Debussy: Douze Études - Schönheit in der Askese

  • Ich habe nur die Schnipsel angehört, werter pt, und glaube, Dir folgen zu können - wobei es natürlich leichter ist, die Idee kleiner Geschichten nachzuvollziehen, als sie sich quasi unabhängig zu suggerieren ... ;+)

    Ja, das könnte eine sehr schöne Deutung sein. Mir fallen spontan Attribute wie "unaufgeregt und dabei äußerst differenziert" oder "nonchalant" ein. Und - in der Tat - eine souveräner Artist ist da auch am Werk; das hört man eigentlich all diesen Blitzlichtern an, besonders dem Beginn der Akkord-Etüde, die mich wieder an Uchida erinnert.

    Wenn ich mich recht erinnere, ist auch Nelson Goerner bei yt mit einzelnen Sätzen vertreten.

    :wink: Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Noch nicht genannt wurden hier die Aufnahmen mit Friedrich Gulda und Werner Haas. Letzeren halte ich für einen hervorragenden Interpreten der Musik von Debussy und Ravel. Er hat einen sehr natürlichen Zugang zu dieser Musik, und sie wirkt auf mich sehr luftig und frisch. Die Preludes habe ich lange nicht mehr gehört, und werde sie nach meinem Urlaub mal wieder auflegen. Dann könnte ich auch eine etwas genauere Beschreibung abliefern. Haas scheint hierzulande weitgehend vergessen zu sein, obwohl er zu seiner Zeit recht populär war, insbesondere in Frankreich. Leider ist er früh bei einem Unfall ums leben gekommen.

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    Die Aufnahmen mit Gulda wurden ja immer schon hoch gelobt. Manch einer kam mit der eher nüchternen Herangehesweise nicht so recht klar. Mir hingegen gefallen die Einspielungen recht gut, obwohl ich mittlerweile Planes bevorzuge.

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    Leider gibt es keine Aufnahmen mit Hamelin, der m.E. ein aussergewöhnlicher Interpret der Werke von Debussy ist. Ich habe ihn mehrere Male mit dieser Musik im Konzert gehört, und war jedes Mal wieder begeistert mit welcher Anschlagskultur und Raffinesse er Debussy spielt.


    Eusebius

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

  • Etudes mit Gulda ??

    Noch nicht genannt wurden hier die Aufnahmen mit Friedrich Gulda und Werner Haas. Letzeren halte ich für einen hervorragenden Interpreten der Musik von Debussy und Ravel. Er hat einen sehr natürlichen Zugang zu dieser Musik, und sie wirkt auf mich sehr luftig und frisch. Die Preludes habe ich lange nicht mehr gehört, und werde sie nach meinem Urlaub mal wieder auflegen. Dann könnte ich auch eine etwas genauere Beschreibung abliefern. Haas scheint hierzulande weitgehend vergessen zu sein, obwohl er zu seiner Zeit recht populär war, insbesondere in Frankreich. Leider ist er früh bei einem Unfall ums leben gekommen.
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    Die Aufnahmen mit Gulda wurden ja immer schon hoch gelobt. Manch einer kam mit der eher nüchternen Herangehesweise nicht so recht klar. Mir hingegen gefallen die Einspielungen recht gut, obwohl ich mittlerweile Planes bevorzuge.
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    Leider gibt es keine Aufnahmen mit Hamelin, der m.E. ein aussergewöhnlicher Interpret der Werke von Debussy ist. Ich habe ihn mehrere Male mit dieser Musik im Konzert gehört, und war jedes Mal wieder begeistert mit welcher Anschlagskultur und Raffinesse er Debussy spielt.


    Eusebius

    Lieber Eusebius,

    eine Einspielung der Études von Debussy mit F.Gulda wäre (zumindest für mich) eine echte Sensation! (Lustigerweise hatte ich erst kürzlich innerlich bedauert, dass er da -meines Wissens- nichts hinterlassen hat...) Die hervorragende Aufnahme der Préludes mit Gulda dürfte vermutl. den meisten hier gut bekannt sein. in diesem Thread diskutieren wir aber über die " D o u z e _ É t u d e s " !

    8o Augen auf beim Lesen der Threadtitel und Beiträge ;+)

    Allerdings würde mich Deine Höreindrücke zur Aufnahme der "Douze Études" mit Werner Haas durchaus sehr interessieren. (Da ich mit diesen Aufnahmen auch schon immer geliebäugelt hatte...)


