Bruckner: Sinfonie Nr. 8 c-Moll – Werk und Einspielungen

  • wie ist denn die Akkustik ? Viel Nachhall ?

    Jawoll, da hallt es gewaltig.



    Außer in St. Florian gibt es wirklich keinen Grund gerade Bruckner in Kirchen aufzuführen.

    Dennoch wird es häufig gemacht. Beim Rheingau-Musik-Festival in der Basilika von Kloster Eberbach und beim Schleswig-Holstein-Musik-Festival eben der Lübecker Dom.
    Vielleicht gerade Bruckner der vielen Generalpausen wegen. Währenddessen kann man den Hall genießen.
    Zu Lebzeiten wurde er kritisiert, er komponiere wie für die Orgel. (Ich habe mal etwas über Terassendynamik gelesen)
    Da ist eventuell etwas hängen geblieben.

    Ich habe Bruckner (Musik) erst einmal live erlebt und das war die Achte in oben schon genannter Basilika.
    Mir hat es gefallen, gerade in den gewaltigen Passagen badet man förmlich in Musik. Das hat etwas Berauschendes, was zu Bruckner passt.

  • Das mein Beitrag antireligiöse Spitzen enthält ist eine unplausible Unterstellung seitens der Moderation. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Forenregel Nr. 9 zunehmned verwendet wird, unliebsam Stellungnahmen zu entfernen, die einen bestimmten Personenkreis nicht zusagen. Sollen wir mit einer Schere im Kopf schreiben ? Oder wird vorauseilender Gehorsam für bestimmte religiöse Einstellungen eingeübt ? Warum wurde nicht Dons Beitrag verschoben, der mir z.B. angebliche Gottferne + Beleidigung (was auch immer das sein mag) unterstellte, die aber in meinen Beiträge gar nicht zu finden sind. Dass ich allerdings affirmative metaphysische und mir sehr simpel erscheinende Spekulationen im Zusammenhag von Bruckner (oder Bach ) zurückweise, mich über diese mokiere, das will ich nicht verschweigen und dazu gibt es auch Berechtigung. Das hat mit Metaphysik, aber nicht mit irgendwelchen Religionen oder Glaubensgrundsätzen zu tun, die im Brucknerthread gar nicht zu Debatte standen bzw. stehen. Und dass ich Don sachlich unzutreffendes Argument (der Gottferne und der Beleidigung) zurückweise, dazu habe ich das gleiche Recht wie Don zu seinen Beitrag. Oder misst die Moderation etwa mit zweierlei Maß ?

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Ich habe auch einige Aufnahmen von Bruckners Achten, meine Liebsten wurden noch kaum genannt:

    Zum einen ist Celibidache aus '93 mit den Münchnern unumgänglich:

    (Bruckner-Schalk-Fassung, 1890; Nowak)
    Grandios! Celibidache versteht es fabelhaft, dass man das Forte Fortissimi man für die Coda aufsparen soll, und kann auch fantastisch mit den Bläsern umgehen, damit sie nicht alle überrumpeln, und die Streicher verdecken; auch weiß er sehr gut, was und wie was betonen werden sollte, ohne aber die natürliche Polyphonie zunichte zu richten - wie das z.B. bei Karajan mit den Wienern (DG) geschieht (*kotz*)


    Die Urfassung unter Simone Young ist ein Fest!

    (Urfassung, 1887; Nowak)
    Mir stockt der Atem auch noch nach zehnmaligem Hören, wie natürlich diese ungemein schwere Musik bei diesem fabel Orchester unter dieser exzellenen Dirigentin dargeboten wird. Man wird sofort von der urfassung überzeugt. Fantastisch!

    Als Radiomitschnitt kursiert eine HIP-Aufführung unter Philippe Herreweghe mit dem Orchestre des Champs-Elysées.
    (Mischfassung, 1887/90; Haas)
    Auch sehr sehr gut: beschwingt, sehr transparent (kleineres Orchester, als üblich), klanglich wunderbar ausgeglichen. Hoffentlich wird sie mal auch veröffentlicht.

    LG
    Tamás
    :wink:

    "Vor dem Essen, nach dem Essen,

    Biber hören nicht vergessen!"


    Fugato

  • wie das z.B. bei Karajan mit den Wienern (DG) geschieht (*kotz*)


    Die IMO schlimmste Aufnahme die ich je belauschen das Unglück hatte, ist also IMO die:

    IMO: Flach, plump, blöd, nichtssagend, angeberisch, überlaut, oberflächlich - "die Symphonie des Grauens" 8| oder die grausame Hinrichtung einer großen Symphonie von einem selbstverliebten Diktator*... (IMO)

    *Karajan war wohl im Stande große Interpretationen zu liefern: dessen bin ich ja bewusst - diese ist aber IMO niedergemetzelt und nicht interpretiert.

    mE LG
    mMn Tamás

    "Vor dem Essen, nach dem Essen,

    Biber hören nicht vergessen!"


    Fugato

  • Bruckner begann die Arbeit an seiner Achten im Juli 1884 und schloss die Rohfassung im August 1885 ab. Es begann die Orchestrierung, die er am 03. Juli 1887 abschloss. Inzwischen hatte er auch die Gesamtanlage verändert, indem er die Position von Scherzo und Adagio tauschte. Im September desselben Jahres schickte Bruckner eine Kopie der Partitur an Hermann Levi, wobei die erhoffte Reaktion ausblieb.


    Und nicht vergessen: sie wurde Kaiser und König Franz Josef I. gewidmet. :yes: Jawohl!

