Stefan Herheim - Die Opernarbeiten auf DVD

  • Stefan Herheim - Die Opernarbeiten auf DVD

    Dieser Thread wird im Moment leider noch sehr kurz sein... Stefan Herheim gehört sicher zu den originellsten aktiven Opernregisseuren, und ich bin überzeugt, dass er in den kommenden Jahren noch für viel Aufsehen sorgen wird.

    Soweit ich das sehe, ist bisher nur eine seiner Inszenierungen als DVD in den Handel gekommen (ich würde mich freuen, wenn ich was übersehen haben sollte), nämlich

    Mozart: Die Entführung aus dem Serail

    Konstanze: Laura Aikin
    Blonde: Valentina Farcas
    Belmonte: Charles Castronovo
    Pedrillo: Dietmar Kerschbaum
    Osmin: Franz Hawlata
    Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor
    Mozarteum Orchester Salzburg
    Leitung: Ivor Bolton

    - und selbst die ist vergriffen.

    Aufgezeichnet wurde bei den Salzburger Festspielen 2006, Premiere war 2003. Ein ziemlicher Skandal damals, wenn man dem Booklet zur DVD glauben darf. Die DVD liegt auf dem Stapel der noch ungesehenen Neuanschaffungen jetzt ganz oben und wird demnächst in meinem Player landen. 8+)


    Bleibt zu hoffen, dass wenigsten Herheim "Parsifal" konserviert werden wird. Weiß jemand etwas über den Stand dieser Pläne?

    Michel

    Es gibt kaum etwas Subversiveres als die Oper. Ich bin demütiger Diener gegenüber diesem Material, das voller Pfeffer steckt. Also: Provokation um der Werktreue willen. (Stefan Herheim)

  • Bleibt zu hoffen, dass wenigsten Herheim "Parsifal" konserviert werden wird. Weiß jemand etwas über den Stand dieser Pläne?

    Gerüchteweise war zu hören, dass die Lizenzverhandlungen gescheitert sind und es somit keine DVD gäbe. Muss aber nicht stimmen, vielleicht tut sich ja noch was.


    DVDs werden ja eh nur von Aufführungen einiger großer Opernhäuser und Festivals produziert (mit wenigen Ausnahmen). Und abgesehen von den Ausflügen nach Salzburg und Bayreuth (und von zwei Inszenierungen an der Berliner Staatsoper, die aber auch nicht sonderlich häufig DVDs produzieren lässt), hat Herheim bisher eher an mittleren Häusern gearbeitet.


    Viele Grüße

    Bernd

    .

  • Mozart: Die Entführung aus dem Serail (Salzburger Festspiele)

    Ich habe heute die Zeit gefunden, mir die DVD mit Mozarts "Entführung aus dem Serail" in der Fassung von Herheim anzusehen - mir ist schon klar, dass das dem ein oder anderen konservativen Opernfreund in Salzburg etwas zu weit gegangen sein dürfte...

    Was macht Herheim mit dem Plot der Oper? Er ignoriert ihn schlichtweg (was, mit Verlaub, vielleicht auch das Beste ist, was man mit diesem Libretto machen kann :hide: ). Die gesprochenen Texte sind komplett neu geschrieben (die gesungenen bleiben allerdings unangetastet), die Rolle des Bassa Selim ist gestrichen, eine durchgehende Handlung im eigentlichen Sinn gibt es gar nicht. Stattdessen werden die Szenen der Oper zu Reflektionen über das Verhältnis der Geschlechter umfunktioniert, in denen der Liebende Belmonte und der Triebhafte Osmin nur andere Facetten des "Mannes" Pedrillo darstellen, ebenso wie Konstanze als moralisches Gewissen der "Frau" Blonde erscheint. Unter immer wieder neuen Blickwinkeln werden Krieg, Waffenstillstand und Frieden zwischen Mann und Frau beleuchtet. Das Ganze mit der Herheim eigenen Musikalität bis ins Detail hinein, und bei virtuosem Umgang mit Bühnenbild und Videoprojektion umgesetzt. Meiner Ansicht nach (nach dem ersten Sehen jedenfalls) geht dieser Ansatz voll auf - spannendes und ausgesprochen unterhaltsames Theater.

    Michel

    Es gibt kaum etwas Subversiveres als die Oper. Ich bin demütiger Diener gegenüber diesem Material, das voller Pfeffer steckt. Also: Provokation um der Werktreue willen. (Stefan Herheim)

  • Tschaikowsky: Eugen Onegin (Amsterdam 2011)

    Endlich Nachschub für diesen Thread:


    mit Bo Skovhus, Andrej Dunaev, Mikhail Petrenko, Elena Maximova und dem Concertgebouw Orchestra unter Mariss Jansons (der übrigens für dieses Dirigat von der Opernwelt zum Dirigenten des Jahres gewählt wurde).


    - eine Besprechung dieser Produktion gibt es hier

    Es gibt kaum etwas Subversiveres als die Oper. Ich bin demütiger Diener gegenüber diesem Material, das voller Pfeffer steckt. Also: Provokation um der Werktreue willen. (Stefan Herheim)

  • Puccini: La Bohème (Oslo 2012)

    Herheims viel gelobte Bohème-Inszenierung aus Oslo hat den Weg auf DVD und Bluray gefunden :thumbup:

    - die Beschreibung bei jpc nennt als Regisseur einen gewissen Einar Beyron. Davon sollte man sich nicht irritieren lassen.

