Der Stummfilmthread

  • Hier eine Liste über erhaltene (und auf DVD vorhandene) Ford-Stummfilme:

    • The Blue Eagle (1926)
    • Bucking Broadway (1917)
    • By Indian Post (1919)
    • Cameo Kirby (1923)
    • Four Sons (1928)
    • Hangman’s House (1928)
    • Hell Bent (1918)
    • The Iron Horse (1924)
    • Just Pals (1920)
    • North of Hudson Bay (1923)
    • Riley the Cop (1928)
    • Salute (1929)
    • The Shamrock Handicap (1926)
    • Straight Shooting (1917)
    • 3 Bad Men (1926)
    • Upstream (1927)

    16 von insgesamt 66 Stummfilmen. Dann kommen einige hinzu, die nur noch fragmentarisch erhalten geblieben sind.

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Und mal wieder einen reingeschoben:

    Einer der ganz frühen Gangsterfilme, vielleicht sogar der erste. Der erste Langfilm, den Raoul Walsh 1915 inszenieren konnte. Fast eher ein Sozialdrama, eine soziale Studie, aber trotzdem eben auch ein Gangsterfilm. Und was für einer! Harte schnelle Schnitte, bedingungsloser Realismus (ohne diesen poetisch zu überhöhen, wie Stroheim es dann gemacht hat), Amerika von ganz unten ohne jede Beschönigung. Das ist immer noch packend.

    Der Film galt übrigens lange als verschollen, Urde erst in den 70igern wieder entdeckt und liegt in der obigen Fassung mit mehreren Stellen vor, die wohl nicht mehr zu restaurieren sind, weil sich das Nitrat da schon ziemlich aufgelöst hat. Und trotzdem ein Meilenstein. Absolut sehenswert!!!

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Dieser Thread zeitigt Wirkung bei Neueinsteigern und Ahnungslosen was die Materie angeht :D

    Meine einzigen Begegnungen mit Stummfilm waren s/w Sketche in der Kindheit im TV, Buster Keaton wenn ich mich recht entsinne.

    Vorgestern lieh ich den Metropolis aus meiner Videothek aus (mirakulöserweise steht der da in der SF-Abteilung wie ein Fremdling zwischen Star Treck Filmen), das war aber noch nicht meins. Sehr beeindruckende Passagen, aber mir zu (sozial) schwülstig, zu lang, und die Musik fand ich über die Gesamtdistanz nervig :( aber es war doch ein Erlebnis, irgendwie. Ich hab ihn halb geschafft.

    Heute besorgt:

    ... Und das ist ein Hammer! Ich bin begeistert, betört, ich hab ihn hintereinander zweimal geschaut. (das Werner Herzog Remake liebe ich schon lange)

    Ich will mehr von sowas :D Habt ihr Tips? Es sollte schon in Richtung Schauerromantik / Horror / Düsternis gehen, ich habe da ein Faible für. Wie ist der Dr Mabuse? Wie der Golem? Gibt es Schätze in diesem thematisch engen Bereich die zu heben sich lohnt?


    Ach danke für diesen Thread ihr Lieben <3 :D


    LG :)

    "Verzicht heißt nicht, die Dinge dieser Welt aufzugeben, sondern zu akzeptieren, daß sie dahingehen."
    (Shunryu Suzuki)

  • Dieser Thread zeitigt Wirkung bei Neueinsteigern und Ahnungslosen was die Materie angeht

    Welch schöne Nachricht. Da müssen wir natürlich sofort sehen, dass wir das Flämmchen weiter am Leben erhalten. ^^

    Sehr beeindruckende Passagen, aber mir zu (sozial) schwülstig, zu lang,

    Metropolis ist schon wirklich toll gemacht. Warum er nun irgendwie immer als der Stummfilm gilt, hat sich mir auch nicht erschlossen. Zu lang empfinde ich ihn nicht, bin sogar froh ob der neuen Fassung mit dem wiedergefundenen Material. Aber die Ideologie dahinter, die Zusammenführung des Arbeiters des Hirns mit dem Arbeiter der Hand, um den (ewigen) sozialen Frieden zu garantieren, finde ich auch suspekt. Da darf man halt nicht vergessen, dass die gute Thea als Drehbuchautorin eben schon auch mit den Nazis liebäugelte.

