Konzerte in Darmstadt

  • Konzerte in Darmstadt

    Darmstadt, 07.02.2010

    Darmstadt liegt für mich gut erreichbar. Außerdem finden dort immer wieder bemerekenswerte Konzerte statt, die ich gern besuche - Grund genug, einen Thread aufzumachen, in den Berichte über Konzerte in Südhessen eingebracht werden können.

    Aktueller Anlaß: Das 5. Sinfoniekonzert des Staatstheaters Darmstadt am letzten Sonntag, das ich erleben konnte. Es war insofern mit einem Experiment verbunden, als ich meinen elfjährigen Neffen eingeladen hatte. Er hat sich schon lange gewünscht, mit mir ein normales Symphoniekonzert zu besuchen, nachdem wir bislang zweimal auf sogenannten Familienkonzerten waren. Bei diesem Programm war ich mir allerdings nicht sicher, ob es auch für ihn paßte.

    Einen Mittelpunkt bildete nämlich die "Ekklesiastische Aktion" von Bernd Alois Zimmermann (über Werke des Komponisten gibt es ab hier mehr), ein gut halbstündiges Werk für zwei Sprecher, Baß-Solo und Orchester: Ein Sprecher zitiert Bibelworte, die aus pessimistischer Perspektive das Unrecht der Welt beklagen, was der Sänger mit ausgedehnten Lamento-Passagen übernimmt. Rechts und links an den Seiten standen zwei Posaunisten, das Blech spielt überhaupt eine wichtige Rolle, ebenso wie die massiv aufgebotenen Perkussionisten. Am Ende der Bachchoral "Es ist genug", den schon Alban Berg in seinem Violinkonzert zitiert, und es bricht mit einer unwillig wirkenden Orchestergeste ab. Der zweite Sprecher rezitiert Teile der Dostojewski-Legende "Der Großinquisitor": Christus kommt um 1500 in das Spanien der Inquisitionszeit, wirkt Wunder, wird verhaftet und im Kellerverlies vom 90jährigen Großinquisitor verhört; der monologisiert allerdings, denn Christus spricht kein Wort, sondern küßt am Ende den verbitterten Greisen, der dem Christentum abgeschworen hat, auf den Mund - und wird fortgejagt.

    Der Komponist läßt Solisten und Dirigent nicht nur als Musiker agieren, sondern gibt genaue szenische Anweisungen, z. B. die, daß die Akteure am Ende in Meditationshaltung verharren sollen - das wurde in Darmstadt allerdings nicht umgesetzt. Ich fand es passend, denn das Werk leidet m. E. ohnehin an einer etwas zu deutlichen Zurschaustellung der pessimistischen Sicht des Komponisten (der sich kurz nach der Komposition das Lebenb nahm). Ich fand es allerdings insgesamt beeindruckend, die Sprecher verkörperten glaubwürdig und mit großem Engagement die Botschaften des Werkes, vor allem der Bassist überzeugte.

    Meine Befürchtung, daß mein Neffe hier überfordert und deshalb sosehr abgeschreckt sein würde, daß er weitere Besuche dieser Art ablehnen würde, bewahrheitete sich nicht, auch wenn ihn die anderen beiden Werke mehr ansprachen. Hier erstmal die Fakten:

    Zitat

    07.02.2010, 11:00 Uhr
    Staatstheater Darmstadt
    5. Sinfoniekonzert
    Claude Debussy: Nuages und Fêtes aus Trois Nocturnes
    Bernd Alois Zimmermann: Ich wandte mich um und sah an das Unrecht, das geschah unter der Sonne. Ekklesiastische Aktion für zwei Sprecher, Baß-Solo und Orchester
    Johannes Brahms: Symphonie Nr. 4 e-Moll op. 98

    Andreas Daum, Baß; Harald Schneider, Aart Veder, Rezitation; Staatsorchester Darmstadt; Ltg.: Hans Drewanz

