STRAUSS: Der Rosenkavalier – Kommentierte Diskographie

  • STRAUSS: Der Rosenkavalier – Kommentierte Diskographie

    Meine Lieben,

    Schon wieder eine Lücke, die ich als Wiener und Rosenkavalier-Schätzer (bitte den Doppelsinn zu beachten) nicht ungestopft lassen kann. Ich werde allerdings nicht, wie es naheläge, mit den beiden Kleibers beginnen, sondern mit einer weniger bekannten Live-Aufnahme von Anno dazumal, die 2009 bei Walhall erschienen ist:

    Fritz Busch am Pult der MET im Dezember 1946 verfügte über ein Ensemble, in dem es von berühmten Namen nur so wimmelt. Wer mit den älteren MET-Aufnahmen nicht so vertraut ist, den mag es verblüffen, daß hier praktisch akzentfrei deutsch gesungen wird, und einige Mitwirkende sogar den Wiener Dialekt perfekt beherrschen (auch wenn sie nicht alle Wiener sind). Das war natürlich auch eine Folge der Emigrationswelle, aber nicht nur.

    Die Tonqualität ist, was das Orchester betrifft, mäßig. Die Stimmen kommen besser heraus, aber berauschend ist es nicht, wenn auch tolerabel und verschiedentlich recht passabel.

    Fritz Busch war mit Strauss befreundet, und seine Berufung nach Wien, die nur durch seinen Tod 1951 vereitelt wurde, hochverdient, aber hier läßt er zwar die ganze Zeit spüren, daß er diese Musik verinnerlicht hat, nimmt sie aber trotzdem zu amerikanisch, spürt nicht genug den seelischen Nuancen nach, die in der Musik spürbar werden. Mag sein, daß er seinen amerikanischen Protagonisten damit die Sache erleichterte. Trotzdem ist es schade.
    Irene Jessner gibt die Feldmarschallin durchaus so, daß man nichts aussetzen kann. Sie macht alles richtig, nur wird sie eben von späteren Marschallinnen wie Jurinac, Kri te Kanawa, Reining, Lott, Jones usw. übertroffen. Jessner soll eine gute Lehrerin gewesen sein. Ich kann mir das durchaus vorstellen. Im Grund entspricht sie den Vorgaben des Dirigenten.
    Emanuel List (morgen jährt sich sein Todestag), ein gestandener Wiener, herrlicher Baß und bewährter Ochs, nimmt die Partie hier nicht zu schwer, singt etwas nachlässig, obwohl mit großer Routine und vielen Spaßettln. Eine Prise weniger Volkskomödie hätte gut getan, denn der Edelmann bleibt zu sehr auf der Strecke, was er ja nicht soll. Trotzdem hört man die Begeisterung des Publikums und kann sie verstehen. Bei allen Einwänden, die nicht überbewertet sein sollen: Von diesem Ochs kann mancher heutiger Sänger dieser Partie nur klein beigeben.
    Rise Stevens als Octavian (dank ihrer Wien-Erfahrung klingt er sehr authentisch) ist ein bißchen überbesetzt. Die Stimme ist etwas zu unjung und kann einen ganz kleinen heroisch-dramatischen Beiklang nicht ganz verleugnen. Trotzdem beachtlich und hörenswert. Eleanor Steber als Sophie bemüht sich wirklich, keinen Fehler zu machen (und ich höre auch keinen), aber sie ist alles andere als ein unschuldiges junges Mädchen, sondern stimmlich viel zu reif für diese Rolle. Alessio de Paolis übertreibt den Valzacchi anfangs zu sehr, Frederick Lechner bemüht sich nicht ohne Erfolg um eine gute Interpretation einer Rolle, die ihm sicher schwer gefallen ist. Kurt Baum gibt den Sänger, nicht sehr elegant, aber ich habe schon schlechtere gehört. Sehr gut Lorenz Alvary als Kommissarius.

    Liebe Grüße

    Waldi

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    Homo sum, ergo inscius.

  • Buttercremetorte...

    ... ich glaube, irgendjemand hat Karajans Dirigieren einmal damit verglichen; jedenfalls trifft das Bild etwas Wesentliches. Und: ich gestehe kein großer Freund solchen Gebäcks zu sein. Aber: bei dieser Aufnahme werde auch ich zum Schlemmer:

