SängerInnen und realistische Szene: Was ist machbar? Wie weit darf man gehen?
Liebe Capricci,
in der Oper ist ja auch mal was los: Degen - Duelle, eine Lady Macbeth, die im Kronleuchter rumturnt, Pinkeln auf der Bühne (sieht jedenfalls so aus), Siegfriede, die an irgendwelchen Gestellen hochkraxeln, Rheintöchter im engen Bassin, natürlich randvoll mit Wasser (Rheingold/Valencia), wobei Woglinde eine atemberaubenden Gesangsstart gleich mit dem Auftauchen hinlegt (eine faszinierende Leistung).
Auf der anderen Seite wird viel Blutrünstiges gezeigt (die Stoffe sind z. T. einfach so), wo die DarstellerInnen alles andere als Stardivenambiente mit sich herumschleppen und reichlich unvorteilhaft aussehen.
Wie bekommen die singenden DarstellerInnen das gebacken?, fragt sich mancher, regt sich darüber auf und schimpft über "das Regietheater". So neulich woanders gelesen.
Aber ist das wirklich so?
Tatsache ist, dass OpernsängerIn ein Knochenjob ist, der in der Tat körperliche Fitness (die allerdings nicht mit Model - Maßen einhergehen muss, Magersucht ist fehl am Platz, aber auch übermäßige Korpulenz ist eher hinderlich), Koordinationsvermögen, Ausstrahlung und entgegen manchen Vorurteilen auch "Hirn" erfordert. Das war es aber schon immer, denn auch der sog. Rampengesang oder Stehtheater brauchen ständige Körperspannung. Sich dabei sinnvoll zu bewegen, ist oft sogar angenehmer, denn nur starre Spannung aufbauen, kann dazu führen, dass die Stimme fest wird.
Ich meine, dass das sog "Regietheater" per se nicht unbedingt die Sänger mehr (über-)fordert als es schon immer der Fall war. Obwohl ich selbst nie eine volle Theaterproduktion mitgemacht habe, geben mir bisherige Erfahrungen durchaus eine Ahnung davon, was hier passiert.
Das meiste kann man machen, aber einiges ganz klar nicht, ohne dass die Stimme leidet bzw weg ist. Das wäre alles, was die die sängerische Luftsäule zerstört wie Bücken, einrollen (Purzelbäume z. B.) und den Kopf hinterstrecken z. B. Das wirkt, als würde man eine Oboe oder Klarinette umknicken. Der Torso muss gerade bleiben und gespannt, egal, was man sonst tun muss. Laufen beim Singen geht auch jedem früher oder später an die Atemstütze, weil die sängerische Tiefatmung auf Dauer mit der Atmung der Läufer und auch Tänzer nicht verträgt (jedenfalls bezogen auf den klassischen Gesang).
Ich stelle dieses Thema mal hier zur Diskussion. Es hat ja einige Skandale gegeben, Sänger, die irgendwelche Konzepte nicht mitmachen wollten. Das sehe ich zweischneidig. Es mag ja sein, dass der Wunsch, der Star zu sein, durch allzu realistische Kostüm- und Regiekonzepte empfindlich gestört wird, aber andererseits sollten Regisseure auch berücksichtigen, dass die Sänger sinnhafte Konzepte für die Darstellung ihrer Figuren brauchen, denn sie müssen letztlich die Charaktere mit Leben füllen.
Eine kurze Anmerkung noch: Es trifft zu, dass unerfreulich viele der "neuen" Stars frühzeitig ausgepowert sind. Wenn man allerdings dahinterschaut, hat dies nichts mit den Produktionen selbst zu tun, sondern mit der Verheizung der Stimmen im falschen Fach und der ungesunden Schnelllebigkeit dieser Branche, die Stimmentwicklungen ignoriert.
LG
Ulrica