    Gruß petit_concours
    :wink:

    W o h n z i m m e r w e t t b e w e r b:
    Petit concours à la maison... (S. Richter, 1976)

  • Oha wie peinlich :hide:

    Das nächste Mal schaue ich genauer hin, versprochen. Aber die Preludes sind natürlich auch wundervoll und wären wohl einen Extra Thread wert.

    Den Haas kann ich erst in 2 Wochen wieder hören, da ich momentan keinen Zugriff auf meine Sammlung habe. Ich werde dann berichten.

    Eusebius

    "Sie haben mich gerade beleidigt. Nehmen Sie das eventuell zurück?" "Nein" "Na gut, dann ist der Fall für mich erledigt" (Groucho Marx)

  • Alain Planès (1997)

     

    Recht oft ist der 1948 geborene Pianist im Verlauf des Threads bereits zur Sprache gekommen. Auch seine Deutung gehört gewiss in die Spitzengruppe.

    Der klare, analytische Zugriff wurde betont. Die Tempi sind - alles in allem - maßvoller als etwa bei Béroff oder Uchida; im Vergleich zu deren Einspielungen wirken die einzelnen Piècen meines Erachtens noch eigenständiger. Das rhetorische Moment, welches pt_concours weiter oben im Sinne eines Erzählens von Geschichten bei Nelson Goerner benannt hat und das mich als Metapher sehr anspricht, würde ich hier gerne übertragen. An anderer Stelle am Anfang dieses Fadens wurden die ausgeprägten dynamischen Abstufungen betont; ich habe dies ähnlich empfunden, wenn auch nicht durchwegs. Da Planés nicht allzu sehr die Virtuosität der Stücke betont, gelingt ihm das vielfach besser als manch anderem. Nichtsdestotrotz könnte ich mir subtilere Pianissimi vorstellen - vielleicht wünsche ich mir hier allerdings ein Ideal, das schlechterdings kaum oder nicht erreicht werden kann.

    Der groteske Charakter der Einstiegsetüde nach Czerny wird durch ein reduziertes Tempo und eine leicht ironische Strukturierung wie unter dem Vergrößerungsglas erreicht. Bei den Intervalletüden achtet Planès auf Detailreichtum bei großer Transparenz; jegliche impressionistische Emphase wird hintangestellt. Beinahe non-legato erklingt die Nummer sechs pour les huit doigts. Bei den Charakteretüden des zweiten Teils wird meines Erachtens das analytische Bemühen in besonderem Maße deutlich. Ich habe den sicher nicht leicht zu begründenden subjektiven Eindruck, dass es weniger die Klangfarbdifferenzierung als das Herauspräparieren der rhythmisch bzw. melodisch geprägten Phraseologie ist (gerade in ihrer häufigen Heterogenität), was mich ganz besonders überzeugt - in der elften Etüde pour les arpèges composées etwa, bei den kurz aufeinander folgenden Passagen Giocoso und Scherzandare, um ein besonders prägnantes Beispiel zu benennen. Von daher steht die zehnte Etüde pour les sonorités opposées vielleicht weniger im Zentrum des Interesses dieses Pianisten. Sehr sagt mir aber auch pour les accords, die letzte Nummer, zu. Vielleicht gefällt sie Christian Köhn besser als Uchida (oder würde sie ihm besser gefallen), denn mir scheint, dass hier die Paradoxie von Leichtigkeit und Schwere im Duktus zu einer besonders überzeugenden Symbiose gelangen. Auch die Basslinien werden wunderbar herauspräpariert und der Mittelteil radikal abgehoben, ohne an Transparenz einzubüßen.

    :wink: Wolfgang

    (PS: Für einen Detailvergleich der Nummer 10 wäre ich gerne weiterhin zu haben, aber das hat viel Zeit - welche bei mir bald wieder schwer fehlen wird ... Noch habe ich über Schnipsel hinaus unter den hier erwähnten Gesamteinspielungen nicht gehört: Aimard, Martin Jones, Pludermacher, Thibaudet und Werner Haas; auch andere Pianisten, die keine kompletten Aufnahmen vorgelegt haben, fehlen mir noch. Und von Michelangeli scheint es wirklich nichts zu geben. :rolleyes: )

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Danke, lieber andréjo, für Deine Eindrücke zu Planès! Dessen trockene Klarheit schätze ich neben Uchidas mehr lyrisch fließender Gestaltung ganz besonders!