    ... Und das ist ein Hammer! Ich bin begeistert, betört, ich hab ihn hintereinander zweimal geschaut.

    Bei meiner ganzen Stummfilmerei der letzten Zeit habe ich den diesmal gar nicht wiedergesehen. Ein Hammer ist er ohne Frage, aber nun muss er wirklich die Tage nochmal drankommen.

    Ich will mehr von sowas Habt ihr Tips? Es sollte schon in Richtung Schauerromantik / Horror / Düsternis gehen, ich habe da ein Faible für. Wie ist der Dr Mabuse? Wie der Golem?

    Da hast du mit dem Nosferatu quasi schon die erste Adresse erreicht. Vielleicht machst du mit Murnau weiter und schaust dir den Faust an. Thema Düsternis. Golem ist toll, allerdings schon anders gelagert als der Nosferatu. Vielleicht 'Der müde Tod' von Lang, der wenigstens zwei sehr düstere Episoden hat. Oder Phantom, wiederum Murnau. Mabuse ist auch großartig, allerdings wie alle späteren Lang-Filme, sehr dem Namen entsprechend lang. Oder aber den noch Stummfilm konzipierten. dann mit Toneinsprengseln versehenen Vampyr von Carl Theodor Dreyer. Hammer!!!

    Aber bestimmt weiß Josquin Dufay noch einige.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

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  • Zum Horrorgenre habe ich keine große Affinität, daher kann ich keinen Tipp geben.
    Dafür einen zum Gegenteil von Lang, nämlich kurz:10 Minuten nur dauert der Film “Suspense“ von 1913.
    Er ist von der amerikanischen Regisseurin Lois Weber, die darin auch die Hauptrolle spielt.
    Arte Programmtext: "Eine Mutter mit Kind bleibt in einem abgelegenen Haus zurück, nachdem die Hausangestellte gekündigt hat. Bedrohlich nähert sich ein Landstreicher dem Haus. Die Frau ruft ihren Ehemann an, doch bis der zu ihr kommt, dauert es eine Weile und der Unbekannte versucht, sich Zugang zum Schlafzimmer zu verschaffen …"
    https://www.youtube.com/watch?v=zfgiUvBaosg
    Laut wikipedia war sie die erste Frau, die als Regisseurin einen Langspielfilm produzierte (1914, Kaufmann von Venedig).

    :wink: Talestri

    One word is sufficient. But if one cannot find it?

    Virginia Woolf, Jacob's Room

  • Ich will mehr von sowas Habt ihr Tips? Es sollte schon in Richtung Schauerromantik / Horror / Düsternis gehen, ich habe da ein Faible für. Wie ist der Dr Mabuse? Wie der Golem? Gibt es Schätze in diesem thematisch engen Bereich die zu heben sich lohnt?


    Klar... :D

    Das Cabinet des Dr. Caligari (1920)

    Immer noch der Prototyp des phantatsischen Stummfilms.

    Vielleicht machst du mit Murnau weiter und schaust dir den Faust an. Thema Düsternis. Golem ist toll, allerdings schon anders gelagert als der Nosferatu. Vielleicht 'Der müde Tod' von Lang, der wenigstens zwei sehr düstere Episoden hat. Oder Phantom, wiederum Murnau. Mabuse ist auch großartig, allerdings wie alle späteren Lang-Filme, sehr dem Namen entsprechend lang. Oder aber den noch Stummfilm konzipierten. dann mit Toneinsprengseln versehenen Vampyr von Carl Theodor Dreyer.


    Paßt schon - besonders würde ich vorschlagen:

    Der Golem, wie er in die Welt kam (1920)

    Der müde Tod (1921)

    Faust (1926)

    Sollte für den Anfang reichen... :jaja1:

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    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Das sollte man vielleicht nochmal klar erwähnen: wenn man Stummfilme im Netz sucht, wird man in Youtube eine besonders ergiebige Quelle finden. Viele Privatleute haben Filme unterschiedlichster Genres hochgeladen. Sehr häufig sind es eigene Bearbeitungen bzw. "Restaurationen", die besonders liebevoll erstellt wurden. Neben unzähligen Kurzfilmen findet man auch die wichtigsten Langfilme vor - teilweise kann man sich sogar den gleichen Film unter mehreren Postings aussuchen.

