Bach, J. S.: Matthäus-Passion, BWV 244 - Die Große Passion

  • komme gerade aus München zurück:

    Eine fantastische Matthäuspassion und zwar nicht von Guttenberg, sondern vom Münchner Bach-Chor plus Bach Kollegium unter Hansjörg Albrecht. Das war ein Bach der richtig swingte, im besten Sinn wag ich das als alter Jazzer zu sagen. Und dazu ein phänomenalter Daniel Johannsen als Evangelist und eine nicht minder tolle Elisabeth Kulman (Alt). Auch Jochen Kupfers Jesus überzeugte, während Stefan Loges (Bariton), Julian Pregardien (Tenor) und Lenneke Ruitens gut waren, aber keine Akzente setzten. Exakter Chor, historische Besetzung, Herz was willst du mehr. Und bei meinem ersten Gasteigbesuch hat mich nicht einmal die Akustik erschüttert. Andächtige Stille während des Werkes, andächtige Stille nach dem letzten Ton....erst spät der Jubel. Berührend und nahegehend....

  • Das war ein Bach der richtig swingte..,

    Heißt das nicht `swang?´ 8+)

    PS ist Julian Pregardien ein Bruder von Christoph?

    :wink:
    Juli

    "Eine Semmel enthält 140 Kalorien, 700 Semmeln pro Jahr ergeben 98000 Kalorien,
    diese benötigt man, um eigenhändig 1 Elefanten 9 Zentimeter weit zu tragen. Aber wozu?"
    (Loriot)

  • Danke Chris,

    ich hätte es natürlich auch googeln können, aber wozu hat man denn ein Forum! ;+)

    "Eine Semmel enthält 140 Kalorien, 700 Semmeln pro Jahr ergeben 98000 Kalorien,
    diese benötigt man, um eigenhändig 1 Elefanten 9 Zentimeter weit zu tragen. Aber wozu?"
    (Loriot)

  • ein phänomenalter Daniel Johannsen als Evangelist

    Ja, Daniel Johannsen ist absolut genial! Ich hatte auch schon manchmal das Glück, ihn zu hören; besonders in Erinnerung geblieben ist er mir im "Messiah" beim Psalm-Festival vor ein paar Jahren, wo er eine grandiose Interpretation von "I shall break them" hingelegt hat; die kleine Arie geht bei vielen langweiligeren Tenören oft unter zwischen "Why do the nations"/"Let us break their bonds" und dem Halleluja.

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • Matthäus - Rattle und Herreweghe

    Was die Rattle Passion angeht, waren meine Erwartungen zu hoch und sind etwas enttäuscht worden .... Quasthoff als Christus war auch serh gut: Leider kam insgesamt gegen null Emotion bei mir rüber. Kozena klang wie ein Counter, Tilling kalt und ohne Engelsanmut, mein geliebter Gerhaher hat stellenweise sehr unsauber gesungen


    Merkwürdig, wie unterschiedlich die EInschätzungen sein können. In der Rattle-MP aus Birmingham (die ist doch gemeint, oder?) hat Gerhaher und nicht Quasthoff die Christusworte gesungen - für Gerhahers Verhältnisse recht deklamatorisch, passte wohl zu der Theatralik der halbszenischen Aufführung und sollte nicht zu salbungsvoll klingen. Für mich klang Kozena warm und expressiv und gar nicht wie ein Counter.
    Das fast pandemonische Durcheinander an einigen Chor-Stellen bei Rattle und größere Intonationsprobleme an vielen Stellen bildet einen denkbar starken Gegensatz zur sehr kontrollierten Herreweghe-Darbietung, die wirklich wunderbar musiziert und gesungen wurde. Nur die Bildregie hat gestört - man hat wohl keine Kamera mittig in den ersten Reihen plazieren können? Jedenfalls viel zu viele Nahaufnahmen (bes. von Herreweghe) und kaum Einstellungen, die den Raum als Konzertsaal erkennen ließen. Immerhin wurde die siebensaitige Bassviola in "Komm süßes Kreuz" richtig ins Bild gebracht.