    Ursprünglich sollte das Konzert mit einem Auszug aus The Dream of Gerontius (Edward Elgar) eröffnet werden, doch waren Anfang Januar die Noten aus England noch nicht eingetroffen, so daß statt Elgar Debussy ins Programm aufgenommen worden war, leider nur die ersten zwei Sätze der Nocturnes; den dritten hatte man wohl so kurzfristig nicht einbeziehen können (wegen des zusätzlich erforderlichen Frauenchors vermutlich). Mein Bedauern darüber wurde allerdings deutlich relkativiert durch das, was ich da hörte: So geschmeidig, klar, durchsichtig, dabei von emotionaler Wärme erfüllt, habe ich Debussy im Konzertsaal noch nicht oft erlebt. Was der alte Hans Drewanz (früher über 30 Jahre GMD in Darmstadt) da mit den seinen hinlegte, war ganz große Kunst! Das Gleiche läßt sich über Brahms' Vierte sagen: auch hier wunderbar ausbalanciert, transparent, herbstlich-warm getönt - eindrucksvoll und berührend! Mein Neffe begeisterte sich auch am meisten für Brahms und erklärte mir hinterher eindeutig, daß er weitere Erfahrungen dieser Art mit mir zu erleben wünsche.

    Dem jungen Manne kann geholfen werden.

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Darmstadt, 22.03.2010

    Auch das gestrige Sinfoniekonzert in Darmstadt war ein großes Erlebnis: Diesmal standen Werke zweier Dänen und eines Österreichers auf dem Programm und das harmonierte prächtig:

    Zitat

    22.03.2010, 20:00 Uhr
    Staatstheater Darmstadt
    6. Sinfoniekonzert
    Per Nørgård: Pastorale (Fassung für Streichorchester)
    Erich Wolfgang Korngold: Violinkonzert D-dur op. 35
    Carl Nielsen: Symphonie Nr. 4 op. 29 "Das Unauslöschliche"

    Benjamin Schmid, Violine; Staatsorchester Darmstadt; Ltg.: Giordano Bellincampi

    Eingangs erklang ein etwa siebenminütiges Werk des 1932 geborenen Dänen, das in seiner ursprünglichen Fassung eine für Streichtrio gesetzte Sequenz aus Nørgårds Filmmusik für Babettes Gæstebud (Babettes Fest) ist: ein Stück in leicht verschwommener Tonalität mit heiterem Beginn und Schluß und einem leicht eingetrübten Mittelteil - reizvoll, weil es wie hinter Glas gespielt wirkte. Einer meiner Begleiter, der den Komponisten besser kennt als ich, bemerkte dazu, daß es Kompositionen von ihm gebe, die wie unter einer dicken Eisfläche zu erklingen scheinen, ohne dadurch kalt zu wirken.

    Korngolds Violinkonzert nahm das Filmische auf, virtuose Behandlung von des Soloparts und des Orchesters: Der Komponist scheint sich von seinen Einfällen nicht gern zu verabschieden, besonders im Finalsatz, wenn dasselbe ohrwurmartige Thema immer wieder in veränderter Gestalt präsentiert wird, ohne daß es fad würde. Der junge Solist Benjamin Schmid, in Wien geboren, zeigte hohe Virtuosität (auch in der Zugabe, einer Paganini-Caprice), ohne dabei eitel zu wirken. Viel Vibrato (was ich hier als stimmig empfand) und viel Sinn für Details und auch mit einem Schuß Sachlichkeit, die das Abgleiten ins Kitschige erfolgreich vermied.

    Höhepunkt war die 1914-16 entstandene 4. Symphonie Carl Nielsens, der damit wohl eine Programmatik verband, indem er versuchte, "all das zu beschreiben, das einen nicht zu bändigenden Willen und Drang zum Leben hat", so der Komponist in einem Brief an einen Kollegen - daher vermutlich auch der ungewöhnliche Titel "Det uudslukkelige" ("Das Unauslöschliche"). Das Werk präsentiert auf relativ engem Raum - die vier Sätze gehen ineinander über - heftige Kontraste, melodischen Rausch und einige rhythmische Energie, wenn zwei Schlagzeuger (in Darmstadt einer hinten, einer vorne links aufgestellt) sich am Ende so etwas wie ein Artillerieduell liefern. Ob darin politische Anspielungen enthalten sind, etwa als Reflexion der Katastrophe des Weltkriegs, das kann ich nicht sagen: als eine "Kriegssymphonie" habe ich das Werk jedenfalls nicht empfunden.