    Leider finde ich momentan nicht die Ruhe zum Vergleichen und beschränke mich daher vorerst aufs Mitlesen. Das aber mit großem Interesse!

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Wie gesagt, werter Gurnemanz: Das hat alles Zeit! Ich werde wahrscheinlich hier auch erst einmal pausieren. Aber es gibt ja gewiss etliche weitere Mitstreiter - bereits geläufige oder noch unerkannte. :P

    Noch konkret zum Thema:

    Das folgende Video zeigt die Präsentation einer sehr jungen Meisterschülerin. Ich habe es nicht komplett angesehen bzw. gehört, aber bemerkenswert ist es allenthalben:

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    :wink: Wolfgang

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  • Hallo, b-major, hallo, miteinander!

    Mir war die Einspielung, die mir mein Vorschreiber freundlich ans Herz legt, auf yt untergekommen. Ich hatte mich nicht weiter um sie gekümmert. Der Name des Pianisten war mir nicht bekannt.

    Eigentlich ist er mir nach wie vor nicht bekannt. Es gibt, vor allem bei Denon, einige aufbereitete Einspielungen dieses Russen, der offenbar mit Richter zusammengearbeitet hat und offenbar in die große russische Tradition gehört. Er war Schüler von Heinrich Neuhaus. Ich muss aber gestehen, dass ich auf die Schnelle noch nicht einmal die Lebensdaten gefunden habe. (Ich denke, es wird hier Experten geben ...)

    Auf yt habe ich mir soeben die klanglich sehr passable historische Einspielung der Etudes angehört und war einigermaßen verblüfft. Denn was man da hört, ist erstklassig.

    Anatoly Vedernikov ist ein Lyriker, ein Virtuose, er hat Sinn für Strukturen. Mich hat die Aufnahme absolut überzeugt. Der Anfang der ersten Etüde verschleppt nicht und klingt dennoch naiv. Rasant wird die Nummer abgewickelt, mit Pfiff, am Ende ein wenig hart. Die Terzenetüde bewegt sich am oberen Ende der Geschwindigkeitsskala - die Musik wirkt dadurch nicht eben pointiert analytisch, aber strukturell aus einem Guss. Geheimnisvoller, zurückhaltender, aber insgesamt dennoch kontrastreich erscheinen die beiden folgenden Intervall-Etüden. Generell kann Vedernikov im Pianissimo spielen wie nur wenige bei den konkurrierenden Aufnahmen. Und für fast jede Etüde findet er andere (und innerhalb auch oft wechselnde) Farbwerte.

    Während die Nummer 7, die chromatische, wiederum extrem zügig angegangen wird, gewährt er bei der Nummer 8 pour les agréments in zurückhaltenderem Tempo eine Vielfalt an Einblicken, die staunen macht. Nonchalant, tänzerisch, ein wenig hispanisierend für meinen Geschmack, spielt er die Nummer 9 pour les notes répétées. Bei der Etude pour les sonorités opposées gefällt der äußerst subtile Anfang, gefallen weitere Details und gewiss auch die Gesamtanlage. Aber hier gibt es wohl Überzeugenderes, was ich vor allem an der nicht optimal geglückten Passage mit der meist chromatisch auf und ab führenden Mittellinie festmachen möchte, die sich für mich zu einem gewissen Prüfstein entwickelt hat. Ungemein kraftvoll und zügig erklingt die letzte Etüde.

    Mein Dank nochmals dem Herrn in B für diesen Tipp! Schade, dass der Preis nicht motiviert, sich auch die CD zuzulegen! (Aber das muss ja nicht unbedingt sein, solange man an das Material herankommt.)

    :wink: Wolfgang

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  • Anatoly Vedernikov

    Eigentlich ist er mir nach wie vor nicht bekannt. Es gibt, vor allem bei Denon, einige aufbereitete Einspielungen dieses Russen, der offenbar mit Richter zusammengearbeitet hat und offenbar in die große russische Tradition gehört. Er war Schüler von Heinrich Neuhaus. Ich muss aber gestehen, dass ich auf die Schnelle noch nicht einmal die Lebensdaten gefunden habe. (Ich denke, es wird hier Experten geben ...)

