DONIZETTI: L'elisir d'amore – Kommentierte Diskographie

  • Lieber Agravain!

    Damit hast Du völlig Recht, ist ja ein enormer Preisunterschied, da kriegt man ja gleich die nächste CD.

    Liebe Grüße sendet Dir Peter aus Wien. :wink:

  • Kürzlizh brachte Sony einen Mitschnitt von der New Yorker Metropolitan Opera aus dem Jahr 1966 neu remastered heraus:

    Den Cover zähle ich zu den gelungenen, die Aufnahme insgesamt auch zu denen, die man unbedingt haben sollte (im Falle akuter Donizettitis, was bei mir inzwischen schon ein Dauerzustand geworden ist). Ein bißchen meckern möchte ich aber über die für 1966 nicht optimale Tonqualität, die recht trocken und hart ist. Das ist natürlich primär der Wiederaufbereitung geschuldet, und man kann ganz gut damit leben, dennoch: Erschiene jetzt eine Wunschfee, dann würde ich sie um die Originalbänder oder eine LP-Fassung bitten um zu vergleichen. Was noch stört: Der - sehr verständliche und prinzipiell auch von mir unterstützte - frenetische Beifall des Publikums ist unangenehm laut eingeblendet.

    Thomas Schippers setzt gekonnt auf Dramatik. Carlo Bergonzi als Nemorino gefällt mir hier viel besser als in der TMK-Fassung. Er gibt einen keineswegs dummen, nur ungebildeten Bauernburschen, den sich Adina schon zurechtformen wird. Wie er moduliert, ist einfach exzellent.
    Roberta Peters als sein Liebchen singt gleichfalls exzellent. Im Gegensatz zur Netrebko, der man gleich zu Beginn optisch und vokal verfällt (so man die Wiener Aufführung schätzt), gibt sie sich anfangs richtig kalt und gleichgültig und entwickelt ihre Gefühle erst allmählich. Wenn man so ausschaut wie sie, kann man sich das auch erlauben.
    Toll besetzt ist aber nicht nur das Liebespaar. Frank Guarrera, von dem sich auch ein Foto in der Beilage findet, ist für mich ein Referenz-Belcore, ein vor Eitelkeit triefender, attraktiver Gockel, der vermutlich der entfernte Vetter eines gewissen Escamillo ist.
    Fernando Corena ist als Dulcamara in seinem Element. Wenngleich er nicht so differenziert singt wie ein Taddei oder d'Arcangelo, er reißt trotzdem hin.

    Als ich vorgestern heimkehrte, legte ich vor dem Schlafen trotz aller Müdigkeit noch die "Elisir"-DVD mit Villazón und Netrebko ein. Mit diesen Versionen ist das Himmelreich gesichert.

    Liebe Grüße

    Waldi

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    Homo sum, ergo inscius.

  • Rolando Cantinflas - L'Elisir d'amore auf arte zum Heiligabend 2012

    Das nenne ich mal eine originelle Idee für die Inszenierung einer Belcantooper. Der Regisseur Rolando Villazon siedelt seinen LIEBESTRANK im Milieu der Dreharbeiten zu einem B-Western an. Laut Villazon soll das in den 30er oder 40er Jahren sein, aber eigentlich sieht alles aus wie beim Stummfilm, dessen größte Clowns Chaplin und Keaton seine anerkannten Vorbilder waren. Es ist bewundernswert, wie viele hübsche und durchaus originelle Einfälle er seiner Liebesgeschichte zwischen einer amerikanischen B-Filmdiva und einem mexikanischen Statisten abgewinnt. Ein Grund dafür ist, dass er seine Inspirationen aus fast 100 Jahren Filmgeschichte bezieht und sich keineswegs auf eine platte Westernparodie beschränkt. Mit diesen verschiedenen Ebenen jongliert er virtuos besonders dann, wenn er Chaplin nachahmt, ihn aber durch die Maske des mexikanischen Komikers Cantinflas filtert (erinnert sich noch jemand an die Filme IN 80 TAGEN UM DIE WELT oder PEPE?) und so die platte Karikatur vermeidet, die man allerorts von Straßenclowns geboten bekommt.

