Tatort - Das sonntägliche Krimi-Schlachtross

  • Es gibt nämlich vier Dinge von einiger Bedeutung, welche der Berliner noch nie nicht, ja ums Verrecken nicht auf die Reihe gekriegt hat: Brauen, Backen, Fußballspielen und Tatort.

    :mlol: :juhu: Tatort kann ich nicht beurteilen, aber wo der Rest einfach sowas von zutrifft...... :D

    :wink: Matthias

  • Okay, bei Schimanski war auch nicht alles schlecht. (...)

    Was mir fehlt, sind Wortwitz und klug konstruierte Fälle, Handlungsalternativen (Sprung durchs Fenster und Aus!), wirklich gute Nebendarsteller, eine Entwicklung der Figuren. Was mich stört, ist diese ständige selbstironiefreie Poserei.

    Neeneenee...

    Das stimmt so nicht, allerwertester! Ja: Die Figur Schimanski war frei von Selbstironie. Die Figur war so angelegt, dass ihm die Mittel für so etwas fehlte. Ein echter Proll, das Herz irgendwie am rechten Fleck aber ohne die Fähigkeit, seine Handlungen zu reflektieren. Dafür haben Hajo Gies und Co. ihm aber ja Thanner und Hänschen zur Seite gestellt, die genau wie du an dem irren Gebaren des Hässliche-Jacken-Trägers fast verzweifelt sind. Ich kann's gar nicht oft genug wiederholen: Ohne Thanner wäre Schimanski nix gewesen, mit ihm war's eine Freude! Nu komm schon, liebster Graf, das Blaulicht aufs Auto setzen, um Pommes von der Bude zu holen, das wollen wir doch insgeheim alle, oder? Und dass die Haupt-Akteure im Laufe der Jahre eine so besonders große Entwicklung durchgemacht haben, die wie eine große Klammer viele Folgen zu umspannen vermag - das gab's damals doch noch nicht wirklich, oder täusche ich mich?

    LG
    C.

    „Beim Minigolf lernte ich, wie man mit Anstand verliert.“ (Element of Crime)

  • Jetzt hilft alles nicht mehr, jetzt muss ich auch ran!

    Als Liebhaberin des schwarzen Humors finde ich solche Dialoge

    " Wie heißen denn nochmal diese Leute, die immer schwarz rumlaufen?" Boerne:" Neger"

    Einfach göttlich!

    Deshalb ganz klar die Nummer 1: Thiel und Boerne und Alberich (für andere außer Boerne Frau Haller), die Staatsanwältin, der bekiffte Taxifahrer-Vater....
    Jetzt will ich auch die Assistentin Nadeshda nicht außen vor lassen.

    Boerne:" Nadeshda, für ein Mitglied der Generation Twenty-something sind Sie eine ganz schön endkrasse Nullcheckerin"

    Die Fälle an sich sind von wechselnder Qualität, aber niemand schaut sich Münster wegen der Fälle an, oder weil er wissen will, wer der Mörder ist. 8+)

    Ganz kurz zu den anderen:

    Batic / Leitmeyer fand ich immer gut, einige sogar sehr gut - die besten sind schon genannt worden - aber Carlo fehlt!

    Schenk / Ballauf habe ich früher mit großem Vergnügen geguckt - `Manila´ mit dem Knabenchor liebenden Matthieu Carriere, dem man den Kanbenstecher sofort abnimmt, war einer der ganz großen Tatorte. Die Kölner sind grauenhaft schlecht geworden und Ballauf guckt immer gleich....

    Die Zicke Andrea Sawatzki (Sänger) kann ich gar nicht ab, nichts destotrotz zählen einige der Frankfurter Fälle mit zum Besten, was ich je an Tatorten gesehen habe.
    Dazu zählen die schon vom Grafen erwähnten
    Herzversagen mit den Rentnermorden und
    Weil sie böse sind in welchem Matthias Schweighöfer alles gerissen hat und Sawatzki erfreulicherweise nur eine Nebenrolle hatte.
    Die anderen beiden habe ich leider nicht geshen, lieber Graf!

    Ich mag auch den Krassnitzer - des ist a gstandnes Mannsbild, man versteht nur die Leut net, aber dafür immer schöne Landschaftsbilder! ;+)

    Odenthal / Kopper hat auch immer ganz nette Fälle gehabt - ich sag mal, durchwachsen - sehr nett sind die Spaghetti-Essen bei Koppers Mamma
    Insgesamt ein stimmiges Team!