    LG
    Tamás
    :wink:

    "Vor dem Essen, nach dem Essen,

    Biber hören nicht vergessen!"


    Fugato


  • Die IMO schlimmste Aufnahme die ich je belauschen das Unglück hatte, ist also IMO die:

    IMO: Flach, plump, blöd, nichtssagend, angeberisch, überlaut, oberflächlich - "die Symphonie des Grauens" 8| oder die grausame Hinrichtung einer großen Symphonie von einem selbstverliebten Diktator*... (IMO)

    *Karajan war wohl im Stande große Interpretationen zu liefern: dessen bin ich ja bewusst - diese ist aber IMO niedergemetzelt und nicht interpretiert.

    mE LG
    mMn Tamás

    Sapperlott! Das ist doch mal ein Statement, das zur zünftigen Kontroverse einlädt. Also muss ich, des Spaßes an Debatten halber, "kontra" sagen und mit drei hinterhältigen, ausformulierten Tiefschlägen dagegen gehen.

    Tiefschlag 1

    Eine Aneinanderreihung von Adjektiven ("flach", "blöd", "plump") konstituiert kaum eine tragfähige Basis für eine sinnhafte Einschätzung. Vielmehr scheint der Verfasser mit Worthülsen um sich zu werfen, ohne diese, z.B. mittels konkreter Beispiele, sachdienlich zu unterfüttern. Hinzu kommt die Verwendung von obskuren Phrasen ("ohne aber die natürliche Polyphonie zunichte zu richten"), ohne dass selbige nähere Erläuterung erfahren (z.B. die Antwort auf die Frage, was denn "natürliche Polyphonie" sei). Fatale Konsequenz: die Einschätzung selbst wirkt "flach", "blöd", "plump".

    Tiefschlag 2

    Wie höre ich der Interpretation einer Symphonie an, dass der Dirigent selbstverliebt ist? Im Ernst: das interessiert mich! Kann man etwa auch andere konkrete Eigenschaften der Persönlichkeit eines Taktstockschwingers so ermitteln? War HvK vielleicht ein Tunichtgut? Oder sanguinisch? Oder lethargisch? War er pervers? Tierquäler? Aß er gern Spinat?

    Tiefschlag 3

    Der Verfasser teilt mit, dass man (Wer genau?) mit einem Forte Fortissimo bis zur Coda warten soll. Woher die esoterische Kenntnis des Brucknerschen Willens? Zumal Bruckner alleine im ersten Satz weit über 50 Mal die Notation "fff" vornimmt. Oder irrte der Komponist und war bei der Notation nicht Herr seiner Sinne?

    Doch sei's drum. Schließlich bleibt am Ende immer wenig anderes zu sagen als: "jedem seinen Bruckner." Schließlich sind wir in einem Forum, einem Marktplatz der Positionen also, auf dem jeder einbringen kann, was er für hilfreich und sinnvoll halten mag. Darum nicht allzuviel für ungut!

    Hier eine kurze Einschätzung, die ich zu der oben genannten Wiener Einspielung Karajans an anderem Ort schon gebracht habe. Auch sie mag - wie immer - nicht der Weisheit letzter Schluss und für den ein oder anderen sogar verfehlt sein. Sie muss jedoch jetzt aber als Gegenposition hier einfach hin:

    Wenn mich jemand, der nur eine Aufnahme dieser Symphonie im CD-Regal stehen haben wollen würde, fragte, welche ich ihm empfehlen würde: es wäre diese. Grund für diesen Ratschlag wäre die ungeheure Ausgewogenheit dieser Einspielung – und zwar ganz im positiven Sinne, zeigt sie doch nicht die dem Dirigenten oft vorgeworfene Glätte, sondern dessen ausgesprochen durchdachte Herangehensweise an das Werk. Da atmet alles einen großen gemeinsamen Atem, eine Homogenität und Abgeklärtheit durchzieht die Interpretation, wie ich sie sonst noch nicht gehört habe – auch nicht in Celibidaches am Zen geschulter Darstellung. Blicke ich in meine Partitur der Achten, so finde ich dann auch kaum Notizen zu dieser Einspielung. Sonst finde ich immer wieder Marginalien, wie zB „Jochum eindrucksvoll“, „Rögner zu schnell“, „glänzende Tuben bei Maazel“ oder so etwas in der Art. Hier gibt es dergleichen (fast) nicht, weil es im Grunde keine auffällig guten oder schlechten Stellen gibt. Es gibt im Grunde gar keine Stellen, es gibt nur ein großes organisches Ganzes. Man hat den Eindruck, Karajan entwickle vor den Ohren des Hörers vom ersten tiefgründigen Tremolo bis hin zur großen Schlussapotheose gleichsam das Idealbild der Brucknerschen Symphonie, die Bruckner selbst ja auch gerade hier in der Achten entwirft (was die Zusammenführung der Themen am Schluss zeigt). Martin Geck schreibt von der hier stattfindenden Selbstfeier der Symphonie. Hier kann man erleben, wie sich so etwas anhört. Und bei diesem Projekt ziehen dann auch die glänzend musizierenden Wiener Philharmoniker an einem Strang mit dem Dirigenten. Sie spielen – finde ich – noch glanzvoller als unter Giulini. Mein Eindruck ist am Ende der, dass dies eine der zentralen und herausragendsten Einspielungen in der Diskographie des Dirigenten und des Werkes selbst ist.