    Aber auch neuere Komödien kommen zu ihrem Recht. So liebt Villazon ersichtlich die Situationskomödien von Blake Edwards, dessen herrlicher Schwank THE PARTY offenbar Pate gestanden hat für den von Villazon verkörperten Statisten, der besten Willens beständig Chaos verursacht, und - ein Zitat aus Edwards' bester Komödie DER ROSAROTE PANTHER und nicht King Kong, wie manche schrieben - sogar einen ratlosen Gorilla im Gewühl des ersten Finales auftauchen lässt. Auch seine Liebe zu den Comics um Lucky Luke kommt deutlich zum Vorschein, wenn er wiederholt Ma Dalton und ihre vier kriminellen Söhne auftkreuzern und so unmotiviert wie wirkungssicher durch die Szenerie stapfen lässt.

    Wie Villazon im Pauseninterview selbst sagte: alle spielen eine Rolle, und das auf mehreren Ebenen. Dulcamara (ebenso köstlich wie in Wien: Ildebrando D'Arcangelo) ist nicht nur ein pseudoindianischer Betrüger, sondern auch der Regisseur des Films, der sich mehr für die Casting Couch interessiert als für den Schrottfilm, den er gerade zu drehen hat. Adina, ein wenig zu aufgesetzt gespielt, aber vorzüglich gesungen von Miah Persson, ist ein zweitrangiger Filmstar, der es nicht vertragen kann, nicht von allen angehimmelt zu werden. Selbst die sonst sehr vernachlässigte Nebenrolle der Gianetta Regula Mühlemanns erhält erfreuliches Profil als Regieassistentin, die immer eingreifen muss, wenn etwas schief geht, weil der Regisseur seine Hosen nicht anbehalten kann, und belebt es vorzüglich. Einzig Roman Trekel, dessen Besetzung wir womgöich seiner Lebensgefährtin Miah Persson zu verdanken haben, scheitert an den Anforderungen des Belcore, und das leider sowohl als Schauspieler, der auf unglückliche Weise übertreibt und jedes komische Timing vermissen lässt, als auch als Sänger. Zum Glück ist seine Rolle begrenzt, im Gegensatz zu der des Balthasar Neumann Chors, der enorm von Villazons Talent zur Bewegungskomik profitiert und manch berühmteres Ensemble lahm aussehen lässt. Wenn nur der Dirigent Pablo Heras-Casado ähnlich souverän wäre wie Villazon, der Regisseur. Dazu mehr im nächsten Abschnitt zum zweiten Akt.

    Zunächst möchte ich jedem dringend empfehlen, von dem Angebot der ARTE Gebrauch zu machen und hier das Vergnügen dieser Darbietung nachzuholen: "http://videos.arte.tv/de/videos/der-…n--7139890.html"

    Fortsetzung folgt.

    :wink: Rideamus

    PS: wenn jemand das mitgeschnitten hat und teilen kann, bitte ich um eine PN

    Ein Problem ist eine Chance in Arbeitskleidung

  • Rolando Cantinflas II

    Es ist schon ungewöhnlich, wenn sich ein Sänger als Regisseur auf das Experiment des sogenannten Regietheaters einlässt und die Geschichte einer Oper ganz woanders ansiedelt, als sie eigentlich vorgesehen war. Villazon gelingt aber auf bravouröse Art der Beweis, dass nicht das Sakrileg als solches das Problem ist, sondern das es allein auf das Endergebnis ankommt, das schlüssig sein und den Zuschauer spontan überzeugen muss. Dies gilt um so mehr bei einer komischen Oper, die deswegen noch nicht anspruchslos sein muss, aber nun einmal das verkopfte Spekulieren über den Sinn der Sache bei der ersten Begegnung schlecht aushält.

