtonfolge des Standard 12-Takt-Blues. Miles Davis frühe modale Stücke waren ja auch meist noch weitgehend Blues-Nummern. Ich kann dan auch eine Melodiefolge aus Töner, die in dieser einen Skala/oder dieser abfolge von Skalen vorkommen, bilden und über die Grundakkorde legen.

    Zitat

    3. Gibt es Stücke, die durchaus eine normale Vielfalt von Akkorden aufweisen, sich bei den Imrpovisationen aber auf eine einzige Skala beschränken (modal also nur beim Improvisieren sind)?

    Machbar ist´das sicher, gibt es auch nicht so selten, obwohl mir jetzt kein Beispiel einfällt. Es müßten dann alle Akkorde nur aus Tönen dieser einen Skala gebildet werden. Gemeinsam werden dann etwa die Themen oder Motive entlang der Akkordharmoniefolge gespielt, der Soloteil modal. Nicht mit einer einigen, aber mit einer bluesartigen Abolge von wenigen Skalen geschieht dies auch meist so im Hardbob, oft auch bei Mingus.

    Die Version des stärker modalen Jazz wäre eben, eine Melodie aus Tönen einer Skala oder einer festen Abfolge von Skalen wird von allen modal umspielt, wobei die Akkordinstrumente natürlich auch Akkorde und Akkordfolgen gebildet aus Tönen der Skala spielen. Der nächste Schritt ist dann, Akkordfolgen werden zum Übergang zwischen solchen Skalen oder erweitern, bzw führen partziell aus der Skala raus oder können gar das gleichzeitige Spiel in parallelen Skalen erlauben ohne dass es nur dissonant klingt.

    Ein weiterer Entwicklungsschritt vom modalen Jazz aus nutzt dies letztere: In Ornette Colemans "harmolodischem" Improvisationskonzept, gibt es zumeist eine einfache, blues- oder kinderliedartige Melodie. Einige Töne aus der Melodie werden zumeist vorher auch nicht mal oder nur ausnahmsweise festgelegt, wirken aber als sozusagen "Treffpunkte", denn jeder Musiker darf in seiner eigenen Skala gleichzeitig über die Melodie improvisieren, aber es bilden sich im Zusammenspiel um die Melodie herum immer wieder Akkorde, die in mehreren zur Melodie passenden Skalen gleichzeitig vorkommen. Den Zusammenhang stiftet zunächst die Melodie- und bei ihm ganz stark der Rhythmus, es entsteht auch darüber hinaus immer wieder ein vertrauterer, einen hörbaren Zusammenhang mitstiftender Zusammenklang. Ornette Colemans Musik klingt so sehr frei, erweitert ja auch noch mal den Freiheitsspielraum, ist aber gleichzeitig weiterhin weitgehend modal gebunden.

    Hm, zugegeben, keine Ahnung, ob man daraus schlau werden kann. :hide: Ich bin nicht gewohnt, es nur zu beschreiben. Am Instrument wäre es mal wieder recht einfach zu zeigen. So rein theoretisch es genauer und mit Jazzharmonielehre und Noten darzustellen, wäre ich auch etwas überfordert.

    Sicherlich könnte Miguel ergänzen oder mich korrigieren, wenn er mal wieder hier vorbeischaut.

    :wink: Matthias

  • jazzig - jazzoid

    jazzig ( wie Jazz wirkend,den Jazz nachahmend) und jazzoid ( dem Jazz ähnlich,in der Art des Jazz),zwei Begriffe,die für mich keinen wesentlichen Unterschied ergeben,der aber sicher besteht.......

    aber welcher?[Blockierte Grafik: http://www.smileygarden.de/smilie/Schleifchen-Girls/smilie_girl_184.gif]

    Ganz toll und hilfreich wäre es für mich,wenn Ihr ein Musikbeispiel zu jedem Begriff ins Forum stellen würdet,natürlich nur,wenn Euch eines beim Musikhören mit Whisky und Zigarre,kann aber auch nur Wein sein, unterkommen sollte.[Blockierte Grafik: http://www.smileygarden.de/smilie/Schleifchen-Girls/smilie_girl_178.gif]

    Liebe Grüße

    Mozartinaa

    " Das Österreichisch klingt wie ein einzig großer Topfenknödel "......Zitat aus der Krimiserie "Bella Block"

  • jazzig ( wie Jazz wirkend,den Jazz nachahmend) und jazzoid ( dem Jazz ähnlich,in der Art des Jazz),zwei Begriffe,die für mich keinen wesentlichen Unterschied ergeben,der aber sicher besteht.......

    aber welcher?

    Hallo Mozartinaa,

    den Unterschied dürfte wohl nur der Gebraucher kennen, ist mir jedenfalls kontextlos auch unklar. :D

    :wink: Matthias

  • den Unterschied dürfte wohl nur der Gebraucher kennen, ist mir jedenfalls kontextlos auch unklar

    Lieber Matthias,

    leider las ich die Begriffe "jazzig und jazzoid" in keinem Zusammenhang. Sie fielen mir lediglich auf,als ich beim Durchblättern eines für mich geeigneten Anfänger-Jazzbuches am Ende eine Art Jazzlexikon vorfand. Da mir der Ausdruck "jazzoid" bis dato nicht bekannt war,habe ich diese Frage ins Forum gestellt.

    Könntest du mir bitte dennoch zwei Fragen beantworten.

    1. welche Kriterien muss ein Musikstück erfüllen,dass man es als "jazzig" bezeichnet und kann es eigentlich einen fließenden Übergang von jazzig zu Jazz geben?

    2. Wird der Ausdruck "jazzoid" zur Beschreibung einer Musik (überhaupt) verwendet?


    Danke und liebe Grüße

    Mozartinaa

    " Das Österreichisch klingt wie ein einzig großer Topfenknödel "......Zitat aus der Krimiserie "Bella Block"

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