STRAUSS: Der Rosenkavalier – Kommentierte Diskographie

  • Karajans Studioaufnahme ist nach wie vor Referenz, aber ausschließlich die liebevoll restaurierte MONO Version. Die allgemein erhältlichen Stereofassung dersselben aufnahme kann leider nur als durchschnittlich bewertet werden. Wer einmal beide Versionen gehört hat,würde nie mehr die Stereofassung hören. Unfassbar was da aus den Bändern herausgeholt wurde.

  • Die Hintergründe kann man hier nachlesen: :L:


    Naja, ich lese diese Zeitzeugenberichte aus dem "Merker" ja sehr gerne, finde sie auch durchaus unterhaltsam, aber über die Filmproduktion steht da doch überhaupt nichts - und damit auch nichts darüber, weswegen man zwei Sängerinnen für den Film ausgetauscht hat.

    Die Schwarzkopf wurde bevorzugt, aber wie man auf der Aufnahme hören kann, war das einfach eine Sternstunde, die festgehalten werden musste...


    Absolut! Ich habe mir die CD vor allem wegen Lisa della Casa gekauft, für deren Stimme ich sehr schwärme. Bei dieser Salzburger Premiere stimmte rundrum einfach alles.

    Ich liebe Wagners Musik mehr als irgendeine andre. Sie ist so laut, daß man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne daß andre Menschen hören, was man sagt. - Oscar Wilde

  • Wer einmal beide Versionen gehört hat,würde nie mehr die Stereofassung hören.


    Lieber Nosferatu,

    zwar schätze ich die Erich-Kleiber-Aufnahme noch höher als Karajans erste Aufnahme, aber was Du sagst, interessiert mich sehr. Worin liegt denn der Unterschied zwischen beiden Versionen - außer in der Kanaltrennung?

    Viele Grüße
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Was genau dahinter steckte, weiß ich natürlich auch nicht. Aber es müsste einen Grund geben.
    Soweit ich weiß, entstand dieser Film aus einer Aufführungsserie bei den Salzburger Festspielen 1960 heraus, deren Premiere, gleichzeitig die Eröffnungsvorstellung des Großen Festspielhauses, auch auf CD erschienen ist. Gegenüber den Bühnenaufführungen hat man beim Film die Rollen der Feldmarschallin und der Sophie neu besetzt: Die Marschallin sang auf der Bühne Lisa della casa, die Sophie eben Hilde Güden. Für den Film hat man della Casa und Güden durch Schwarzkopf und Rothenberger ersetzt. Das muss eine bewusste Entscheidung gewesen sein und es muss Gründe dafür geben.


    Kann es sein, dass Walter Legge, Ehemann von Schwarzkopf, Produzent bei der Emi und mit noch einigen anderen Funktionen im Musikgeschäft da im Hintergrund die Fäden gezogen hat? Er hat ja die Karriere von Elisabeth Schwarzkopf sozusagen angestoßen und gemanaged und sie wohl häufiger für Besetzungen durchgedrückt.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Legge


    lg vom eifelplatz, Chris.


  • Kann es sein, dass Walter Legge, Ehemann von Schwarzkopf, Produzent bei der Emi und mit noch einigen anderen Funktionen im Musikgeschäft da im Hintergrund die Fäden gezogen hat? Er hat ja die Karriere von Elisabeth Schwarzkopf sozusagen angestoßen und gemanaged und sie wohl häufiger für Besetzungen durchgedrückt.

    :L:


    lg vom eifelplatz, Chris.


    Was den Austausch von Lisa della Casa durch Elisabeth Schwarzkopf angeht vermute ich das sehr stark, ja. Della Casa gehörte zu den Sängerinnen, die unter der Verbindung Schwarzkopfs zu Legge besonders zu leiden hatten, weil sie in der selben Zeit mit den selben Partien Erfolg hatte und sie hat sich auch immer wieder erkennbar verbittert darüber geäußert.
    Aber warum hat man nicht Hilde Güden, sondern Anneliese Rothenberger für den Film eingekauft? War es die bessere Vermarktbarkeit? War Güden durch anderweitige Verträge gebunden? Andere Gründe fallen mir im Moment nicht ein.