    Ich mag Borowski ganz gerne, wünschte mir aber, der Psycho-Zicke würde endlich mal was energisches zustoßen, die geht ja gar nicht!

    Wer auch nicht geht, sind:

    Inga Lürssen (am schlimmsten war die ewig angenervte Teenagertochter, die hat übrigens auch nur einen Gesichtsausdruck)
    Unser Kommissar Herr Specht (Robert Atzhorn - ein Brechmittel - zum Sohn: siehe Lürssen)
    Maria Furtwängler (hab vergessen, wie sie im TO heißt) mit ihrem verhuschten Teilzeit-Lebensabschnitts-Nicht-Gefährten (hab vergessen wie der heißt)
    Simone Thomalla habe ich sage und schreibe eine Minute ertragen, wie sie mit hochhackigen Schühchen aus dem Polizeiauto ausstieg und irgendwas Saublödes von sich gab, danach war Schluss.

    Habe ich schon erwähnt, dass ich niemals Schimanski-Fan war?

    So, das reicht fürs erste.
    LG
    Juli

    "Eine Semmel enthält 140 Kalorien, 700 Semmeln pro Jahr ergeben 98000 Kalorien,
    diese benötigt man, um eigenhändig 1 Elefanten 9 Zentimeter weit zu tragen. Aber wozu?"
    (Loriot)

  • Neeneenee...

    Das stimmt so nicht, allerwertester! Ja: Die Figur Schimanski war frei von Selbstironie. Die Figur war so angelegt, dass ihm die Mittel für so etwas fehlte. Ein echter Proll, das Herz irgendwie am rechten Fleck aber ohne die Fähigkeit, seine Handlungen zu reflektieren. Dafür haben Hajo Gies und Co. ihm aber ja Thanner und Hänschen zur Seite gestellt, die genau wie du an dem irren Gebaren des Hässliche-Jacken-Trägers fast verzweifelt sind. Ich kann's gar nicht oft genug wiederholen: Ohne Thanner wäre Schimanski nix gewesen, mit ihm war's eine Freude! Nu komm schon, liebster Graf, das Blaulicht aufs Auto setzen, um Pommes von der Bude zu holen, das wollen wir doch insgeheim alle, oder? Und dass die Haupt-Akteure im Laufe der Jahre eine so besonders große Entwicklung durchgemacht haben, die wie eine große Klammer viele Folgen zu umspannen vermag - das gab's damals doch noch nicht wirklich, oder täusche ich mich?

    LG
    C.


    Jetzt will er wieder über Schimmi reden! Na gut, reden wir. "Laß uns reden, Liebling".

    Das Zitat heißt korrekt: "Du machst doch schon für ne Schale Pommes die Orgel an!", ein Satz, den ich beständig im Munde führe, wannimmer ein Polizeiauto mit Blaulicht an mir vorbeirast.

    Und Du hast vermutlich recht, Entwicklung gab es selten damals, dafür ging´s den Leuten einfach in ihrem Ist-Zustand zu gut, befürchte ich. Und Schimanski war mit seinem immer sehr zufrieden, wie ich glaube.

    Mensch, ich habe doch auch alle Schimmi-Folgen gesehen, wir hatten sogar früher alle auf Videokassette (mitgeschnitten, nicht gekauft). Ich weiß, daß davon ein gewisser Reiz ausgehen kann, ich wehre mich halt nur erfolgreicher als Du dagegen.

    Außerdem kenne ich außer Köln keine Stadt so gut wie Duisburg, jede Ecke beinahe sagt mir was, jede neue Außeneinstellung (so sie denn in dieser bezaubernden Rhein-Ruhr-Metropole abgedreht ward). Ja, selbstverständlich hat das was! Was? Ich weiß es nicht...

    Stelle doch mal ein paar Duisburger Folgen vor, mein Lieber, ich hab die jetzt seit etwa fünfzehn Jahren nicht gesehen und ich weiß nicht, ob ich die noch auf die Kette kriegen würde. Meine Wenigkeit macht mit den Kölnern weiter (oder hatte ich die schon?). Wo geht´s denn lang hier...? (Stoppok)


    Liebe Juli,

    ich würde ja gerne mit Dir über irgendetwas debattieren, aber Deine Ansichten sind nuneinmal zur Gänze auch die meinen, da gibt es keine Chance. Es sei denn... ich darf wieder Boerne sein. [Blockierte Grafik: http://technoforum.dyndns.org/public_html/ubb/graemlins/sehrstreng.gif]


    "In the year of our Lord 1314 patriots of Scotland, starving and outnumbered, charged the field of Bannockburn. They fought like warrior poets. They fought like Scotsmen. And won their freedom."

