Giuseppe di Stefano - Verglühen einer Jahrhundertstimme

  • Giuseppe di Stefano - Verglühen einer Jahrhundertstimme

    .

    „Er könnte der Größte von uns sein – wenn er es nur ernsthaft anginge.“ (Jussi Björling)

    „Ich muss gestehen, dass diese Stimme eine der schönsten ist, die ich je gehört habe.“ (Arturo Toscanini)

    .

    1. Biografie

    Anfänge

    Giuseppe di Stefano, geboren am 24.Juli 1921 in Motta Sant’Anastasia bei Catania in Sizilien, gestorben am 3. März 2008 in Santa Maria Hoè - vorausgegangen war ein brutaler Überfall auf seinem Zweitwohnsitz in Diana (Kenia) im Dezember 2004 - galt als der Tenorpartner Maria Callas’.

    Begründet wurde dieses überwiegend durch die uns bleibenden Aufnahmen, denn die gemeinsamen Opernauftritte belaufen sich dagegen lediglich auf 45! Der letzte gemeinsame Bühnenauftritt war bereits im Dezember 1957 mit Verdis „Un ballo in maschera“. Die Konzertauftritte mit Maria Callas 1973/1974 muss man leider unter dem Titel „Abgesang“ führen.

    Seine Lehrer waren Danilo Fois (Anwalt und Freund), Adriano Tocchio (Chorsänger der Mailänder Scala), Luigi Montesanto (Bariton und späterer Manager) und vor seinem Operndebüt der Dirigent Roberto Moranzoni, obwohl festgehalten werden kann, dass er ein Gesangsstudium nie beendet hat.

    Am 06.01.1941 wurde di Stefano in die Armee einberufen, doch kurz vor dem Abmarsch nach Russland rettete ihn ein Offizier, so dass er in Italien bleiben konnte. Di Stefano trat unter dem Künstlernamen ‚Nino Florio’ bei Unterhaltungsabenden und Varietés auf. Danach floh er vor einem weiteren Armeezugriff in die Schweiz, wo es zu einem ersten Engagement am Züricher Opernhaus kam (‚La Traviata’), ohne dass es zum Auftritt kam. Di Stefano betätigte sich ab 1944 bis ca. März 1945 als „Radiosänger“ (‚de Stefani’) bei Radio Lausanne unter Otto Ackermann, machte seine ersten Aufnahmen und brachte es zu lokaler Berühmtheit.

    Operndebüt, Karrierestart und Amerika

    Di Stefanos Operndebüt fand am 20.04.1946 als Des Grieux in „Manon“ von Jules Massenet in Reggio Emilia statt, anfangs seine Paraderolle. [J. M. Fischer gibt dagegen irrtümlich den Des Grieux Puccinis an (vgl. Fischer, J. M., a. a. O., S. 344)].
    Danach folgten weitere Auftritte u. a. in Venedig und Genua, Barcelona. Nach seinem Debüt an der Mailänder Scala 1947 („Manon“) ging er bereits 1948 an die Metropolitan Opera (25.02.1948 „Rigoletto“). Sein Vertrag dauerte bis 1952. Die Sommermonate verbrachte er mit Engagements in Mexiko und Südamerika.

    Die Zusammenarbeit mit Edward Johnsons Nachfolger Rudolf Bing führte wegen unterschiedlicher Auffassungen bei Operninszenierungen - Bing war Vertreter des Regietheaters - und den damit verbundenen szenischen Proben zu Spannungen, die di Stefano dazu brachten, den Vertrag einseitig zu kündigen. Dieses wiederum zog ein Auftrittsverbot in den USA nach sich, welches erst in der Spielzeit 1955/1956 aufgehoben wurde.

    Ein wichtiger Karrierepunkt war die Zusammenarbeit mit Arturo Toscanini für Verdis „Messa di Requiem“ zum 50. Todestag des Komponisten (der Mitschnitt wurde veröffentlicht). Toscanini schenkte ihm ein Goldmedaillon, welches di Stefano zeitlebens getragen haben soll.


    Italien und Maria Callas

    Nach di Stefanos Rückkehr nach Italien im Sommer 1951 sang er in Genua, Triest, Catania und Verona. Danach führte es ihn wieder nach Südamerika zu Gastspielen u. a. in Rio de Janeiro. Im September 1951 erfolgte der erste gemeinsame Auftritt mit Maria Callas in „La Traviata“ in Sào Paulo. Erst 1952 kam es zu den berühmten gemeinsamen Auftritten in Mexiko. Maria Callas setzte sich für ihn ein, da er 1948 seinen Vertrag mit der Scala gebrochen hatte. Mit der Saison 1954/1955 kam Donizettis „Lucia di Lammermoor“ unter Karajan zur Premiere. Das Operntraumpaar Callas – di Stefano war geboren.


    Fachwechsel

    1955 vollzog di Stefano endgültig den Fachwechsel ins Zwischenfach (spinto). Er übernahm Rollen wie: Don José, Don Alvaro, Turriddu und Ricardo. Wenige Kritiker wie Rodolfo Celletti wiesen bereits damals auf die Probleme hin. Trotz des Fachwechsels folgte 1955 „La Traviata“ unter Carlo Maria Giulini in der Inszenzierung von Luchino Visconti. Di Stefano war von der Regiearbeit jedoch nicht überzeugt, auch kam es zu Eifersüchteleien mit Maria Callas, so dass er nach der Premiere ausstieg. Von 1956 (Radames!) bis 1958 eröffnete der primo uomo di Stefano die Scala-Saison. Nach dem Gastspiel 1956 mit der „Lucia“ an der Wiener Staatsoper, wurde di Stefano dort ab 1957 regelmäßiger Gast. Der Kontakt zu Maria Callas wurde erst Anfang der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts wieder aufgenommen.