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    Zuerst: die Sänger. Christa Ludwig hat ja gesagt, dass sie den Octavian nie wirklich gemocht hat, wohl v. a. wegen ihrer nicht sehr knäbischen Statur und weil die Figur halt ein "dummer Junge" ist. (Sie war froh, dann später die Marschallin singen zu dürfen, der sie aber bei aller Identifikation m. E. eine gewisse Noblesse schuldig blieb.) Aber sie singt ihn auf dieser Aufnahme leidenschaftlich, klangschön und komödiantisch; das "Mariandl" gelingt ihr nicht karikaturesk sondern eher anrührend (man höre z.B. "Da muss man weinen... Weil's gar so schön ist"). Ihre dunkle, satte Stimme (weniger 'männlich' sicher als die der Jurinac, aber wen schert's) ergänzt sich vorzüglich mit dem Glockenton von Teresa Stich-Randall; rein stimmlich sind die beiden das ideale Paar, sowohl in der Rosenüberreichung ff. als auch im Schlussduett. Bei der Stich-Randall finde ich die Bögen genannter Rosenüberreichung und insgesamt alle Legati überzeugender als die Konversationsstellen, aber insgesamt finde ich das Porträt reizvoll, gerade weil es weniger 'mädchenhaft' als unirdisch, ja fast unterkühlt ist. Diese Figur hat, sagen wir's mal überspitzt, weniger Herz und mehr sexuellen Reiz als die Marschallin, und so soll es ja, dem Witz des Librettos nach, auch sein.

    Womit man bei Frau Schwarzkopf wäre. So sehr mich ihre Vokalverfärbungen bei manchen Liedinterpretationen auch stören: hier finde ich sie einfunktioniert in ein ausgefeilt intellektuell-psychologisches Rollenporträt. Man höre z. B. das angeschärfte Wort "Zaait" im berühmten Monolog, oder schlicht das "Jajaa" im 3. Akt... und natürlich gibt es wunderschöne Legati und Pianissimi; allein für den Aufschwung gegen Ende des 1. Aktes "da drin ist die silberne Roooo-se" gebe ich andere Einspielungen des Werkes ohne Zögern her. Und: ich habe die Marschallin (besonders wichtig im 1. Akt, natürlich) nie textverständlicher gehört.

    Otto Edelmann ist ein sehr wienerischer und sehr liebenswerter Ochs; möglicherweise sollte man die Rolle böser & schärfer auffassen aber er entspricht sicher sehr der Auffassung des Komponisten, der die Oper ja bekanntlich am liebsten "Ochs von Lerchenau" genannt hätte.

    Die Leitmetzerin: Ljuba Welitsch; das Intrigantenpaar Meyer & Kuen; der schmelzende Tenor Nicolai Geddas beim Lever... die Nebenrollen lassen keine Wünsche offen. Die Ensembles manchmal etwas dick (wie das im 2. Akt mit dem alles überstrahlenden Spitzenton der Welitsch), aber so sind sie auch komponiert. Strauss hat ja bekanntlich dem Wunsch seines Librettisten nach 'Leichtigkeit' nicht durchaus entsprochen. Womit wir wieder bei der Buttercremetorte & Karajan wären. Die Walzer des 2. und 3. Aktes wie schönste Operette (mit der Ausnahme des Bühnenorchester-Walzers im 3. Akt, der herrlich pavillonorchester-mäßig daherkommt); die fragmentierte Großeinheit der Lever-Szene ein einziger witziger Rausch. ("Witziger Rausch" - wo gibt's so was schon? ;+) ) Ziselierte, sehr sehr fein musizierte Musik im Duett Marschallin-Octavian. (Der Aktschluss mit den Violinen: haben wir das je schöner und zärtlicher gehört?) Dinge wie die Rosenüberreichung sind sozusagen für Karajans Klang-Sinn wie gemacht. Möglicherweise lebt dieser "Rosenkavalier" weniger als etwa bei Kleiber oder Böhm, aber er berührt in vielen Momenten den Fixsternhimmel. Und er ist in fast jedem Moment komplett durchhörbar.

    Also man merkt: das ist meine "Referenzaufnahme".

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    Musica est exercitium metaphysices occultum nescientis se philosophari animi

  • Recordatorio, ich finde es immer wieder spannend, zu sehen, wie unterschiedlich die Geschmäcker doch sein können...

    Deine Referenzaufnahme mag ich aus verschiedenen Gründen gar nicht. Karajans Dirigat ist mir tendenziell zu kalt, und der affektierte Stil der Schwarzkopf geht mir hier nicht weniger auf die Nerven als in den meisten ihrer anderen Aufnahmen. Mein größtes Problem in dieser Konserve stellt aber das Londoner Holz der 50er Jahre dar - streckenweise rollt mir dieser Klang regelrecht die Fußnägel hoch :shake: .

    Zitat

    Dinge wie die Rosenüberreichung sind sozusagen für Karajans Klang-Sinn wie gemacht.

    Für Karajans Klangsinn vielleicht, aber nicht für den damaligen Solooboisten des Philharmonia. Stört es denn wirklich nur mich, wenn die Oboe an solchen Stellen so ähnlich wie meine Rohrholzfräse tönt?