    Das Internet Archive würde ich ebenso nennen - dort ist ohnehin sehr viel zu finden, was in den USA inzwischen als Public Domain gilt (gilt auch für Musikaufnahmen). Dazu kommen auch noch die Internetplattformen von Filmarchiven, die manchmal auch einige ihrer Restaurationen hochgeladen haben.

    Zu guter Letzt das Stummfilmforum der Welt - nur in Englisch: NitrateVille

    Ich kenne kein Größeres. Da wird praktisch alles erwähnt, was nicht niet- und nagelfest ist. Vor allem beschränkt es sich nicht auf das Sichten von Filmen, sondern es gibt auch Threads zu solchen Fragen wie Restauration, Lagerung von Nitratfilmen, Musikbegleitungen usw. (Und der frühe Tonfilm wird übrigens nicht ausgeschlossen.)

    Das deutsche Pendant Stummfilm.de ist ja leider vom Netz gegangen - wohl auch deswegen, weil zuletzt kaum mehr was darin geschrieben wurde. Es war einfach zu klein.

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  • Zu guter Letzt das Stummfilmforum der Welt - nur in Englisch: NitrateVille

    Danke für den Hinweis. Gleich zu den Favoriten hinzugefügt.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Heute beendet:

    Ein wirklich ergreifender Film, der vielleicht Abel Gance Lust an der filmtechnischen Innovation noch nicht so zeigt (wie sollte er auch, geht es doch um das Produktionsjahr 1919 !), der aber von der Montage, von der Aussage her, ein wirklicher Klassiker sein sollte.

    Als Bonus gibt es 'Mère Francaise', ein Film, zwei Jahre vorher produziert, der immerhin die große Sarah Bernhardt in einer ihrer letzten Filmrollen zeigt. Leider nicht in Großaufnahme. Durchaus ähnlich in der Aussage (so weit ich das nach der Hälfte des Films beurteilen kann), gibt es doch eklatante Unterschiede zu Abel Gance. Hier wird eigentlich nur vor der Kamera gespielt, so dass eine Montage kaum stattfindet. 'Birth of a Nation' scheint völlig unbekannt zu sein. Inszenierung innerhalb des Bildrahmens und von daher keine eigenständige Filmsprache. Zwei Jahre Produktionsdifferenz waren damals wohl wahrlich Quantensprünge der Filmentwicklung.

    :wink: Wolfram

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  • Peter Pan
    USA 1924

    Die erste Kino-Adaption von Barries Theaterstück entstand 1924 und war ein großer Weihnachtshit; tatsächlich folgte bis 1953 keine weitere Verfilmung, als Walt Disney seine Zeichentrick-Version in die Kinos brachte. Die bekannteste Fassung heutzutage ist sicherlich Spielbergs Hook von 1991, und danach folgten noch einige CGI-stroztende Neuinterpretationen.

    Peter Pan war keine billige Produktion, und man sieht auch sehr deutlich die Sorgfalt, mit der man das Märchen auf die Leinwand bringen wollte. Doch all das würde wenig Eindruck machen, wenn Regisseur Herbert Brenon (1880-1958) nicht auch den Geist der Vorlage rübergebracht hätte. Tatsächlich hat der Film eine Unmittelbarkeit, wie ihn wenige Kinderfilme in der Filmgeschichte je zustande gebracht haben: er bringt die spezifisch kindliche Sichtweise so treffend naiv herüber, ohne dabei ins Oberlehrerhafte abzurutschen. Auf den ersten Blick mag das alles kitschig wirken, zumal es einen wirklich viktorianischen Hauch enthält - doch andererseits ist die Story so treffend auf jene Cowboy-und-Indianer-Mentalität hin ausgerichtet, daß man tatsächlich auch heute noch das Kind in sich spüren kann.