    Probleme, Canzonensänger und Operettensänger

    Ab 1958 machten sich ernsthafte Probleme – physischer und psychischer Natur – bemerkbar. Engagements wurden zu Risiken, da sich die Anzahl der Absagen steigerte.

    1960 näherte sich das Ende an der Scala, obwohl er noch 1961 die Uraufführung von „Il calzare d’argento“ von Ildebrando Pizzetti sang. Di Stefano orientierte sich u. a. zur Wiener Staatsoper (bes. nach Karajans Abgang), wo Giuseppe Zampieri zu seinem „Ersatzmann“ wurde. Eine Rückkehr an die Scala 1962 mit dem Rodolfo in „La Bohème“ unter Karajan/Zeffirelli zerschlug sich wegen Missverständnissen und/oder Intrigen.

    Danach folgten weltweite Auftritte und Absagen, berühmt wurde die Absage 1963 an der Covent Garden Opera, als Luciano Pavarotti als Rodolfo einsprang. Eine Rückkehr an die Met in „Les contes d’Hoffmann“ am 27.01.1965 war ein Fiasko, ebenso sein letzter Auftritt an der Wiener Staatsoper am 17.01.1966 in „Tosca“. Er sang in „Rienzi“ unter einem begeisterten Hermann Scherchen, liebäugelte mit einer Wagnertenor-Karriere, sang Monteverdi, Britten (Rundfunk), versuchte sich sogar am Otello, ein einmaliges Ereignis in Pasadena und Resultat einer vollkommenen Fehleinschätzung seiner Stimme.

    Darauf folgte eine Karriere als Operettentenor in Lehárs „Land des Lächelns“ (Start am 01.09.1966 in Berlin). Der Erfolg konnte jedoch in anderen Rollen nicht wiederholt werden. Außerdem trat er immer wieder mit mehr oder minder anspruchsvollen Canzonen auf. Obwohl seine eigentliche Opernkarriere bereits Mitte der 1960er Jahre abgeschlossen war, zog sich di Stefano erst in den 1980er Jahren zurück. Seine letzten Auftritte hatte er 1995 (!) in Mexiko Stadt und Kremsmünster.


    2. Stimme

    Giuseppe di Stefanos Vorbilder waren Caruso, Gigli (Stimme), Schipa (Musikalität) und Pertile (Expression). Gefallen fand er am Gesang del Monacos und Björlings; Wunderlich sah er als Nachfolger an. Er selbst war Vorbild für viele nachfolgende Sänger wie z. B. Pavarotti, Carreras und Domingo.

    Wenn man bedenkt, dass sein Operndebüt 1946 stattfand und er bis Anfang der 1960er Jahre auf höchstem Niveau sang, kann man nicht von einer sehr kurzen (Opern-)Karriere sprechen.

    Trotzdem hätte seine Laufbahn auf der Opernbühne wesentlich länger dauern können, er war immerhin erst Mitte Vierzig, wenn seine stimmlich-technische Ausbildung, seine Rollenauswahl und sein Lebenswandel diesem förderlicher gewesen wären. Er war leidenschaftlicher Spieler und Raucher, ausgiebige Probenarbeiten sowie ein professionelles Einsingen vor dem Auftritt waren nicht seine Sache. Langes Vorbereiten an einem Auftrittsabend beförderte seiner Ansicht nach das Lampenfieber. Sein Mangel an Selbstkritik tat ein Übriges.


    Stimme i. e. S.

    Di Stefano war ein leichter lyrischer Tenor bzw. lirico leggero. Seine Stimme war ein Naturereignis, die er leider kontinuierlich aufzehrte. Sie war jugendlich frisch, natürlich, warm und voller Leidenschaft. Jedoch ließ di Stefano ein wichtiges Prinzip der Gesangsausbildung, nämlich die Bewahrung der Stimme, vollkommen außer Acht.

    Die Stimme hatte großes Volumen mit mittlerem Umfang, großer Durchschlagskraft und gekonntem mezza voce (tragende Halbstimme), war jedoch von Intonationsunsicherheiten nicht gefeit.

    Thomas Semrau gibt als das entscheidende Problem der Stimme di Stefanos den Registerwechsel (passaggio) an. Dieser sollte bei einem Tenor bei e1 oder f1 einsetzen. Di Stefano empfand das für seine Stimme als unzureichend, um seine Rollenverlagerung zum dramatischeren Fach (spinto) zu ermöglichen und setzte den Registerwechsel bei as1 an. Dieses wiederum führte zu einem Hinauftreiben des Brustregisters und zum sog. offenen Singen (offene Vokalbildung). (Vgl. Semrau, Thomas, a. a. O., S. 155f.) Dieses ist richtig, jedoch keine wirkliche Überraschung. M. E. lassen sich - neben den nicht zu unterschätzenden psychologischen Gründen - fast alle Stimmprobleme auf mangelhaften Registerausgleich zwischen Bruststimme und Falsett, d. h. auf Falscheinsatz der zwei unterschiedlichen Muskelsysteme zurückführen, da dieser absoluten Grundfertigkeit des Belcanto offenbar unzureichendes Interesse gewidmet wurde/wird; anders während der Sängerausbildung des "Belcanto-Zeitalters".