    Hallo,
    zumindest die Lebensdaten kann ich schon einmal liefern:
    Anatoly (Tolya) Vedernikov (1920 - 1993)
    Weiteres Biographisches müsste ich jetzt auch aus diversen -meist femdsprachigen- Quellen zusammensuchen. In jedem Fall scheint es ein bewegtes Leben in einer bewegten Zeit gewesen zu sein... (mit leider auch sehr traurigen Episoden...)
    Ich besitze knapp ein dutzend CDs mit Aufnahmen von Vedernikov, wobei neben einer CD von Schumann die Aufnahmen der Études sowie der Préludes (Heft1) von Debussy für mich herausragen... (nur bei Vedernikovs Interpretation konnte ich im 10. Préludes wirklich "Glockenklang unter einer gekräuselten Meeresoberfläche" hören...)
    S. Richter hielt die Aufnahmen der Etüden von Debussy für die (oder eine der) beste(n) Aufnahme(n) seines Studienfreudnes Verdenikov (die nicht die Beachtung erhalten würde, die sie verdient hätte)

    Eine Wiederauflage seiner Einspielungen wäre in jedem Fall wünschenswert!

    Gruß petit_concours
    :wink:

    W o h n z i m m e r w e t t b e w e r b:
    Petit concours à la maison... (S. Richter, 1976)

  • Kennt einer der geneigten Debussy-Freund/innen (bin ja nicht der einzige hier ;) ) die Aufnahme der Douze Études mit Jean-Efflam Bavouzet? Ein paar Worte hierzu würden mich erfreuen:

    bzw.

    Bin nämlich gerade am Grübeln, ob die Gesamteinspielung mit Bavouzet (5 CDs) nicht meine erste Neuanschaffung 2017 werden sollte...

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Ein paar Worte will ich versuchen; sie kommen allerdings von einem pianistischen Laien.

    Am Anfang des Threads ist mal die Vierte Etude "Pour le sixtes" aus dem Ersten Buch besonders genannt worden. Ich halte das für ein gutes Beispiel und habe mal vier unterschiedliche Einspielungen gehört:
    Pollini (1992), Aimard (2002), Bavouzet (2008) und Gieseking (Anfang der 50-er).

    Ich habe in dem Thread auch gelesen, dass du die Aufnahme Aimards besonders schätzt - und will mich gleich unbeliebt machen: Zumindest seine Aufnahme dieser Etude "Pour les sixtes" geht - für mich - gar nicht. Das ging mir schon bei den "Images", die auf den beiden CDs von Aimard und Bavouzet mit den Etuden gekoppelt sind, so: Aimard lahm, schwammig, auf romantischen Schönklang aus, aber weit weg von dem was ich bei Debussy schätze. Ganz anders Bavouzet (in den Images). Bei Aimard fehlt mir in dieser Etude die Dynamik, die unterschiedlichen Tempi werden nivelliert, die "poco agitato"-Passagen sind vielleicht poco, aber jedenfalls nicht agitato, der Schluss wirkt fett. Anscheinend - aber das ist nur eine Laienvermutung - viel Pedal. Der Klavierklang ist dem insgesamt angemessen: weich, üppig aber ebenso pauschal. Dauer: 4:37.

    Kontrastprogramm Pollini: Dauer 3:27. Die Aufnahme ist bei ihrem Erscheinen viel kritisiert worden: zu kalt, zu technisch, hässlicher Klavierklang. Insbesondere Letzteres kann man so sehen (oder besser hören). Die harmonischen Reibungen geich zu Beginn klingen fast kratzig. Mir sagt das allerdings zu: der scheinbar hässliche Klang höre ich als ein wichtiges Element zur Gestaltung des harmonischen Verlaufs. Der Forte-Ausbruch ist heftig, die agitato-Passage vielleicht zu wenig "poco", die Tempounterschiede werden sehr deutlich aber - nach meinem Empfinden - auch sehr subtil dargstellt. Der Schluss ganz trocken resignativ. Die Überschrift dises Threads "Schönheit in der Askese" passt für mich auf diese Interpretation. Insgesamt ein kurzes Stück voller Dramatik.

    Bavouzet scheint mit 4:00 zwischen den beiden Extremen zu stehen. Das stimmt aber nicht, denn er steht Pollini wohl viel näher. Allerdings nicht, was den Klavierklang angeht, denn der ist sehr warm, sehr transparent und insbesondere weder pauschal wie bei Aimard noch fast kratzig wie bei Pollini. Verglichen mit den beiden anderen Aufnahmen ist das eine eigene Qualität. Im Verlauf des Stücks finden sich aber die Merkmale, die mich bei Pollini beeindrucken und bei Aimard fehlen. Vielleicht ist die Bandbreite der Tempi nicht ganz so groß wie bei Pollini, was wahrscheinlich aber den Vorgaben des Komponisten eher entspricht. Mir fehlt auch die bestürzende Trochenheit am Schluss. Insgesamt aber sehr beeindruckend, und jedenfalls eine Aufnahme für alle, die den spröden Klavierklang Pollinis scheuen.