  • Lieber Manon Tanto, du beruhigst mich doch ungemein.Ich dachte eh schon , ich trau meinen Ohren nciht oder mein belgischer Radiosender spinnt. Oder ich versteh kein einzige Sprache mehr.
    Wenn Quasthoff und nicht Gerhaher die Arien gesungen hat, war Ersterer unsauber und Letzter sehr gut. was mein Weltbid nun gottseidank wieder ins richtige Licht rückt..... :fee:
    Dass bei Kozenas sicher gutem Gesang bei mir nciht mehr ankommt als bei einem Counter liegt wohl an mir. Erbarme dich ohne Emotion geht nun leider gar nciht.
    Und ich harre gespannt der vielgepriesenen Herreweghe MP,

    F.Q.

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Immerhin wurde die siebensaitige Bassviola in "Komm süßes Kreuz" richtig ins Bild gebracht.

    :?: Du meinst ne Gambe nehm ich an

    Gruss Syrinx

    Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet's nicht erjagen, Wenn es nicht aus der Seele dringt Und mit urkräftigem Behagen Die Herzen aller Hörer zwingt.
    Goethe, Faust 1

  • komme gerade aus München zurück:

    Eine fantastische Matthäuspassion und zwar nicht von Guttenberg, sondern vom Münchner Bach-Chor plus Bach Kollegium unter Hansjörg Albrecht. Das war ein Bach der richtig swingte, im besten Sinn wag ich das als alter Jazzer zu sagen. Und dazu ein phänomenalter Daniel Johannsen als Evangelist und eine nicht minder tolle Elisabeth Kulman (Alt). Auch Jochen Kupfers Jesus überzeugte, während Stefan Loges (Bariton), Julian Pregardien (Tenor) und Lenneke Ruitens gut waren, aber keine Akzente setzten. Exakter Chor, historische Besetzung, Herz was willst du mehr. Und bei meinem ersten Gasteigbesuch hat mich nicht einmal die Akustik erschüttert. Andächtige Stille während des Werkes, andächtige Stille nach dem letzten Ton....erst spät der Jubel. Berührend und nahegehend....


    Zunächst einmal HERZLICH WILLKOMMEN im erlauchten Kreis !

    Da warern wir am Freitag ja wohl in der selben Aufführung ;+) :hide: . Und ich kann deine Eindrücke voll bestätigen - zumindest beinahe (denn auf meinem Platz - für Kenner des Gasteig: Eingang O, Reihe 11 - war der Klang leider nicht immer berauschend). Der Evangelist war in der Tat ganz ausgezeichnet, von Kulman und Kupfer habe ich mir nichts anderes erwartet. Pregardien jr. hat mich dafür enttäuscht. Und der eine Kontrabass hat bewiesen, dass es eine direkte Linie von Bach zu Jazz geben muss. Schade, dass es keinen Konzertmitschnitt gibt.

    Michael

  • Herreweghe

    Kurze Einschätzung meinerseits zu der Herreweghe-MP (3sat-Aufzeichnung): der Gesamteindruck ist gemischt. Orchestral fand ich die Bläser meist stärker als die Streicher. Weder das Violinsolo beim "Erbarme Dich" noch bei "Gebt mir meinen Jesum wieder" fand ich überzeugend, letzteres sogar beinahe grauslig. Der Chor hat sehr schön, nämlich schlank, präzise und beweglich, gesungen. Sängerisch fand ich Pregardien ob seiner Deutlichkeit sehr angenehm, allerdings merkte man, daß er inzwischen Probleme bei Spitzentönen sowie auch konditionell (gegen Ende ließ er nach) bekommt - ein toller Sänger, der seinen Zenit vielleicht überschritten hat. Bei den Alti kann ich das Gewese um Blaze nicht ganz nachvollziehen, ich fand Guillon insgesamt variabler, gestaltungsreicher und souveräner. Bei den Damen fand ich Blazikova wie auch Mields stilistisch sehr geschmackvoll, das war schlanker Barockgesang mit wohldosiert wenig Vibrato. Beide hatten allerdings m. E. Probleme im Bereich der Textverständlichkeit, besonders Frau Blazikova klang etwas nach heißer Kartoffel im Mund. Fazit: beileibe keine schlechte Aufführung, aber sie hat für mich mal wieder gezeigt, wie ungeheuer schwierig es ist, dieses Gigantenwerk auf gleichbelibend hohem Level zu besetzen und zu musizieren.

    Zur Aufnahme: für ein doppelchörig angelegtes Werk viel zu viele Close-Ups und viel zu wenig Totalen. Bei vielen Arien stimmte die Lautstärke-Balance zwischen Instrumentalpart und Gesang nicht, der Gesang war meist so laut, daß man die Kontrapunktik schwer raushören konnte (besonders schlimm z. B. beim "Erbarme Dich"). Da ich nicht glaube, daß Herreweghe einen Pfropf im Ohr hat, ist meine Befürchtung, daß hier ein Tonmeister am Werk war, der bisher eher durch Übertragungen italienischer Operngalen aufgefallen ist (weiß jemand was über den Kollegen?).