  • Und während anderswo die guten Ermittlerduos ein schwaches Drehbuch noch halbwegs kompensieren können, wird man hier mit dem Kommissar Ritter von der traurigen Gestalt samt seinem triefäugigen Sancho Pansa gequält. Wen juckt's da noch, wer wen ermordet hat, solange diese zwei Pappnasen stets mit dem Leben davonkommen, Herrgottnochmal.


    Diesem ebenso treffend wie toll formulierten Statement darf ich mich vorbehaltlos anschließen. Auch mir ist nicht ersichtlich, wieso eine Stadt sich permanent per Tatort selbst in die Pathologie karrt...

    Alex :wink:


    "In the year of our Lord 1314 patriots of Scotland, starving and outnumbered, charged the field of Bannockburn. They fought like warrior poets. They fought like Scotsmen. And won their freedom."

  • Duisburg

    Stelle doch mal ein paar Duisburger Folgen vor, mein Lieber, ich hab die jetzt seit etwa fünfzehn Jahren nicht gesehen

    ER würde jetzt zu dir (Graf Thanner) sagen: Ach Scheiße, vorstellen, menschenskind...
    Bei mir ist das doch auch ewig her - da brauche ich etwas Zeit zur Besinnung.

    Lebhaft erinnerlich sind mir jedenfalls (ich erwähnte sie bereits) die beiden folgenden Episoden:

    Moltke (1988)
    Schimanski paktiert mit dem gerade entlassenen Bankräuber Zbiginiew Pawlak (genannt Moltke), dessen ehemalige Komplizen plötzlich nach und nach ermordet werden. Unser edler Hauptkommissar glaubt im Gegensatz zum beflissenen Thanner an Moltkes Unschuld. Letzterer hat es tatsächlich lediglich auf jenen einen damaligen Mittäter abgesehen, der seinen kleinen Bruder beim aus den Fugen geratenen Coup erschossen hatte. Und genau den will Schimmi auch dingfest machen - mit Moltkes Hilfe. Es kommt zum Showdown in Königsbergs schrabbeligem Wohnblock. Wunderbar, wie sich Schimmi in dieser Folge nahezu um den Verstand säuft, weil er mit dem polnischen Bären alkohol-technisch mithalten will. Hubert Kramar als Moltke ist ein Naturereignis! Die prollige Musik stammt standesgemäß von Dieter Bohlen, der zugleich mit formidabler Wischmopp-Frisur einen irren Stalker mimt.

    Der Pott (1989)
    Die Stahlarbeiter in Duisburg stehen mitten im Arbeitskampf, da wird ihre Streikkasse - der Pott - gestohlen. Die ganze Kohle für die Kumpels und ihre Familien sind futsch. Und kurze Zeit später ist ein Gewerkschaftler erschossen. Da Thanner karrieregeil in Bonn beim BKA (oder LKA, ich weiß es nicht mehr) rummacht, sucht Schimmi die Hilfe seines Kollegen Jo Wilms. Damit macht er aber den Bock zum Gärtner, denn Wilms - selbst ein geschundenes Duisburger Arbeiterkind - hat so seine dunklen Seiten. Als Thanner das spitz kriegt, eilt er in höchster Not zurück nach Duisburg, um den verwirrten Schimmi vor dem schlimmsten zu bewahren. Diesmal zum Glück kein Dieter Bohlen, sondern der einzigartige, selige Rio Reiser, der mit Live-Band für die Arbeiter aufspielt. Damals war diese Folge allerhöchst aktuell. Sie war die Fortsetzung der Tagesschau des gleichen Tages mit anderen Mitteln...

    Weitere Folgen müsste ich erst noch einmal sehen. Aber - menschenskind - schöner Graf, ich war damals testoreron-schwangerer Spätpubertierender und aus einem Gewerkschafts- und SPD-Haushalt! Natürlich war Schimanski da für mich erGÖTZend. (Na, ist das ein Wortspiel? Kannste das toppen?)

    LG
    C.