    Herzliche Grüße und nichts für ungut - ich neige schon mal gerne zum Überspitzen...

    Bernd

  • Eine Opernaufnahme "vor allem" wegen des Oboenklangs abzulehnen, finde ich, naja... zumindest idiosynkratisch. (Mit der "Kälte" von Karajans Dirigat könnte ich hingegen was anfangen, aber das fände ich eher positiv zu wenden; für mich ist der Rosenkavalier auch eine Endzeit-Oper, eine Oper die mit dem Tod zu tun hat... aber da müssten wir tiefer einsteigen.)

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    Musica est exercitium metaphysices occultum nescientis se philosophari animi

  • Zitat

    Eine Opernaufnahme "vor allem" wegen des Oboenklangs abzulehnen, finde ich, naja... zumindest idiosynkratisch.

    :D ...ich gebe das *Idiosynkratische* in meinen Hörgewohnheiten ja gerne zu.... :hide:

    Es ist aber nicht nur der Oboenklang, auch der Rest der Holzbläser....naja....

    Und es gibt Aufnahmen, bei denen ich durchaus in der Lage bin, meine Klangfarbenprobleme in den Hintergrund zu schieben, so zum Beispiel der Furtwängler-Tristan mit dem nämlichen Orchester. Da ist die musikalische Umsetzung über weite Strecken so mitreißend, dass mir Obö und E-Horn völlig wurscht sind. Aber in Karajans Rosenkavalier fehlt mir diese Kompensation ganz und gar. Mir ist das in Relation zu dem für meine Ohren scheußlichen Holzbläserklang musikalisch nicht zwingend genug.

    Oder noch anders ausgedrückt: Die Interpretation kommt mir sowohl auf der Ebene des musikalischen Ausdrucks wie auch der der klangsinnlichen *Schönheit* - Karajan hin oder her - nicht hinreichend befriedigend entgegen.

    Zitat

    ...für mich ist der Rosenkavalier auch eine Endzeit-Oper, eine Oper die mit dem Tod zu tun hat...

    Durchaus. Da bin ich ganz bei dir.

    Viele Grüße

    Bernd

  • Der Karajan, da fehlt mir irgendwie der Ausreißer nach oben: überdurchschnittliches Dirigat, aber nie recht kitzelnd, Edelmann etwas zu wenig bassig (mit transponierten Noten, oder?) und etwas zu chargierend als Ochs, Schwarzkopf mit manchem Ausflug in die Böse-Schwiegermutter-Märchenstunde (bedeutungsschwanger-peinlich für mich "Die Zaait, sie ühst ein sonderbar Ding", Mummenschanz), Stich-Randall mit manchem verschmierten hohen Ton, Ludwig sehr solide, aber wenig emphatisch - tja, es gibt aber auch keinen Ausreißer nach unten, Faninal und Sänger sind allerdings großer Luxus.
    Der Kleiber Erich, den find ich manchmal arg brav, aber mit feinen Zwischentönen, und er hat Jurinac/Güden und den Weber-Wiggerl, das ist schon eine andere Kategorie. Tja nun, die Frau Reining, die hab ich gerade gar nicht so plastisch vor Ohren, spricht wohl gegen sie. Dies aber mein Favorit bei den beiden.

    Kleiber Sohn hat den rasanten Münchner Kavalier (den aus dem Jahre 1973 kenne ich nicht) mit Popp und Fassbaender anzubieten, dafür aber auch mit der wenig subtilen Gwyneth Jones und dem katastrophal schwachen Manfred Jungwirth - das alte Dilemma bei CK-Einspielungen wirkt sich hier besonders schmerzhaft aus.
    Die Wiener Variante von 1994 ist dagegen deutlich vorzuziehen, insbesondere wegen des gesanglich brillanten Ochs von Kurt Moll, der für mich sogar Weber in dessen eindringlich-rhythmischem Portrait übertrifft - ein Belcanto-Ochs auf allerhöchstem Niveau, im Parlando des ersten Akts wie in der ausladenden Tiefe des zweiten. Felicity Lott ist eine menschliche Marschallin, die die Resi noch nicht völlig abgelegt hat und den überlegenen Humor der Partie gut verkörpert - stimmlich ist sie aber eine halbe Nummer leichter als Schwarzkopf, dabei insgesamt gleichwertig. Von Otter als Octavian hat manche etwas flackerige Töne, ist aber rollendeckend und absolut akzeptabel, Barbara Bonney ist für mich nicht mit Lucia Popp oder Hilde Güden gleichzusetzen, die übliche hauchige Détaché-Tonproduktion in der Höhe, die mäßige Registerverblendung, vieles läuft über den teils bemühten Charme der stets bühnenpräsenten Actrice. Kleibers Dirigat ein Genuß, manchmal nimmt er nicht die letzte Rücksicht auf seine Sänger, nur: wann hätte er das je getan? Das Vorspiel zum 2. Akt nimmt er in einem Irrwitz wie kein zweiter, gegen den Schlußkitsch kommt auch der rasende Carlos nicht an. Insgesamt auf einem Level wie die Erich-Kleiber-Einspielung.