    Villazons Lösung aber überzeugt auf Anhieb, und das hat zwei Gründe:
    Zum einen hat er sich mit der Filmparodie ein Umfeld ausgesucht, das ähnlich funktioniert wie das von Romanis ursprünglichem Libretto, das sich auch nicht all zu ernst nimmt (eine Bäuerin liest TRISTAN UND ISOLDE?).
    Vor allem aber konzentriert er das Geschehen geschickt auf die archetypischen Konflikte der Personen, die er gegen Ende immer mehr isoliert, so dass deren Umfeld zunehmend sekundär wird. Damit schält er den Kern des Konfliktes um den vermeintlichen Trottel heraus, der an der Verlogenheit der Welt nicht weniger verzwiefelt als an der Koketterie seiner großen Liebe. Diesen KOnflikt behält er jederzeit im Auge, was sich auch in seiner liebevollen Aufmerksamkeit für die Aktion auch kleinster Nebendarsteller niederschlägt, die eine detaillierte Würdigung wert wäre. Die aber kann und sollte jeder selbst vornehmen, denn dafür reicht hier der Raum nicht.

    Natürlich funktioniert nicht jeder Gag so, wie er soll. Bei welcher Komödie klappt das schon? So ist das Zitat aus Buster Keatons STEAMBOAT BILL, JR. von der Hauswand, die über Nemorino herniederbricht, ihn aber verschont, weil er genau durch das offene Fenster passt, eine hübsche Idee, funktioniert aber höchstens für Kenner des Originals, weil das spektakuläre Element Keatons fehlt, der bei seinen Dreharbeiten tatsächlich das volle Risiko gegangen war, von der schweren Hauswand erschlagen zu werden, während hier nur ganz vorsichtig eine Kulisse herabgelassen wird.

    Bemerkenswert ist, wie unegoistisch Villazon weitgehend darauf verzichtet, sich ähnlich stark in den Vordergrund zu inszenieren, wie er sich in Wien und Barcelona spielte. Selbst bei seiner Bravourarie "Una furtiva lacrima" erlaubt er Miah Persson, ihm einen Teil der Aufmerksamkeit zu stehlen, indem sie als unbemerkte Zuhörerin an der einsamen Hütte lauscht, in der er singt. Mit achtbarem Ergebnis übrigens. Ds ist natürlich auch ein raffinierter Trick, der vermeidet, dass er ein Da Capo geben muss, denn Villazon nicht mehr die strahlende Stimme von früher und muss mehr durch sein Spiel beeindrucken als durch seinen Gesang. Der aber ist wahrlich nicht schlecht, und man sollte nicht vergessen, dass Villazon nie eine Tenorino di grazia war, für den diese Partie geschrieben wurde, sondern eigentlich eine zu schwere Stimme für diesen Teil des Repertoires hatte, den sich aber kein Tenor entgehen lassen will, der auf Bühnenwirksamkeit bedacht ist.

    Ein großer Teil des Genies von Donizettis Partitur besteht nämlich darin, dass er, unterstützt von Felice Romanis superbem Libretto, seine Sänger optimal zur Geltung bringt ohne sie je überzubeanspruchen. Was nicht bedeutet, dass sie nicht sehr hohe Ansprüche erfüllen müssen. Denen werden vor allem Ildebrando D'Arcangelo und Miah Persson vorbildlich gerecht. Perssons Adina gehört sogar zu den am besten gesungenen, die ich kenne, und da findet sie sich immerhin im Wettbewerb mit großen Namen wie Freni, Cotrubas, Bonney oder Damrau. Leider verhindern Roman Trekel, den ich noch als Berliner FIGARO-Graf bewunderte, und der sehr unebene Dirigent, der das Geschehen manchmal verhetzt und manchmal verschleppt ohne eine halbwegs einheitliche Linie zu finden oder zumindest immer das musikalische Geschehen zusammenhalten zu können, dass dies eine Aufnahme ist, die man auch lieber als andere hört. Immerhin sind die Duette zwischen jeweils D'Arcangelo, Persson und Villazon musikalische Höhepunkte der ELISIR-Diskographie. Da es eines Tages eine DVD dieser Inzenierung geben soll, kann ich die also auch aus musikalischen Gründen empfehlen.