    Es gibt kaum etwas Subversiveres als die Oper. Ich bin demütiger Diener gegenüber diesem Material, das voller Pfeffer steckt. Also: Provokation um der Werktreue willen. (Stefan Herheim)

  • La Bohème

    Heute habe ich mir diese BR angesehen - eine fabelhafte Inszenierung. Herheim lässt Mimi noch bevor der erste Ton der Musik ertönt in einem Krankenhaus an Krebs sterben, in Anwesenheit Rodolfos. Dieser bricht im Angesicht ihres Todes zusammen, verliert den Boden unter den Füssen und fantasiert sich in eine Scheinwelt hinein, in der nun die eigentliche Handlung spielt. Dabei gehen in perfektem Herheimschen Stil die verschiedenen Zeitebenen permanent ineinander über, Rodolfo wandelt auf dem schmalen Grat zwischen Fantasie und Realität und schwankt mal in die eine, mal in die andere Richtung. Immer bleibt die Krankenhausumgebung sichtbar, mal mehr, mal weniger. Die Szenen, in denen Rodolfo kurz davor ist, die Wahrheit anzunehmen, dann aber doch wieder in die Scheinwelt flieht, sind herzzerreißend. Diese Realitätsflucht findet übrigens in eine Bohème-Inszenierung statt, die 1963 in Oslo Premiere hatte und dort jahrzehntelang im Programm war - Herheim übernimmt Kostüme und ganze Teile des Bühnenbildes, das inmitten des Krankenzimmers erscheint. Das norwegische Publikum wird das erkannt haben, ich habe es erst hinterher im Internet nachgelesen.

    Unterstützt wird dieses virtuos in Szene gesetzte Spiel von einer wieder einmal grandios erfundenen Bühne von Heike Scheele, die für Herheim u.a. auch schon die genialen Bühnen für Parsifal und Rusalka gebaut hat.

    Auch musikalisch gibt es wenig zu klagen - man hat anderswo zwar schon mehr Puccini-Farben im Orchester gehört, aber unter Eivind Gullberg Jensen spielt das Orchester der Norwegischen Oper zupackend, einfühlsam, man hört gerne zu. Diego Torre (Rodolfo) und Marita Sölberg (Mimi) haben schön timbrierte Stimmen und ihre Gestaltung der Rollen lässt kleinere Probleme vergessen. Vasilij Ladjuk (Marcello) und Jennifer Rowley (Musetta) gefallen ohne Einschränkungen, und sind auch darstellerisch immer auf der Höhe. Was von Mimi und Rodolfo leider nicht sagen kann - besonders Diego Torre agiert sehr hölzern und hat außer den üblichen Operngesten aus Großvaters Stehtheater wenig zu bieten. Das einzige wirkliche Manko dieser Produktion.

    Es gibt kaum etwas Subversiveres als die Oper. Ich bin demütiger Diener gegenüber diesem Material, das voller Pfeffer steckt. Also: Provokation um der Werktreue willen. (Stefan Herheim)

  • Herheims viel gelobte Bohème-Inszenierung aus Oslo hat den Weg auf DVD und Bluray gefunden :thumbup:

    - die Beschreibung bei jpc nennt als Regisseur einen gewissen Einar Beyron. Davon sollte man sich nicht irritieren lassen.

    Das könnte endlich die Rettung für diese von mehr recht geschmähte Oper sein ... :thumbup:

    DiO :beatnik:

    "Wer Europa in seiner komplizierten Verschränkung von Gemeinsamkeit und Eigenart verstehen will, tut gut daran, die Oper zu studieren." - Ralph Bollmann, Walküre in Detmold

  • Das könnte endlich die Rettung für diese von mehr recht geschmähte Oper sein ...

    Na ja, bei mir ist es so, dass anscheinend unter der rauen Schale des Hardcore-Regielis ein sentimentaler Kern verborgen ist - jedenfalls hatte ich immer schon eine Schwäche für La Bohème :love: :schaem: . Wenn allerdings die Rührseligkeit des Stücks durch die Inszenierung verdoppelt wird, wird das ganze auch für mich unerträglich. Herheim gelingt das Kunststück, die Story ein wenig gegen den Strich zu bürsten, ohne dabei den sentimentalen Kern zu verleugnen. Endlich kann man La Bohème ohne schlechtes Gewissen anschauen 8+)

    Es gibt kaum etwas Subversiveres als die Oper. Ich bin demütiger Diener gegenüber diesem Material, das voller Pfeffer steckt. Also: Provokation um der Werktreue willen. (Stefan Herheim)

  • Hier gibt es einige Neuigkeiten zu vermelden: Rusalka, Meistersinger, Pique Dame und die Vêpres Siciliennes.

    Der Parsifal bleibt ja wohl Desiderat.

     

     


    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Die "Meistersinger" fand ich szenisch seinerzeit brilliant. Leider kam das Dirigat von Gatti in Bezug auf die Qualität nicht mit. Das war alles ziemlich breiig, ungenau und spannungsarm. Trotzdem: allein die Inszenierung lohnt es sicherlich, sich mit dieser Produktion zu befassen, und es sind ja auch diverse exzellente Sänger zu sehen und zu hören (insbesondere Volle und Zeppenfeld).

    Der Parsifal bleibt ja wohl Desiderat.


    Ja, dem ist wohl leider so. Eigentlich sollte aus der letzten Spielzeit, in der diese Produktion in Bayreuth lief, eine DVD-Produktion resultieren. Ich habe gehört, dass es zu einem Zerwürfnis zwischen Herheim und der Festspielleitung gekommen sein soll. Ersteres weiß ich sehr sicher, letzteres sind Gerüchte.

    LG :wink:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

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