    Ich liebe Wagners Musik mehr als irgendeine andre. Sie ist so laut, daß man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne daß andre Menschen hören, was man sagt. - Oscar Wilde

  • Besetzungen haben hinter den Kulissen sehr oft mit Intrigen zu tun. Ich kann natürlich nicht darüber urteilen, ob und was hier vielleicht geschoben wurde. Aber wenn ich mich frage, was bedeutet der Wechsel unter dem Strich, dann ist doch klar, daß merkbare Unterschiede in der Rollenfassung gegeben sind. Lisa della Casa war eine überwältigende Marschallin, die aber zugleich in der Persönlichkeit etwas Harmonisches vermittelte, während die Schwarzkopf eine gebrochenere Charakterstudie lieferte. Ihre Marschallin muß hart mit sich ringen und weiß, daß irgendwie jetzt wirklich das "Alter" beginnt, auch wenn das Aussehen noch jugendlich ist. Ihre Harmonie überdeckt viele Turbulenzen, die sie interpretativ andeutet. Lisa della Casa läßt uns eine Frau mit ungeheurer Selbstbeherrschung spüren, die uns nicht so nah heranläßt, sondern Noblesse und Güte ausstrahlt, die den Schmerz, den sie als Unterlegene fühlt, in sich verschließt. Das ist eine Linie der Wiener Tradition, die auch die Marschallin der Jurinac und anderer auszeichnete.
    Ebenso scheint mir auch die Sophie der Güden unkomplizierter - in relativer Bedeutung natürlich. Die Rothenberger läßt mehr spüren als das liebreizende Mädchen, ihre "Emanzipation" ist nicht nur momentane Aufwallung, sondern bei ihr bin ich sicher, daß sie - hätten sie Faninal und Ochs tatsächlich zum Altar geschleppt - bis zum Schluß "nein" gesagt hätte, während die Güdensche Sophie (für Popp oder Bonney gilt das ähnlich) sich in diesem Fall womöglich verzweifelt gefügt hätte, um dann quasi an gebrochenem Herzen zugrundezugehen.
    Das heißt nicht, daß grundlegende Auffassungsunterschiede gegeben sind, aber doch starke Nuancierungen. Nun würde die von Lisa della Casa und Hilde Güden verkörperte Linie wunderbar zum Karajanschen "Schlagobers" passen und tut es auch (mich stört nur, daß das abwertend klingt, was es nicht soll). Bei einem Film liegt es aber nahe, das Optisch-Dramatische stärker zu beachten, und dann erscheint die Schwarzkopf-Rothenberger-Kombination nicht grundlos spannend. Solange wir nicht mehr über die Umstände wissen, bliebe also die Möglichkeit, daß Paul Czinner oder so jemand auch andere Motive eingebracht hat, welche zu der Umbesetzung führten oder sie zumindest begünstigten. Sowohl die Schwarzkopf wie die Rothenberger hatten so viel Silber und Edelglanz in den Stimmen, daß sie der damaligen karajanschen Ästhetik zweifellos konvenierten. Zugleich konnte man etwaigen Kritiken des schwelgerischen, üppigen "Buttercreme"-Stils damit von vornherein wirksam begegnen.

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    Homo sum, ergo inscius.


  • Was den Austausch von Lisa della Casa durch Elisabeth Schwarzkopf angeht vermute ich das sehr stark, ja. Della Casa gehörte zu den Sängerinnen, die unter der Verbindung Schwarzkopfs zu Legge besonders zu leiden hatten, weil sie in der selben Zeit mit den selben Partien Erfolg hatte und sie hat sich auch immer wieder erkennbar verbittert darüber geäußert.
    Aber warum hat man nicht Hilde Güden, sondern Anneliese Rothenberger für den Film eingekauft? War es die bessere Vermarktbarkeit? War Güden durch anderweitige Verträge gebunden? Andere Gründe fallen mir im Moment nicht ein.