    Der Verlust di Stefanos sicherer Höhe war ein schleichender Prozess, permanentes ermüdendes Forcieren, Verlust der Geschmeidigkeit und Abgleiten durch „Bruch“ ins Falsettieren waren die Folge.


    Technik

    Di Stefano sah in der richtigen Atmung die einzig erlernbare Technik für einen Sänger. Dieses widerspricht seiner (falschen) Einschätzung beim Registerwechsel, sowie die teilweise Ignorierung von weiteren rein technischen Belcantoqualitäten (Triller, Verzierungen, Appoggiaturen, Portamenti etc.). Eine wirkliche Adaption der traditionellen Belcanto-Techniken wurde nicht vollzogen.

    Seine Einfärbungen und Phrasierungen waren in der Hochzeit brillant, Legato und Mecca di voce anfangs sehr gut. Gerade sein Diminuendo auf dem hohen C war vorzüglich (Gounod, Faust: Salut! Demeure chaste et pure).


    Expression

    Di Stefano besaß eine hervorragende Diktion bzw. Wortdeutlichkeit (recitar cantando) - wenn auch seine Textsicherheit nicht die Beste war - große Expressivität und Wahrhaftigkeit der Interpretation (cantante di razza (Vollblutsänger)). Sein dramatisches Bühnentemperament, besonders wenn er die adäquaten Partnerinnen hatte, war außergewöhnlich. Durch seinen Charme und seine außerordentliche Bühnenpräsenz konnte er viele stilistische und technische Mängel überspielen.

    Puccini-Partien lagen di Stefano besonders, allerdings blieb ihm der Vorwurf nicht erspart, alles 'wie Puccini' zu singen, ein großer Stilist war er nicht.


    Timbre

    Giuseppe di Stefano besaß eine Naturstimme mit erstaunlichem Timbre, wenn es um den Wiedererkennungswert geht. Das Timbre hatte eine glühende Intensität mit einschmeichelnden Schmelz, an dem sich viele nachfolgenden Sänger orientierten.


    3. Auftritte und Repertoire

    Sein Repertoire umfasste 50 (größere) Tenorrollen. Seine bevorzugten Rollen waren: Des Grieux aus „Manon Lescaut“, Rodolfo aus „La Bohème“ und der Nemorino aus „L’elisir d’amore“. Seine häufigsten Opernauftritte hatte er als Rodolfo, Cavaradossi, Des Grieux (Massenet), Riccardo, Don José, Il duca di Mantova, Nemorino, Werther, Alfredo.
    Den Sou Chong („Land des Lächelns“) sang er in dreihundert Aufführungen.

    Insgesamt sang er in über 900 Aufführungen und über 300 Operettenaufführungen, darüber hinaus zahlreiche Konzerte.

    Anfangs (1946 bis ca. 1952) galt sein Schwerpunkt dem Repertoire des Belcantos bzw. der Übergangsphase; Bellini, Donizetti). Danach (ca. 1952 bis ca. 1966) folgte die Verlagerung auf Puccini, Verismo und „schwerer“ Verdi. Den letzten Abschnitt seiner Gesangskarriere (ab ca. 1966) widmete er der Operette („Land des Lächelns“ u. a.), dem Konzert und den italienischen Canzonen.


    4. Herausragende Aufnahmen

    Gesamtaufnahmen

    15 verschiedene Opern nahm Giuseppe di Stefano im Studio auf, davon 10 mit Maria Callas. „Tosca“ und „Lucia di Lammermoor“ nahm er jeweils zweimal auf, ebenso Verdis „Messa di Requiem“.

    Anzumerken ist, dass davon fünf Werke nie von di Stefano und Callas gemeinsam auf der Bühne interpretiert worden sind („Cavalleria rusticana“, „I Pagliacci“, „Il Trovatore“, „La Bohème“, „Manon Lescaut“).

    Bei den herausragenden Aufnahmen ist selbstverständlich an erster Stelle die Referenzaufnahme von Puccinis „Tosca“ mit Victor de Sabata und Maria Callas, Tito Gobbi, Franco Calabrese, Angelo Mercuriali, Melchiorre Luise, Dario Caselli, Alvaro Cordova sowie dem Chor und Orchester der Mailänder Scala von 1953 zu nennen.

    Direkt danach folgt m. E. die Live-Aufnahme von Donizettis „Lucia di Lammermoor“ mit Herbert von Karajan und Maria Callas, Rolando Panerai, Niccola Zaccaria, Giuseppe Zampieri, Luisa Villa, Mario Carlin sowie dem Chor der Mailänder Scala und dem RIAS Sinfonie-Orchester Berlin von 1955.

    Als dritte Gesamtaufnahme möchte ich Bellinis „I Puritani“ mit Tullio Serafin und Maria Callas, Rolando Panerai, Nicola Rossi-Lemeni, Angelo Mercuriali, Carlo Forti, Aurora Cattelani sowie dem Chor und Orchester der Mailänder Scala von 1953 aufführen, obwohl di Stefano einen „Puccini-Arturo“ singt.