    LG
    GI

    "Scheiter', Haufen!"

  • Ich lege nach: Habe nochmals Erich Kleiber angehört, Jurinac und Güden sind wohl einmalig als Paar, Reining klingt etwas matronenhaft und tremulös, füllt aber die Rolle durchaus aus und liefert ein weniger überspanntes Portrait als Schwarzkopf, nicht per se schlechter, stimmlich natürlich, in toto jedoch ziemlich gleichwertig.

    Von den Phono-Aufnahmen mein eindeutiger Favorit.

    LG
    GI

    "Scheiter', Haufen!"

  • Meine Lieben,

    Vor kurzem hat unser Rätsel-Rideamus auf folgende Aufnahme hingewiesen, die jüngst bei Walhall herauskam:


    Der Live-Mitschnitt aus der MET von 1956 entstand rund zehn Jahre nach der Aufnahme, mit welcher ich diesen Thread begonnen habe. Von der seinerzeitigen Besetzung immer noch dabei: Rise Stephens als Octavian, Thelma Votipka als Leitmetzerin und Alessio De Paolis als Valzacchi.

    Durch Rideamus' eher vorsichtig-kritische Bemerkungen zur Tonqualität abwartend gestimmt, dachte ich mir nach den ersten Minuten: Ja, schon die originale Aufnahme scheint nicht ganz optimal gewesen zu sein , und einige Alterungen kommen noch dazu. Aber diese anfängliche Skepsis verfolg bald. Die Beeinträchtigungen sind nicht gefährlich, überwiegend hört man gute Monoqualität, und alle Vorbehalte technischer Art lösen sich bei weiterem Anhören sowieso fast in Bedeutungslosgkeit auf, wenn man dagegen die Perlen an Artikulations- und Charakterisierungskunst wägt, die diese Einspielung vermittelt.

    Rideamus hat Rudolf Kempes Dirigat erfreulich unsentimental genannt. Das will ich unterstreichen, aber auch zu bedenken geben, daß Kempe einige Male für meinen Geschmack zu schnell und straff musizieren läßt. Es fehlen mir die kleinen wienerischen Schleifer und auch ein bisserl mehr Klangtransparenz hätte nicht geschadet, aber trotzdem interpretiert Kempe ausgezeichnet. Meine Bemäkelungen sollen lediglich als als periphere Kritik an einer Aufführung auf sehr hohem Niveau verstanden sein.
    Die Besetzung ist, um es kurz zu sagen, ein wahres Glück. Lediglich James Mc Cracken kämpft als Haushofmeister der Marschallin sichtlich mit der deutschen Sprache. Ansonsten sind die kleineren Partien direkt sagenhaft gut besetzt: Osie Hawkins als Polzeikommissarius, Paul Franke als Wirt, Ralph Herbert als superber, fast ein wenig baritonaler Faninal, Thomas Hayward als Sänger, Martha Lipton als Annina. Für De Paolis gilt das schon bei der früheren Aufnahme Geäußerte.