    In der della Casa-Biographie ihres Mannes werden die Hintergründe recht ausführlich beschrieben. Ursprünglich war in der Tat della Casa für den Film vorgesehen, war auch mit Czinner davon ausgegangen, daß sie die Rolle spielt, doch dann drückte Legge seine Frau über die Produktionsfirma durch. Um entsprechenden Applaus filmen zu können, wurde in Salzburg eigens noch eine Zusatzvorstellung mit der "richtigen" Marschallin eingeschoben. Della Casa war derart verletzt, daß sie seitdem nicht mehr in Salzburg auftrat.

    “There’s no point in being grown up if you can’t act a little childish sometimes” (Doctor Who, der Vierte Doktor)

  • Also , ich habe eben das Buch der Della Casa durchforstet und bin dann darauf gestoßen . Der Film war mit Della Casa geplant es gab aber nur eine prinzipielle Zusage,
    von beiden Seiten. P. Czinner (Mann von E.Bergner) der ja schon den Don Giovanni Film gemacht hatte wollte die Della Casa , da sind auch Kabelnachrichten hin und her gegangen
    und die Della Casa war sich sicher , das alles in Ordnung war .
    Zitat aus dem Buch:
    Am ersten Probetag in Salzburg begegnete ich vor dem Festspielhaus C.Ludwig .
    "Ich habe mich wegen Elisabeth so geärgert ."
    "Welche Elisabeth hat dich denn so geärgert? "Fragte ich.
    "Die Schwarzkopf", antwortete die Ludwig erstaunt.
    Und warum? Des Films wegen natürlich. Ich finde es unerhört , daß sie nun den Film macht ! (Erstaunen.)
    Ja, hat man ihnen denn nicht mitgeteilt das die Schwarzkopf den Vertrag hat!
    Zitat Ende.

    Czinner beteuerte ihr gegen über bis dato auch nichts gewusst zu haben. Es wäre wohl ihr Fehler nur eine prinzipielle Zusage gemacht zu haben.
    Schwarzkopf und ihr Mann haben daraufhin direkt mit der Filmgesellschaft den Vertrag gemacht.
    Somit brach die Freundschaft mit Czinner , und die Della Casa trat fortan nicht mehr in Salzburg auf.
    Wie das mit der Güden ist und Rothenberger , kann man dann nur noch ahnen denn die Rothenberger war ja auch bei der EMI .

    LG palestrina

    „ Die einzige Instanz, die ich für mich gelten lasse, ist das Urteil meiner Ohren. "
    Oolong

  • Naja, in den Kritiken steht aber, dass die Besetzung sehr viel besser war, als Schwarzkopf gesungen hat. Ich verstehe aber auch nicht, wieso die della Casa im Don Giovanni Film gesungen hat; in dem Jahr hat Schwarzkopf die Donna Elvira in Salzburg gesungen. Vielleicht hat sie nur Rache geübt? Über die Güden steht da, dass sie krank war und deswegen nicht so gut gesungen hat (was man anscheinend auch auf der Aufnahme hört).

    "Nicht immer sind an einem Misserfolg die Künstler schuld.
    Manchmal ist es auch das Publikum, das indisponiert ist."
    Leonie Rysanek (1926-1998)


  • Lieber Nosferatu,

    zwar schätze ich die Erich-Kleiber-Aufnahme noch höher als Karajans erste Aufnahme, aber was Du sagst, interessiert mich sehr. Worin liegt denn der Unterschied zwischen beiden Versionen - außer in der Kanaltrennung?