    Ach ja, Herreweghe mag vollkommen zu Recht ein weltberühmter Dirigent sein, aber ist es jetzt auch schon Nicht-HIP, wenn man sich irgendwann mal ein Buch über Schlagtechnik zulegt? Dagegen wirkt der späte Klemperer ja wie Gustavo Dudamel... Den Eingangschor hätte er für meinen Geschmack etwas tänzerischer musizieren lassen können. Trotzdem: sehr gut investierte 2 3/4 Stunden!

    LG :wink:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Hallo!

    Letzte Woche hatte ich einen Termin bei einem Kunden in Schwäbisch Gmünd. Um die Fahrerei nach Hause etwas zu verkürzen (O-Ton Navi: "Dieser Straße 600km folgen...") bin ich vorher noch bei der Drogerie Müller reingesprungen, und habe dann aus der CD-Abteilung erstanden:

    Eine ganz nette Einführung, nicht wirklich anspruchsvoll, aber gut anzuhören. Vor allem werden ein paar Details per Musikbeispielen schön erläutert, in dem mal nur der Chor, oder nur eine Instrumentengruppe spielt.

    Parrot

    In "Lohengrin" gibt es hübsche Augenblicke, aber bittere Viertelstunden.
    (Gioacchino Rossini)

  • die gabs mal vor ca. 2 Jahren in Bayern 4 Klassik, hatte ich mitgeschnitten + kam zu dem gleichen Eindruck..

    :wink:

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Matthäus

    Die Einführung von Wieland Schmid wurde in BR-Klassik auch am 21.03 ausgestrahlt.
    Einen interessanten Vergleich mit der konzentrierten Herreweghe-Darbietung bot letztes Wochenende die dynamische und aufwühlende Matthäus-Passion unter Rattle in der Ritualisierung von Peter Sellars. Raumklangtechnisch am spektakulärsten war das Ende vom 1. Teil - auf "Da verließen ihn alle Jünger und flohen" fliehen alle Chorsänger vom Podium in verschiedene Ecken und Zwischengänge des Zuschauersaals, von wo aus sie den Choral "O Mensch, bewein dein Sünde groß" anstimmen, und zwar in einer unglaublichen Lautstärke.

  • Im Thread "Hörer mit modernen Ohren" schreibt Peter Brixius:

    Zitat von Peter Brixius

    Das gilt für alle Epochen, dass man ihre Musik entweder "naiv" in seine eigenen Erfahrungen aufnehmen kann (mit all den "falschen Freunden") oder sich dadurch, dass man ihr Vokabular erlernt, die ästhetische Kommunikationssituation zu rekonstruieren versucht.

    Ich bekenne freimütig, dass mein Zugang zu Kunst im allgemeinen zu 90% naiv geprägt ist. Wiewohl ich durchaus Willens bin, mein Vokabular zu erweitern.

    Allein: wie?
    Ich habe kein Wörterbuch...

    In Bezug auf die Matthäus-Passion fallen mir da Begriffe ein, bei denen die Hörer des 17. Jahrhunderts und viele Mitglieder hier wahrscheinlich nur müde lächeln, die mir Musikanalphabeten allerdings erst durch intensivere Beschäftigung überhaupt das allererste mal unter kamen. Ich nenne als Beispiel "Kreuzfigur" und "Lamento-Motiv".

    Welche Vokabeln fallen Euch noch ein, die in der MP eine nachvollziehbare Rolle spielen?
    Passende Beispielstellen...?

    Oder gar ein neuer Thread dafür?

    Parrot

    In "Lohengrin" gibt es hübsche Augenblicke, aber bittere Viertelstunden.
    (Gioacchino Rossini)

  • Im Thread "Hörer mit modernen Ohren" schreibt Peter Brixius:

    Ich bekenne freimütig, dass mein Zugang zu Kunst im allgemeinen zu 90% naiv geprägt ist. Wiewohl ich durchaus Willens bin, mein Vokabular zu erweitern.

    Allein: wie?
    Ich habe kein Wörterbuch...