    Das war sehr eindrucksvoll, zumal Dirigent und Orchester gleichzeitig filigran und klar wie auch rhythmisch präzise und mit viel Feuer agierten. Der aus Rom stammende Dirigent war mir bislang ebenso wie der Solist des Abends noch völlig unbekannt: ein Italiener, der schon Jahrzehnte in Dänemark lebt: Giordano Bellincampi war ursprünglich Baßposaunist.

    Und ein großes Kompliment an das Staatsorchester Darmstadt, dessen Konzerte ich sicher noch öfter erleben werde.

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Staatstheater Darmstadt
    6. Sinfoniekonzert
    Per Nørgård: Pastorale (Fassung für Streichorchester)
    Erich Wolfgang Korngold: Violinkonzert D-dur op. 35
    Carl Nielsen: Symphonie Nr. 4 op. 29 "Das Unauslöschliche"

    Benjamin Schmid, Violine; Staatsorchester Darmstadt; Ltg.: Giordano Bellincampi

    (fast) gleiches Konzert, sonntags um 11

    die goldglänzende Harfe, die der Parkhausautomat als Wechselgeld ausspuckte, stimmte aufs Konzert ein.

    Norgards Pastorale:

    reizvoll, weil es wie hinter Glas gespielt wirkte.Einer meiner Begleiter, der den Komponisten besser kennt als ich, bemerkte dazu, daß es Kompositionen von ihm gebe, die wie unter einer dicken Eisfläche zu erklingen scheinen, ohne dadurch kalt zu wirken.

    ... hinter blassgrünem Glas ... wie unter einer Eisfläche.... das ist eine wundervoll treffende Beschreibung. Nebelschwaden über der ganzen pastoralen Szene, aber warm und trocken. mit viel Flageolett, es hat was vom Charakter einer Glasharmonika, die vervielfältigt und ins Streichorchester übersetzt wird. schöööön!

    Korngolds Violinkonzert reicht in meinen Ohren nicht ganz an die Orchestrierung der "Toten Stadt" heran, wenn man es zu oft hört, verliert es seinen mitreißenden Charakter. Benjamin Schmid hat ein sehr sympathisch uneitles Auftreten und spielt angenehm unaffektiert. Beachtlich, dass er zwei unterschiedliche Zugaben spielte. Am Sonntag eben nicht die nach Violinkonzerten häufig übliche Paganini-Zugabe, sondern

    die Passacaglia von Biber.
    :juhu: :juhu: :juhu:
    Das war eine ganz andere Welt als das eigentliche Programm des Sinfoniekonzertes. Und es geschah das Wunder: das Korngold/Norgard/Nielsen gleichmäßig verhustende Publikum lauschte mucksmäuschenstill regungslos gebannt.
    Nein - wir sind nicht eingeschlafen! ;+)
    Musik wie ein leichter warmer Sommerwind, der einem übers Gesicht streift. Dabei aber ganz dicht und von Benjamin Schmid in einem großen Spannungsbogen vorgestellt, so als wolle er nicht sein geigerisches Können, sondern allein Bibers Kunstwerk präsentieren. Ich kann das schlecht in Worte fassen, es war hinreißend.

    schon allein wegen dieser beiden "Kleinigkeiten" Norgard und Biber hat sich der Konzertbesuch gelohnt

    "Im Augenblick sehe ich gerade wie Scarpia / Ruggero Raimondi umgemurxt wird, und überlege ob ich einen Schokoladenkuchen essen soll?" oper337

  • Benjamin Schmid hat ein sehr sympathisch uneitles Auftreten und spielt angenehm unaffektiert.