    Viele Grüße
    MB

    :wink:

    Ist eigentlich keine richtige Restaurierung der originalen Mono LP, es geht etwas weiter hinaus. Die heute durchgestzte Stereofassung war eigentlich ein Experiment da die Stereotechnik noch in den Kinderschuhen steckte. Für die 1996 Edition wurde die betagte Schwarzkopf ins Abbey Road Studio geholt, da sie sich sehr gut an die damalige Aufnahmen erinnert konnte. (Laut Bookelet hat sie selbst ihr Interesse ander Neuproduktion bekundet).
    Die Mono Edition ist mehr als bloßes Remastering, eher ein Neuaarangement, laut Booklet möglicherweise eine weitere Produktion des Materials, welches Schwarzkopfs Ehemann und Produzent Walter Legger damals genehmigt hatte.
    Aus dem Booklet:
    "Unter Berücksichtigung der heutigen technischen Möglichkeiten wurde beschlossen, die Art Playback Sound von Walter Legges Original Mono-Masterbändern zu erzeugen, wie man sie im Controlroom der Kingsway Hall zu hören erwartete,wo 1956 die Uraufnahme gemacht wurde. Mit Hilfe modernster Bearbeitungspulte fanden jene Nuancen Berücksichtigung, die für die Röhrenverstärker und Monitorlautsprecher der 50er Jahre kennzeichnend waren. Ferner wurde mittels einiger Einpegelungen und graphischer Filterverfahren ein höheres Maß an Klarheit und Detailtreue in bestimmten Passagen erzeugt, die zuvor durch die technischen Beschränkungen jener Zeit gelitten hatten. Aus historischen Gründen wurde das gelegentliche Rattern der Londoner Untergrundbahn, die noch immer unter der Kingsway Hall verkehrt,von sämtlichen Filterungen ausgespart" - Wohl auch um den warmen Klang nicht durch übertriebenes Filtern zu zerstören.

    Wenn man beide Aufnahmen nacheinander hört, merkt man den Unterschied. Die Monoaufnahme ist voller aber auch wärmer, die Stimmen klingen natürlicher, bessere Harmonie zwischen Sänger und Orchester . Als bestes Vergleichsbeispiel eignet sich meiner Meinung nach die letzten zehn Minuten. Das war für mich im Plattengeschäft (wohl 1997/98) der Grund diese Einspielung nochmals zu kaufen. Hab es nie bereut.

  • Lieber Nosferatu,

    vielen Dank für die Erläuterungen! Dann werde ich mal Ausschau halten ...

    Viele Grüße
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Naja, in den Kritiken steht aber, dass die Besetzung sehr viel besser war, als Schwarzkopf gesungen hat.


    Du hast oben ja zur digitalisierten Ausgabe des "Merker" verlinkt. Der Einfachheit halber setze ich die Zitate einmal hier her. Über die Marschallin heißt es dort beim ersten Mal: "Lisa Della Casas Marschallin ist eine Gestalt von apartem, persönlichem Reiz. Frau Della Casa, die die Kunst des Unterspielens für die Opernbühne erst entdeckt und zu höchster Meisterschaft entwickelt hat, formt eine Figur, die absolut dem schlanken Silberklang ihrer Strauss-Stimme entspricht, überlegen und damenhaft, mit einer reizvollen Zärtlichkeit in Stimme und Bewegung (...jedes Ding hat seine Zeit!), tapfer im Verlieren, ergeben im Verzicht. Übrigens schien die ganze Rolle überarbeitet, vertieft, neu durchdacht". Klingt doch nett, oder? Bei der zweiten Aufführung schreibt der ungenannte Rezensent dann: "Elisabeth Schwarzkopf ist über Hofmannsthals Marschallin hinausgewachsen. Die Partie ist weit moderner gestaltet, bis in die feinste Seelenregung nachempfunden und mit einer derartigen Vielfalt von Nuancen gestaltet, daß man aus dem Staunen nicht herauskommt. Dieser Auffassung entspringen auch die manchmal ungewohnt harten und herben Akzente (vor allem im dritten Akt), die so logisch wirken, daß sie einem bereits in jeder anderen Interpretation abgehen. Stimmlich war Frau Schwarzkopf von absoluter Vollkommenheit. Es scheint kaum glaublich, daß eine Steigerung nach ihren Wiener Marschallinnen noch möglich war, aber das Unglaubliche trat wirklich ein". Klingt das jetzt wirklich "sehr viel besser"?