    :wink: und :prost: Agravain


  • Nu, das ist mal eine Antwort, die zur Diskussion einlädt! :D :klatsch:

    Ich werde dann näher erläutern, wieso mir die genannte Einspielung überhaupt nicht behagt (und bin versucht darin meine vorhin nur oberflächlich dargelegte Meinung über sie nun zu begründen):

    "Jedem seinen Bruckner" - das gilt ja sicher: und die Ansätze eines Haitink oder Celibidache, so einen Bogen über die gewaltigen Sätze seiner Symphonien zu schaffen, dass man ein breiteres dynamisches Spektrum als die sechsfache von ppp bis fff benutzt und dabei nicht alles, wo fff steht auch gleich klangstark ist, haben bei mir schon seit je eingeleuchtet und prägten grundsätzlich mein Bruckner-Verständnis. Ich pflege ja oft - in meiner direkten Weise gleich provokativ und übertrieben formuliert - zu sagen: "bei Bruckner bedeutet ein fff oft ein p". Das fff muss für mich also eher an der Gefühls- und Spannungsebene da sein, und nicht im Klangvolumen.
    (Mein Vater - der Komponist Pál Károlyi - bestätigt meine Vorstellung: auch er betont immer, diese Zeichen seien kein Absolutmaß, sondern gälten nur in Hinblick darauf, was vorher, und nachher geschieht. fff an einer Stelle ist also überhaupt nicht gleich fff einer anderen Stelle. Er erzählt auch oft die Anekdote, ein Dirigent habe ihm einmal angerufen um um Erlaubnis zu bitten eine fff-Stelle p (!!!) zu spielen: mein Vater sagte ihm, nur zu! Dann, nach dem erfolgreichen Konzert, eilte dann mein Vater zu ihm un erklärte, die Stelle habe er genauso verstanden, das p, sei das richtige fff gewesen.
    Also, um Missverstehen vorzubeugen, obwohl er ein überaus erfahrener Komponist ist, räumt er ein, gewisse der Vorzeichen, die er gesetzt habe, seien ganz anders zu spielen, um sie auszudrücken.)

    Nun, gleich im ersten Satz der Achten Symphonie gibt es schon sehr früh eine Stelle, wo fff vorgeschrieben steht, wo aber die Spannung garnicht nachlassen darf, sonst stockt die Musik. Wenn dieser Stelle sozusagen "gezügelt" wird: also mit einem Gefühl des "Wenn-man-das-nicht-dämpft-bricht der-Sturm-los", funktioniert das auf wunderbarer Weise. Und das verstehen schon recht viele Dirigenten.
    Bei der genannten Aufnahme Karajans (die anderen kenne ich nicht, muss ich gleich gestehen) wird hier aber ein triumphales Schlussakkor gezogen, sogar mit einem recht großen ritardando. Damit wird das Wind aus den Segeln genommen, der Fluss der Musik stockt recht beträchtlich: man fühlt als möchte der Dirigent in dieser grandiosen Fanfare baden wollen, dabei aber beim Werk vorbeizugehen - oder zumindest beim Werk, wie ich es verstehe. Das nenne ich 1) oberflächlich, 2) blöd und 3) selbstverliebt.
    Dieses "Fehler" kommt dann immer und wieder zurück: immer und wieder habe ich das Gefühl, wenn ich diese Aufnahme mir angehört hab (dreimal habe ich's probiert, wähnend, ich sei nur nicht in der Stimmung gewesen), die Symphonie zerbreche zu einzelnen Stellen, die mit einem breit gezogenem Gestus zelebriert werden, aber nicht mit der Nüchternheit eines Haitink, oder mit dem "Ins-Tiefe-Gehen-Wollen" eines Celibidache, sondern mit einer auf einer schillernd-glatten Oberfläche, auf bloße Klanglichkeit bedachten theatralischen Darstellung.
    Für Bruckner ist ja die Polyphonie mehr als nur typisch: seine Musik atmet Polyphonie, wenn man mir eine so gespitzte und poetisierte Aussage erlaubt (deshalb auch: "natürliche Polyphonie": also Polyphonie ist natürlich, selbstverständlich bei ihm). Seine Themen sind ja schon mehr als oft direkt polyphon ausgearbeitete Motive. Kaum jemand hat das z.B. so gut verstanden, wie Celibidache.
    Und eben bei der genannten Aufnahme mit Karajan habe ich ständig das Gefühl, für ihm sei immer nur eine Melodie, eine Oberstimme wichtig, die er breit-rührselig darzustellen versteht, dabei aber die polyphone Arbeit verdrängt: und das wieder erlebe ich wieder als "Gegen-die-Musik-Wirken": als Selbstverliebtheit: in einer Melodie schwelgen, dabei aber das Werk außer Acht lassen. Ob er nun Spinat oder Currywurst vorm Konzert gegessen hat: ist da irrelevant - Selbstverliebtheit bedeutet, dass man eher auf sich, als auf das Werk bedacht ist.
    Daher kam auch, dass ich dabei fast durchwegs auch die "Tiefe" vermisst hab: immer nur etwas Schönes oben hervorgehoben, aber die Musik darunter unbetont.

    Du schreibst, du hättest "im Grunde keine auffällig guten oder schlechten Stellen" dabei finden können: für mich lautet das übrigens eher nach einem vernichtenden Urteil, als nach Lob: eine Bruckner-Symphonie ohne Glanzpunkte? Das könnte ja bedeuten, dass bei den schönsten Stellen auch du etwas Dissonantes erlebt hast, dass du dabei doch nicht betroffen warst: für mich ist das eine übergroße Schwachstelle dieser Aufführung, ein grundlegendes Problem der Konzeption, oder besser: der Konzeptionlosigkeit.