    So habe ich ihn ebenfalls erlebt. Beeindruckend. Schade, daß er dem Montagspublikum (also auch mir) Bibers Passacaglia vorenthalten hat.

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Sonntag, 8. November 2015, 19 Uhr - darmstadtium

    Leonard Bernstein: Ouvertüre zu Candide und Chichester Psalms

    Felix Mendelssohn-Bartholdy: Psalm 42 "Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser", Op. 42

    Und kürzere Werke von Joseph Haydn, Anton Bruckner und Tomás Luis de Victoria


    PAUSE


    Ludwig van Beethoven: Sinfonie Nr. 9


    Mitwirkende:

    Mathis Platt, Knabensolist

    Marina Herrmann, Sopran

    Amira Elmadfa, Alt

    Andreas Wagner, Tenor

    David Pichlmaier, Bass

    Konzertchor Darmstadt

    Chor der TU- Darmstadt

    Limburger Domsingknaben

    Beethoven Akademie Orchester Krakau

    Leitung: Wolfgang Seeliger

    Details: "http://www.konzertchor-darmstadt.de/index.php/de/59-startseite-5"


    P.S: Bin noch auf der Suche nach einer Begleitung zwecks Schlemmerblock-Preishalbierung.

  • Gestern (8.7.) in Darmstadt (Staatstheater, Großes Haus):

    8. Sinfoniekonzert

    Arnold Schönberg: Erwartung, Monodram, op. 17 (1909)
    Hans Zender: Schuberts Winterreise, eine komponierte Interpretation für Tenor und kleines Orchester (1993)

    Elena Nebera, Sopran, Marco Jentzsch, Tenor; Staatsorchester Darmstadt, Ltg.: Will Humburg. Szene: Dirk Schmeding.

    Als "Sinfoniekonzert" war's angekündigt, aber es kam etwas anders: Am Anfang geschlossener Vorhang, das Orchester baute sich hörbar dahinter auf und stimmte sich ein, auch die Sopranistin war vernehmbar. Dann ein großer Krach (gehörte nicht zur Musik), der Vorhang hob sich und zu sehen war: das Orchester, das im Hintergrund zur Seite rechts im Vordergrund aufgebaut war, hier auch das Dirigentenpult. Im Hintergrund eine Projektion: Wald mit Nebel. Links vorne: ein stark ramponierter Kleinwagen (VW Polo?), vorne stark eingedrückt. Aus dem Wagen stolperte eine Dame, hinter ihr im Wagen fiel eine männliche Gestalt nach vorne.

    Die Situation also: Ein Auto mit zwei Personen ist nachts im Wald unterwegs; unmittelbar vor Beginn der Musik ereignet sich die Katastrophe, der Unfall.

    Elena Nebera singt ihre Rolle nicht nur, sie spielt sie, bewegt sich vorne auf der Bühne, zieht bald den sterbenden Mann aus dem Auto und entfaltet ihren inneren Monolog. Das ist insgesamt sehr stimmig! Die heftigen emotionalen Wandlungen, die die Musik darstellt - Verwirrung, Verzweiflung, dann konfuse Verarbeitung der Erinnerungen... - passen auffallend gut zur Situation: ein Mensch im Schockzustand, scher traumatisiert.

    Eine große Stimme (allerdings nicht übermäßig textverständlich)! Frau Nebera singt zur Zeit die Brünnhilde in Linz, das kann ich mir gut als beeindruckend vorstellen.

    Will Humburg dirigiert wieder sehr engagiert und souverän ein hochkonzentriert folgendes Orchester.

    Nach der Pause dasselbe Bild, das Autowrack ist an derselben Stelle. Diesmal aber ein kleines Orchester, mit ungewöhnlichen Instrumenten (Windmaschinen, Akkordion, Melodica...) neben Streichern und Bläsern. Der Tenor bleibt hier allerdings am selben Ort hinter seinem Notenpult; diesmal wandern die Musiker teilweise umher, um an verschiedenen Orten zu spielen. Eine originelle Musik: Schuberts Winterreise ist komplett in dieser Kammerorchesterbearbeitung enthalten.