    Im Bezug auf die Sophie steht der Meinung "Hilde Güden war als Sophie leider nicht so gut, wie wir es gewohnt sind. So schlimm, wie es nachher der Mundfunk machte, war es allerdings auch wieder nicht. Es handelte sich sage und schreibe um drei etwas steife Töne bei der Rosenüberreichung, die wohl aus der Bestrebung entstanden sind, die Stimme möglichst schlank und instrumental zu machen. Ferner gab es einen abgerissenen Schlußton im Duett des dritten Aktes. Dem gegenüber stand ein sonst wunderschön gesungener zweiter Akt und ein herrliches Terzett. Es mag sein, daß wir die stimmliche Vollkommenheit, die Frau Güden in dieser Partie früher bewies hat, derart gewohnt sind, daß die kleinen Schwächen dieses Abends besonders auffiel" bei der zweiten Aufführung "Anneliese Rothenberger, die ab der zweiten Aufführung als Sophie einsprang, ist mit ihrer impulsiven Gefühlsentfaltung, ihrer Innigkeit, Herzlichkeit und bildhafter Anmut eine Idealverkörperung der Rolle - idealer als sie eigentlich gedacht ist. Ihre Sophie ist keinen Augenblick das unbedeutende kleine Ding, das sie eigentlich, um die Tragödie der alternden Frau zu beleuchten, sein sollte. Aber zu einer starken Persönlichkeit als Marschallin paßt natürlich auch eine Sophie mit Persönlichkeit" gegenüber. Ja, in der Tat, das würde ich auch so verstehen, dass dem Rezensenten Frau Rothenberger besser gefallen hat.

    Aber meinst du wirklich, das darin der Grund für die Umbesetzung im Film gelegen hat? Da finde ich Waldis und erst recht Armin Dietrichs und Palestrinas Argumente viel überzeugender. Ist es nicht ziemlich offensichtlich, dass es da ums Geschäft ging?

    Ich verstehe aber auch nicht, wieso die della Casa im Don Giovanni Film gesungen hat; in dem Jahr hat Schwarzkopf die Donna Elvira in Salzburg gesungen.


    Hättest du lieber Elisabeth Schwarzkopf im "Don Giovanni"-Film gesehen und gehört? Ich nicht. :shake:

    Über die Güden steht da, dass sie krank war und deswegen nicht so gut gesungen hat (was man anscheinend auch auf der Aufnahme hört).


    Du hast oben doch geschrieben, dass du die Aufnahme kennst. Wie findest du denn da die Güden? Mir klingt sie vielleicht ein wenig zu ältlich (mit ihren 43 Jahren war sie damals ja auch kein junges Mädchen mehr und die älteste der drei Hauptdarstellerinnen) und zu steif, aber schlecht oder indisponiert kann ich sie nicht finden. Du denn?

    Ich liebe Wagners Musik mehr als irgendeine andre. Sie ist so laut, daß man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne daß andre Menschen hören, was man sagt. - Oscar Wilde

  • Live-Mitschnitt Buenos Aires 1961, Walhall 2012

    Der Beitext räumt "some imperfections of the sound" ein. Lider ist die Tonqualität stellenweise tatsächlich recht beeinträchtigt (es dürfte sich um eine private Aufnahme mit guter, aber beschränkter Ausstattung gehandelt haben - alles, was zu weit vom Mikrophon entfernt ist, leidet). Das erschwert und relativiert auch die Beurteilung. Manches klang auf der Bühne wohl besser als es die Konserve vermuten läßt.