    Betty Bronson als Darstellerin der Titelfigur hat dabei nicht geringen Anteil; sie springt und läuft unbekümmert herum und lotet die wenigen emotionalen Augenblicke überzeugend aus - und man vergißt irgendwann die Frau dahinter. (Es ist übrigens nicht ungewöhnlich, daß Peter Pan von einer Frau gespielt wird; das war schon im Theaterstück so.) Wendy und ihre Mutter entsprechen zwar eher der damaligen Ästhetik der treudoofbraven Frau, aber dafür reißen die Lost Boys und vor allen Captain Hook wieder einiges heraus; besonders Ernest Torrance als hakenbewährter Piratenkapitän macht eine gute Figur als großmäuliger Hasenfuß.

    Ich muß zugeben, daß mich diese Adaption wesentlich mehr bezaubert hat als die beiden anderen bekannten Versionen: Disneys Film wirkt viel zu oberflächlich und zu rastlos, als daß eine treffende Balance zu der emotionalen Seite der Geschichte stattfindet; und Spielberg begeht seinen typischen Fehler, perfekte Illusion in Sentiment zu ertrinken - die wenigen Szenen, die in ihrer Naivität Barries Vorlage am Nächsten kommen, sind einfach zu selten. Es ist erstaunlich, wie frisch ein 96jähriger Film (!) wirken kann, wenn man bereit ist, sich auf seine kindliche Seite einzulassen.

    Die Blu-ray präsentiert den Film in einer erstaunlich guten Verfassung - eine feine Adaption in toller Qualität.

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • ...vorgestern Abd. - v.einer älteren digitalenFestplatte zu dreiviertels rübergerettet (d.h. die ersten c.25min. fehlen) ...
    (scheint ja auf DVD schwierig zu kriegen!)

    **

    ... so c. 1915/16 scheint mir so 'ne Art Bruch in der Stummfilm-Ästhetik gewesen zu sein: die movies davor bevorzugen eine ''Schauspieler-Gestik'',
    die nicht selten nur noch schwer erträglich ist - so eben auch hier **
    ( :!: demgegenüber kömmt mir die Mimik - interessanterweise!! - nicht selten fast schon ''heutig'' vor :!: )

    < = diese Richie Wagner - Bio (v. 1913 !) würd' ich mir (ob des geschilderten ''Mangels'') eher nicht für moneymoney anschaffen wollen ...
    a b e r sie bietet durchaus jede Menge interessanter tableaus ... u. natürlich bleibt das ''Gänse - häutige'':
    sich vorzustellen, dass Richie gerade mal 30J. tot gewesen, als die Dreharbeiten begonnen haben (d.h. sein Tod damals gerade mal so lange her gewesen ist
    wie für uns heute der Fall der Berliner Mauer!) - das ist schon :huh: :huh: :huh:

    :wink:

    Das TV gibt mehr 'Unterhaltung' aus, als es hat - in der bürgerl. Gesetzgebung nennt man das 'betrügerischen Bankrott' Werner Schneyder Es ging aus heiterem Himmel um Irgendwas. Ich passte da nicht rein. Die anderen aber auch nicht. FiDi über die Teilnahme an seiner ersten (und letzten) Talkshow

  • Auf YouTube findet sich eine Dokumentation in 6 Teilen zur europäischen Stummfilmära.

    https://www.youtube.com/watch?v=2fi1yarWLyQ
    https://www.youtube.com/watch?v=C9K-UUE6cZU
    https://www.youtube.com/watch?v=cWe6tDUpKgA
    https://www.youtube.com/watch?v=_g_vP_dcVbA
    https://www.youtube.com/watch?v=ljuTuctFecY
    https://www.youtube.com/watch?v=ljuTuctFecY

    Die Folgen haben jeweils eine Dauer von einer knappen Stunde und widmen sich ausgiebig jeweils einem Thema. In Folge I geht es um den absoluten Beginn des Kino bis zum I. WK. Dann gibt es jeweils einen Abschnitt zum schwedischen, deutschen, französischen und englischen Stummfilm und dann in der letzten Folge geht es um das Ende der Ära durch den aufkommenden Tonfilm. Erzähler ist Kenneth Branagh und zwischen all den durchaus ausgiebigen Filmausschnitten gibt es dann noch kurze Interviews von Zeitzeugen.