    Ich gebe zu, daß ich mit Zenders "komponierten Interpretation" Schwierigkeiten habe: zu deutlich ist mir das Original präsent, und der Sinn der vielen instrumentalen Raffinessen erschließt sich mir nicht so ganz (braucht man Windmaschinen, um Stürme darzustellen?). Allerdings kenne ich diese Bearbeitung kaum.

    Auch hier: Ein tolles Spiel aller Beteiligten (bei gelegentlichen Ungenauigkeiten, so schien es mir), auch der Tenor Marco Jentzsch (der mich von der Charakteristik etwas an die Figur des David aus den Meistersingern denken ließ, das müßte er großartig hinkriegen, womöglich hat er das schon).

    Leider sehr schwach besuchte Vorstellung!

    Wiederholung des Konzerts am 17.7., 11:00 Uhr, und 18.7., 20:00 Uhr:
    https://www.staatstheater-darmstadt.de/spielplan-tickets/stueckinfo/8-sinfoniekonzert/2016-07-08-19-30.html?tx_sfspielplan_pi1[fromSpielplan]=1&tx_sfspielplan_pi1[pageId]=&cHash=0847d023e169ebefb0259bb205890f52

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Für Gurni`s anschauliche und anlauschliche Konzert-Illustration bedanke ich mich herzlich.

    Was für ein mutiges und stimmiges Programm-Konzept!

    Eine perfekte Kombination zweier aetherischer Werke, für deren gemeinsame Programmierung dem Staatstheater Darmstadt und dem Dirigenten Will Humburg ein Kränzchen gewunden werden sollte, wenn auch der Begriff "Kammerspiel" wohl passender gewesen wäre als das behäbige Label "Sinfoniekonzert", wobei der Ansturm dann wohl noch bescheidener gewesen wäre...

    Walter

  • Für Gurni`s anschauliche und anlauschliche Konzert-Illustration bedanke ich mich herzlich.

    Gern geschehen! :)

    Zitat

    Was für ein mutiges und stimmiges Programm-Konzept!

    So ist es, und wem nächstes Wochenende Darmstadt nicht zu sehr entfernt liegt (was, fürchte ich, für Berner der Fall sein dürfte :( ), sollte sich das bei entsprechendem Interesse für die werke nicht entgehen lassen.

    Auch 2016/17 wird in Darmstadt ein Programm mit teilweise nicht alltäglicher Musik geboten: https://www.staatstheater-darmstadt.de/spielplan-tick…7/konzerte.html

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • der Tenor Marco Jentzsch [...] David aus den Meistersingern [...] das müßte er großartig hinkriegen, womöglich hat er das schon

    Ich hab' ihn in den Meistersingern als Stolzing gehört. Ist auch sonst eher seine Repertoire: Parsifal, Lohengrin, Erik, Alviano Salvago, aber auch Rodolfo und Belmonte (mit sowas hab' ich ihn aber noch nicht gehört).

    Bernd

    Fluctuat nec mergitur

  • Heute (02.10.2016) gab's:

    Staatstheater Darmstadt
    György Ligeti: Etudes for piano Nr. 13 "The Devil's staircase"
    Charles Ives: The Unanswered Question
    Béla Bartók: Konzert für Viola und Orchester op. post. SZ 120
    Gustav Mahler: Sinfonie Nr. 4 G-Dur für Sopran und Orchester
    Das Staatsorchester Darmstadt
    Antoine Tamestit, Viola
    Jana Baumeister, Sopran
    Will Humburg, Dirigent

    Nach der Einführung im Foyer spielte eine Pianistin (deren Namen ich nicht herausfinden konnte, auch nicht im Programmheft) die Ligeti-Etüde, ein wildes Stück, bei einer "Teufelstreppe" wohl zu erwarten (der Referent verwies auf die Beziehung zum aufspielenden Teufel im 2. Satz der Mahler-Symphonie, die um einen Halbton hochgestimmte Solovioline).