    Gieseking mit 3:21 erwartungsgemäß die schnellste der Aufnahmen, neutraler als Pollini, aber die Merkmale die seine Interpreation auszeichnen, fehlen nicht. Selbstredend kann man den Klavierklang der Aufnahme nicht mit den neueren vergleichen.

    Also: geht es allein nach dieser einen Etude "Pour les sixtes", lohnt sich die Aufnahme jedenfalls. Wer Aimard bisher mochte, wird ganz sicherlich vom Bavouzet nicht enttäuscht werden (allenfalls von Aimard).

  • Ich habe in dem Thread auch gelesen, dass du die Aufnahme Aimards besonders schätzt - und will mich gleich unbeliebt machen: [...]

    Nicht bei mir. :D Habe grad überflogen, was ich seinerzeit (vor 6-7 Jahren!) über Aimard geschrieben hatte; in den Himmel hatte ich ihn nicht grad gehoben, und ob ich das heute immer noch so beurteilen würde wie damals, kann ich momentan nicht sagen.

    Im Lauf der letzten Jahre ist dann Mitsuko Uchida meine Favoritin geworden, was die Études angeht - aber auch das müßte ich erst wieder überprüfen. Auch Maurizio Pollinis Einspielung habe ich inzwischen schätzen gelernt - ein Pianist, den ich generell heute viel positiver sehe (höre) als früher.

    Vielen Dank jedenfalls für Deinen ausführlichen Vergleich! Werde demnächst in Ruhe wieder anhören, was sich bei mir dazu findet und mich dann gern hier dazu äußern.

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

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    Helmut Lachenmann

  • Lieber uliwer,

    in den letzten Tagen habe ich meine Aufnahmen der Études wieder vorgenommen und auch Pour les sixtes eben verglichen (mit Partitur). Ich finde, daß Du die Unterschiede zwischen Aimard und Pollini insgesamt gut herausarbeitest, auch wenn ich Dir nicht durchwegs zustimme:

    Zumindest [Aimards] Aufnahme dieser Etude "Pour les sixtes" geht - für mich - gar nicht. Das ging mir schon bei den "Images", die auf den beiden CDs von Aimard und Bavouzet mit den Etuden gekoppelt sind, so: Aimard lahm, schwammig, auf romantischen Schönklang aus, aber weit weg von dem was ich bei Debussy schätze. Ganz anders Bavouzet (in den Images). Bei Aimard fehlt mir in dieser Etude die Dynamik, die unterschiedlichen Tempi werden nivelliert, die "poco agitato"-Passagen sind vielleicht poco, aber jedenfalls nicht agitato, der Schluss wirkt fett. Anscheinend - aber das ist nur eine Laienvermutung - viel Pedal. Der Klavierklang ist dem insgesamt angemessen: weich, üppig aber ebenso pauschal. Dauer: 4:37.

    "Aimard lahm, schwammig, auf romantischen Schönklang aus": Nein, das höre ich anders. Was Aimard für meine Ohren macht (im Unterschied zu einigen anderen, die ich gehört habe), ist die Entfaltung des Klanglichen, durchaus mit viel Pedal, aber nie so verschwimmend, daß es auf Kosten motivischer Details ginge. Ich empfinde das als subtil, und "romantischer Schönklang" darf auch bei Debussy sein!

    Aimard deutet die Tempo- und Dynamikunterschiede mehr an, aber sie sind deutlich hörbar. In den "poco agitato"-Passagen ist er mehr "poco" als "agitato", das ist richtig. Aber Debussy schreibt hier auch "sempre pp" vor, für mich ein Hinweis darauf, daß der Interpret es nicht übertreiben sollte.

    Insgesamt eine mich überzeugende und angemessene Aufnahme, wie die ganzen Douze Études und auch die Images. Allerdings hat sich mir das erst richtig bei mehrmaligem Hören erschlossen; Aimard ist möglicherweise kein Debussy-Interpret, der auf Anhieb einschlägt (bei mir jedenfalls). Jetzt habe ich mir auch seine Einspielung der Préludes bestellt und bin gespannt drauf!

