VERDI: Rigoletto – Welche Einspielungen sind die besten?
Mit dem "Rigoletto" schuf Giuseppe Verdi die erste der drei großen Opern seiner mittleren Schaffensperiode. Das Libretto von Francesco Maria Piave beruht auf Victor Hugos "Le roi s'amuse" (1832). Die Uraufführung erfolgte 1851 in Venedig.
Da in einem anderen Forenleben schon viel Grundsätzliches über den Stoff und die Charaktere geäußert wurde, wird man sich hier vielleicht mehr auf einzelne Besprechungen konzentrieren können. Glücklicherweise ist das Angebot an Einspielungen sehr groß, und auch an Qualität mangelt es nicht. Höchstens könnte man sagen, solche, die in allen Partien und Teilen gleichmäßig entsprechen, sind eher rar. Bedeutende Interpreten der Titelrolle, der Gilda und des Herzogs sind leicht zu finden. Meist aber muß man aber irgendwo, sei es bei den kleineren Rollen, sei es in der Abstimmung untereinander, Abstriche hinnehmen. Deshalb möchte ich zum Auftakt auf eine – zudem nach wie vor sehr günstig zu erwerbende – Aufnahme hinweisen, die in punkto Geschlossenheit und Musikalität zu den allerbesten gehört: die 1965 entstandene Studio-Aufnahme der rumänischen Oper Bukarest, die 1996 digital bearbeitet wurde und 1998 von Cantus-Line ins Programm aufgenommen wurde.
Bei dieser Gelegenheit sei wieder einmal angemerkt, daß gerade die aus Bukarest stammenden Opernaufnahmen der 1960er Jahre viel zu wenig bekannt und gewürdigt sind. Das ist fast unbegreiflich, und verrät viel über das Käuferverhalten, das sich bei im Westen nur wenig bekannten Namen erstaunlich scheu zeigte. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Dabei handelt es sich um wahre Schätze, welche das seinerzeit – nicht zuletzt aus propagandistischen und identitätsstiftenden Motiven geförderte - hohe Niveau jenseits des Eisernen Vorhangs exemplarisch beweisen. Nicht nur Rumänien verfügte über hervorragende Stimmen und Musiker, auch Ungarn, Bulgarien, die damalige Tschechoslowakei usw. hatten ein künstlerisches Reservoir zur Verfügung, aus dem nur verhältnismäßig wenige Einzelpersönlichkeiten auch diesseits der Grenzen auftreten durften. Es mag auch sein, daß sie deswegen nicht so bekannt wurden, weil sie meist billiger waren und weniger Tantiemen fließen ließen als die großen Namen des Westens. Immerhin gab es Opernhäuser, die sich zeitweise sehr gern mit solchen Protagonisten verstärkten.
Die "Schwächen" des Bukarester "Rigoletto" sind schnell erledigt. Der ausgesprochen hallige Klang wird Liebhabern einer nüchternen Aufnahmetechnik vielleicht nicht so gefallen, ist meiner Ansicht nach aber dem Pathos sehr angemessen. Im Prinzip ist die Tonqualität jedoch ausgezeichnet. Stilistisch etwas veraltet sind einige wenige Schluchzer, die aber nicht übertrieben werden und nicht weiter stören.
Ansonsten aber kann ich nur begeistertes Lob von mir geben. Selten hört man ein so homogenes Ensemble, das so grundmusikalisch und so stimmpotent agiert und so perfekt harmoniert.
Natürlich kann man bei jeder einzelnen Partie Künstler nennen, die subtilere und raffiniertere - von mir aus: großartigere - Leistungen bieten, aber das Spitzenniveau ist unbestreitbar. Hier wird quasi ehrlich, nicht manieristisch gesungen, die Stimmen leuchten, wenn sie voll aus sich herausgehen und sind sämtlich in Volumen und Farbe ein Erlebnis. Da wird kein Ton verzittert und man braucht nicht zu fürchten, daß irgendwer in der Höhe verhungert. Anders als bei vielen "Rigolettos" weisen die Stimmen eine ausgesprochen dramatische Färbung auf. Die Gilda ist kein zartes Pflänzchen, sondern erinnert fast an eine Elisabeth oder ein Fidelio, was nicht heißt, daß Magda Ianculescu des lyrischen Beiklangs entbehrt. Auch der Herzog, Ion Buzea, ist kein übermäßig komplizierter Geselle, sondern eben ein etwas oberflächlicher Strahlemann mit Substanz, geradliniger als etwa bei Gedda oder Pavarotti, aber der leicht heldische Anstrich steht ihm prächtig, und er ist keineswegs simpel. Das "Ella mi fu rapita " – also ich bekam die Gänsehaut!
Nicolae Herlea in der Titelrolle reicht vielleicht nicht ganz an einen Warren und andere heran, aber die Distanz ist höchstens hauchdünn. Eine sehr intensive, wunderschön vorgetragene, fast mätzchenlose Gestaltung – richtig traumhaft.
Der Dirigent Jean Bobescu müßte, gäbe es Gerechtigkeit, längst unter den Spitzen-Maestri des vorigen Jahrhunderts gereiht sein.
Das restliche Ensemble begeistert mich ebenso: Nicolae Rafael (Sparfucile), Dorothea Palade (Maddalena), Nicolae Florei (Monterone) usw.
Für "Rigoletto"-Einsteiger ist das die ideale Edition, für "Rigoletto"-Kenner ein Muß.
Entschuldigt meinen schwärmerischen Ton, aber ich kann nicht anders. Das ist eben eine meiner besonderen Lieblingsaufnahmen.
Liebe Grüße
Waldi