STANDARDS - John W. Green: Body And Soul

  • STANDARDS - John W. Green: Body And Soul

    Body And Soul wurde 1930 von John Waldo Green komponiert. Green war ein amerikanischer Arrangeur, Komponist und Big Band-Leiter, der viel für die Bühne und den Film arbeitete. Den Text steuerten Edward Heyman, Robert Sour und Frank Eyton bei. Im Oktober 1930 fügte er der Broadway-Show There's A Crowd den bereits existierenden Song hinzu.

    You're making me blue
    All that you do
    Seems unfair
    You try not to hear
    Turn a deaf ear
    To my prayer
    It seems you don't want to see
    What you are doingg to me
    My arms are waiting to caress you
    And to my heart they long to press you, sweet heart

    My heart is sad and lonely
    For you I cry
    For you, dear, only
    I tell you I mean it
    Im all for you
    Body and soul

    I spend my days in longing
    And wondering it's me you're wronging
    Why haven't you seen it
    Im all for you
    Body and soul

    I can't believe it
    It hard to conceive it
    That you'd turn away romance
    Are you pretending
    Don't say it's the ending
    I wish I could have one more change to prove, dear
    My life a hell you're making
    You know Im yours for just the taking
    Id gladly surrender
    Myself to you
    Body and soul

    Lifes dreary for me
    Days seem to be long as years
    Ive looked for the sun
    But can see none
    Through my tears
    Your heart must be like a stone
    To leave me like this alone
    When you could make my life worth living
    By taking what Im set on giving, sweet heart

    My heart is sad and lonely
    For you I cry
    For you, dear, only
    I tell you I mean it
    Im all for you
    Body and soul


    Als "Jahrhundertaufnahme" wird vielerorts die Fassung von Tenorsaxophonist Coleman Hawkins bezeichnet. Fünf Jahre hatte Hawkins in Europa zugebracht, bevor er 1939 in die USA zurückkehrte. Im Oktober jenes Jahres spielte er mit relativ unbekannten Musikern in einem New Yorker Tonstudio 4 Titel ein. Einer davon war Body And Soul. Diese Aufnahme schlug richtig ein, wurde gar kommerziell höchst erfolgreich. Das Stück mit dem sich perfekt aufbauenden Solo Hawkins' wurde zum Vorbild fast aller Instrumentalisten im Umgang mit Balladen und der Improvisation im Allgemeinen.

    Body And Soul diente auch immer als bedeutsame Vorzeige-Ballade weiterer Tenorsaxophonisten. So haben nach Coleman Hawkins z.B. Lester Young, Sonny Rollins, John Coltrane, Stan Getz und Dexter Gordon diesen Standard aufgenommen, in jüngeren Jahren auch Joshua Redman, Joe Lovano und Chris Potter.

    Hervorstechend ist dabei die Interpretation Coltranes. Bei ihm ist Body And Soul keine Ballade mehr, sondern kommt als reharmonisierte Mid-Tempo-Nummer daher. Die ist zwar noch funktionsharmonisch angelegt, gemahnt aber bereits an die sich direkt anschließende modale Phase Coltranes.

     

    Aber auch Pianisten nahmen das Stück dankbar auf. Ob solo oder in Trio-Besetzungen: Es gibt wunderbare Aufnahmen z.B. mit Thelonious Monk, Oscar Peterson, Bud Powell oder Art Tatum.

    Anscheinend hat auch Woody Allen ein Faible für dieses Stück (für alten Jazz ja sowieso...): Im Film Stardust Memories hört man eine Fassung von Django Reinhardt, in Radio Days eine von Benny Goodman. Und in Aki Kaurismäkis I Hired A Contract Killer singt's der Punkrocker Joe Strummer... :thumbup:

    Ein schönes Schmankerl zum Schluss: Erst Frankie-Boy und dann die große Ella! :juhu:
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    Und ganz was anderes: Dianne Reeves singt eine schnelle, "afrikanisierte" Fassung mit Peter Herbolzheimer und der Gymnasiallehrer-Lookalike-Contest-Big-Band:
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    LG
    C.