    Sehr feiner Streicherfluß in Ives' "unbeantworteter Frage" mit einem vor dem Orchester herumwandernden Trompeter und vier unsichtbar postionierten Flöten.

    Dann Bartóks Violakonzert, vom Komponisten nicht vollendet, in einer 1995 von Nelson Dellamaggiore und Peter Bartók hergestellten Fassung (Näheres im Programmheft: https://www.staatstheater-darmstadt.de/media/Produkti…konzert_web.pdf). Hervorragendes Zusammenspiel zwischen Solisten und Orchester, die Balance war perfekt. Und ein Superlativ: Ich erinnere mich nicht, schon einmal eine so wunderschön klingende Bratsche gehört zu haben. Das war höchste Kunst! Nun ja, Antoine Tamestit ist ja auch nicht eben ein Unbekannter! Zwei kurze, witzige Zugaben (Bartók?), die Tamestit gemeinsam mit dem ersten Bratschisten des Orchesters gab.

    Nach der Pause Mahlers Vierte: Von Idylle und Heiterkeit war hier wenig zu spüren: Humburg ging die vier Sätze relativ zügig und kräftig an, betonte das Kräftige, Schrille, Heftige, Unziemliche, setzte viele energievolle Akzente (ob der Komponist, der ausdrücklich mäßigende Satzvorschriften erlassen hatte, damit einverstanden gewesen wäre?), bei klarem, gut durchhörbaren Orchesterspiel mit vielen klanglichen Nuancen und präzise eingestellten Bläsern, mit lebendiger Agogik und viel Spannung. Das alles war sehr genau und sorgfältig einstudiert worden. Die Solistin im Finalsatz sang sehr textverständlich und differenziert, Jana Baumeister gefiel mir gut!

    Morgen abend um 20 Uhr wird das Konzert wiederholt und ich erwäge, noch einmal hinzufahren. Karten gibt's noch reichlich.

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Gestern gab's:

    Montag, 24.06.2019, 20:00 Uhr
    Staatstheater Darmstadt, Großes Haus

    Karlheinz Stockhausen: „Gesang der Jünglinge“ (Auszüge)
    Gustav Mahler: Symphonie Nr. 3 d-Moll

    Evelyn Krahe, Alt
    Damen des Opernchores des Staatstheaters Darmstadt
    Damenchor der Darmstädter Kantorei
    Damenchor der Frankfurter Kantorei
    Damenchor des Vocalensembles Darmstadt
    Der Kinder- und Jugendchor des Staatstheaters Darmstadt
    Staatsorchester Darmstadt
    Dirigent: Johannes Harneit

    Einen Tag nach dem grandiosen Konzert mit Currentzis in Mannheim ein weiteres Konzert, das - um es vorwegzunehmen - mich nicht minder begeisterte! Zu Beginn die elektronische Komposition aus dem Jahr 1956, mir bislang noch unbekannt, in Auszügen, insgesamt etwa eine Viertelstunde, mir mehreren Lautsprechern im Konzertsaal übertragen. Stockhausen verwendet hier Kinderstimmen, was zur folgenden Mahler-Symphonie gut paßte. Michael Gielen hätte zu dieser Art Programm vielleicht bemerkt, daß es darum gehe, zunächst mal "die Ohren auszuputzen" (so sinngemäß aus einem ähnlichen Zusammenhang).

    Johannes Harneit, mit der Neuen Musik bestens vertraut - vor Jahren habe ich unter seiner Leitung eine sehr eindrucksvolle Aufführung von Luigi Nonos Prometeo erlebt -, fand auch bei Mahler einen Ton, den ich sehr überzeugend fand, weil er die Mitte von Naivität und Reflexion, wie sie dann auch in der 4. Symphonie noch anzutreffen ist. Ein großer Spannungsbogen bis hin zum lang ausschwingenden Finalsatz.