    Sie lohnt sich aber vor allem, und das war für mich die größte Überraschung, wegen der sensiblen Regie, die beileibe nicht nur in Klamauk ausartet, sondern auch das tragische Potenzial des Stoffes durchscheinen lässt. Irgendjemand im Regieteam muss die Kavalleriewestern John Fords, vielleicht auch nur deren Niederschlag in Susan Stromans Inszenierung des Gershwin-Potpourris CRAZY FOR YOU (das Schlussbild ist fast eine Kopie des Schlussbilds bei Strohman) gesehen haben, denn die leicht parodistische Stimmung des romantisierten Western ist hier sehr gut eingefangen. Da wundert es dann weniger als dass es Anlass zum Bewundern gibt, wenn am Schluss noch ein kleiner Stummfilm läuft, der in der Regie Villazons gedreht wurde und den Film namens THE WILD WILD GIRL zeigt, der angeblich während der Aufführung gedreht wurde und ähnlich wie derdiesjährige Oscar-Gewinner, THE ARTIST von Jean Dujardin, ein sehr
    feinsinniges Gespür nicht nur für die komischen, sondern auch für die
    starken Elemente des Stummfilms aufweist, den er ersichtlich kennt und
    liebt.


    Kurz zusammengefasst: Villazon ist hier ein Juwel gelungen, das zudem noch ein echter Solitär ist, und das jeder kennen sollte, der ein Herz für diese Oper hat und sich darüber freuen kann, dass es zwar keine Elogen mehr über den Sänger Rolando Villazon zu schreiben gibt, wohl aber einen hochbegabten Komödienregisseur zu entdecken.

    :wink: Rideamus

    Ein Problem ist eine Chance in Arbeitskleidung

  • Zwar habe ich bis jetzt nur einen Teil gesehen und gehört, aber ich kann fast jedes Wort von Rideamus unterstreichen. Ich würde Villazons geniale Kreation auch gar nicht so sehr als Regietheater ansehen, denn er hat der Oper nur ein anderes Gewand angezogen, aber das Werk selbst nicht verändert, sondern äußerst subtil ausgelotet, dabei immer den Geist der Musik bewahrend. Den Belcore habe ich zwar auch als nicht ganz so gelungen empfunden, aber ich glaube eher, daß Rolando die Kasperliaden, die er sich selbst klugerweise verwehrte, auf jenen abgeladen und ihn somit ein bisserl zum Outrieren gezwungen hat. Nicht jeder versteht das so großartig wie Ildebrando d'Arcangelo, bei dem die Hanswursterei viel ungezwungener und völlig rollendeckend erscheint.

    :wink: Waldi

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    Homo sum, ergo inscius.

  • ..., denn er hat der Oper nur ein anderes Gewand angezogen, aber das Werk selbst nicht verändert, sondern äußerst subtil ausgelotet, dabei immer den Geist der Musik bewahrend.

    Ist das nicht genau das, worum es beim Regietheater geht?

    "Nicht immer sind an einem Misserfolg die Künstler schuld.
    Manchmal ist es auch das Publikum, das indisponiert ist."
    Leonie Rysanek (1926-1998)

  • Nein, wenn man den Begriff in landläufigem Sinn auffaßt. Ob das berechtigt und sinnhaft ist, steht auf einem anderen Blatt und wird ja immer wieder diskutiert. Ich hätte auch sagen können, Villazon inszeniert durchaus werkgetreu, bei aller Freiheit , die er sich nimmt und die er künstlerisch rechtfertigt.