    35 Jahre in 6 Stunden bleibt ein ehrgeiziges Projekt, auch wenn pro Folge ziemlich viel Zeit zur Verfügung stand. Natürlich fällt ganz vieles weg und trotzdem ist es ein wirklich kenntnisreicher, interessanter und sehr informativer Überblick, der da entstanden ist, immer auch mit Bezug zum aktuellen Zeitgeschehen der jeweiligen Ländern, zu Produktionsbedingungen und der Allgegenwart Hollywoods.

    Sehr sehenswert!

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Immerhin hab ich mir man den Metropolis bestellt. Trotz der abschreckenden Musik :versteck1: War das doch ein irgendwie irres Erlebnis das ich wiederholen möchte. Und auch der Mabusestummfilm von Lang wird hier anlanden. Aber ob ich dann noch mehr brauche.... Ich verfolge mit großem Interesse Deine zahlreichen Ausführungen zum Thema, lieber Wolfram, aber Stummfilm ist etwas völlig andres als Film - das guckt man ja nicht einfach, das ist ja eine ganz andere Rezeptionssituation. Erfordert eine ganz andre Konzentration. Ich muß mich da reinfinden. Aber es lohnt jedenfalls ob der teils irren visuellen Reize, das muß ich sagen!

    Aber ich bin sparsam, ich kann nur ca 5,6 im Jahr davon vertragen, es braucht halt viel Zeit um dem wirklich nahe zu kommen. Mal sehen wie es weitergeht. "Schloß Vogeloed" war ein mir wertvoller weitergehender Tip!


    :)

    "Verzicht heißt nicht, die Dinge dieser Welt aufzugeben, sondern zu akzeptieren, daß sie dahingehen."
    (Shunryu Suzuki)

  • aber Stummfilm ist etwas völlig andres als Film - das guckt man ja nicht einfach, das ist ja eine ganz andere Rezeptionssituation.

    Ich glaube, lieber Garcia, da hast du ein großes Wort gelassen ausgesprochen. ;)
    Ich denke immer mehr, dass Stummfilm kein Film ohne Ton ist, sondern eine völlig eigene Kunstrichtung, natürlich unter dem Dach des 'Film-Hauses'. Aber es ist wirklich eine andere 'Sprache', die ich übrigens auch nicht ständig sehen, also erleben kann. Immer wieder kommt es vor, dass ich einen angefangenen Stummfilm aus dem Player nehme und denke: Ach, lieber erstmal 'n Barnaby.' ^^ Stummfilme sind auch anstrengend, wohl weil so fremd.

    "Schloß Vogeloed" war ein mir wertvoller weitergehender Tip!

    Das freut mich. :)

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • aber Stummfilm ist etwas völlig andres als Film - das guckt man ja nicht einfach, das ist ja eine ganz andere Rezeptionssituation. Erfordert eine ganz andre Konzentration.

    Ich denke immer mehr, dass Stummfilm kein Film ohne Ton ist, sondern eine völlig eigene Kunstrichtung, natürlich unter dem Dach des 'Film-Hauses'.

    Eine Frage der Gewöhnung, nichts anderes. Irgendwann hat man den Grad überschritten, wo das Schauen eines Stummfilms ganz natürlich abläuft.

    Es ist ohnehin so: der Stummfilm war der Beginn der Kunstrichtung Film - der Tonfilm hat eine weitere Dimension addiert und nachher den Film sozusagen "verschoben" zu den Sehgewohnheiten, die man heute kennt. Aber die ganzen erzählerischen Formalien waren bereits im Stummfilm ausgebildet (bis auf den Umgang mit Ton natürlich).

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

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  • Zum Thema Stumm- und Tonfilm passt dieser hier, den ich heute gesehen habe, ganz gut.