    „Beim Minigolf lernte ich, wie man mit Anstand verliert.“ (Element of Crime)

  • Zwei schöne Clips möchte ich hierzu ergänzen. Man sieht, das selbst Musiker unterschiedlichster Herkunft diese Ballade nicht gegen den Strich zu bürsten vermögen. Man erkennt sie immer sofort wieder. Zum einen das Archie Shepp Quintett,

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    zum anderen zwei reifere Herren, einen Bruxellois und einen Algerien, die 1990 mit einfachen Mitteln das Maximum aus diesem Thema herausholten:

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    Cheers,

    Lavine :wink:

    “I think God, in creating man, somewhat overestimated his ability."
    Oscar Wilde

  • Ja, "Body and Soul" ist ein Standard, den ich auch immer wieder gern höre. Ich liebe die raffinierte Modulation in den B-Teil (und wieder hinaus). Was ist eigentlich mit dieser ersten Textstrophe? Die habe ich noch nie gehört. Habt ihr eine Aufnahme, wo die auch gesungen oder gespielt wird? Danke übrigens auch für die Archie-Shepp-Aufnahme, die fand ich ziemlich großartig.

    Hier in loser Folge ein paar Versionen, die ich in den nächsten Tagen mal hervorkramen werde. Zunächst:

    Die Aufnahme ist von 1938 und wurde unter dem Namen "Chu Berry & His ´Little Jazz´ Ensemble" eingespielt. In der Rhythmusgruppe sind Gitarre und Klavier besetzt. Die Gitarre liefert ein bluesiges Feeling, das Klavier spielt überwiegend einen relativ simplen Backbeat. Die Aufnahme beginnt sofort mit einem relativ freien Chorus des Tenorsaxophonisten (Chu Berry) im Balladentempo, dann startet Roy Eldridge mit einem Chorus in doubletime. Erst mitten im abschließenden A-Teil, sozusagen mit der Wirkung eines Schlussritardandos kehrt er zum Balladentempo zurück. Die Aufnahme wird von einem abschließenden B- und A-Teil beendet, in denen das Saxophon wieder die Führung übernimmt. Die beiden Bläser finden in der Coda zusammen. Insgesamt eine traditionelle Angelegenheit, die Soli sind aber sehr schön und das doubletime ist eine interessante Idee (die meines Wissens um 1938 noch nicht gerade häufig zu finden ist).

    Tharon.

  • Benny Goodman hat in seinem bahnbrechenden Carnegie-Hall-Konzert von 1938 auch eine interessante Version von "Body and Soul" eingespielt.

    Er befindet hier deutlich im Austausch mit seinem Pianisten Teddy Wilson.

    Im ersten Chorus werden die A-Teile relativ original von der Klarinette wiedergegeben, den B-Teil übernimmt das Klavier, und zwar in Form einer deutlich freieren Improvisation. Im zweiten Chorus wechselt die Instrumentation: Wilson übernimmt die beiden A-Teile, weiterhin frei improvisierend, den B-Teil übernimmt Goodman, der immer noch näher an der Originalmelodie ist, aber sich langsam löst. Im letzten A-Teil werden die Aufgaben geteilt. In der ersten Hälfte übernimmt das Klavier die Führung, aber die Klarinette spielt Backings dazu. Den Schluss übernimmt die in den letzten vier Takten frei aufspielende Klarinette. Frei paraphrasierend würde ich die Geschichte, die hier erzählt wird mit den Worten zusammen fassen: "Wie ich von meinem Pianisten lernte". Dass Benny Goodman das gar nicht nötig hatte, ist eine andere Geschichte (mein Urteil: sympathische Einspielung).

    Tharon.

  • Selbstverständlich hat auch Billie Holiday "Body and Soul" gesungen. Hier eine ihrer Versionen:

    Die Aufnahme ist auf den ersten Eindruck wenig Aufsehen erregend: Nach einem kleinen Intro singt Billie Holiday die erste Strophe komplett mit kleinen Varianten. Wenn man aber mal genau darauf achtet, was da variiert wird, finden sich schon interessante Momente. So wird beispielsweise der zweite Achttakter ("I spend my days in longing") so rhythmisch verzerrt, dass eine durchgehende Folge von schleppenden Vierteltriolen entsteht. Der Eindruck der Auftaktigkeit hin zum zentralen Sehnen ("longing") wird so deutlich verstärkt. Ein Vers später ersetzt Billie Holiday die zentrale Vorhaltsnote durch eine weiter entfernt liegende Note. Im Text heißt es: "and WOND´ring why it´s me you´re wronging": Auch hier wird das Erstaunen über die erlittene Ungerechtigkeit durch eine kleine Variante verdeutlicht. Es folgen weitere kleine Varianten, die insgesamt dei Interpretation spannend halten und nie routiniert klingen lassen. Wer genau zuhört, merkt, dass der Fortgang der Interpretation immer offen bleibt.