    :wink: Waldi

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    Homo sum, ergo inscius.

  • Ich bin nicht ganz so euphorisch wie Rideamus und Waldi. Ja, das ist eine nette Idee für eine komische Oper mit einem Libretto, das nicht so sonderlich viel hergibt, und das ist ohne Frage auch über gut zwei Stunden vergnüglich und kurzweilig anzuschauen, aber mir war's insgesamt doch zu zahm und vor allem zu zaghaft in der Umsetzung der (witzig-schrägen) Idee; zu oft ist es dann doch im Detail wieder sehr konventionell und mit Langeweile-Gefahr behaftet: die hervorragenden Darsteller, allen voran der Regisseur selber, reißen es dann raus. Und oft hätte ich mir gewünscht, Villazon hätte seiner Idee mehr vertraut und die Stummfilm-Idee konsequenter durchgezogen.

    Zwei Beispiele: das schon genannte Zitat aus Steamboat Bill jr. war in der Umsetzung doch nur lächerlich: wer die Szene kennt, brauchte das Absenken der Hauswand nicht mehr (es hätte gereicht, die Kulisse ein bißchen wackeln zu lassen), für die anderen muß das doch nach ungeschickt eingesetzter Bühnentechnik aussehen! Und warum kopiert Villazon im Schlußduett Chaplin's Tramp so halbherzig - er kann sowas doch offenbar! Auch die Daltons: mehr als ein bißchen Rumgekasper zum Schmunzeln ist das doch nicht! Wenn schon, denn schon!

    Insofern finde ich auch gar nicht, daß Roman Trekel als Belcore überagiert, darstellerisch gefällt er mir gut; und wenn das Ekelpaket der Oper nicht gaanz so toll singt, ist das doch (in einer Aufführung auf dem Theater) nicht soo schlimm. Somit wären wir bei den sängerischen Leistungen: Villazon dürfte in der Rolle nicht leicht zu erreichen sein, obwohl die Stimme deutlich abgedunkelt ist und er vor allem in "Una furtiva lagrima" deutlich zu kämpfen hat - das ist aber Kritik auf hohem Niveau! Ildebrando d'Arcangelo braucht etwas, um stimmlich in Balance zu kommen (hab' ihn in Berlin mal als Don Giovanni gehört, da brauchte er bis zur Mitte des 2. Aktes); im 2. Akt gefiel er mir aber ziemlich gut. Das Über-Agieren paßt mE auf ihn viel eher als auf Trekel. Über die mir bisher unbekannte Miah Persson bin ich echt platt: kann die Adina besser gesungen und gespielt werden?

    Die Leistung von Chor und Orchester fand ich tadellos, auch am Dirigat habe ich nichts auszusetzen, insbesondere die Ensembles waren doch hervorragend austariert!

    Fazit: mit einer Rampensau wie Rolando Villazon und einer Sängerin und Darstellerin wie Miah Persson hätte man aus der Idee mehr machen können - hätte der Regisseur wissen müssen! ;+)

    Bernd

    Fluctuat nec mergitur

  • Neuerdings findet man auch YT auch eine hübsche Dokumentation zur Entstehung von Villazons Inszenierung, die sehr passend (keine Ironie!) mit Alfred Newmans Musik zu dem epischen Western HOW THE WEST WAS WON eingeleitet wird.

    Hier findet man sie: "

    Externer Inhalt www.youtube.com
    Inhalte von externen Seiten werden ohne deine Zustimmung nicht automatisch geladen und angezeigt.
    Durch die Aktivierung der externen Inhalte erklärst du dich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu haben wir in unserer Datenschutzerklärung zur Verfügung gestellt.
    "

    Mit ein bisschen Glück findet man dort übrigens auch schon eine Aufzeichnung der gesamten Ausstrahlung.