    (1929)

    Der erste Stummfilm, den ich gesehen habe, in dem die handelnden Personen in einen Tonfilm gehen. ^^

    Überhaupt die Kino-Szene. Grandios gestaltet und geschnitten. Und hier wird deutlich, was Ton- und Stummfilm u.a. unterscheidet. In dieser sehr langen Sequenz werden alle Personen, auch die zufällig auftretenden Kinobesucher, sehr genau charakterisiert, ebenso wie die rasende Eifersucht des Helden. Und da niemand irgendetwas verbal äußern kann, muss es über die Mimik geschehen, wird aber v.a. visuell dargestellt. Bis auf Kamerafahrten oder Schwanks nutzt der Regisseur dafür dann aber quasi das ganze damals bekannte Repertoire, v.a. die Montage, Groß- und Nahaufnahmen, Positionierung der Schauspieler zueinander innerhalb eines Bildes, Kamerawinkel usw., so dass zutiefst enthüllende Porträts entstehen und eine ungemein lebendige 10-minütige Sequenz, in der eigentlich nichts passiert. Im Tonfilm hätte nun einfach die Verführung darin bestanden, die Personen reden oder besser gesagt, hier flüstern zu lassen. Das ist, glaube ich, das, was für den Tonfilm oftmals eine Gefahr ist (ich rede hier nicht von den wirklichen Regie-Könnern), dass er eben so geschwätzig ist. Beispiel George Cukor. Er lebte folgende Szenen: Totale vom Raum. Auftritt der Personen von links und rechts. Treffen in der Mitte, dann Dialog, aufgelöst durch Schuss und Gegenschuss. Abgang. Ok, das ist jetzt übertrieben, aber in vielen Filmen der älteren Zeit hat man dieses Modell. Die visuellen Möglichkeiten des Films müssen nicht genutzt werden, weil man die Handlung ja durch Sprache deutlich machen kann. Oder aber man arbeitet heute gerne permanent mit den filmischen Mittel, lässt die Kamera niemals mehr ruhen, schneidet in einer Tour und als Zuschauer fragt man die ständig: Warum???? Stummfilm musste da viel präziser sein, weil sonst der Zuschauer die Handlung nicht verstanden hätte.

    Das nur mal so als Diskussionspunkt, aber nun schnell wieder zurück zum Film.

    Der Film ist einer der vielen Stummfilme, die zu spät produziert wurden, um noch wirklich mit Wucht einschlagen zu können. Der Tonfilm war da und das Interesse am stummen Film ließ dann ja rapide nach. 'A Cottage on Dartmoor' ist eines dieser Opfer. Der Film ist zunächst ein schlichtes Eifersuchtsdrama, größtenteils in einer langen Rückblende erzählt, wandelt sich dann zum Ende hin aber in ein durchaus menschlich anrührendes Stück.

    Aber wie Asquith das erzählt, ist schlichtweg grandios. Er bedient sich reichlich aus den Stilmitteln des europäischen Kinos, verknüpft diese aber auf eine ganz persönliche Weise. Ohne Potemkin, ohne den Expressionismus, ohne die Schweden, aber v.a. ohne Hitchcock wäre dieser Film nicht denkbar. Nur kopiert Asquith nicht, sondern er findet für jede Situation den richtigen filmischen Ausdruck. Der Beginn, in dem der Held geradezu ins Bild fällt und dann über das Dartmoor flüchtet bis er seine große Liebe wieder trifft, der schnelle Schnitt in die Rückblende im Friseursalon und die gesamte Handlung an diesem Ort, die beginnende Eifersucht, das Spiel mit Händen und Blicken, der Schnitt, der andeutet und offenbart, dann die große Kinosequenz, der versuchte Mord, das dramatische Finale, wieder zurück in der Gegenwart, im Cottage. All das ist filmisch und schauspielerisch wirklich meisterlich dargestellt. Und zudem witzig und auch das hat Asquith von Hitchcock, diesen Wechsel von Spannung und komödiantischer Entladung.

    Also ein wirklicher 'Hammer' dieser Film und für mich eine Neuentdeckung die sich mehr als gelohnt hat.