    Jedem seinen Bruckner - und ich will ja dir deine nicht nehmen: hoffe aber, ich konnte dir meine Meinung über die Karajan-Aufnahme der Achten mit den Wiener Philharmonikern schon begründet vermitteln. So, und nicht anders klang sie in meinen Ohren. Ich bleibe dann lieber bei Celibidache - oder noch lieber: bei Simone Young! Ihre Aufnahme ist im Moment für mich DIE Achte.


    :prost:


    LG
    Tamás
    :wink:

    "Vor dem Essen, nach dem Essen,

    Biber hören nicht vergessen!"


    Fugato

  • PS.:

    Man hat den Eindruck, Karajan entwickle vor den Ohren des Hörers vom ersten tiefgründigen Tremolo bis hin zur großen Schlussapotheose gleichsam das Idealbild der Brucknerschen Symphonie, die Bruckner selbst ja auch gerade hier in der Achten entwirft (was die Zusammenführung der Themen am Schluss zeigt). Martin Geck schreibt von der hier stattfindenden Selbstfeier der Symphonie. Hier kann man erleben, wie sich so etwas anhört.


    Das kann ich ehrlich gesagt auch schwer als Lob auffassen: du schreibst, als ob diese Aufnahme zeigen würde, wie eine Symphonie zu klingen hat, aber eben eine, also allgemein eine Symphonie, aber keine bestimmte: die Achte.
    Also auch deine Beschreibung scheint mir recht zu geben, wenn ich gesagt habe: man fühlt, als ginge Karajan beim Werk selbst vorbei.


    Oder sind auch bei dir Tiefschläge eingeschlichen? :pfeif:

    LG
    Tamás
    :wink:

    "Vor dem Essen, nach dem Essen,

    Biber hören nicht vergessen!"


    Fugato

  • Lieber Támas,

    erst einmal vielen Dank für Deine Antwort, die Deine Vorstellungen zumindest ein wenig erhellt.
    Doch ein paar Anmerkungen kann ich mir nicht verkneifen.

    Zitat

    (Mein Vater - der Komponist Pál Károlyi - bestätigt meine Vorstellung:


    Dir ist aber schon aufgefallen, dass Dein Vater zwar Komponist, jedoch nicht nicht Anton Bruckner ist? Die Auffassung Deines Vaters mag seine Sicht der Dinge (und die Deine) ja erhellen, mehr als eine Auffassungsäußerung ist es indes nicht. Für die Frage danach, wo und ob Bruckner sein fff wie haben wollte repräsenatiert sie nur eine mögliche Meinung unter vielen, die nur aufgrund des Berufsbildes deines Vaters keinen Anspruch auf Korrektheit hat. Wenn ein Koch sagt, das Steak muss medium gebraten sein, weil er gehört habe, dass Bocuse das so wolle, hat ähnlich wenig Bedeutung, wenn er Bocuse und seine Meinung nicht kannte.

    Zitat

    auch er betont immer, diese Zeichen seien kein Absolutmaß, sondern gälten nur in Hinblick darauf, was vorher, und nachher geschieht. fff an einer Stelle ist also überhaupt nicht gleich fff einer anderen Stelle.


    Im Grunde bin ich da d'accord. Doch bei Bruckner scheint mir der Fall aufgrund des strukturellen Schematismus seiner Symphonien anders zu liegen. Da gibt es ja im Grunde nur zwei Möglichkeiten, wie es zu einem fff kommt. Zum einen durch einen langen Steigerungsbogen, an dessen Ende eben als Gipfelpunkt der fff-Ausbruch kommt oder als Folge einer quasi dynamischen Rückung. Das bedeutet allerdings auch, dass das musikalische Geschehen drumherum immer ähnlich ist, sodass es mir durchaus legitim erscheint zu behaupten, die fffs sollen - zumindest bei Bruckner - grundsätzlich fffs sein, und zwar immer im Sinn von fff: sehr sehr stark.

    Zitat

    Nun, gleich im ersten Satz der Achten Symphonie gibt es schon sehr früh eine Stelle, wo fff vorgeschrieben steht, wo aber die Spannung garnicht nachlassen darf, sonst stockt die Musik. Bei der genannten Aufnahme Karajans (die anderen kenne ich nicht, muss ich gleich gestehen) wird hier aber ein triumphales Schlussakkor gezogen, sogar mit einem recht großen ritardando. Damit wird das Wind aus den Segeln genommen, der Fluss der Musik stockt recht beträchtlich:


    Das ist auch gar nicht schlimm, schließlich ist da - wenn wir die gleiche Stelle meinen - ein Block zuende (Buchstabe F, Takt 125). Während Bruckner in seinen frühen Symphonien hier eventuell eine Generalpause gesetzt hätte, so geht es hier zwar weiter, es folgt aber etwas völlig anderes. Insofern, darf meines Erachtens hier auch eine Art Punkt gesetzt werden. Danach kann es weiter gehen. Im Übrigen zeigt gerade der Anweg zu diese Stelle, wie schematisch Bruckner dynamisch konziperte, was meine obige Behauptung zur prinzipiell identischen Vorstellung des fff (und der anderen dynamichen Anweisungen) bei Bruckner stützt. Schauen wir uns das bei Nowak an, so sieht das wie folgt aus:
    Buchstabe E (Takt 109) pp - 113; 113 - 119 poco a poco crescendo: 119: mf; 121 f; 121 - 124 cresc. semp.; 125 fff.
    Additiver geht's ja kaum.