    Einzelne Arien und Lieder

    Massenet, Manon: Chiudo gli occhi – o dolce incanto (1944)

    Volkslied: Cantu a timuni (1947)

    Gounod, Faust: Salut! Demeure chaste et pure (Live 1950)

    Verdi, Messa di Requiem: Ingemisco (1951)

    Verdi, Un ballo in maschera: Teco io sto – non sai tu che se l’anima mia – o Qual soave brivido (1956; mit M. Callas)

    Puccini, Manon Lescaut: No, pazzo son (1957)


    5. Fragen zur Diskussion

    War di Stefano ein Jahrhundertsänger?
    Hat er sich für seine Stimme die falschen Rollen zugemutet?
    War seine Stimme überstrapaziert, falsch ausgebildet oder das Nachlassen seiner Stimme dem Lebenswandel geschuldet?
    Was bleibt von Giuseppe di Stefano?


    Bis dann.


    Primärquellen:

    Semrau, Thomas, Alles oder Nichts – Giuseppe di Stefano, Salzburg-Wien-Frankfurt am Main 2002

    Kesting, Jürgen, Die Großen Sänger, 4 Bände, Hamburg 2008

    Fischer, Jens Malte, Große Stimmen – Von Enrico Caruso bis Jessye Norman, 1. Auflage Stuttgart 1995

    Steane, John. B., The Grand Tradition – Seventy years of singing on record 1900-1970, Second Edition, Second impression Portland 1993

    [size=8]Kutsch, K. J./Riemens, Leo, Großes Sängerlexikon, München 1999/2000, DVD

    13 Mal editiert, zuletzt von Keith M. C. (8. Juni 2009 um 20:12)

  • Lievber Keith, für mich ist di Stefano untrennbar mit Maria Callas verbunden. Allein die Tatsache, dass sie nciht nur ihre allerletzten Auftritte mit ihm zusammen"durchgestanden" hat und ihre grösstne Erfolge mit ihm als Tenorpartner feiern konnte, würde ihn schon adeln.

    Ich muss für mein Teil aber auch zugeben, dass ich seine Stimme an sich einfach mag und schön finde. Zur Technik und den Verschleisserscheinungen muss ich erst noch genauere Feldforschung machen.

    Da ich keine Arien-Cd von ihm habe, bin ich auf Opernmitschnitte angewiesen und derer besitze ich relativ Wenige.

    Die neue Callas-Box ist da allerdings eine echte Fundgrube.


    F.Q.

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Lieber Keith,

    was für ein schöner Beitrag über einen meiner allerliebsten Sänger.

    Ob er er ein Jahrhundertsänger war? Nun ich würde sagen, er hatte vielleicht eine Jahrhundertstimme, das bestimmt. Der Mensch als solcher war, wie einige Zeitgenossen schrieben, einer, der mit dem Geschenk seiner Stimme nicht immer achtsam umgegangen ist. Rudolph Bing schrieb in einem seiner Bücher, di Stefano hätte mit seinem Mangel an Selbstdisziplin eine Karriere zerstört, die man mit der von Caruso in einem Atem hätte nennen können.
    Ich habe allerdings auch schon gelesen, er hätte sich ein asthmatischen Leiden zugezogen. Aber irgendwie sind das alles ja doch Mußmaßungen.
    Jedenfalls liebe ich den Schmelz und die Wärme seiner Stimme besonders, zumal in seinen Glanzjahren. Die Aufnahmen aus einem Konzert in den USA von 1950 (es soll in San Francisco gewesen sein, auf dem Cover steht Chicago) sind so schön :juhu: :juhu: , daß man direkt traurig werden kann, daß er wohl nicht besser auf sich aufgepaßt hat. Es gibt für mich außer den von Dir genannten mit Maria Callas ja noch wunderbare Live- und Studioaufnahmen. Ich habe Faust von der Met 1950, das ist einer meiner schönsten Aufnahmen dieser Oper, obwohl die Tonqualität nicht die allerbeste ist, oder auch die herrliche Madama Butterfly von 1954 mit Victoria de los Angeles, wo er einen wunderbaren Pinkerton gegeben hat.
    Und die Lieder aus Neapel die hat für mich keiner so schön gesungen wie er, kein Wunder, er kam ja auch aus Sizilien. :klatsch: :klatsch: :klatsch:

    In meinen Sänger-Olymp gehört er ohne Zweifel für alle Zeit.

    Liebe Grüße aus München :wink:

    Kristin

    Vom Ernst des Lebens halb verschont ist der schon der in München wohnt (Eugen Roth)

    Einmal editiert, zuletzt von Musikkristin (26. Mai 2009 um 21:01)

  • Giuseppe Di Stefano

    Lieber Keith,

    schöne Idee für einen Thread! Hätte von mir sein können! :D

    Zu Di Stefano könnte ich einiges schreiben und mache das jetzt auch. Ich versuche, mich mal an den von Dir aufgeworfenen Fragen zu orientieren.


    War di Stefano ein Jahrhundertsänger?

    Schön, dass Du gleich einmal die Messlatte ausreichend hoch legst. :thumbup:

    Aber so einfach ist die Antwort natürlich nicht. Ich sehe das ähnlich wie Kristin: Auf die Frage, ob Di Stefano eine Jahrhundertstimme hatte, hätte ich auch mit einem klaren Ja geantwortet. Die Stimme von Di Stefano in den 1940er Jahren ist einfach ein Traum. Die Qualität und Individualität des Timbres ist wohl unverkennbar. Eine helle, resonante Stimme mit Wärme und Glanz, die damals noch mühelos bis zum hohen C reichte. Wer dieses Material nicht bewundert, dem ist in Bezug auf Tenöre wirklich nicht mehr zu helfen.