    „Beim Minigolf lernte ich, wie man mit Anstand verliert.“ (Element of Crime)

  • Ach so, und noch was fällt mir gerade ein:

    Letzte Woche bin ich mit dem Zug quer durch unsere schöne Republik gefahren. Bis Duisburg fuhr ich in Gesellschaft einer sympatisch-prolligen Fünfer-Gesellschaft, die während der Fahrt fleißig 5-Liter-Hopfen-Fässchen leerte. Als ich bei Reiseantritt fragte, wohin die Reise denn ginge, hieß es: Schimanski-Town! Welcher Ermittler hat es in ähnlicher Weise geschafft, sich so in das kollektive deutsche Gedächtnis als Wahrzeichen einer Stadt zu brennen? Nun gut, das kann gegen Duisburg sprechen, auch gegen Bernhard Dietz - oder aber für Schimmi! Und nun sage nicht, Münster würde bereits als die Stadt Boernes bezeichnet. Da sind immer noch Götz(!) Alsmann und Michael Schlechtriem davor... :thumbup:

    LG
    C.

    „Beim Minigolf lernte ich, wie man mit Anstand verliert.“ (Element of Crime)

  • Ach Scheiße, vorstellen, menschenskind...

    :mlol:

    Ich finde die erste Szene der Schimanski-Folgen nach wie vor wunderbar gelungen: Schimanski steht mit dem Rücken zur Kamera am Fenster. Dann geht er in die Küche, will sich zwei Eier braten, nimmt die Pfanne, überblickt das Chaos und lässt es sein. Stattdessen trinkt er die zwei rohen Eier.

    Damit wurde die Figur in zwei Minuten, ohne ein Wort zu verlieren, trefflich charakterisiert und eingeführt: Dieser Kommissar ist chaotisch, aber vor allem unkonventionell (na ja, und er hat einen tollen Körper :D ). Natürlich polarisierte Schimanski auch, weil er schmuddelig und schnoddrig war. Würde man ihn so eindimensional betrachten, täte man auch dem tollen Schauspieler Götz George unrecht, der maßgeblichen Einfluss auf die Drehbücher hatte. Schimanski war vor allem ein Linker, es ging - vielleicht sogar mehr als heute - auch um politische Provokation (z. B. um die grassierende Arbeitslosigkeit, die Streiks der Stahlarbeiter in den 80ern – siehe oben, in „Der Pott“).

    Und nicht zuletzt stand Schimanski im Grunde für all das, was in der Gesellschaft mehr und mehr verloren geht: Das war eben kein glatter Charakter, dem an der polierten Oberfläche gelegen war. Das war einer, der unangepasst und mutig war und sich wirklich einsetzte, die Dinge anpackte. Dabei stellte er sich auch mal gegen allzu korrekte Kollegen. Durchaus also eine Figur mit Vorbildcharakter.

    Gruß, Cosima

    P.S.: Gerade fiel mir noch ein: Diese allererste Szene „mit dem Rücken zur Kamera“, Schimanski nur in Unterhose und Shirt, symbolisierte auch die Verletzlichkeit dieser Figur. Er bietet Angriffsfläche, steht zugleich schutzlos da, liefert sich auch ein bisschen aus. Das war schon ein genialer Einfall.

  • Ach nee, Herr Professor

    Sie reden hier die ganze Zeit über die Konkurrenz, ist Ihnen das eigentlich klar?
    Noch dazu diesen Schmuddel-Typ Schimanski, der passt doch überhaupt nicht zu Ihnen!
    Diese Vorliebe für deftige Zoten und´s Arbeitermilieu - ist das die dunkle, pathologische Seite an Ihnen?
    Für Sie bricht doch schon Ihre heile, durchgestilte Welt zusammen, wenn Sie nur ein Fleckchen auf Ihrer
    Armani-Hose haben! Sie dauerdozierender Wagner-Fuzzi!
    Sind das Ihre geheimen Phantasien, auch mal wie Schimmi Pommes zu essen, statt den ewigen Austern
    und fluchend durchs Fenster zu springen?
    Nee,nee, bleibense mal an Ihrem Seziertisch, die Klienten können wenigstens nicht widersprechen,
    deshalb haben Sie sich wahrscheinlich den Job ausgesucht und Ihre Kollegin kann zur Not ja immer noch
    Deckung unter dem Tisch suchen!