    Heinz Wallberg hatte es mit dem argentinischen Orchester sicher nicht leicht, aber zu den Spitzendirigenten des "Rosenkavaliers" würde ich ihn sowieso nicht zählen. Ich finde ihn zwar gar nicht schlecht unter den gegebenen Umständen. Trotzdem höre ich subjektiv nicht mehr als guten Durchschnitt. Mehrere Male ist mir Wallberg zu eilig, ein bisserl mehr Transparenz im Klang wäre auch schön und mehr raffiniert-dekadente Eleganz auch. Irgendwie hat dieser "Rosenkavalier" fast etwas Bayerisches statt dem Wienerischen. Schuld daran ist auch der Ochs: Kurt Böhme hatte wohl nicht seinen besten Tag, mitunter schlampt er ein bißchen, das Komödiantische hat bei diesem groben Gepolter meist nur Vorstadtniveau. Nur ein paar Mal, namentlich im dritten Akt, deutet Böhme an, daß er die Partie auch überzeugender gestalten kann.

    Sehr hörenswert ist aber Regine Crespin als Marschallin. Akzentfrei war bei ihr ja selbstverständlich, aber wie sie Eleganz und Menschlichkeit mit edlen Tönen verbindet, reiht sie unter die besten Interpretinnen der Rolle. Angetan bin ich auch von der zu Unrecht ziemlich vergessenen Kerstin Meyer als Octavian, weniger von Anneliese Rothenberger als Sophie. Die kommt mir hier etwas zu damenhaft vor, obwohl sie natürlich schön singt. Ich muß aber auch dazusagen, daß sie unter der mangelnden Tonqualität mehr leidet als die anderen. Mein Höreindruck könnte also täuschen.
    Sehr gut gefällt mir die Argentinierin Noemi Souza (1929-2015) als Annina. Sie ist Anno Schnee auch in Deutschland aufgetreten, vielleicht erinnert sich jemand aus der älteren Generation noch an sie.
    Hans Friedrich als Faninal: Gute Repertoirequalität. Die kleineren Rollen sind, scheint's, mit Hauskräften des Teatro Colon besetzt und unterschiedlich gut. Einige kämpfen natürlich mit der spezifischen Sprache dieser Oper.

    Bleibt noch Fritz Wunderlich als Italienischer Sänger. Er ist nicht mehr als annehmbar. Ich glaube, das war nie wirklich seine Partie (ich habe ihn als solchen ja auch in der Wiener Staatsoper gehört). Als Kontrast habe ich mir Nicolai Gedda gegönnt, der schlägt ihn um Längen (trotzdem bleibt Wunderlich klarerweise einer meiner besonderen Lieblinge).

    Als historisches Audiodokument ist diese Aufnahme nur für einen begrenzten Kreis von Interesse. Doch allein schon wegen Crespin und Souza, Meyer nicht zu vergessen, bin ich mit dem Erwerb zufrieden.

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    Homo sum, ergo inscius.

  • Deutsche Grammophon 2005

    Der Münchner "Rosenkavalier" Carlos Kleibers klingt nicht ganz so silbrig wie sein Wiener, ist weniger ästhetisierend, sondern mehr die Vorgänge dramatisch betonend, aber ungeheuer intensiv im Spiel und natürlich mit einer Traumbesetzung. Die Ausnahme bildet der oft kritisierte Ochs Manfred Jungwirths, bei dem ich allerdings finde, daß man gerechterweise unterscheiden muß. Vor allem anfangs hat er einige Schwachstellen und legt die Rolle auch eine Spur zu derb an, im dritten Akt ist er aber voll da und dann gefällt er mir sehr gut.
    Gwyneth Jones habe ich in Wien noch auf der Bühne als Marschallin erlebt, hier ist sie noch besser als damals. Für Brigitte Fassbaender war der Octavian eine der Leib- und Lebensrollen. Optisch ist sie in der Partie sowieso konkurrenzlos. Die Popp wirkt anfangs etwas zu reif, zeigt dann aber dafür ihren starken Persönlichkeitskern. Die wird ihrem Quinquin einmal eine ebenbürtige Partnerin sein (daheim, weniger in der Öffentlichkeit). Auch sonst kann ich nur freigebigst Sterne verstreuen. Besonders hervorheben möchte ich aber Albrecht Peter als Polizeikommissarius. Francesco Araiza als Sänger ist gut, aber nicht absolute Spitzenklasse.
    Insgesamt natürlich eine Gänsehaut-Aufführung. Bei Kleiber weiß man freilich nie, ob er mit sich selbst wirklich zufrieden war. Ich als Rosenkavalier-Fetischist jedenfalls war es und bin es.

