CHABRIER: L'Étoile - ein strahlender Stern
In etwa einem Monat, also Mitte Mai, findet in Berlin eine sehr seltene Aufführungsserie statt, auf die ich nach meiner Darstellung im Klassikforum gerne auch hier aufmerksam machen möchte, da man sich diese Chance, eines der großen Meisterwerke der französischen leichten Muse live zu erleben, nicht entgehen lassen sollte. Sir Simon Rattle wird als Gast an der Lindenoper Emmanuel Chabriers Operette L'ÉTOILE mit einer erlesenen Besetzung zur Aufführung bringen. Die Inszenierung übernimmt der frühere Bariton Dale Duesing, den manche vielleicht noch als Jupiter in Herbert Wernickes ORPHÉE AUX ENFERS aus Brüssel kennen, und der vor einigen Jahren in Frankfurt mit einer eigenen Sicht auf Rossinis IL VIAGGIO A REIMS punkten konnte. (EDIT: wie ich gerade feststelle, sangen dort auch Juanita Lascarro und Giovanni Furlanetto.) Das Bühnenbild gestaltet Boris Kudlicka, und die Kostüme stammen von Kaspar Glarner.
Hier die außerordentlich vielversprechende Besetzung:
König Ouf I. - Jean-Paul Fouchécourt
Lazuli - Magdalena Kožená
Prinzessin Laoula - Juanita Lascarro
Siroco - Giovanni Furlanetto
Fürst Herisson de Porc-Epic - Douglas Nasrawi
Aloès - Stella Doufexis
Tapioca - Florian Hoffmann
Die Aufführungsdaten findet Ihr hier: http://www.staatsoper-berlin.de/de_DE/repertoire/447452
Über die Qualität der Inzenierung kann ich naturgemäß noch nichts sagen, aber ich finde die Daten doch so vielversprechend, dass man sich nach Möglichkeit Karten dafür besorgen sollte, auch wenn man dafür anreisen muss. Um Eurer Motivation aufzuhelfen, übernehme ich meine (seinerzeit nicht fertig gestellte) Darstellung aus einem anderen Forum und vervollständige sie hier:
Ich sehe diese, von Chabrier als „Opéra bouffe“ bezeichnete, musikalische Komödie als Operette an, weil Offenbach seinen besten Operetten diese Bezeichnung mitgab und ich glaube, dass Chabrier sein Werk in deren Tradition sah. Allerdings ist es eine der besten und anspruchsvollsten Operetten überhaupt, und niemand sollte Probleme damit haben, wenn man sie ungeachtet ihrer Kennzeichnung durch den Komponisten als veritable Opéra comique in der Tradition eines Boieldieu oder Adam bezeichnet, zumal sie in ihrem Anspruch weit über deren primär gefällige Tonsprache hinaus geht. Das hat auch Vincent d'Indy so gesehen, als er nach der ersten Rundfunkübertragung des Werkes 1934 schrieb:
"L'ÉTOILE. Diese magischen Worte haben seit nunmehr fünfzig Jahren in den Gedanken vieler Künstler herumgespukt. Sie haben sogar Opernintendanten verfolgt, denn es gibt keinen, der nicht davon geträumt hätte, dieses legendäre Werk für ein Publikum von Kennern so herauszubringen, wie es ihm gebührte. Es ist allen wahren Musikern lieb und heilig - ein Juwel von französischer Operette, in dem die Narretei und die Poesie dieses anderen Offenbach mit all dem Charme, der Eleganz und dem sprudelnden Reichtum präsentiert werden, zu dem dieser in der Lage war, obwohl er sich dessen nicht einmal bewusst war und deshalb nie danach strebte."
Starkes Lob. Dennoch ist kein Wort übertrieben, wie man schon beim ersten Hören spürt und beim wiederholten Studium immer besser erkennen kann. Das Libretto von Eugène Leterrier und Albert Vanloo folgt der damals schon schwindenden Mode der orientalischen Narretei, weshalb es den Librettisten auch nicht erspart blieb, mit einem Bühnenanfänger zusammen zu arbeiten. Thematisch erinnert die abstruse Geschichte nicht von ungefähr an Rossinis L'ITALIANA IN ALGERI, mit der es den ausgelassenen Geist teilt, obwohl es sich musikalisch in einer ganz anderen Welt aufhält.
Ich kenne das Werk in zwei verschiedenen Fassungen und folge im Weiteren der inzwischen wohl gängigen Version John Eliot Gardiners, die er nach deren Erstaufführung in Lyon 1986 vor etwa zwei Jahren mit nur wenigen Veränderungen auch nach Paris brachte, wo man eine weitere Aufzeichnung erstellte, die aber leider nur im Netz und nicht auf DVD greifbar ist. Einige illustrative Bilder finden sich ber auf deieser Website: "http://chanteur.net/spectacles/200…ique-Etoile.htm']http://chanteur.net/spectacles/20071219-...ique-Etoile.htm".
Dagegen weicht die von Désiré-Emile Inghelbrecht 1934 aufgeführte Fassung, die dieser auch 1957 für den französischen Rundfunk aufgenommen hat, in der Reihenfolge der Nummern teilweise von ihr ab, vor allem aber in der Besetzung des Straßenhändlers Lazuli mit einem Tenor (Joseph Peyron), während Gardiner die Rolle den Mezzosopranistinnen Colette Alliot-Lugaz (Lyon) und Stephanie D’Oustrac (Paris) gab. Leider konnte ich nicht sicher feststellen, welche Fassung die authentischere ist, oder ob beide Möglichkeiten von Chabrier autorisiert wurden, denn schon Ernest Ansermet ließ in seinem Querschnitt von 1941 die Rolle von der Mezzosopranistin Ninon Vallin singen, die auch eine hervorragende Carmen gewesen sein muss.
Laut Operone war die ursprüngliche Besetzung noch ein Tenor. Die Änderung ist aber in mehrfacher Hinsicht zu bevorzugen, wie sich noch zeigen wird, und hat sich wohl als Standard eingebürgert, denn auch Jean-Marie Zeitouni hat in seinen Aufführungen an der New York City Opera, in Montreal und anderen Städten Nordamerikas (ich habe eine Aufnahme aus Cincinnati) diese Praxis beibehalten.
Fortsetzung folgt.
Rideamus