    Zitat

    man fühlt als möchte der Dirigent in dieser grandiosen Fanfare baden wollen, dabei aber beim Werk vorbeizugehen - oder zumindest beim Werk, wie ich es verstehe. Das nenne ich 1) oberflächlich, 2) blöd und 3) selbstverliebt.

    Gottlob weist Du nebenbei daraufhin, dass sich erste Aussage auf Dein Werkverständnis bezieht.

    Zitat

    Dieses "Fehler" kommt dann immer und wieder zurück: immer und wieder habe ich das Gefühl, wenn ich diese Aufnahme mir angehört hab (dreimal habe ich's probiert, wähnend, ich sei nur nicht in der Stimmung gewesen), die Symphonie zerbreche zu einzelnen Stellen, die mit einem breit gezogenem Gestus zelebriert werden, aber nicht mit der Nüchternheit eines Haitink, oder mit dem "Ins-Tiefe-Gehen-Wollen" eines Celibidache, sondern mit einer auf einer schillernd-glatten Oberfläche, auf bloße Klanglichkeit bedachten theatralischen Darstellung.


    Auf bloßem Gefühl "Fehler" in einer Interpretation zu erkennen finde ich problematisch, zumal ich nur Fehler erkennen kann, wenn ich weiß, wie es richtig sein soll. Das wusste aber vielleicht nur Bruckner. Mal ganz davon abgesehen, dass es die ausschließlich richtige Interpretation eines Kunstwerkes nicht gibt.

    Zitat

    Für Bruckner ist ja die Polyphonie mehr als nur typisch: seine Musik atmet Polyphonie, wenn man mir eine so gespitzte und poetisierte Aussage erlaubt (deshalb auch: "natürliche Polyphonie": also Polyphonie ist natürlich, selbstverständlich bei ihm). Seine Themen sind ja schon mehr als oft direkt polyphon ausgearbeitete Motive. Kaum jemand hat das z.B. so gut verstanden, wie Celibidache.


    Ah, gut, dass Du spezifiezierst, was Du meinst. Ich war schon verwundert, da Polyphonie ja doch höchst artifiziell und damit idR wenig "natürlich" ist.

    Zitat

    Und eben bei der genannten Aufnahme mit Karajan habe ich ständig das Gefühl,...

    Da haben wir es schon wieder. Gefühl als Basis eines kategorischen Urteils. Mhh..

    Zitat

    Du schreibst, du hättest "im Grunde keine auffällig guten oder schlechten Stellen" dabei finden können: für mich lautet das übrigens eher nach einem vernichtenden Urteil, als nach Lob: eine Bruckner-Symphonie ohne Glanzpunkte? Das könnte ja bedeuten, dass bei den schönsten Stellen auch du etwas Dissonantes erlebt hast, dass du dabei doch nicht betroffen warst:


    Ja, mit der Formulierung war ich damals, als ich den Text an anderem Ort gebracht habe, auch nicht glücklich. Ich war allerdings einfach zu faul, etwas zu verändern. Also werde ich genauer, wenngleich ich ja auch im Text selbst schon gesagt habe, wie das meine. Also: Viele Interpretationen der Achten (zB Maazel) bringen eine Reihe schön ausgearbeiter Stellen, wohingegen der Rest oft interpretatorisch uninteressant bleibt, sodass man mit der Partitur in der Hand auf dem Sofa sitzt und einem plötzlich auffällt: "Mann, ist das öde gemacht." Einige Zeit später dann wieder: "Wow, das ist jetzt aber gut gemacht." Nicht umsonst schreibe ich von "auffälligen" Stellen. Auffallen durch ein Herausfallen aus dem Gesamten ist gemeint.
    Bei Karajans Einspielung empfinde ich das nicht so. Sie durchzieht eben ein großer, formender Atem. Alles entwickelt sich sehr logisch, sehr nah an den Vorgaben der Partitur, großartige Momente entwicken sich, man ist nicht überrascht, wenn plötzlich einer auftaucht.

    :prost: Agravain

  • Zitat


    Das kann ich ehrlich gesagt auch schwer als Lob auffassen: du schreibst, als ob diese Aufnahme zeigen würde, wie eine Symphonie zu klingen hat, aber eben eine, also allgemein eine Symphonie, aber keine bestimmte: die Achte.


    Na, da muss ich doch mit einem klaren NEIN antworten. Ich schreibe nicht, wie eine Symphonie an sich auszusehen bzw. zu klingen hat. Ich sage, dass die besagte Einspielung gut zeigt, was gemeint ist, wenn man mit Martin Geck meint, es handle sich bei der Achten um die Selbstfeier der Symphonie, und zwar der Symphonie Bruckners. Es hieße im Grunde Eulen nach Athen zu tragen, wenn ich jetzt breit erläutern müsste, dass Bruckner seine gesamte Komponistenlaufbahn an seinem spezifischen Typ der Symphonie arbeitete. Das haben andere schon für mich getan. :D
    Meine Ansicht ist lediglich, dass er diesen Typ in der Achten vervollkommnete. Darauf weist im Übrigen auch die bilanzierende Coda im Finale hin.

    Zitat

    Oder sind auch bei dir Tiefschläge eingeschlichen? :pfeif:


    Aber nein... :D

    :prost: Agravain

  • Gottlob weist Du nebenbei daraufhin, dass sich erste Aussage auf Dein Werkverständnis bezieht.


    Das hab ich ja niemals bestreitet. Weil aber wenn ich eine Aufnahme mir anhöre, zwangsweise Ich der sich das Werk rezipierende Subjekt bin, ist es unvermeindbar, dass meine eigene ästhetische Vorstellungen mitschwingen.