    Ein anderer Aspekt bleibt aber oft außen vor: Di Stefano hatte, schon als er noch keine 25 Jahre alt war, eine ungeheure Beherrschung über diese Stimme. Das zeigt sich in frühen Aufnahmen auch an der Messa di voce, die Di Stefano mit Phantasie und Geschick sehr effektvoll einsetzen konnte. Berühmt geworden ist das Diminuendo auf dem hohen C in der Faust-Arie, das wirklich beim Hören der erhaltenen Aufnahmen immer wieder staunen macht. Später kam ihm diese Fähigkeit, Schwelltöne zu bilden, weitgehend abhanden. Gut dokumentiert ist das in diversen Aufnahmen von "La donna è mobile": Di Stefano hatte seit seinen Anfängen die Angewohnheit, auf "Muta d’accento" ein Diminuendo zu singen, ein netter, kleiner, koketter Effekt, der bis etwa 1953 stets völlig natürlich und unangestrengt gelingt. In der Studioaufnahme aus dem Jahr 1955 bekommt er das bereits nicht mehr hin. Das zeigt, wie die Stimme bereits in dieser frühen Phase der Karriere an Flexibilität verlor.

    Wenn man die Stimme auf ihrem Höhepunkt betrachtet, das war wohl etwa 1950, hatte Di Stefano aber eine annähernd vollendete lyrische Tenorstimme.

    Zu einem Sänger gehört aber wohl etwas mehr. In Bezug auf die Gesangstechnik lautet die Antwort auf die Frage nein. Da liegt einiges, was auch im Einführungsbeitrag benannt ist, im Argen.

    Über das Kunsthandwerk hinausgehend, treten aber wieder die Qualitäten Di Stefanos in den Vordergrund. Ich bewundere die musikalische Phantasie, mit der Di Stefano gesungen hat. Ähnlich wie Jussi Björling hat er sich in jungen Jahren mit viel Seichtem abgegeben. Wenn man die Aufnahmen beider Sänger bis etwa 1950 betrachtet, wirkt trotzdem nichts banal; beide sind in der Lage, musikalisch das Beste aus diesem Material herauszuholen. Bei Di Stefano geschieht das durch den sehr gekonnten Einsatz gesanglicher Fertigkeiten. Es genügt ja nicht, zum Beispiel Mezzavoce oder Messa di voce zu beherrschen, man muss auch das Verständnis mitbringen, diese am richtigen Platz einzubringen. Beim jungen Di Stefano ist, zumindest empfinde ich das so, fast immer alles an der richtigen Stelle.

    Ein weitere Fähigkeit, die Giuseppe Di Stefano einzigartig macht: Sein Umgang mit Sprache. Ich kann immer wieder feststellen, dass mir oft jene Interpretationen von Sängern besonders gut gefallen, die einen großen Wert auf Diktion legen. Das ist nicht aus Prinzip so, sondern einfach die Erfahrung, die ich beim Hören vieler Aufnahmen gemacht habe. Für mich beinhaltet das nicht nur eine deutliche Aussprache, sondern auch, dass das gesungene Wort für die Interpretation genutzt wird. Bei Di Stefano versteht man nicht nur jede Silbe des Texts, vorbildlich ist auch die Phrasierung, die Fähigkeit, den Text und die Musik in einen sinnvollen Zusammenhang zu stellen. Es gibt Phrasen, die, von Di Stefano gesungen, einfach im Gedächtnis bleiben. Wie er das schafft, ist mir ein Rätsel. Mein Eindruck ist aber oft: Jawohl, genau so und nicht anders gehört das gesungen!

    Damit hängt auch zusammen, dass ihm die Opern Puccinis so entgegenkamen. Gerade die früheren Werke, Manon Lescaut, La Bohème, Tosca, sind, so zumindest mein Eindruck, in ihrer Melodik sehr nah an der natürlichen Sprachmelodie des Italienischen. Hier hat Di Stefano viele wunderschöne poetische Aufnahmen hinterlassen.

    Komplexe Charakterrollen lagen Di Stefano weniger. Das ist zugestanden. Aber es gibt genügend Sänger, die auch bei der Darstellung der eindimensionalen Charaktere scheitern.

    Also: Giuseppe Di Stefano, ein Jahrhundertsänger? Teilweise!


    Hat er sich für seine Stimme die falschen Rollen zugemutet?

    Das ist offensichtlich. Die Stimme war laut, tragfähig, aber eben nicht besonders robust. Es gibt einen Ausspruch, Di Stefano habe die Stimme eines lyrischen Tenors, aber das Temperament eines dramatischen Tenors gehabt. Das trifft meines Erachtens gut.

    Anfang der 1950er Jahre war Di Stefano über alle Maßen erfolgreich, hatte eine große Plattenkarriere. Es war wohl leider schon damals so, dass man mit Partien wie Edgardo und Almaviva überwiegend nur als halbe Portion Tenor angesehen wurde. Der große Ruhm war mit schwereren Partien zu ernten. Di Stefano hat diesen Verlockungen nachgegeben, wie viele andere auch.

    Dabei ist er deutlich über seine stimmlichen Grenzen hinausgegangen. 1958 sang er bei der Saisoneröffnung der Scala an der Seite von Birgit Nilsson den Calaf. "Nemorino und Isolde", so hatte schon die zeitgenössische italienische Presse diese Paarung bezeichnet. Eigentlich wusste jeder, dass Di Stefano sich mit dieser Rolle übernahm. Es hat nur niemand die Konsequenzen daraus gezogen. Am wenigsten der Sänger selbst.