    :wink: Rideamus

    Ein Problem ist eine Chance in Arbeitskleidung

  • Ich habe mir vorhin bei Arte+7 Villazons Liebestrank-Inszenierung angesehen. Zwei vergnügliche Stunden, sicher, aber im Grunde muss ich Bernd zustimmen: Das ist doch alles kreuzbrav und nicht ohne Leerlauf. Es bleibt am Ende nur eine Folge von witzigen Ideen in Erinnerung, die teilweise zugegebenermaßen wirklich köstlich sind.

    Brillant ist der Einfall, den Film, dessen Entstehung die Oper begleitet hat, am Ende zu zeigen, als kurzen Stummfilm zu dem das Orchester Donizetti spielt. Diese wenigen Minuten Film haben Drive und Witz. Etwas mehr von dieser Atemlosigkeit in der Inszenierung selbst, dazu eine Prise der Anarchie eines Buster-Keaton-Films, und aus dem wirklich originellen Ansatz hätte eine tolle Inszenierung werden können.

    Und selbstverständlich ist das ganze Regietheater. Was man daran erkennen kann, dass der Tenor in Unterwäsche über die Bühne rennt, mit den Hosen um die Knöchel (bei 104:00), oder dass d'Arcangelo dadurch gedemütigt wird, dass er die Hälfte der Zeit mit nacktem Oberkörper und albernem Federschmuck auf dem Kopf auf der Bühne sein muss. Auch werden die deutschen Untertitel der Inszenierung angepasst (bei 84:33 lauten die Untertitel "Du findest mich im Saloon" 8+) ). Es wird sogar (horribile dictu!) in die Musik eingegriffen. Denn was das Klavier bei 82:50 und einigen anderen Stellen spielt, ist wohl eher Scott Joplin als Donizetti :D . Und wenn ich mich nicht sehr irre, ist auch La Cucaracha (38:06) nicht von diesem Komponisten. Regie des Grauens :hide:

    :wink: Michel

    Es gibt kaum etwas Subversiveres als die Oper. Ich bin demütiger Diener gegenüber diesem Material, das voller Pfeffer steckt. Also: Provokation um der Werktreue willen. (Stefan Herheim)

  • Man muss wirklich alles überprüfen, was die Presse schreibt. Wie es aussieht, bin ich bezüglich der Lebenspartnerschaft von Miah Persson und Roman Trekel einer Ente aufgesessen.

    Ich wollte natürlich nicht ihre Ehe mit dem englischen Tenor Jeremy Ovenden gefährden. :hide:

    :wink: Rideamus

    Ein Problem ist eine Chance in Arbeitskleidung

  • Gerade hat 3sat wieder die Baden-Badener Inszenierung Villazóns gezeigt, und ich finde sie nach wie vor genial und gelungen. Beim ersten Mal konnte ich nicht bis zum Schluß schauen, jetzt schon - und jetzt gefällt mir auch Roman Trekel, der genau das macht, was er in der Rolle tun muß. Da wäre sympathisches Auftrumpfen völlig verkehrt, während so das bewußt Künstliche der Figur glänzend herauskommt. Schade, daß es offenbar noch keine DVD gibt.

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    Homo sum, ergo inscius.

  • Leider nur als Querschnitt gibt es einen Live-Mitschnitt aus London/Covent Garden von 1976:

     

    Der Budapester Kossuth Verlag hat unlängst eine preiswerte Reihe "Világhíres operák (Weltberühmte Opern)" gestartet (parallel dazu übrigens auch eine Operetten-Folge): Sehr preisgünstige Hardbacks im Taschenbuchformat mit bebilderter Einführung (leider nur ungarisch) und beigefügter Ausschnitt-CD. Da findet sich dieses "Elisir" bzw. "Szerelmi Bajital" als Nr.16.