    Schönen Tach noch, ich fahr jetzt zum St Pauli-Spiel!
    Thiel

    "Eine Semmel enthält 140 Kalorien, 700 Semmeln pro Jahr ergeben 98000 Kalorien,
    diese benötigt man, um eigenhändig 1 Elefanten 9 Zentimeter weit zu tragen. Aber wozu?"
    (Loriot)

  • Liebe Kongreßteilnehmer!

    Es geschieht gar nicht so selten, daß eine abgedrehte oder auch lediglich angefangene Tatortfolge späteren Bedenken unterliegt und im Archiv eines Senders verschwindet. Die Gründe dafür sind vielfältig: Qualitativ zu schlecht, durch tagespolitische Aktualität überholt, unpassend zu einem tragischen Ereignis u. ä.

    Von solchen Filmen sagt man im Fachjargon auch, sie seien im „Giftschrank“ verschlossen.

    Nun ist es mir, Prof. Boerne, selbstverständlich als dem bedeutendsten Pathologen zwischen Baumberger Sandsteinmuseum und Aasee möglich, diesen Giftschrank zu eröffnen.

    Ich teile also hier den Anfang einer niemals fertig gedrehten Duisburger Tatortfolge mit, die ich ausgegraben habe, und tue das ausdrücklich in meiner Sympathie für den Kollegen Schimanski, der Männer wie mich auf eine skurrile Art und Weise auch erst möglich gemacht hat.

    Bisweilen wünschte ich, daß Kommissar Thiel sich mal eine Scheibe von Schimanski abgeschnitten hätte, dann wären viele unsrer Münsteraner Folgen nur etwa eine Stunde lang geworden.

    Ich bleibe, mit den schmierigsten Grüßen, etc. etc.

    Ihr Prof. Boerne


    "In the year of our Lord 1314 patriots of Scotland, starving and outnumbered, charged the field of Bannockburn. They fought like warrior poets. They fought like Scotsmen. And won their freedom."

  • Zarte Bande

    Giftschrankfolge „Zarte Bande“

    Duisburg. Irgendwann in den 80er Jahren. An einem schäbigen Mietshaus fährt auf einer vielgenutzten Straße ein LKW vorbei. Die Kamera fängt einen Marienkäfer ein, der in einer schmuddeligen Wasserlache um sein Leben krabbelt. Schwenk nach oben. Ein fettleibiger Junge versucht, den Käfer mit seiner Spucke zu ertränken. Immer wieder legt er nach. Eine Frau mit Kopftuch kommt herzu, gibt ihm einen Schlag auf den Hinterkopf und zerrt ihn in den Hauseingang, in einer fremden Sprache schimpfend.

    Aus dem Hauseingang kommt jetzt Schimanski mit einer großen, schlanken, glutäugigen jungen Frau im Arm, die schlechte Kleidung, doch blendendweiße Zähne trägt. Er grinst sie an, gibt ihr einen Klapps auf den Po und streicht im Weggehen vielsagend über ihre Wange. Sie ruft ihm, mit nahöstlichem Akzent, hinterher: „Verdammtes Schwein!“

    Eine Villa am Stadtrand, von Bäumen abgedeckt. Ausgedehnter Garten, drei Garagen, lange Auffahrt. Inneneinstellung. Ein großzügig bemessenes Wohnzimmer, Steinboden, exotische Kunst, wertvolle Einrichtung, große Panoramafensterscheibe zur Terrasse. Hinter einem der schwarzen Rolf-Benz-Sofas sieht man die beschuhten Unterschenkel von Peter Pasetti vorlugen. Der große Mime weiß diesem Auftritt eine düstere und eloquente Note zu verleihen.

    Im Wohnzimmer arbeiten Polizei und Gerichtsmediziner bereits an der Spurensicherung. Auf einem Papasan hockt im Schneidersitz die blutjunge Désirée Nosbusch und weint. Die Kamera fährt auf den Notarzt, der - ein wenig später eingetroffen - über die Leiche gebeugt ist, sich dann zur Kamera dreht und pietätvoll mit dem Kopf schüttelt.

    Draußen. Ein dunkelblauer, bereits etwas ramponierter 5er BMW fährt vor. Aus steigt Christian Thanner, Hauptkommissar der Duisburger Mordkommission. Er geht um das Auto herum und klopft herzhaft an die Scheibe. Drinnen, auf dem zurückgeschraubten Beifahrersitz, richtet sich schlaftrunken eine zerzusselte Gestalt auf.