    Nach Billie Holidays Strophe 1 folgt ein kurzes, achttaktiges Trompetensolo von Roy Eldridge. Der zweite Achttakter entfällt und Billie macht mit dem B-Teil weiter. Von hier bis zum Schluss weicht der Text deutlich von Carstens Textversion ab:

    What lies before me,
    A future that´s stormy,
    A winter that´s grey and cold.
    Unless there´s magic
    The end will be tragic
    and echo a tale that´s been told so often.

    My life revolves about you,
    What earthly good am I without you?
    I tell you I mean it:
    I´m all for you, body and soul.

    Auch vorher schon existieren kleine Textabweichungen. Aus "My heart is sad and lonely" wird beispielsweise "My days have grown so lonely" Insgesamt habe ich den Eindruck, Billie Holidays Textvarianten steigerten den Eindruck der Liebe bis zur Selbstverleugnung (s. a. "All of me").

    Und offensichtlich scheint das Thema der Beschäftigung wert ("http://www.billieholidaysongs.com/lyrics_body_and_soul.htm"). Hier bin ich aber noch nicht eingestiegen.

    Das eigentliche Argument für Billie Holidays Version sind aber weniger diese kleinen Spitzfindigkeiten, die Spaß machen können, aber letztlich doch Details bleiben. Ich finde, dass diese emotionale und ziemlich kaputte, gebrochene Billie-Holiday-Stimme einfach sensationell gut zu diesem Song passt.

    Tharon.

  • Ich finde, dass diese emotionale und ziemlich kaputte, gebrochene Billie-Holiday-Stimme einfach sensationell gut zu diesem Song passt.

    Das finde ich auch. Ich kenne keine(n) andere(n) Sängr(in), die/der einen solchen Ton zu treffen vermag, der genau die Stimmung des Texts trifft. Wirklich anrührend ist Billies Ansatz, den Song mit einem hellen, optimistischen Tonfall zu beginnen, um dann mit einem plötzlichen Bruch deutlich werden zu lassen, dass aller Optimismus nur eine bröckelnde Fassade ist und pure Verzweiflung dahinter steckt.

    Billie hat den Song ja unzählige Male aufgenommen. Hier, in der 1957er Version mit Ben Webster, Jimmy Rowles und Barney Kessel, trifft Deine Aussage imho noch mehr zu als bei den diversen früheren Aufnahmen.



    Welch ein Kontrast zu dieser glamourösen und technisch makellosen Darbietung - bei der freilich keinerlei Gänsehaut aufkommt: "

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    Da begeistert mich die schon erwähnte Coltrane-Aufnahme von 1960 mehr - noch mit Steve Davis statt mit Jimmy Garrison am Bass. Hier kann man sie zur Gänze hören - man beachte auch das interessante Solo von McCoy Tyner.

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    Cheers,

    Lavine :wink:


    P.S.: Ist zwar OT, aber hier kann man eindrucksvoll sehen und hören, was für tolle Klassikerinterpretationen Lady Day kurz vor ihrem Tod mit ruinierter Gesundheit und kaputter Stimme gelangen - trotz etwas glatter Begleitung. "I love you Porgy" "

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    “I think God, in creating man, somewhat overestimated his ability."
    Oscar Wilde

  • Hier nun meine vorläufige Lieblingsversion von „Body and Soul“. 1978 nimmt Sarah Vaughan eine Platte mit dem Titel „How long has this been going on?“ auf. Auf dieser Platte wird sie von einem Quartett begleitet (Oscar Peterson: p, Joe Pass: g, Ray Brown: b, Louis Bellson: dr). Einige der Nummern sind jedoch Duette: Sarah Vaughan + einer der Instrumentalisten. Mit Joe Pass gibt es beispielsweise „My old flame“, auch ein Duett mit dem Schlagzeuger („When your lover has gone“) ist auf der Platte enthalten. Und „Body and Soul“ schließlich ist ein Duett zwischen Sassy und Ray Brown. Die Platte insgesamt, aber besonders „Body and Soul“ sind ein echtes Juwel im Schaffen Sarah Vaughans. Zur Nummer selbst:

    Sarah Vaughans Stimme nutzt eine beeindruckende Vielzahl von Möglichkeiten, die die Improvisation im Umgang mit wohlbekannten Melodien bietet: es wird nicht nur melodisch variiert, es wird auch rhythmisch beschleunigt (durch kleinere Notenwerte in Verbindung mit Textwiederholungen, aber auch durch Melismatik), Phrasenanfänge und –enden werden durch rhythmische Umgruppierungen verschoben oder gleich komplett übergangen, chromatische Durchgänge führen zu neuen Lagen, Oktavierungen eröffnen einen immensen Tonumfang und setzen an ungewöhnlichen Stellen Betonungen.

    Ray Brown steht Sassy in nichts nach. Er verwendet seinen Bass vorwiegend wie ein Melodieinstrument. Die Metrik der Interpretation ist binär. Wenn man hört, wie Brown rhythmisch gestaltet, wird auch deutlich, warum das so sein muss: von Vierteln und Vierteltriolen über Achtel und Achteltriolen bis hin zu Sechzehnteln und Sechzehnteltriolen kommen alle Möglichkeiten der rhythmischen Unterteilung zum Einsatz. Die Vielseitigkeit ist beeindruckend. Wenn dann auch noch bei beidseitiger Freiheit und unorthodoxer Formgestaltung Bassist und Sängerin gemeinsame Akzente haargenau synchron auf den Punkt bringen, bleiben eigentlich keine Wünsche mehr offen.

    Die Nummer beginnt (Aufsehen erregend genug!) mit dem B-Teil, auf den der abschließende A-Teil folgt. Meine Lieblingsstelle ist der Moment, wo nach diesem A-Teil der eigentliche Beginn des Songs (das Da Capo also) angesteuert wird: Die bisherigen Teile (BA) klangen aufgrund Textwiederholungen inklusive schnellerer Notenwerte und Melismen von Sassy und relativ vieler Sechzehnteltriolen von Ray Brown fast so ähnlich wie ein Double-Time. Zum Schlusston von Sarah schiebt Brown eine Bassfigur so lange chromatisch abwärts, bis der harmonische Zusammenhang kaum noch erkennbar ist. Dann folgt ein tiefer Basston und ein weiterer Ton in hoher Lage. Hier wird zum ersten Mal überhaupt akkordisch gedacht. Der Bassist imitiert für etwa zwei Takte einen Stride-Stil und erzeugt durch Basston und Nachschlag in der Höhe Harmonik. Nach aktionsreichem Einstieg und harmonischer Indifferenz also endlich ein Moment der Eindeutigkeit… und sogleich wird das Ereignis von Sarah Vaughan für ihr Da Capo genutzt. Der folgende Komplettdurchgang der Strophe ist ebenso intensiv wie die ersten beiden erklungenen Formteile, hin und wieder verschaffen sich aber auch langsamere und elegischere Momente Geltung, die letztlich in ein ausgiebiges Schlussritardando münden. Von einzelnen Soli zu sprechen ist hier sinnlos. Hier sind zwei großartige, gleichberechtigte Musiker auf einem kontinuierlichen, intensiven Austausch, der erst nach 3:38 Minuten endet.

    Tharon

  • Achja, und dann entdecke ich gerade noch eine "Body and Soul"-Version... und es ist der typische Art-Tatum-Wahnsinn: Stride-Piano, Stride-Piano im Double-Time, parallelgeführte Akkorde, Akkordbrechungen, viele Unterbrechungen durch aberwitzig schnelle Läufe und Ornamente in der rechten Hand, zur Abwechslung hin und wieder auch mal ein schneller Lauf mit der linken Hand, dann auch mal in beiden Händen gleichzeitig, die musikalische Struktur wechselt fast von Takt zu Takt. Technische Grenzen hat Art Tatum ja bekanntlich nicht.

    Musikalisch führt er uns hier durch drei Chorusse und einen weiteren abschließenden B- und A-Teil.