    Zitat

    Auf bloßem Gefühl "Fehler" in einer Interpretation zu erkennen finde ich problematisch, zumal ich nur Fehler erkennen kann, wenn ich weiß, wie es richtig sein soll. Das wusste aber vielleicht nur Bruckner. Mal ganz davon abgesehen, dass es die ausschließlich richtige Interpretation eines Kunstwerkes nicht gibt.

    Deshal brachte ich das Wort ja in Anführungszeichen. Weil sie bloß für mein Werkverständnis als Fehler auftauchen.

    Zitat

    Da haben wir es schon wieder. Gefühl als Basis eines kategorischen Urteils. Mhh..

    Ich bin vielleicht ein Empirist (ein mystisch-subjektiver übrigens), aber beim Musikhören kann ich nur meine Eindrücke bewerten: andere Eindrücke habe ich nicht: deshalb ist mein Urteil begründet kategorisch, da es mir nicht möglich war, vom gesagten abweichende Eindrücke von dieser Aufnahme zu bekommen: ganz im Gegenteil, diese Eindrücke sind bei mir von einer kausalen Folgereichtigkeit mit Karajans Aufnahme verbunden.

    :P


    Was fff, die Meinung meines Vaters und die besprochene Stelle angeht:
    1) Schematismus und Additivität hin und her: die Möglichkeit einer breiter gefächerten dynamischen Skala ist doch gegeben, und auch vorstellbar. Das musst auch du zugeben. Das hängt dann von dem eigenen Entscheidung ab, wie man es mag, oder nicht mag, ob man es für wichtig hält oder nicht. Ich habe durchaus das Recht das für wichtig zu halten und Aufnahmen auch danach zu beurteilen, ob ich darüber die Meinung Bruckners kenne, oder nicht.

    2) Punkt setzen: freilich kann man einen Punkt setzten, der Interpret darf sogar eine generalpause einfügen, auch wenn's nicht geschrieben steht. Man kann. Ich kann und vor allem darf aber auch entscheiden, ob mir das gefällt oder nicht.

    Und, wie das Karajan mit den Wienern macht, gefällt mir überhaupt nicht. Das wirst du schon hinnehmen müssen. :D :prost:

    LG
    Tamás
    :wink:

    "Vor dem Essen, nach dem Essen,

    Biber hören nicht vergessen!"


    Fugato

  • Es hieße im Grunde Eulen nach Athen zu tragen, wenn ich jetzt breit erläutern müsste, dass Bruckner seine gesamte Komponistenlaufbahn an seinem spezifischen Typ der Symphonie arbeitete. Das haben andere schon für mich getan.
    Meine Ansicht ist lediglich, dass er diesen Typ in der Achten vervollkommnete. Darauf weist im Übrigen auch die bilanzierende Coda im Finale hin.


    Dabei sind wir uns (übrigens, freilich) einig. Nur Karajans Ansatz gefällt mir nicht.

    (Auch mit diesem glatten Klang, was er auch hier bevorzugt, hab ich meine Probleme: bei Brahms geht das vielleicht, aber bei Bruckner will ich gepackt und nicht gestreichelt werden. Aber das ist nun wirklich mein Werkverständnis, auf das das von Karajan kollidiert... oder wie...)

    LG
    Tamás
    :wink:

    "Vor dem Essen, nach dem Essen,

    Biber hören nicht vergessen!"


    Fugato

  • Zitat

    1) Schematismus und Additivität hin und her: die Möglichkeit einer breiter gefächerten dynamischen Skala ist doch gegeben, und auch vorstellbar. Das musst auch du zugeben.


    Klar gebe ich das zu (habe ich ja oben im Grunde auch schon). Ich finde nur (wie ich ja auch am Beispiel versucht habe klar zu machen), dass bei Bruckner da die Möglichketen durch eine sehr genaue und in sich logische Notation seinerseits enger gesteckt sind als bei manch anderem Komponisten.

    Zitat

    Das hängt dann von dem eigenen Entscheidung ab, wie man es mag, oder nicht mag, ob man es für wichtig hält oder nicht. Ich habe durchaus das Recht das für wichtig zu halten und Aufnahmen auch danach zu beurteilen, ob ich darüber die Meinung Bruckners kenne, oder nicht.

    2) Punkt setzen: freilich kann man einen Punkt setzten, der Interpret darf sogar eine generalpause einfügen, auch wenn's nicht geschrieben steht. Man kann. Ich kann und vor allem darf aber auch entscheiden, ob mir das gefällt oder nicht.

    Ja, das ist ja auch immer "the last resort". Man kann sich am Ende natürlich auf die Begründung "Ist halt so, weil ich es so empfinde und weil ich das Recht habe so zu empfinden" zurückziehen. Bitte nicht falsch verstehen: da habe ich auch nichts gegen, bisweilen entscheide ich selbst auch sehr aus dem Bauch heraus. Mir ist das dann aber einfach als Grundlage für eine Diskussion etwas zu mau. Es kann da dann keine Erkenntnis mehr geben als: "Mr. X mag Karajan, und zwar weil er das Recht dazu hat; Mrs Y hingegen favorisiert Tennstedt, und zwar, weil auch sie das Recht dazu hat." Und wer will das schon lesen? :D

    Und darum: Auf zu anderen Einspielungen! Ich hör gleich mal wieder Horenstein.