    :wink: Wolfram

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  • (USA 1928)

    Ein früherer russischer General (Jannings), den die Revolutionswirren nach Hollywood verschlagen haben, wird von einen ehemaligen Revolutionär (Powell), den er hat gefangen nehmen lassen, für Dreharbeiten engagiert, bei denen er dann stirbt. Klingt nach einem eher unwahrscheinlichen Hollywood-Plot, basiert aber wohl auf einer wahren Geschichte.

    Das Drehbuch von John F. Goodrich wurde, wie man heute weiß, massiv von Sternberg überarbeitet, wofür er aber keine 'Credits' erhielt. Eine lange Rückblende, die das Schicksal des Generals während des I. WK in Russland zeigt, ist eingebettet in eine Rahmenhandlung, die nun in Hollywood vor und während der Dreharbeiten spielt. Der General wird als 'Extra', als Statist engagiert, was im ersten Teil zu hochinteressanten Details über den Umgang der Studios mit ihren Kleindarstellern führt. 'Traum' ist da nicht mehr zu finden, nur noch 'Fabrik'. Auch im letzten Teil geht Sternberg ziemlich harsch mit seinem 'Arbeitgeber' um, zeigt ein fast menschenverachtendes Arbeitsklima, was dabei auch noch eine Spiegelung russischer Verhältnisse unter dem Zaren ist. Dort, in Russland, begleitete der General den Zaren beim Abschreiten der Soldaten, die in den Krieg ziehen mussten, während der Revolutionär im Gefängnis saß. Nun, in Hollywood, paradiert der ehemalige Revolutionär an den als Soldaten verkleideten Statisten vorbei und in beiden Fällen gibt es eine der eher seltenen Kamerafahrten an all den Menschen entlang, die zur Begutachtung strammstehen müssen.

    Jannings und Powell, der General und der Revolutionär, der eigentlich Theaterdirektor war, verkörpern wohl beide Seiten Sternbergs, den Machtmenschen, der sich auch knechten lässt und den Künstler, der das Hollywood-System benutzt und es gleichsam verachtet. Wie so oft setzt sich Sternberg auch in diesem Film ganz stark mit sich selber auseinander. Und so fehlt natürlich auch die entsprechenden weibliche Figur nicht, die vom Künstler zum General wechselt und der Jannings völlig verfällt. Evelyn Brent spielt sie und ist was Gesten, Blicke, Bewegungen angeht, in ihrer Uneindeutigkeit und Rätselhaftigkeit und so wie sie inszeniert wird eine direkte Vorläuferin der Dietrich. Als hätte er immer nur auf Dietrich gewartet und die qualvolle, selbstzerfleischende, masochistische Beziehung mit ihr. All das taucht in der Figur der Natascha schon auf, noch unklar, aber der Verweis auf die spätere 'Erfüllung' ist eindeutig.

    Ein faszinierend vielschichtiger Film, aber ohne besondere Erwähnung von Emil Jannings darf solch eine Kurzabhandlung natürlich nicht enden. Spätestens seit 'Der letzte Mann' und den nachfolgenden Filmen galt Jannings auch international als Star, was dazu führte, dass er ab 1927 auch einige Filme in den USA drehte, bis ihn Sprachprobleme und ein sich verändernder Publikumsgeschmack beim Aufkommen des Stummfilms wieder nach Deutschland führten. Für seine ersten beiden Filme dort ('The Way of All Flesh' und 'The Last Command') erhielt er allerdings 1929 den allerersten Oscar für den besten männlichen Hauptdarsteller. Und was den letzteren Film angeht, wohl völlig zurecht. Es ist auch ein typischer Jannings-Film, einer, in dem der Hauptdarsteller von gesicherter sozialer Position ins Elend stürzt. Aber wenn mir persönlich die exaltierte Darstellung dieses Lebenswegs im 'Blauen Engel' ziemlich auf die Nerven geht, hält er sich hier ganz stark zurück. Manchmal scheint es noch durch, manchmal hat man plötzlich Angst, er würde jetzt so richtig in klassischer Jannings - Manier abdrehen, aber das gibt sich zum Glück sehr schnell wieder. Es bleibt aber insgesamt eine wirklich erschütternde Darstellung des Gescheiterten wie auch die herrisch-sehnsüchtige des Erfolgsmenschen. Und es bleibt immer wieder ein faszinierendes Gesicht, eine wirklich anatomische Landschaft.