    Mir stellt sich die Frage: Wird hier Vielseitigkeit zum Selbstzweck? "Schaut her! Noch ´ne Idee! Und noch eine! Und noch eine! Haha! Ich schüttele die nur so aus dem Ärmel! Und ohne dass ich es gewollt habe... huppsa... noch eine!" So oder so ähnlich scheint es mir Art Tatum zuraunen zu wollen während mir eine Tonperle nach der anderen um die Ohren wirbelt.

    Mit dem ursprünglichen Song hat das nichts mehr zu tun. Hat es immerhin noch etwas mit einem übergeordneten Ausdruckswillen zu tun? Naja: Der B-Teil des zweiten Chorusses beginnt mit einem Zitat: Ebenso mühelos wie seine sonstigen Ideen baut Art Tatum hier vier Takte "Nobody knows the trouble I´ve seen" ein. Dann geht es weiter, als sei nichts gewesen. Mit etwas Mühe lässt sich der dritte Chorus als Höhepunkt ausmachen. Er beginnt mit der Melodie in einer Mittelstimme (!), die Läufe hier fallen besonders bizarr aus. Der Schluss enthält ein paar Arpeggien... wenn man will ein adäquates Mittel, um den Song zuende zu bringen (aber jede andere Art-Tatum-Struktur wäre genauso möglich). Wirklich bedeutsam kommen mir diese Ideen aber nicht vor. Das Ganze ist eher eine Demonstration, die zeigt, wie es Art Tatum gelingt, die divergentesten Ideen seinem ureigenen Stil unterzuordnen. Deshalb ist es auch egal, ob er nun "Body and Soul" oder Weills "September Song" oder "Makin´ Whoopee" oder "I gotta right to sing the blues" oder sogar Dvoraks Humoreske spielt. Was man auch hinein steckt, heraus kommt stets Art Tatum. Und in so einer permanenten Selbstbekundung liegt dann vielleicht doch ein künstlerischer Aspekt begründet.

    Tharon.

  • Ganz wichtige "Body And Soul"-Interpretationen wurden ja hier schon genannt und beschrieben. Ganz besonders denke ich dabei natürlich auch an die wunderbaren Versionen von Billie Holiday.

    Obwohl auch schon Benny Goodman in seinem 38-er Carnegie Hall Konzert von Tharon genannt wurde, möchte ich vielleicht noch eine kleine zusättzliche Bemerkung machen. Goodman spielte nämlich dieses "Body And Soul" drei Jahre vorher, nämlich im Juli 1953, ebenfalls mit Teddy Wilson und Gene Krupa als Trio im Studio für Victor ein. Eine unaufdringliche, lockere und klare Einspielungssession ohne äußerliche Suche nach besonderer Wirkung. Mir gefallen diese Studioaufnahmen Goodmans in den Trio- und Quartettformationen in dieser Zeit sehr gut; ich höre sie sehr häufig. Ich habe sie als Reihe "The Complete Small Combinations" (für Victor), allerdings mit einem schöneren Coverbild als dem hier gefundenen.

    Uwe

    Wenn alle ein klein wenig verrückter wären, dann wäre die Welt nicht so durchgedreht.

  • Und dann wäre da noch ein bemerkenswertes Gesangsduett, im März 2011 in den Londoner Abbey Road Studios aufgenommen. Die 27jährige Amy Winehouse traf hier auf den fast 60 Jahre älteren Jazz-Crooner Tony Bennett. Begleitet wurden sie von einer klassischen kleinen Combo und Streichern.

    Neue Aspekte konnten beide Sänger dem Song mit dieser Begleitung freilich nicht abgewinnen, aber Bennett merkt man sein Alter kaum an und Winehouse offenbart eine erstaunliche musikalische Reife. Sie weiß so einiges mit dem Themenmaterial anzufangen, setzt dem konventionellen Stil Bennetts einiges entgegen und läßt hier wirklich aufhorchen. Wer immer noch nur die Bilder von der betrunkenen, derangierten und konfusen Amy vor Augen hat, kann sich hier von dem beeindruckenden Talent dieser Frau überzeugen.

    Zu finden ist diese Aufnahme auf der CD "Lioness", die auch noch andere Schätze zu bieten hat.

    "Body and Soul" war der letzte Song, den Amy Winehouse in einem Studio aufnehmen konnte. Sie starb am 23. Juli 2011 an einer Alkoholvergiftung.

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    Cheers,

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