    Ich schreibe es ein wenig idealtypisch: Voraussetzung ist mE immer, dass es einen Funken gibt, der vom Werk zum Hörer fliegt. Wenn es ein Werk ist, das ich nur per Wörterbuch zusammenbuchstabiere, dann ist es zu wenig. Also. Ohne die naive Begeisterung geht nichts. Wenn ich das Werk mag, dann werde ich neugierig und möchte immer mehr darüber erfahren. Und dann kommt eins zum anderen - wenigstens bei mir.

    Was mir hilft, Eindrücke zu fassen, festzuhalten, zu vertiefen und zu versprachlichen, sind die Noten. Dann kann ich auch leichter die Ausdrücke zuordnen, mit denen man über die musikalischen Eindrücke sprechen kann.


    Liebe Grüße Peter

    .
    Auch fand er aufgeregte Menschen zwar immer sehr lehrreich, aber er hatte dann die Neigung, ein bloßer Zuschauer zu sein, und es kam ihm seltsam vor, selbst mitzuspielen.
    (Hermann Bahr)

  • Ich bekenne freimütig, dass mein Zugang zu Kunst im allgemeinen zu 90% naiv geprägt ist. Wiewohl ich durchaus Willens bin, mein Vokabular zu erweitern.

    Allein: wie?
    Ich habe kein Wörterbuch...

    Ich schreibe es ein wenig idealtypisch: Voraussetzung ist mE immer, dass es einen Funken gibt, der vom Werk zum Hörer fliegt.

    Das Wichtigste einem Kunstwerk, wie einem Menschen gegenüber dürfte es sein, dass man fasziniert ist, dass der von von Peter Brixius erwähnte Funke überspringt, wie eben wenn man sich in einen Menschen verliebt. Um sich einem Kunstwerk wie der Matthäuspassion zu nähern, vermögen kritische Worte oder ein Wörterbuch wenig auszurichten. Die Zusammenhänge sind eben so wenig greifbar, wie fassbar. Oder wie ich gerade in Rilkes Briefen gelesen habe:

    Zitat

    Kunstwerke sind von einer unendlichen Einsamkeit und mit nichts so wenig erreichbar als mit Kritik. Nur Liebe kann sie erfassen und halten und gerecht sein gegen sie.

    Gruß

    t

  • In der Reihe "Hippe Aufführungen unhipper Bearbeitungen" werde ich mir am Karfreitag dieses Konzert mit der Mendelssohn-Fassung der Matthäus-Passion anhören.

    Dazu folgender Hilferuf: Ich konnte zwar im Netz ein paar Informationen zu Mendelssohns Bearbeitung finden - fast um ein Drittel gekürzt, Konzentration auf Chöre und Choräle, Oboe d'amore durch Klarinetten ersetzt, Klavier in den Rezitativen (hoffentlich doch ein Hammerklavier! ;+)). Aber das war's auch schon, und ich befürchte, in der bei mir zuhause verfügbaren Bach-Literatur werde ich auch nicht mehr finden.

    Weiß zufällig jemand, welche Nummern Mendelssohn genau gestrichen hat? Oder in welcher halbwegs verbreiteten Literatur das geschrieben stehen könnte?


    Herzlichen Dank und viele Grüße

    Bernd

    .

  • Ist zwar alles andere als eine zuverlässige Information, aber hier ist, was amazon als Tracklist der Spering-Aufnahme zur verfügung stellt

    http://www.amazon.de/St-Matthaus-Pa…ks_all_1#disc_1

    Oh, vielen Dank. :) Auf die Idee bin ich gar nicht gekommen.

    Habe jetzt nur flüchtig drübergeschaut, aber so viel scheint ja gar nicht zu fehlen. Vielleicht gibt's auch Kürzungen innerhalb der Stücke.

    Wenn Erbarme Dich gestrichen worden wäre, hätte ich Mendelssohn aber doch mal zur Rede gestellt. :D


    Viele Grüße

    Bernd

    .

  • WDR 3 TonArt , CD-Rezension:

    In der Rezension geht es hauptsächlich um einen neuen Ansatz Veldhovens , der von einer Hierarchie von Chor 1 und Chor 2 ausgeht; Chor 2 wird als untergeordnet betrachtet und deshalb nur solistisch besetzt. Für mich klingen die Hörbeispiele allerdings nicht so, als wenn ich das unbedingt haben müsste.

    Gruß, Carola

    Vom Schlechten kann man nie zu wenig und das Gute nie zu oft lesen. Arthur Schopenhauer

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