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    Homo sum, ergo inscius.

  • Ziemlich verspätet möchte ich noch etwas zu der Diskussion nachtragen, die wir hier 2014 über den Rosenkavalier-Film und die Umbesetzungen hatten. Für die gab es zweifellos mehrere Gründe, die zu gewichten oder klar voneinander zu trennen, im nachhinein wohl kaum möglich ist. Aber: Daß man für die Sophie statt der Güden dann Annelise Rothenberger wählte, um das nachvollziehen zu können, sollte man auch bedenken, daß Lotte Lehmann (die ja unter Strauss selbst gesungen hatte und quasi über authentische Erfahrungen verfügte) die Rothenberger als die beste Sophie ihrer Zeit einstufte. August Everding erwähnt das in seinem da capo-Interview mit der Rothenberger. Lehmann hat auch an der Met die Rothenberger als Sophie regielich betreut. Übrigens auch die Crespin als Marschallin, mit der sie sich angeblich besonders Mühe gegeben hat. Das hat sicher dazu beigetragen, daß die Crespin zu einer der besten Marschallinnen wurde.

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  • [Blockierte Grafik: https://m.media-amazon.com/images/I/81sdyvmqtnL._AC_UY218_.jpg]

    Deutsche Grammophon 1994

    Die Aufführung der Salzburger Festspiele 1969 folgt nicht in allem dem "Rosenkavalier"-Mainstream des 20.Jahrhunderts, sondern setzt eine eigene Note oder besser eigene Noten. Ein Mezzo als Marschallin - fast ein Wagnis, denkt man sich vielleicht. Aber Christa Ludwig ist in jeder Hinsicht eine großartige Marschallin. Man begreift kaum, wieso Octavian sie verläßt. Der Quinquin war eine Paraderolle der viel zu früh verstorbenen und leider viel zu wenig mehr in unserem Gedächtnis präsenten Tatjana Troyanos, auch sie eine Jahrhundertstimme. Beiden ebenbürtig Theo Adam als Ochs. Entgegen der oft geübten Bühnenpraxis, die den Lerchenauer als eher schon auf dem absteigenden Ast befindlichen Rüpel mit Resten adeligen Verhaltens auffaßt, gibt ihn Adam eindeutig als Edelmann in Vollkraft, der nur etwas verbauert ist - und das ist bekanntlich ganz im Sinn von Hofmannsthal und Strauss (gegenwärtig folgt ja auch Groissböck dieser Linie). Auch Sophie erscheint in der Interpretation durch Edith Mathis nicht als zartes Pflänzchen, das schüchtern in die Welt tritt, sondern als eine selbstbewußte junge Dame. Liest man das Textbuch genau, dann weiß man, daß das authentisch ist (sie pocht auf ihr adeliges Vorrecht (und ist sogar bereit, bei Mißachtung Ohrfeigen auszuteilen). Die wird ihrem Octavian einmal eine Partnerin sein, keine Untergebene. Man könnte die Reihe der Spitzenleistungen jetzt bis zum Ende der Besetzungsliste fortführen. Kein Wunder, wenn man einen Otto Wiener als Faninal hat, Gerhard Unger als Valzacchi, Anton de Ridder als Sänger und die hervorragende "alte Garde" der Comprimarii. Und natürlich Karl Böhm mit den Wiener Philharmonikern, oft mit eher ruhigen Tempi, aber dem betörenden Silberklang. Insgesamt eine wahre Sternstunde der Salzburger Festspiele.

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    Homo sum, ergo inscius.

  • Nein, wollte nicht, aber das liegt wohl an meinem digitalen Unvermögen. herzlichen Dank für die Bebilderung - Blickfang bleibt Blickfang!

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    Homo sum, ergo inscius.

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