    :prost: Agravain

  • Mir scheint, Tamás hat neben seinem "Ich kann und vor allem darf aber auch entscheiden, ob mir das gefällt oder nicht" schon recht ausführlich, nachvollziehbar und mit konkreten Beispielen hinsichtlich Dynamik, Durchhörbarkeit und Fluss der Musik dargestellt, warum ihm Karajans Interpretation nicht zusagt. Wenn hier jeder seine Vorlieben oder Abneigungen auf eine solche Art begründen könnte (ich selber kann das oft auch nicht!), befänden wir uns auf einem Niveau weit über allen anderen Internetforen....

    Leider kenne ich die Karajan-Version der 8. nicht - mir liegt nur eine einzige Einspielung dieser mir allerdings liebsten Bruckner-Sinfonie (generell bin ich kein allzu großer Brucknerianer) vor, nämlich eine unter Furtwängler, und bei der sind mir die klanglichen Defizite zu groß. Inwieweit Furtwängler der Struktur dieser Musik gerecht wird, vermag ich überhaupt nicht zu entscheiden. Dazu bin ich mit Bruckners Klangsprache schlichtweg nicht gut genug vertraut.

    Überhaupt staune ich hier immer wieder darüber, wie zielsicher hier der eine oder andere über Interpretationen aus den verschiedensten Gattungen urteilen kann (oder urteilen zu können glaubt). Ganz gleich, ob Sänger, Dirigent, Cellist, Kunstlied, Streichquartett, Sinfonie, Chorwerk oder Solosonate, Barock, Romantik oder Jazz - einige scheinen sich in allen Bereichen äußerst sattelfest zu Hause zu fühlen. Ich bin leider nicht so universell im Hören und traue mir bestenfalls im Holzbläserbereich ein detaillierteres Urteil über verschiedene Interpreten zu. Woanders gibt es schon Künstler, deren Stil mich unmittelbar anzieht (z.b. Dietrich Fischer-Dieskau) oder abstößt (z.b. Elisabeth Schwarzkopf :D), aber so genaue Einschätzungen, wie ich sie z.b. in diesem Thread oder in dem über Elgars Cellokonzert finde, kann ich in Fällen, die über mein eigenes Metier hinausgehen, nur höchst selten treffen...

    Viele Grüße

    Bernd

  • Lieber Bernd,

    vielen Dank für Deinen Beitrag.

    Zitat

    Mir scheint, Tamás hat neben seinem "Ich kann und vor allem darf aber auch entscheiden, ob mir das gefällt oder nicht" schon recht ausführlich, nachvollziehbar und mit konkreten Beispielen hinsichtlich Dynamik, Durchhörbarkeit und Fluss der Musik dargestellt, warum ihm Karajans Interpretation nicht zusagt. Wenn hier jeder seine Vorlieben oder Abneigungen auf eine solche Art begründen könnte (ich selber kann das oft auch nicht!), befänden wir uns auf einem Niveau weit über allen anderen Internetforen....

    Wenn Dir das so erscheint ist es ja in Ordnung. Ich find's halt im Vergleich zu den recht vernichtenden Statements (ich erinnere an: "*kotz*") etwas schwammig und tatsächlich nicht allzu konkret. Aber da darf man ja auch durchaus unterschiedlicher Meinung sein. Mir ging es daraum, an die eingangs eher skelettartig formulierte Hauruck-Kritik ("die Symphonie des Grauens" etc.) etwas mehr Fleisch zu bekommen, um mir diese Abneigung zu erklären. Was ich gehört bzw. gelesen habe, hat mich nicht überzeugt. Meine Argumentation hat ja auch bei Támas keinen Sinneswandel ausgelöst. Muss ja auch nicht, zumal das nicht der Sinn einer Debatte ist. Gestritten haben wir ja auch nicht, wir haben uns ausgetauscht und insofern ist doch alles schön.

    Zitat

    Überhaupt staune ich hier immer wieder darüber, wie zielsicher hier der eine oder andere über Interpretationen aus den verschiedensten Gattungen urteilen kann (oder urteilen zu können glaubt). Ganz gleich, ob Sänger, Dirigent, Cellist, Kunstlied, Streichquartett, Sinfonie, Chorwerk oder Solosonate, Barock, Romantik oder Jazz - einige scheinen sich in allen Bereichen äußerst sattelfest zu Hause zu fühlen.

    Urteile beruhen auf intensiver Beschäftigung mit einem Inhalt. Da es wohl eine Reihe von Leuten hier gibt, die sich mehr oder minder intensiv mit einem oder mehreren Themen in der sehr weiten Musiklandschaft beschäftigen, verleihen sie ihrer Beurteilung eben auch Ausdruck. Was hätten wir hier sonst auch zu lesen? Das erschöpfte sich dann wohl recht flott in: "Die Platte mag ich." "Und ich die." "Nö, die find ich doof." Oder: "Ich mag Mozart. "Ich auch." Ein Forum verstehe ich indes - wie schon weiter oben gesagt - als Marktplatz der Meinungen. Damit ein solcher Marktplatz auch funktioniert, ist es natürlich auch nötig a) eine Meinung zu haben (basierend auf der Beschäftigung mit einer bestimmten Materie) und b) den Mut mitzubringen diese auch öffentlich zur Diskussion zu stellen. Denn ganz klar: Das, was Du als "Urteil" bezeichnest, sodass es den Geschmack einer Endgültigkeit gewinnt, muss ja eben so endgültig nicht sein und ist es oft ja auch nicht. Ich persönlich habe viel aus der Diskussion meiner Standpunkte (und der Standpunkte anderer) gelernt, weil hier und andernorts Leute rumlaufen, die schlicht qualifizierter sind als ich. Wenn ich allein an den kammermusikalischen Bereich denke! Da hab ich mich wenig mit beschäftigt. Mich hat lange kaum etwas aus diesem Feld gereizt, wobei ich dann gerade hier als Rezipient der Meinungen, Vorstellungen und Deutungen anderer auf sehr schöne Dinge gestoßen bin. Das ist ist für mich idR der Grund, in Foren überhaupt mitzuspielen. Ansonsten fände ich die Einrichtung solcher Foren völlig überflüssig. Womit ich aber dann recht wenig anfangen kann sind Meinungsäußerungen, die sich darüber mokieren, dass andere eine Meinung haben, man selbst jedoch nicht. Ich finde, Derartiges bringt niemanden weiter.