    Die Hauptrollen bieten Sternstunden. Lisa dell Casa als Marschallin nimmt vom ersten Ton an gefangen. Ihr Organ verfügt über alle sängerischen udn schauspielerischen Nuancen, die man nur wünschen kann. In ihrem Verhältnis zu Octavian spürt man das Oszillieren zwischen Spiel (reife Dame vernascht mit Genuß junges Blut, ohne das absolut schwer zu nehmen) und Ernst (reife Dame mit vielen jungen Gefühlen hat ihr Herz ernsthaft an den nicht bloß unreifen Grünling verloren). Sie vermittelt die Vielschichtigkeit dieser Persönlichkeit - kleine Resi ebenso wie hoheitsvolle Herrin - ebenso souverän, wie sie den Ton wechselt zwischen Lust und Scherz, Angst und Komplexbeladenheit, sie singt fabelhaft, und ich bin nur froh, daß ich keine Rangliste aller Spitzenmarschallinnen erstellen muß - ich könnte es nicht. Aber Lisa della Casa gehört unbedingt dazu, und in ein paar Aspekten ist sie sicher die Allerbeste.
    Otto Edelmann galt in Wien damals nicht umsonst als der bestmögliche Ochs. Er läßt auch wirklich durchspüren, daß er, bevor er in der Welt und in seinem Benehmen herabgekommen ist, vermutlich mit 17 Jahren ein recht verführerischer Jungspund war, zwar nicht mit viel Grütze im Kopf, aber attraktiv und poliert genug, um zu beeindrucken. Ein paar Reste hat er sich ja bewahrt, und wenn er die zusammensucht, dann kann er auch noch ganz gut bestehen. Leider läßt er sich gern gehen wie daheim auf dem Gutshof. Mit dem Feldmarschall würde er sich vielleicht in manchen Ansichten ganz gut treffen, nur ist der Ochs ein Feigling und daher mehr dem schönen Geschlecht zugetan, das für seine Bbegriffe ja nur zur subjektiven Ergötzung auf der Welt ist, sofern es sich nicht um Ranghöhere handelt. Auch Edelmann beherrscht alle Nuancen. Daß der letzte tiefe Ton im 2.Akt nicht ganz richtig kommt, ist nicht schlimm. Im Studio hätte er es beim zweiten Mal sicher souverän getroffen.
    Rise Stevens gefällt mir noch besser als 1946. Natürlich behält sie ihre leicht viril-substantielle Note bei, verfeinert sie aber (es macht sich beileibe nicht schlecht, und man versteht die Sophie ganz gut, warum sie hingerissen ist, wenn ihr Trauter im zweiten Akt groß aufdreht). Und wie sie das "Wie sie befiehlt, Bichette" bringt, das ist einfach zum Abbusseln. Wie Ihr wahrscheinlich wißt, verehre ich diese Künstlerin ganz besonders. Sie wurde heuer 97 und lange möge sie noch leben!
    Hilde Güden als Sophie loben, hieße Wasser ins Meer schütten. Solche Wortdeutlichkeit, solche vokale Reinheit!
    Alle vier verdienen das Prädikat: Legendär!

    Liebe Grüße

    Waldi

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    Homo sum, ergo inscius.

  • Eine Marschallin will ich nicht vergessen - Hilde Zadek.

    Sie ist ganz anders als z.B. Elisabeth Schwarzkopf, wenn sie auch aus der Heimatstadt von ihr kommt, doch sie ist für mich eine wienerische Feldmarschallin, großartig in der Stimmführung, und noch etwas, das was ich im Portrait schon geschrieben habe, ihr Oktavian, hier Sena Jurinac, bewährt gut, bleibt nicht ihre letzte Liebe, Teresa Stich-Randall bei ihr hatte ich immer, auch später, das Gefühl einer gewissen Unsicherheit, im Einsatz, aber sie war eine glänzende Sophie, nur hatten wir Bessere, wie Wilma Lipp oder Hilde Güden, Ludwig Weber ist ein sympathischer Ochs auf Lerchenau und Ljuba Welitsch keine matronenhafte Leibmetzerin. Hilde Rössl-Majdan als Annina ist bekannt gut und Laszlo Szemere ein guter Valzacchi.

    Die Aufnahme ist eine LIVE Aufnahme vom 22.2.1957 aus Turin unter Artur Rodzinski. Es spielt das Orchestra Sinfonica und es singt der Chor della RAI Turin

    Einen Vorteil hat diese Aufnahme so nebenbei, sie ist sehr flott gespielt, schon Richard und nicht Johann.

    Liebe Grüße sendet Euch Euer Peter aus Wien.

  • Meine Lieben,

    Es ist klar und müßte eigentlich nicht extra erwähnt werden, daß bei einer Live-Aufnahme viele Ungleichmäßigkeiten entstehen, die im Studio mühelos ausgeglichen werden. Dennoch können Live-Aufnahmen mitunter eine Atmosphäre erzeugen, die auch im perfektesten Studio kaum erreicht werden kann. Ein gutes Beispiel dafür ist diese ziemlich alte Aufnahme von August 1949, die trotz einiger technischer Mängel zu den allerbesten und überwältigendsten "Rosenkavalieren" gehört, die es gibt.


    Kennern ist sie längst geläufig, aber viele dürften sie überhaupt noch nicht kennen. Eine Art Geheimtip also und der berühmten Erich-Kleiber-Einspielung in manchem sogar überlegen.

    Das Label ist ARIOSO, errrschienen ist die Box 2002. Für das Remastering zeichnete Johannes Gebhardt verantwortlich. Die Tonqualität ist teilweise ganz leicht verschleiert, auch gibt es ein paar Hacker (leider aucxh am Ende des 3.Akts), trotzdem wiegen die nicht sehr schwer.