    Technisch super. John Pritchard kehrt das Subtil-Romantische heraus, aber mit Leichtigkeit und großartiger Detailkunst. José Carreras singt einen überragenden Nemorino, elegant schmachtend, innig, alles andere als dodelig. Yasuko Hayashi ist eine ebenbürtige Adina mit perfekter Wandlungsfähigkeit: soubrettische Koketterie, dramatische Dominanz, zärtliches Gefühl. Thomas Allen ergänzt als routinierter Charmeur Belcore das superbe Trio.
    Nicht ganz so gut empfinde ich Geraint Evans, der zwar wirklich korrekt singt, aber den durchtriebenen Quacksalber nur teilweise glaubhaft machen kann; manchmal wirkt er fast ein wenig zu steif. Trotzdem bleibt er auf Qualitätsniveau.

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  • Vorgestern war auf ORF III wieder die MET-Aufführung von 2012 zu sehen, die es offenbar noch nicht auf DVD/Blue ray gibt - leider, denn das ist ein exemplarisches Beispiel dafür, daß man qualitätvoll traditionell inszenieren kann, ohne deswegen zu verstauben. Doch ich hoffe.
    Bartlett Sher deutet nicht um, er hat sich einfach an das Libretto gehalten. Das bietet genügend Möglichkeiten, Deutungen auszuschöpfen und zu vertiefen. Im Gegensatz zur Wiener Inszenierung von bzw. nach Otto Schenk mit Netrebko/Villazon, die "L'Elisir" als burleske Komödie interpretiert (und die schon deswegen hier verglichen werden kann, weil auch sie Maßstäbe gesetzt hat und außerdem die Netrebko in beiden Fällen die Adina singt), schlägt hier der Scherz beim Liebespaar sehr rasch in Ernst um (ohne daß der Spaß zu kurz kommt). Sher hat den "Liebestrank" sozusagen dramatisiert. Er setzt zwar noch auf Belcanto, aber eben "noch" und sozusagen "auch", aber man ahnt schon deutlich Verdi und Puccini. Ist bei Schenk die Adina eine sympathisch-kokette, aber im Prinzip doch selbstsichere bellezza, so erscheint sie bei Sher eher ihre Unsicherheit und ihren Kummer überspielend. Denn es wird von Anfang an klar, daß sie Nemorino liebt und zwar sehr (sie klaut ihm sein Tagebuch oder was immer das ist, möglicherweise ein Notizbuch mit Liebesgedichten), aber nicht glauben kann, daß es ihm so ernst mit seiner Neigung ist. Es ist auch typisch, daß sie immer dann, wenn sie ihren sozial höheren Stand als Gutsherrin betonen will, einen Zylinder aufsetzt (der wohl kaum als Reithut zu werten ist, sondern als verkapptes, aber doch männliches Herrschaftsattribut). Nemorino ist im Grund ein gestandenes Mannsbild mit Rückgrat, kein Kasperl, nur eben liebeskrank und nur in diesem Zusammenhang etwas eingeschränkt. Giannetta ist zwar auch Freundin, aber gar nicht so wenig daneben auch ein bisserl gieriges Luder. Sie läßt sich zum Schluß auch ungeniert auf Belcore ein, der nicht nur als Bramarbas erscheint, sondern bei dem auch deutlich ein Brutalo zum Vorschein kommt.
    Die Besetzung ist ideal ausgesucht. Anna Netrebko ist nicht mehr so "girlish" wie in Wien, sondern in jeder Hinsicht reifer. Ihrer stimmlichen Entwicklung kommt das Regiekonzept ideal entgegen. Das ist eine andere Adina, aber genauso hinreißend wie die frühere. Ebenso entspricht Matthew Polenzani hundertprozentig dem Sherschen Nemorino-Typ. Er singt mit schönem Timbre und mit Schmelz, aber auch mit viriler Stärke, vermittelt aber zugleich die tiefen Gefühle, die ihn bewegen. "Una furtiva lagrima" ist nicht bloß vokales Kunststück, sondern vermittelt geradezu philosophische Seelenkonflikte. Dulcamara ist der einzige, der vollkommene Buffokomik verströmen darf. Ambrogio Maestri verfügt über eine gute, aber nicht außerordentliche Stimme; seine Bühnenpräsenz und seine Ausstrahlung sind aber perfekt und ein reines Vergnügen.
    Maurizio Benini ist ein Kapellmeister, dem Donizetti offenbar im Blut liegt.
    Sehr schön sind auch Kostüme und Bühnenbild. Adina erscheint wie aus einem italienischen Gemälde der Romantik (à la Hayez oder dgl.). Das wirkliche Gesamtkunstwerk Oper ist hier nicht nur angestrebt, sondern auch beglückend verwirklicht.
    Und falls irgendjemand nach einer Empfehlung für eine Elisir-Einsteiger-DVD verlangt: Hier gibt es kein Entweder-Oder. Wien und MET sind beide traumhaft.