    Orchester und Chor spielten auf hohem Niveau; herauszuheben der wohltönend tief klingende Alt von Evelyn Krahe, der sich wundervoll in den Orchesterklang einbettete.

    Es war das letzte Symphoniekonzert der laufenden Saison in Darmstadt. Das Programm der nächsten Saison erscheint mir vielversprechend:
    Konzertsaison 2019/2020 - Spielzeitvorschau

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Konzerte mit dem GMD Daniel Cohen

    Heute und in den letzten Monaten habe ich das Staatsorchester Darmstadt erlebt, in allen Fällen unter der Stabführung des seit 2018 amtierenden GMD Daniel Cohen. Hier eine kleine Zusammenfassung. Auf dem Programm standen:

    13.10.2019
    Pierre Boulez: „Notations“ I-IV, VII
    Alban Berg: Violinkonzert „Dem Andenken eines Engels“ (Michael Barenboim, Violine)
    Gustav Mahler Sinfonie Nr. 1 D-Dur

    16.02.2020
    Wolfgang Amadeus Mozart: Sinfonie Nr. 39 Es-Dur KV 543
    Richard Strauss: Vier letzte Lieder (Sopran: Annette Dasch)
    Edgar Varèse: Déserts

    08.03.2020
    Arnold Schönberg: Fünf Orchesterstücke op. 16
    Anton Bruckner: Symphonie Nr. 7 E-Dur


    Mir war der Dirigent bislang unbekannt. Nach diesen drei Konzerten muß ich bekennen, daß ich Daniel Cohen für einen ganz herausragenden Dirigenten halte. Das Orchester habe ich zwar auch früher schon in großartigen Konzerten erlebt, aber mir scheint, daß mit Cohen eine neue Qualität dazukam: Wie hier in allen Fällen Streicher, Holz- und Blechbläser ausbalanciert wurden, Spannungsbögen gestaltet wurden und alldas in einer Intensität des Ausdrucks, das habe ich hier als äußerst beglückend empfunden. Vor allem aber scheint mir, daß hier eine ganz besondere - wie soll ich es sagen? - Klangkultur entstanden ist, mit einer Klarheit und Wärme im Ton, die mich sehr beeindruckt.

    Cohen hat lange Zeit im West–Eastern Divan Orchestra als Geiger mitgewirkt und Daniel Barenboim bei Projekten assistiert; außerdem hat er mit Pierre Boulez zusammengearbeitet. Sicher rührt daher auch seine Neigung zur Musik der Zweiten Wiener Schule, was für mich besonders attraktiv ist. Daß auch heute noch das Klassikpublikum mit Werken von Boulez, Berg, Varèse und Schönberg nicht so ohne weiteres klarkommt, ist ihm wohlbewußt. So erläuterte er im ersten Konzert Bergs Violinkonzert, indem er das halbe Orchester den von Berg zitierten Bachchoral "Es ist genug" anstimmen ließ: Sie sangen das vierstimmig! Das Konzert selbst offenbarte wunderbare Klangfarben, wobei ich den Solisten als etwas zu zurückhaltend empfand; nicht das Orchester begleitete ihn, sondern er begleitete das Orchester, so erschien es mir.

    Beim zweiten Konzert gab es begleitend zu Varèses Déserts eine Videoinstallation hinter dem Orchester; auch hier einleitende Worte des Dirigenten, der das Publikum zu seinem Mut beglückwünschte, das nach der Pause wieder erschienen war. :D Zuvor die Solistin, deren schöne Stimme gut in den Gesamtklang eingebettet war (bei Strauss' Vier letzten Liedern).

    Heute wurden alle fünf Stücke von Schönbergs Op. 16 kurz angespielt und erläutert. Im Anschluß eine wiederum klanglich fein abgestimmte und nuancierte Aufführung des Werks. Und nach der Pause eine begückende Darbietung von Bruckners Siebter; das erinnerte mich in der Art etwas an Günther Wands Aufnahmen mit dem NDR-Orchester, gerade wegen des vollen, warmen Tons und der organisch wirkenden Gestaltung.

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!