    Was mir bei diesem Film übrigens erstmals aufgegangen ist, ist die Bedeutung und Funktion des Rauchens in den Filmen von Sternberg. Rauch allgemein sowieso, aber auch die Benutzung und Handhabung der Zigarette, die Art wie der Rauch ausgestoßen wird, wie er Atmosphäre erschafft, Beziehungen herstellt, wie er einzelne Bilder verschleiert oder sie zu magischen Landschaften verwandelt, wie Zigaretten und Zigarren phallisch verwandt werden, als Herrschaftszeichen, als Lustobjekt, als Schild gegen Zudringlichkeiten usw. Kaum eine Figur bei Sternberg und auch in diesem Film, die nicht rauchen würde und immer hat es eine Bedeutung. Eine Kulturgeschichte des Rauchens im Film müsste Sternberg drei Kapitel widmen. ;)

    :wink:Wolfram


    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Heute mal 'was Stummes:

    (USA 1930)

    Murnaus vorletzter Film, von ihm nicht beendet, durch das Studio überarbeitet und zusätzlich in einer Tonfassung herausgebracht. Von daher stellt der Film nur eine Ahnung dar von dem, was der Regisseur wirklich wollte.

    Der Film erinnert thematisch an 'Sunrise', ist visuell aber ganz anders angelegt. Lange Kamerafahrten, lange Einstellungen tauchen selten auf, dagegen wird die Montage viel wichtiger. Geblieben sind aber die sorgfältig komponierten Bilder, die oftmals eine unglaubliche poetische Dimension haben, die aber v.a. die Beziehungen der Personen zueinander verdeutlichen und kommentieren.

    'City Girl' ist zunächst ein Melodram, nun allerdings mit durch das Studio verordnetem Happy End, aber es ist auch, selbst in der bearbeiteten Form, ein Spiel damit und auch mit dem amerikanischen Mythos von Stadt und Land, immer wieder ironisch durchbrochen. Der Film kommt nicht an 'Sunrise' heran, was eigentlich auch kein Wunder ist, aber er übt selbst in dieser Version doch eine große Faszination aus.

    :wink:Wolfram


    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • some weeks later :)

    Ein Höhepunkt der diesj. Berliniale war die Welturaufführung des neu restaurierten dt. Stummfilms 'Brüder' von Werner Hochbaum**.()(Inhalt) ist der (elfwöchige) Hamburger Hafenarbeiterstreik von 1896/97(), einer der größten Streiks im dt. Kaiserreich. // Bernd Reinhardt am 21.02.22 auf wsws.org

    Ulrich Kurowski >Archivar an der Münchner 'Hochschule für Film und Fernsehen< bezeichnete >den 1946 47jährig verstorbenen< Werner Hochbaum als den 'nach Murnau, Lang, Lubitsch und Ophüls wichtigsten dt. Filmregisseur'. // N. N. vermutl. Febr. 2015 auf dhm.de

    Dieser Film()brachte das fertig, was sich bisher kein dt. Regisseur zutraute, nämlich gänzlich auf Berufsschauspieler zu verzichten.()Diese Kühnheit sollte herrlich belohnt werden.()Glücklich gelöst die Schwierigkeit,()die Zeit von 1896()unverfälscht vor die Kamera zu bringen. // Heinrich Braune am 29.04.1929, zit. auf filmportal.de

    :!:**TV-Premiere übermorgen um 00.40h auf ARTE

    - sowie auf deren Mediathek von morgen bis zum 18.10.d.J. abrufbar:!:

    Das TV gibt mehr 'Unterhaltung' aus, als es hat - in der bürgerl. Gesetzgebung nennt man das 'betrügerischen Bankrott' Werner Schneyder Es ging aus heiterem Himmel um Irgendwas. Ich passte da nicht rein. Die anderen aber auch nicht. FiDi über die Teilnahme an seiner ersten (und letzten) Talkshow

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