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  • Zweitausendeins 2002

    Sommerfestivals bieten oft vorzügliche Leistungen, besonders in Italien, aber es gibt auch Ausnahmen. In Macerata, in der Arena Sferisterio, wurde 2002 wurde eher bemühte Provinz geboten, teils besser, teils schlechter. Das italienische Fernsehen nahm die Aufführung aber ins Programm, und so kommt man zu einer preiswerten, jedoch auch billigen Einspielung.
    Von einer Freilichtaufführung in so großem Rahmen darf man selbstverständlich nicht allzu Subtiles erwarten. Mehr als eine Regie, die hauptsächlich an vordergründig-situationskomischen Details hängt, dürfte man sich aber trotzdem wünschen. Naja, daß sich die Bühnenaktion teilweise zwischen den Orchesterrreihen und unter gelegentlicher Mitwirkung der Musiker und häufiger Einbeziehung des Dirigenten abspielt, hat das Publikum offenbar ergötzt. Der Präzision war es freilich nicht dienlich. Immerhin deuten der Pultchef (ich verteidige Niels Muus bestimmt nicht aus Lokalpatriotismus) und seine Mannschaft in ungestörten Momenten schon an, daß sie nicht so übel sind. Gefallen hat mir der Chor (Coro Lirico Marchigiano "V.Bellini"). Problematisch kommt mir dafür das Casting vor. Valeria Esposito ist der Rolle der Adina eigentlich entwachsen und ist sehr bedacht, das zu kompensieren. Leider muß sie regiegemäß den Typus "Schnippische Kammerzofe" verkörpern. Sie outriert mit viel Routine und verströmt anerkennenswerte Bühnenpräsenz. Ihr Belcanto ist aber oft ein Scharfcanto. Dennoch schaffe ich es nicht, ihr böse zu sein. Den Nemorino gibt der damals noch sehr junge, au Venezuela stammende, Aquiles Machado. Ein netter Junge, aber in keiner Hinsicht besonders bemerkenswert. Daß er derzeit noch immer durch Europa tourt und an führenden Bühnen tätig ist, verrät den Mangel an Spitzentenören. Den Belcore singt der Italoamerikaner Enrico Marrucci, auch ein Anfänger (und so wirkt er auch). Inzwischen wird er die Rolle, die er jetzt noch immer wieder verkörpert, ja überzeugender im Griff haben. Ebenso fast ein Anfänger war damals Erwin Schrott als Dulcamara, den er wie einen schlampigen Belcore anlegt. Warum man nicht ihn den Sergeanten und Marrucci den Quacksalber singen hat lassen, verstehe ich nicht. Das hätte viel besser gepaßt.
    Für einen lauen Sommerabend mag es angehen, für eine Empfehlung an leidenschaftliche Donizettisten reicht es nicht ganz.

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    Homo sum, ergo inscius.

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