    Fatal wirkte sich aber wohl auch aus, dass Di Stefano Mitte der 1950er Jahre in solchen Rollen wie Alvaro, Don José oder Calaf zwar keine wirklich guten, aber doch einigermaßen brauchbare Leistungen abliefern konnte. Die Qualitäten Di Stefanos sind auch bei diesen Partien in lyrischen Momenten ein großer Gewinn. Ich finde die Livemitschnitte einiger Spinto-Partien aber auch deshalb ungemein faszinierend, weil dort zu hören ist, wie ein Sänger mit einer noch weitgehend intakten Stimme andauernd völlig schonungslos im roten Bereich singt. Ein Jammer…

    Di Stefanos späte Versuche mit Hoffmann und Otello fehlen in meiner Sammlung. Aber schon sein Rienzi von 1964 gibt Grund zu der Annahme, dass es wahrscheinlich eines gesunden Maßes an Masochismus bedarf, um diese Aufnahmen zuende hören zu können.


    War seine Stimme überstrapaziert, falsch ausgebildet oder das Nachlassen seiner Stimme dem Lebenswandel geschuldet?

    Dass Giuseppe Di Stefano seine Stimme überstrapaziert hat, steht für mich außer Frage. Man höre sich die Studioaufnahmen der Puritani und des Trovatore, aber auch zum Beispiel die oben genannte Liveaufnahme als Calaf an. Das tut wirklich schon beim Zuhören weh!

    Defizite in der Gesangstechnik liegen wohl auch in Di Stefanos Biographie begründet. Im zweiten Weltkrieg wurde er mit 19 Jahren zum Kriegsdienst eingezogen, bevor er überhaupt eine Ausbildung als professioneller Sänger erhalten hatte. Bei der Armee wurde als großes Talent erkannt, deshalb in Watte gepackt und von der Front ferngehalten. 1943 flüchtete er in die Schweiz, um der Gefangennahme durch die Wehrmacht zu entgehen. In Lausanne entstanden dann auch schon seine ersten Aufnahmen für das Schweizer Radio (1944 und 1945). Bereits 1946 debütierte er in Reggio Emilia als Des Grieux, schon 1947 trat er an der Scala, 1948 an der MET auf. Für eine umfassende Gesangsausbildung dürfte da wenig Zeit geblieben sein. Giuseppe Di Stefano war also ein Weltstar, bevor überhaupt seine Ausbildung abgeschlossen war. Das rächte sich dann leider zehn Jahre später.

    Vieles ist aber auch dem Eigensinn des Sängers zuzuschreiben. Gerade das offene Singen, die Weigerung die Stimme bei hohen Tönen zu schützen, würde ich als eine bewusste Entscheidung Di Stefanos werten. Bei frühen Aufnahmen hat das mitunter großartigen Effekt, wenige Jahre später klingt die Stimme dann gerade in der hohen Lage leider nur noch abgenutzt und stumpf.

    Di Stefano hat selbst Theorien über seinen stimmlichen Abbau aufgestellt, zum Beispiel, dass er sich aufgrund eines verstaubten Teppichs in seinem Haus ein Asthmaleiden zugezogen habe. Er hat allerdings auch exzessiv geraucht, gespielt und gesoffen; das ist durch viele Zeitzeugenberichte belegt. Es ist wahrscheinlich, dass das nicht ohne Auswirkungen auf die Stimme geblieben ist. Meinetwegen kann diese Frage aber auch gern offen bleiben. Das Privatleben des Sängers interessiert mich eigentlich nicht besonders. Es gibt genügend andere Faktoren, an denen man den stimmlichen Abbau festmachen kann.


    Was bleibt von Giuseppe di Stefano?


    Hier fällt mir die Antwort leicht: Es bleiben viele wunderbare Aufnahmen, die uns auch heute noch viel Freude schenken können.
    Daneben bleiben auch Aufnahmen, die man besser nicht hören sollte, wenn man sich der Faszination Di Stefano nähern möchte. Ab spätestens 1960 kann man meines Erachtens das Kapitel Di Stefano guten Gewissens abschließen, auch wenn der Sänger selbst das anders gesehen hat. Viel zu lange hat Di Stefano noch weiter gesungen, selbst dann noch, als ihn eigentlich keiner mehr hören wollte. Allein dieser großartige Satz im Eröffnungsbeitrag "Seine letzten Auftritte hatte er 1995 (!) in Mexiko Stadt und Kremsmünster" bringt das in wunderbarer Nüchternheit auf den Punkt.

    Dass Di Stefano einfach nicht aufhören konnte, zeigt einerseits die fehlende Fähigkeit zur Selbstkritik, aber auch die Liebe zum Gesang, die sich durch alle seine Aufnahmen zieht und die zu seinen besten Zeiten wirklich ansteckend wirkt. Gerade in vielen Livemitschnitten habe ich den Eindruck, dass Di Stefano völlig in der Rolle, die er darstellt, aufgegangen ist. Manchmal schießt er dabei vielleicht ein wenig über das Ziel hinaus, aber alle seine Emotionen sind ohne Zweifel aufrichtig und echt.