    George Szell und die einfach phantastisch aufspielenden Wiener Philharmoniker realisieren einen psychologisch vertieften "Rosenkavalier", in dem das tänzerische Element nicht so sehr forciert wird. Szell, der Temperamentvolle, läßt es von Anfang an glühen, daß einem heiß und kalt wird. Er liebt natürlich auch das flotte Tempo, weiß aber zu dosieren und entwickelt in den gefühlvollen Passagen eine unglaubliche Zartheit und Transparenz. Gegenüber Carlos Kleibers genialer Manieriertheit wirkt er authentischer.
    Maria Reining war damals noch voll bei Stimme und daher besser als fünf Jahre später unter Vater Kleiber. Ihre Marschallin klingt unübertrefflich, mit wunderschönem Vibrato und einem von Anfang an resignativen Unterton. Ein Traum von Mensch und Stimme, dem Octavian eigentlich einen Altar errichten müßte. Jarmina Novotna singt diesen Quinquin vorzüglich, im dramatischen Ausdruck aber zunächst etwas verhalten. Da wirkt die Stimme auch eine Spur zu wenig jugendlich. Aber im weiteren Verlauf finden sie und Szell ideal zueinander, und dann hört man einen Octavian, wie er besser nicht sein kann.
    Eine prachtvolle Idealbesetzung ist Jaro Prohaska als Ochs, der über alle schwarzen Schattierungen verfügt, welche die Partie erfordert, wunderbar singt und herrlich spielt. Kein Polterer, sondern vor allem im 1.Akt durchaus der Edelmann, der mit einem gewissen Recht von sich behaupten kann, daß ein Baron Lerchenau nicht antichambrieret.
    Mit Hilde Güden als Sophie ergibt sich die nächste Idealbesetzung, obwohl sie die Rolle auch noch besser gesungen hat.
    Absolute Spitze: Georg Hann als Faninal. Hervorragend auch Dagmar Herrmann als wortdeutliche Annina.
    Ein richtiger Hammer ist Helge Rosvaenge als Italienischer Sänger. Über seinen Zenit natürlich längst hinaus (aber trotzdem noch keine Ruine, sondern machtvoll genug) und mit eher schrecklichem Italienisch macht er aus diesen Nachteilen eine Tugend und liefert in gespielt-übertriebener Effekthascherei eine unheimlich komische Karikatur eines italienischen Tenors. Ich habe mich gewälzt!

    Eine weitere Aufnahme hatte das Pech, von mir gleich anschließend gehört zu werden. Mag sein, daß ich deswegen harscher urteile als nötig.

    Auch hier handelt es sich um eine Live-Aufnahme, die allerdings zwanzig Jahre später, 1969, in Buenos Aires entstand. TKM hat sie 2003 publiziert. Die Besetzungsliste kann nur als lecker bezeichnet werden. Daß die Argentinier nicht über eine ausgefeilte Aufnahmetechnik verfügten, wollen wir ihnen nicht zu sehr ankreiden. Die Abstimmung Orchester/Stimmen ist nicht ausgewogen. Auch scheint es verständlich, daß die Musiker des Teatro Colon nicht gerade auf den "Rosenkavalier" eingestellt waren. Man verlangt ja nicht, daß sie es mit den Wiener Philharmonikern aufnehmen, aber zeitweise hören sich die Südamerikaner ein bisserl an wie ein Ramba-Zamba-Pampa-Gaucho-Orchester (die Gauchos mögen mir verzeihen). Erich Leinsdorf - diese Oper war vielleicht nicht unbedingt sein Fall - wird erst allmählich Herr des Chaos, ist aber durch einige Eiltempi nicht ganz unschuldig an diesem. Er erzeugt nicht die Spannung und innere Stringenz, die bei Szell schon ab dem ersten Takt gegeben ist. Die Interpretation bleibt an der Oberfläche, läßt keine Nuancen spürbar werden, wirkt anfangs heruntergespult. Später bessert sich das, man findet zueinander, und im dritten Akt ist die Leistung leidlich, wenn man keine großen Ansprüche stellt.
    Sena Jurinac, später eine meiner Traum-Marschallinnen, hat es schwer. Von Beginn weg läßt sie eine fast mütterliche Note mitschwingen, sie singt auch deutlich, aber kommt im 1.Akt bei dem vorgegebenen Tempo kaum dazu, die Seele erklingen zu lassen. Erst allmählich entwickelt sie jenen Stil, der sie in dieser Rolle so anbetungswürdig machte. An Maria Reining kam sie damals aber noch nicht heran.
    Den Ochs singt Walter Berry, von dem Dietrich Fischer-Dieskau meinte: "Weshalb sein Falstaff und vor allem sein Ochs...nie die...gebührende Anerkennung gefunden haben, wird ein Rätsel bleiben". Mir ist das keineswegs schleierhaft, obwohl Berry stets eines meiner Idole war und ist. Natürlich hat dieser wunderbare, intelligente, überwältigende Sänger auch in dieser Partie sehr gute Szenen, aber letztlich ist das doch nicht sein Fach. Da fehlt das Gewicht, und zu oft kommt ein beinahe papagenohaftes Kasperltum durch. Die aufgesetzt wirkenden Lacher, die Berry hie und da hören läßt, mögen vielleicht auch dem Umstand geschuldet bsein, daß Berry sich da nicht so locker fühlte. Er bleibt insgesamt zu sehr Bauer und zu wenig Aristokrat.
    Christa Ludwig läßt sich von Dirigent und Orchester nicht beirren und singt einen tadellosen Octavian. Silvia Geszty bemüht sich als Sophie; ich empfinde sie jedoch als zu wenig zart. Renato Cesari gibt einen passablen Faninal. José Nait dokumentiert die Probleme eines "exotischen" Hauses, diese Rolle adäquat zu besetzen. Die leicht nasal klingende Stimme erweist sich im mittleren Bereich als brauchbar, aber in der Höhe geht sie einmal tüchtig weg. Der arme Sänger kann mit dieser Leistung wohl kaum ein Engagement erhoffen.
    Alles in allem hätte man diese Aufnahme wohl besser im Archiv belassen, aber schwer bestraft wurde meine Erwerbsneugier auch nicht. Immerhin hat die Einspielung abgesehen von ihrem Dokumentationswert ja doch auch einige Vorzüge. Dennoch werde ich sie wohl nicht sehr oft anhören.