    „Och, Mensch, Thanner, Mensch, ich… was soll´n der Scheiß?“

    Wieder im Wohnzimmer. Nosbusch hockt noch immer da, hat eben ihre Aussage beendet. Sie streicht sich lolitahaft ihr Haar zurecht und wischt sich mit einem Taschentuch die Tränen aus den Augen.

    Thanner: (in seinen Notizblock blickend) „Sie geben also an, daß Sie, Frau Schlegelmilch, mit dem Opfer abends zu Tisch saßen, als durch die geöffnete Terrassentür plötzlich mehrere mit Helmen maskierte Männer eintraten und Herrn Berappmann niederschlugen. Darauf verschwanden diese Männer wieder, ohne sich um Sie oder irgendetwas aus dem Hause zu bekümmern. Die Männer trugen Motorradbekleidung und ebensolche Handschuhe…“

    Schimanski: (zur Nosbusch, sein Gesicht ganz nah an ihres führend) „Also, Du, entschuldige, Du! Aber wenn Du uns nichts besseres zu bieten hast…“ (richtet sich auf, reisst die Arme achselzuckend hoch und räumt dabei eine Reihe kostspieliger zentralafrikanischer Masken vom Regal)

    Nosbusch: (schluchzend) „Aber so war es, ich weiß doch auch nicht, was sie wollten.“

    Schimanski: „Und dann ist Deine ganze… zarte Bande wieder aufs Motorrad gestiegen und abgebraust! Wirklich, Du… also… weißte…(*unverständliches Gebrabbel*).“

    Thanner: „Frau Schlegelmilch, wir müssen ihnen ein paar Fragen stellen, die vielleicht etwas unangenehm sein werden. Wir können Ihnen das leider nicht ersparen…“

    Schimanski: „Ja, hat er mit ihr gepimpert?“ (Zur Nosbusch): „Ob er mit Dir gepimpert hat!!!“

    Nosbusch: „Leck mich!“

    Schimanski: „Hömma, Frollein, ich versohl´ Dir gleich den Arsch, Du, noch nicht trocken hintern Ohren, aber… (*unverständlich*)…“

    Thanner: „Horst!!“ (Zur Nosbusch): „Mein Kollege möchte wissen, ob Sie eventuell mit dem Opfer… ob es da zu intimen… zu Vertraulichkeiten gekommen ist?“

    Nosbusch: (Bläst eine Kaugummiblase auf und sieht ihn bloß gelangweilt an)

    Schimanski: (nestelt mit dem Zeigefinger an Nosbuschs Blusenknöpfen herum) „Samma, Thanner, ich glaub, Hänschen hat heute Geburtstag, wir wollten ihm noch Karten für den MSV am Wochenende besorgen.“

    Nosbusch: „Kann ich jetzt gehen?“

    Schimanski: (harsch) „Wir wollen nicht wissen, ob Du gehen willst, wir wollen wissen, ob er (auf die Leiche deutend) gekommen ist?“

    Nosbusch: „Dazu muß ich nichts sagen, oder?“

    Thanner: „Wir können eine medizinische Untersuchung festsetzen, ob Sie mit dem Opfer geschlechtlichen Verkehr gepflegt haben.“

    Nosbusch: „Das dürfen Sie doch gar nicht!“

    Schimanski: (lauthals höhnend) „Hoho, hast Du kleine Schlange eine Ahnung, was wir alles dürfen.“ (stolpert, rückwärts stolzierend, über einen Mitarbeiter der Spurensicherung und fällt in die Minibar. Gläser klirren, ein Holztischchen zerbirst)

    Thanner: (zu einem Beamten in Uniform) „Sagt Königsberg Bescheid, das kann noch eine Weile dauern, seine Frau soll mit dem Essen auf mich warten. Ach, und, wir brauchen eine Bankauskunft über die Vermögensverhältnisse des Opfers…“

    Der Beamte nickt und geht hinaus.