    Viele Grüße,

    :wink: Agravain

  • Hallo Agravain,

    nur damit kein Missverständnis entsteht: Meine Bemerkungen waren keinesfalls gegen dich gerichtet - und erst recht nicht gegen deinen fundierten und sprachlich exzellenten Einführungsbeitrag in diesem Thread.

    Zitat

    Da es wohl eine Reihe von Leuten hier gibt, die sich mehr oder minder intensiv mit einem oder mehreren Themen in der sehr weiten Musiklandschaft beschäftigen, verleihen sie ihrer Beurteilung eben auch Ausdruck.

    Ja, sicher. Ich staune halt nur manchmal darüber, mit wie vielen Themen sich der eine oder andere (der unter Umständen beruflich etwas ganz anderes macht) so intensiv beschäftigt, dass sein Wahrnehmungsvermögen offenbar auf allen möglichen Feldern viel mehr geschärft ist als meines.

    Aber das hat natürlich mit Bruckners 8. nichts zu tun. Wenn es mich juckt, mache ich irgendwann einmal einen eigenen Thread mit dem Titel "Bandbreite des Urteilsvermögens" (oder so ähnlich) auf....

    Viele Grüße

    Bernd

  • Ja, das ist ja auch immer "the last resort". Man kann sich am Ende natürlich auf die Begründung "Ist halt so, weil ich es so empfinde und weil ich das Recht habe so zu empfinden" zurückziehen. Bitte nicht falsch verstehen: da habe ich auch nichts gegen, bisweilen entscheide ich selbst auch sehr aus dem Bauch heraus. Mir ist das dann aber einfach als Grundlage für eine Diskussion etwas zu mau. Es kann da dann keine Erkenntnis mehr geben als: "Mr. X mag Karajan, und zwar weil er das Recht dazu hat; Mrs Y hingegen favorisiert Tennstedt, und zwar, weil auch sie das Recht dazu hat." Und wer will das schon lesen?


    Ja, das stimmt schon: ich sagte aber nicht, ich hätte das Recht Karajan nicht zu mögen, sondern dazu, eine eigene Werkvorstellung und bestimmte Erwartungen gegenüber Aufführungen dessen zu haben. Wenn ezwas damit sich dann nicht deckt, gefällt es mir dann auch nicht.

    "Vor dem Essen, nach dem Essen,

    Biber hören nicht vergessen!"


    Fugato

  • Na dann: Nix für ungut!
    :prost: Agravain

  • RE: Bruckner 8 mit Karajan

    Hallo Agravain,

    ich möchte mich kurz fassen. :wink: Mir ist es ein Bedürfnis, nachdem ich die Diskussion der letzten Tage über die Karajan-Aufnahme der Sinfonie Nr.8 gelesen habe, Dir mitzuteilen, dass jedes von Dir geschriebene Wort für mich nachvollziehbar ist und deine Antworten voll mit Dir teile.

    Wenn Tschabrendeki mit unglaublichen Zitaten über Karajans Wiener DG-Aufnahme der Sinfonie Nr.8 diese schon als "gemetzel" empfindet, wie wäre es dann erst bei Karajan´s Berliner Aufnahme von DG, 1975, die ich noch mehr vorziehe, eben weil ich diese insgesamt noch zupackender finde !?! :!: Für mich ist das eine der bedeutensten Bruckner Aufnahmen der Sinfonie Nr.8.

    Von Solti (Decca) ganz zu schweigen (wohlmöglich der Untergang für Tschabrendeki). Solti, der ja allerdings auch Dir in seiner beinahe antiromantischen aber wahnsinnig feurigen, zugegeben manchmal etwas unddifferenzierten Auffassung (aber so mag ich es) weniger liegt. Dies hast Du ja ausführlich nachvollziehbar (im Das Klassikforum) begründet. 8+) Wie gesagt: jedem seinen Bruckner !

    :thumbdown: Nebenbei gesagt hasse ich solche Interpretationen, wie offenbar hier Celibidache, die erst im letzten Satz wach werden und die besprochennen fff-Stellen im ersten Satz dann weniger akzentuieren und mit Spannung anheizen. Wenn Bruckner fff vorschreibt dann bitte direkt genau so, packend und nicht erst nach einer Stunde Wartezeit im letzten Satz ...

    ______________

    Gruß aus Bonn

    Wolfgang

  • Nebenbei gesagt hasse ich solche Interpretationen

    Weniger martialische Formulierungen tun es gelegentlich auch. Nicht mögen? Meinetwegen. Aber "hassen"?

    unglaublichen Zitaten

    Und damit meinst Du was genau? Ich hatte keine Probleme damit, Tschabrendekis Ausagen nachzuvollziehen, die ja obendrein als seime persönliche Meinung kenntlich gemacht waren. Glauben muss man hier also nicht ;+)

    :wink: :wink:

    Christian

    Rem tene- verba sequentur - Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen

    Cato der Ältere

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