Wagner-Bücher
Ich lese mich gerade, so weit die Zeit es zulässt, etwas intensiver in den Wagner-Komplex ein. Genug Literatur dazu gibt es ja. Was sind für euch die wichtigsten Bücher über Richard Wagner, über die Familie und über Bayreuth, an welchen gibt es was kritisieren, welche sollte man meiden?
In Martin Gregor-Dellins neunhundertseitiger Wagner-Biografie von 1980 bin ich in der Pariser Zeit angekommen. Ich finde sie, bis hierhin zumindest, außerordentlich angenehm zu lesen. Gregor-Dellin gelingt es, die disparaten Elemente, aus denen eine gute Biografie notwendigerweise besteht (die vollständige Erfassung von biografischen Fakten und Jahreszahlen einerseits, die psychologische Einfühlung und der interpretatorische Bezug auf das Werk andererseits) in einer literarisch makellosen und spannenden Erzählung zusammenzubringen, ohne zu fabulieren. Was Tendenzen des Erzählten und Interpretierten angeht, bin ich in Wagnerdingen noch zu grün hinter den Ohren, um sie bewerten und einordnen zu können, habe aber den Eindruck gewonnen, dass Gregor-Dellin Wagner zumindest nicht überkritisch gegenübersteht.
Friedelind Wagner war die Tochter von Siegfried und Winifred Wagner, Schwester also von Wolfgang und Wieland. "Nacht über Bayreuth" schrieb sie 1944 in New York auf englisch - Richard Wagners Enkelin hatte Deutschland 1939 verlassen. Bei aller Schwatzhaftigkeit (man kann durchaus nachvollziehen, warum Siegfrieds zweitältestes Kind als schwierig und anstrengend galt) ist "Nacht über Bayreuth" eine spannende Lektüre. Friedelind Wagner erzählt von der Kindheit in Bayreuth, der Wiedereröffnung der Festspiele 1924, die nach dem 1. Weltkrieg ausgesetzt hatten, dem Tod des Vaters, den Besuchen des eigenartigen "Onkel Wolf" - Adolf Hitler - bei der Mutter ab Ende der 20er Jahre, der Freundschaft mit Künstlern wie Toscanini oder Frida Leider, der beginnenden Nazizeit und der Entscheidung, 1939 aus Zürich nicht nach Deutschland zurückzukehren (die wohl zunächst eher eine Flucht vor der so herrschsüchtigen wie wankelmütigen Mutter war, mit der die Einundzwanzigjährige, also gerade Volljährige, in dauerndem Zank lebte). Vieles von dem, was sie erzählt, ist geradezu peinigend privat (im Falle der Erinnerungen an Hitler, der zu allen Wagnerenkeln ein sehr enges Verhältnis unterhielt, gespenstisch privat) und hemmungslos persönlich - und doch oder gerade deshalb faszinierend zu lesen.
Grüße,
der Don