    Schimanski: (bricht mit der Schulter die Tür zur Speisekammer auf)

    Thanner: (zur Nosbusch) „Frau Schlegelmilch, wir fragen Sie zum letzten Mal - wir können Sie auch ins Präsidium vorladen! - in welchem Verhältnis standen Sie zu dem Opfer? Er war ein alleinstehender Mann, jenseits der Fünfzig, wohlhabend, erfolgeich. Wie kommen Sie in sein Haus, während er tot am Boden liegt?“

    Schimanski: (aus der Speisekammer, ein Hanuta entpackend) „Uuuund, äh… (steckt das Hanuta in den Mund)… (*unverständlich*)… wieso hast dann nicht Du die Bullen gerufen, sondern die weit entfernten Nachbarn, als sie einen stummen Schrei gehört haben? Hm?“

    Nosbusch: (zickig) „Er hat mir… Nachhilfe gegeben.“

    Schimanski: (bitter auflachend) „Die Nachhilfe kann ich mir vorstellen. Die hat so eine wie Du doch schon lange nicht mehr nötig. (kopfschüttelnd) Samma, Thanner, in was für einer Welt leben wir eigentlich?“

    Hänschen: (kommt herein) „S-chimmi! Wij haben bei die Vermögensauskunft ancherufen und haben chehört, daß die Opfer 700.000 D-Mark S-chulden hatte.“

    Schimanski: (am Kronleuchter baumelnd) „Da, Thanner! Da haste Dein Motiv.“

    Thanner: „Ja klar, Horst, meinst Du, die Kleine wollte gerne seine Schulden übernehmen und als er das nicht zuließ, hat sie ihm einen über den Schädel gegeben? Du bist doch… (eindeutige Handbewegung).“

    Schimanski: (wieder ebenerdig, eindringlich, ihn sanft am Kragen packend und ihm den Mantel an der Brust zurechtstreichend) „Mensch, Thanner, Mensch, Du steigst da noch nicht richtig durch, Du. Das ist ne ganz große Sache hier, Du, da stecken viel mehr Leute drin, als wir uns gerade überhaupt vorstellen wollen.“

    Hänschen: „S-chimmi könnte recht haben, Thanner. Wij haben in die Radio chehört, daß auf die Papst eben eine Attentat chemacht worden ist.“

    Schimanski: (sieht Thanner vielversprechend an) „Du…, ich…, Du…“


    "In the year of our Lord 1314 patriots of Scotland, starving and outnumbered, charged the field of Bannockburn. They fought like warrior poets. They fought like Scotsmen. And won their freedom."

  • RE: Zarte Bande

    Wir unterbrechen hier kurz für eine wichtige Mitteilung:

    "Ästhetik? ja , sicher doch, oder?"
    Michael Schlechtriem

    Zitieren will gelernt sein, cher Graf! Ohne das vorangestellte "[...] Moral? Huch...... :hide: [...]" ist das von Eurer Pestilenz gewählte Zitat völlig sinnfrei.

    Isch aböh färtisch!

    :wink:
    Jean

    "You speak treason" - "Fluently"
    "You've come to Nottingham once too often!" - "When this is over my friend, there'll be no need for me to come again!"

  • Nun ist es mir, Prof. Boerne, selbstverständlich als dem bedeutendsten Pathologen zwischen Baumberger Sandsteinmuseum und Aasee möglich, diesen Giftschrank zu eröffnen. Ich teile also hier den Anfang einer niemals fertig gedrehten Duisburger Tatortfolge mit, die ich ausgegraben habe


    Versteh ich jetzt echt nicht, warum die vom geschätzten Prof. Börne ausgegrabene Schimmi-Folge nie zu Ende gedreht worden ist. Die ist doch super und absolut authentisch und alles... :D Und dann noch mit der süßen Desiree Nosbusch :sev: :hide:

  • Bravo, Boerne, weiter so!
    Ich hätt da nur noch ´ne unwesentliche Frage: Was haben Sie denn zuvörderst aus Ihrem Giftschrank entnommen und gänzlich ausgetrunken, hm?
    Fläschchen Absinth vielleicht?
    Das stammt doch aus Ihrer höchstpersönlichen Schmierfeder, Professor! Einschließlich Ihrer feuchten Desiree Nosbusch-Phantasien!
    Sind wohl schon in der Midlife-Crisis, hm?
    Vielleicht hilft Ihnen Ihre werte Kollegin Haller mal wieder auf ein gehobeneres Niveau.
    Wir haben zwei Wasserleichen frisch aus dem Aasee, vielleicht kümmern Sie sich mal um Ihre eigentliche Arbeit und schieben nicht immer alles auf die Kleinen.
    Schönen Tach noch!
    Thiel

    "Eine Semmel enthält 140 Kalorien, 700 Semmeln pro Jahr ergeben 98000 Kalorien,
    diese benötigt man, um eigenhändig 1 Elefanten 9 Zentimeter weit zu tragen. Aber wozu?"
    (Loriot)

  • Liebe Tatort-Freunde,

    es droht Gefahr. Ernsthafte und dazu noch aus der eigenen Familie! Da jagt z.B. der NDR gleich drei Ermittler durch Hamburg, Kiel und Niedersachsen und setzt denen dann ein neues "Polizeiruf 110"-Gespann vor die Nase, das alle anderen alt aussehen lässt.