    Deshalb kann Di Stefano heute noch als Beispiel dienen: Als positives Beispiel für die Schönheit der menschlichen Stimme, für emphatische hingebungsvolle Rollengestaltungen, wie man sie in der Geschichte der Tonaufzeichnung nur sehr selten findet, für die Bereitschaft, sich mit Stimme, Haut und Haaren in eine Rolle hineinzuwerfen, selbst wenn das auf Kosten der Substanz geht. Di Stefano ist aber auch ein Beispiel für eine vollendet deutliche Diktion und dafür, dass der gesungene Text die Grundlage für eine sinnvolle Interpretation bildet. Allerdings eignet er sich auch als Negativbeispiel für stimmliche Selbstüberschätzung, als Beispiel für die Bedeutung einer guten Gesangstechnik und die Vergänglichkeit einer großen Stimme.

    Mir ist allerdings ein Sänger mit zehn großartigen Jahren lieber als einer mit dreißig mittelmäßigen Jahren. Giuseppe Di Stefano ist ein kleiner Sieg der Emotion über die Perfektion. Deshalb gibt es von mir zwei Daumen nach oben für einen der besten Tenöre des 20. Jahrhunderts! :thumbup:

    Einmal editiert, zuletzt von Zauberton (26. Mai 2009 um 22:43)

  • RE: Giuseppe Di Stefano

    Mir ist allerdings ein Sänger mit zehn großartigen Jahren lieber als einer mit dreißig mittelmäßigen Jahren. Giuseppe Di Stefano ist ein kleiner Sieg der Emotion über die Perfektion. Deshalb gibt es von mir zwei Daumen nach oben für einen der besten Tenöre des 20. Jahrhunderts!

    Lieber Zauberton,

    Du sprichst mir mit diesen Sätzen aus der Seele, mir geht es ganz genauso. Danke für die Freude am Abend.

    Liebe Grüße aus München

    Kristin :wink: :wink:

    Vom Ernst des Lebens halb verschont ist der schon der in München wohnt (Eugen Roth)

  • Giuseppe di Stefano!

    Ich hatte das Glück, Giuseppe di Stefano noch in den sehr guten Tagen in Wien zu erleben, er hatte ein herrliche Stimme,

    war zwar nicht "mein" Calaf, da war für mich Franco Corelli zu gut, aber er hat sich sehr bemüht den Prinzen schön zu singen und darzustellen.

    Das Ende seiner Gesangslaufbahn in Wien, war tragisch, denn vom verrauchten Casino in die Oper, zu Wein, Weib und Gesang, das hat halt nicht so gepasst,

    jedoch soll das kein Vorwurf sein, dazu hatten wir Pippo zu gern.

    Liebe Grüße sendet Euch Peter aus Wien. :wink: :wink:

  • RE: Giuseppe Di Stefano

    ...
    Dass Di Stefano einfach nicht aufhören konnte, zeigt einerseits die fehlende Fähigkeit zur Selbstkritik, aber auch die Liebe zum Gesang, die sich durch alle seine Aufnahmen zieht und die zu seinen besten Zeiten wirklich ansteckend wirkt. Gerade in vielen Livemitschnitten habe ich den Eindruck, dass Di Stefano völlig in der Rolle, die er darstellt, aufgegangen ist. Manchmal schießt er dabei vielleicht ein wenig über das Ziel hinaus, aber alle seine Emotionen sind ohne Zweifel aufrichtig und echt.
    ...


    Hallo Zauberton,

    m. E. hängt das "nicht aufhören können" weniger mit seiner mangelnden Fähigkeit der Selbstkritik, sondern mit seinem verschwenderischen Lebensstil und seiner Spielsucht zusammen. Er mußte Konzerte geben, um seinen Lebensunterhalt samt Spielleidenschaft zu finanzieren.

    Daß er es an Selbstkritik mangeln ließ, macht sich besonders an der Rollenwahl bemerkbar. Es war m. E. eine Zeit in der die Spinto- und Heldenrollen übermäßig bewertet wurden.

    Ich halte das Stimmmaterial für außerordentlich, schätze di Stefano besonders in den Aufnahmen als kongenialen Partner von Maria Callas, bevorzuge jedoch die Tenöre: Caruso, Björling, Tucker, Tagliavini ("ähnlicher Weg"), Valletti, Flórez und bewerte zumindest die drei erstgenannten Sänger "wesentlich höher".

    Bis dann.

  • Hallo zusammen,

    schöne Beiträge, in denen eigentlich auch schon alles gesagt ist. Der schöne Titel von Keith beklagt ein Schicksal, für das Tenöre, und hier vor allem die lyrischen , unter den Männerstimmen wohl am anfälligsten sind. Vor allem ein größeres Volumen verführt immer zu der Ansicht, es ginge noch viel weiter.
    Und, wie auch schon richtig bemerkt wurde, die Zeit, welche den einzelnen Stimmfächern unterschiedliche Wertschätzung entgegen bringt, übt ihren Einfluß aus.

    Ein Jahrhundertsänger ?

    So problematisch der Begriff ist, die Kombination aus (in besten Tagen) exzeptioneller Stimme, der mustergültigen Diktion und schließlich seiner emphatischen, selbstverbrennenden Interpretation hat einige Aufnahmen hervorgebracht, die einfach Bestand haben werden.

    Mir geht es da, wie Zauberton: Die Phrasen brennen sich ein, ich wüßte aus dem Stegreif, wie er welche Stelle beim Cavaradossi oder auch Edgardo singt.

    Und auch, wenn er bei den italienischen Romantikern stilistisch problematisch agiert, singt er diese Partien zumeist besser, als die Konkurrenz auf den Vergleichsaufnahmen seiner Zeit.