    Liebe Grüße

    Waldi

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    Homo sum, ergo inscius.

  • Kennt jemand diese Aufnahme:

    Die Besetzung sieht ja echt verführerisch aus...

    "Nicht immer sind an einem Misserfolg die Künstler schuld.
    Manchmal ist es auch das Publikum, das indisponiert ist."
    Leonie Rysanek (1926-1998)

  • Zwar kenne ich diese Aufnahme noch nicht, aber sie steht auf meiner Wunschliste und sie gilt als als eine der besten Einspielungen dieser Oper. Mit dem "Wiener" Rosenkavalier Kleibers ist sie nur bedingt zu vergleichen, da es sich bei der "Münchner" Version um einen Live-Mitschnitt handelt, keine Studio-Aufnahme. Maria Reining als Marschallin soll eine Spur besser sein als in der späteren Aufnahme. Ich habe kurz in eine Probe hineingehört: Es scheint zu stimmen. Ich glaube, daß man hier ruhig zugreifen kann und sicher nicht enttäuscht wird - es sei denn, man mag grundsätzlich keine Live-Mitschnitte. Die Wahrscheinlichkeit, hier ein paar Sternstunden erleben zu dürfen, ist sehr groß.

    :wink: Waldi

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    Homo sum, ergo inscius.

  • So jetzt höre ich einen ganz anderen Rosenkavalier, diesen hier - den vom Hugo von, mit der herrlichen Käthe Gold als Feldmarschallin, Albert Rueprecht als Oktavian, Helmut Qualtinger als Ochs auf Lerchenau und Aglaja Schmidt als Sophie u.a.

    und ohne Musik vom Richardl Nr. 2.

    Sehr zu empfehlen einmal ganz anders.

    Liebe Grüße sendet Euch Peter aus Wien. :wink: :wink:

  • Als ich in meiner "Opern-Jugendzeit" (in den 80er Jahren) vielfach die Abende auf Stehplätzen der Wiener Staatsoper verbrachte, gehörte der „Rosenkavalier“ von Richard Strauss zu jenen Opern, die ich gerne auch öfter live hörte. Da spielte das Opernorchester meist besonders klangschön wienerisch auf, und Otto Schenks aus dem Jahr 1968 stammende Inszenierung unterstrich die Pointierung des Komödiantischen genauso wie den süßen Kitsch dieser Pseudo-Rokokowelt. Aus dem Elternhaus wurde mir die 1971 entstandene Wiener Aufnahme von Leonard Bernstein zur prägenden LP-Erfahrung dieses Werks, wobei mir schon damals, an sich ungeübt darin solches aufzuspüren, die von sängerischer Seite her krankheitsbedingt erforderlichen Schnitte auffielen, die die Tontechniker nicht ganz zu kaschieren vermochten und die aus der Aufnahme eher eine Ansammlung von Stückwerk denn ein großes Ganzes machten. (Da es in „meine aktivste Fanzeit“ fiel, sind mir mittlerweile auch der Salzburger Karajan „Rosenkavalier“ von 1984 auf CD und DVD wohlvertraut – und selbstverständlich die beiden Carlos Kleiber DVD Aufnahmen.) Dirigate von Horst Stein oder Peter Schneider habe ich aus der Oper in Erinnerung, und unvergesslich bleibt mir Carlos Kleibers Rückkehr an die Wiener Staatsoper am 18.3.1994 mit diesem Werk (die erste der drei Vorstellungen; im Fernsehen übertragen und auf DVD veröffentlicht wurde die dritte), und dass ich noch am Aufführungstag in einem Kartenbüro in der Wollzeile eine Galeriesitzplatzkarte mit einem der Sensation des Ereignisses geschuldeten Wahnsinns-Aufschlag erwerben und den Japanern, die am Abend vor der Oper mit drei Tausendschillingscheinen winkten, widerstehen konnte und dadurch Ohrenzeuge nie vorher und nie nachher (bis gestern) gehörter Strauss-Herrlichkeiten bis in kleinste Details werden durfte. (Umso neugieriger war ich, ein paar Wochen später in die erste Repertoirevorstellung „danach“ zu gehen und erneut zu staunen, diesmal wie „cool“ der routinierte Kapellmeister Horst Stein ohne den ganzen „Sensationseffekt“ des Kleiber-Sonderereignisses die Oper einfach nur gewohnt stimmig dirigierte. Natürlich nicht dabei war ich bei den sechs Carlos Kleiber Dirigaten des Werks im Herbst 1994 in Japan, das sollen ja die Opern-Sternstunden schlechthin gewesen sein.)