    Kontrastprogramm Pollini: Dauer 3:27. Die Aufnahme ist bei ihrem Erscheinen viel kritisiert worden: zu kalt, zu technisch, hässlicher Klavierklang. Insbesondere Letzteres kann man so sehen (oder besser hören). Die harmonischen Reibungen geich zu Beginn klingen fast kratzig. Mir sagt das allerdings zu: der scheinbar hässliche Klang höre ich als ein wichtiges Element zur Gestaltung des harmonischen Verlaufs. Der Forte-Ausbruch ist heftig, die agitato-Passage vielleicht zu wenig "poco", die Tempounterschiede werden sehr deutlich aber - nach meinem Empfinden - auch sehr subtil dargstellt. Der Schluss ganz trocken resignativ. Die Überschrift dises Threads "Schönheit in der Askese" passt für mich auf diese Interpretation. Insgesamt ein kurzes Stück voller Dramatik.

    "Kalt, technisch, häßlich"? Nein, empfinde ich nicht so. Pollini zu einer gewissen Distanziertheit, das mag sein und das finde ich bei Debussy auch nicht verkehrt. Hier stimme ich Deiner Beschreibung zu.

    Außerdem habe ich noch Uchida gehört, auch sie arbeitet Kontraste deutlich und plastisch heraus und ist vielleicht noch subtiler als Pollini, vor allem in den leisen Passagen.

    Ob nun Uchida, Pollini, Aimard oder Planès (dessen knochentrockenen Zugang ich ebenfalls schätze!): Alle diese Pianisten (und viele mehr) bewegen sich für mich auf einem derart hohen Niveau, daß ich mich nicht zu entscheiden getraue, was "besser" oder "schlechter" wäre.

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
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    Helmut Lachenmann

  • Ob nun Uchida, Pollini, Aimard oder Planès (dessen knochentrockenen Zugang ich ebenfalls schätze!): Alle diese Pianisten (und viele mehr) bewegen sich für mich auf einem derart hohen Niveau, daß ich mich nicht zu entscheiden getraue, was "besser" oder "schlechter" wäre.

    wobei die Studio-Einspielung der Etudes mit Pollini bei mir leider völlig aseptisch und mit furztrocknem Studiomief rüberkommt. Davon ist auch die Bergsche Klaviersonate kontaminiert. Schade.

    Fantastisch und mit höchsten Festzigkeitslevel dagegen der Radiomitschnitt der Etudes vom 06.06.86 aus Wien mit selbigem Tastenquäler. Mutierte sofort zum absoluten Dauerbrenner:
    http://www.youtube.com/watch?v=s1KXcP7Xd6s

    Übersteigt sogar Pollinis spätere Wiedergabe vom 2. Livre am 10.08.99 aus Salzburg.....

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Ich besitze von den Études sowohl die Interpretation Pollinis als auch die Aimards und ziehe erstere bei weitem vor. Bei Aimard geht mir eine gewisse Klarheit ab. Etwas, das mich auch bei seinem Bach stört.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Ich schätze auch sehr die Interpretation der Edtues mit Mitsuko Uchida (Aimard sagt mir weder bei Debussy noch bei Bach zu).

    Es gibt übrigens auf youtube mit Mitsuko Uchida zwei interessante Videos, in denen sie die Etudes von Debussy erläutert (auf deutscher Sprache), sehr interessant und kurzweilig! Dieses Video ist ehemals bei Philips als Videokasette erschienen sind, hat es aber niemals auf DVD geschafft, hier die links (das Video ist zweigeteilt):

    Teil 1:

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    Beste Grüße


    Gerhard

  • Es gibt übrigens auf youtube mit Mitsuko zwei interessante Videos, in denen sie die Etudes von Debussy erläutert (auf deutscher Sprache), sehr interessant und kurzweilig!

    Oh, vielen Dank, lieber Gerhard! Das interessiert mich!

    Übrigens bemerkenswert, daß Aimard bei Debussy so wenig geschätzt wird! :/

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

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    Helmut Lachenmann

  • Lieber Gurnemanz!

    Ich hoffe, dass Dir das Video gefällt.

    Beste Grüße

    Gerhard

    P.S. Die Bavouzet Debussy Gesamtaufnahme ist großartig. Ich habe sie schon viele Jahre und mir ist sie die liebste von allen und ich bin nicht schlecht bestückt (Roge, Thibaudet, Monique Haas, Planes, Rouvier, ...)

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