    Eine sattelfestere Technik für die hohen Töne und vorsichtige Repertoireerweiterung hätte uns vermutlich in einigen Spinto-Partien noch viel Schönes erbracht.


    Liebe Grüße
    Sascha


    "You realize that it’s not necessary to own 50 Beethoven cycles, 46 of which you never play, when you can be just as happy with 20 of them, 16 of which you never play.
    "
    , David Hurwitz

  • Vom Dreigestirn der großen italienischen Tenöre der 50er und mit Einschränkungen auch noch 60er Jahre, Corelli, Del Monaco und Di Stefano, beeindruckte mich Giuseppe Di Stefano bis dato am wenigsten.

    Woran das liegt, weiß ich selbst nicht. Meine Hörerfahrungen mit ihm sind vielleicht zu wenig ausgeprägt, womöglich schlichtweg auch zu späte Aufnahmen (etwa Karajan-"Tosca" 1962).

    Als Calaf gefiel er mir nach eigener Erinnerung nicht wirklich (welche Aufnahme das war, weiß ich nicht mehr, ich tippe auf späte 50er).

    Also mal noch kein abschließendes Urteil zu dieser Jahrhunderstimme.

    "Kinder, schafft Neues!"

  • Vom Dreigestirn der großen italienischen Tenöre der 50er und mit Einschränkungen auch noch 60er Jahre, Corelli, Del Monaco und Di Stefano, beeindruckte mich Giuseppe Di Stefano bis dato am wenigsten.
    ...

    Hallo,

    mit dem "Dreigestirn" hast Du ggf. Recht, wenn man "italienisch" in Bezug auf die Herkunft betrachtet. Jedoch ein "Dreigestirn" der Tenöre für die "italienische Oper" sieht z. B. in den Vereinigten Staaten vermutlich anders aus.

    Bis dann.

  • Lieber Keith,

    in den USA wäre in dem Dreigestirn mit Sicherheit Richard Tucker dabei, vielleicht statt del Monaco. Könnte ich mir vorstellen.

    Grüße aus München


    Kristin

    Vom Ernst des Lebens halb verschont ist der schon der in München wohnt (Eugen Roth)

  • „Er könnte der Größte von uns sein – wenn er es nur ernsthaft anginge.“ (Jussi Björling)

    „Ich muss gestehen, dass diese Stimme eine der schönsten ist, die ich je gehört habe.“ (Arturo Toscanini)

    Ich muss gestehen, dass ich seine Stimme über alles liebe, aber gleichzeitig auch irgendwie sauer bin. Sauer, dass sie solch ein Ausnahmetalent so verschwenden konnte, so verschwendet hat. Er besaß für mich die schönste Tenorstimme überhaupt seit Caruso, überwältigt mich immer wieder mit seiner Emphase, seinem Legatogesang, seinen Piani, seiner Diktion, seiner Rhetorik, seinem Charme. Das war eine vitale, virile Männerstimme gepaart mit einer unglaublichen Empfindsamkeit. Wenn er wollte, brannte er in jeder Phrase, überrumpelte er einem mit jedem Ton. Und dann dieses offene Singen, diese Undiszipliniertheit, die falschen Rollen. Warum, oh, warum nur? Was hätte aus ihm werden können! Tosca aus Mexico 1952 da ist er noch grandios, einzigartig. Und danach? Nur noch sporadische Momente. Natürlich grandios die Partnerschaft mit der Callas. Aber auch nur im entsprechenden Repertoire, in dem die technischen Unterschiede nicht so auffielen. Das offene Singen versus Singen in der Maske. Im Verismo mag das noch funktionieren, aber bei Donizetti, auch bei Verdi geht es nicht mehr auf. Das was diese Partien (z.B. Lucia oder Traviata) heraushebt, ist dann schlichtweg die Leidenschaft seines Singens. Und die war überwältigend!

    Das Ende seiner Gesangslaufbahn in Wien, war tragisch, denn vom verrauchten Casino in die Oper, zu Wein, Weib und Gesang, das hat halt nicht so gepasst,

    jedoch soll das kein Vorwurf sein, dazu hatten wir Pippo zu gern.

    Ist es das nicht vielleicht sogar, was ihm zum Verhängnis wurde? Sein überbordender Charme. Einerseits verzieh man ihm alles, andererseits war er einfach jemand, der sich wohl sein Leben lang darauf verließ. Ich habe ihn noch zweimal in den 90igern live erlebt und es war objektiv gruselig. Aber irgendwie ertrug man alles, erlag seinem Charme und liebte ihn trotzdem. Und mit Sicherheit kannte er diesen Mechanismus von Anfang an und verließ sich auch ein Stück darauf.

    Ein Jahrhundertsänger ?

    Weiß ich nicht. Aber eine Jahrhundertstimme mit Sicherheit. Und ein Jahrhunderttalent. Und ein Jammer ohne Ende. Und nun muss ich gleich mal wieder seine frühen 1944-Aufnahmen auflegen und weiß, dass er mich sofort wieder verzaubern wird. Und es für mich wieder mit das Größte sein wird, was im letzten Jahrhundert aufgenommen wurde.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Hört euch mal diese Aufnahme an:

    Das ist dermaßen grandios. Di Stefano und Simionato. Ich habe auch eine Aufnahme aus NY mit Verrett und Pavarotti. Auch er ist exzeptionell, singt fantastische Spitzentöne, aber di Stefano brennt dabei. Brennt mit einer Leidenschaft, so dass man ihm alles verzeiht.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!