    [Blockierte Grafik: http://www.welt.de/multimedia/archive/1238679840000/00784/polizeiruf_DW_Vermi_784977g.jpg]

    Das Rostocker Team (Anneke Kim Sarnau und Charly Hübner :juhu: ) hat in bislang zwei gesendeten Fällen schon soviel erzählt, wie die meisten anderen es in zehn Folgen nicht hinbekommen. Auch die Münchner Tatort-Ermittler mussten schon Hochform zeigen, um dem einarmigen Polizeirufler Edgar Selge Paroli bieten zu können. (Gut, dessen Partnerin hat's meistens nach unten gezogen...) Selge hat mittlerweile den Dienst quittiert, doch seine Nachfolgerin hat's immerhin dick in die doofe Zeitung von Kai Diekmann gebracht. ("So versaut war das deutsche Fernsehen noch nie!!") Zur Erklärung: Man sah kurz einen nackten Mann und kurz eine nackte Frau und das Wort "vögeln" kam einmal vor... Die "versaute" Kommissarin ist aber auch schon wieder weg und wird ersetzt von Matthias Brandt. Was wiederum auch ziemlich vielversprechend klingt. Vom brillianten 110er-Uwe Steimle muss ich gar nicht erst reden, oder?

    Was also tun, liebe Tatort-Gemeinde? Den Polizeiruf still und heimlich adoptieren und als einen von uns brandmarken? Oder darauf hoffen, dass man von Senderseite bitteschön doch das Flaggschiff selbst wieder etwas auf Vordermann bringt?

    LG
    C.

    „Beim Minigolf lernte ich, wie man mit Anstand verliert.“ (Element of Crime)

  • Wenn ich den(!) Ermittlertyp in dieser Fernsehreihe benennen müßte, der sich in meinem Gedächtnis besonders festgekrallt hat, würde ich Walter Richter alias Paul Trimmel aus der Anfangszeit des "Tatorts" benennen.

  • Liebe Freunde der seichten, aber dabei anspruchsvollen Fernsehunterhaltung,

    gleich, um viertel vor elf, wird in einem der dritten Programme einer der absoluten Spitzentatorte wiederholt werden, Abschaum, mit dem Bremer Ermittlerteam. Es geht um Sektenwahn und Kindesmißbrauch und ich glaube nicht, daß diese Themen schon einmal irgendwo sonst in der Tatort-Reihe oder vielleicht gar dem deutschen Fernsehen überhaupt so eindringlich und düster dargestellt wurden.

    Wer es aufnehmen kann und sich davon etwas verspricht, sollte dieses tun. Empfehlung meinerseits.

    Euer Graf :wink:


    "In the year of our Lord 1314 patriots of Scotland, starving and outnumbered, charged the field of Bannockburn. They fought like warrior poets. They fought like Scotsmen. And won their freedom."

  • Oh,oh! der ist so hardcore, dass er eigentlich auf den Index gehört!

    Wenn nur die Lürsen nicht wäre! Die Frau ist so dämlich, sie kapiert nix, aber auch gar nix und macht so ziemlich alles falsch, was man falsch machen kann!
    Hat mich beim ersten Mal gucken schon so aufgeregt, dass ich am liebsten in den Fernseher gekrochen wäre und der Frau eine gebratzt hätte!

    Der Fall ist toll! Absolut erschreckendes Szenario und man hofft nur, dass sie wenigstens ein kleines bißchen übertrieben haben, was diese Scene anbetrifft.

    "Eine Semmel enthält 140 Kalorien, 700 Semmeln pro Jahr ergeben 98000 Kalorien,
    diese benötigt man, um eigenhändig 1 Elefanten 9 Zentimeter weit zu tragen. Aber wozu?"
    (Loriot)

  • Nicht wahr? Das geht unter die Haut...


    "In the year of our Lord 1314 patriots of Scotland, starving and outnumbered, charged the field of Bannockburn. They fought like warrior poets. They fought like Scotsmen. And won their freedom."

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