    In den 80er Jahren, meiner „Hauptzeit“ als Staatsopern-Stehplatzbesucher, schwebte, zumal in den Gesprächen mit langjährigen Opernbesucherinnen und –besuchern, der Geist des berühmten Wiener Ensembles der Nachkriegszeit über allem (Staatsoper im Theater an der Wien bis 1955 sowie die ersten Jahre nach der Wiedereröffnung des Haupthauses). Ich besuchte aber nun mal die Vorstellungen meiner damaligen Gegenwart und hörte mir die Verklärungen zwar gerne an, beschäftigte mich aber nicht weiter damit. Sena Jurinac, Hilde Güden, Maria Reining und wie sie alle heißen waren große Namen (eine Dame war totaler Paul Schöffler Fan), aber eben aus einer anderen Zeit. (Mittlerweile sammle ich Wiener Aufnahmen der 80er und 90er Jahre auf DVD und CD besonders intensiv und halte damit die Verklärung „meiner“ Zeit aufrecht.)

    Nun also endlich die 3 CD Box Decca 467 111-2, noch mono aufgenommen im Juni 1954 im Großen Musikvereinssaal in Wien, mit einem Dirigenten, der in den 50er Jahren zwei allgemein als solche anerkannte Jahrhundert-Opernaufnahmen mit den Wiener Philharmonikern vorlegte („Rosenkavalier“ und „Le nozze di Figaro“) und doch keine Chance hatte, in Wien als ständiger Operndirigent wieder Fuß zu fassen.

    Erich Kleiber gelingt es, mich mit den allerersten Takten des Vorspiels sofort in diese Richard Strauss Welt total hineinzuziehen. Da passiert dieses Wunder, plötzlich mittendrin zu sein in der Opernwelt, obwohl man nur eine Aufnahme hört. Die Geschichte der gehobenen Frau, die den jüngeren Liebhaber ziehen lässt zu dessen etwa gleichaltrigen neuen Liebe, welche damit auch vermeiden kann, einen eher klobigen „Pflicht“-Kandidaten heiraten zu müssen, zwischen Komödiantik und „herzlich sentimentalem Kitsch“ angelegt, hält mich diese etwa dreieinviertel Stunden total in ihrem Bann. Die Zeit bleibt nicht nur bei der Überreichung der silbernen Rose im 2. Akt stehen, die Akte wirken alle drei kürzer als sie tatsächlich ablaufen, eben weil die Aufnahme kurzweilig und stets ganz gegenwärtig ist. Mir wird nicht der Eindruck einer Interpretation vermittelt, sondern das Geschehen selbst, durch die Musik genial erhöht. Die Stimmkultur aller Beteiligten tut das ihre dazu, bis in kleinste Nebenrollen. Und Erich Kleibers Auskosten des Überschwangs genauso wie der Wiener Kitsch-Seligkeit lässt mich als geborener Wiener ganz zu Hause sein, wie 1994 in der Staatsoper, als sein Sohn dirigierte.

    Das Wienerische ist hier ganz selbstverständlich, nicht nur in den Walzern für den Baron Ochs, auch schon etwa beim Frühstück der Marschallin zusammen mit Octavian und in vielen anderen Details in allen drei Akten. Das ist eine besondere Qualität, die ich auch 1994 feststellen konnte – Vater und Sohn Kleiber legen Partiturdetails, Klangfarben offen, die besonders schön sind, ohne den Fluss der Musik damit zu stören, sie betten diese Details ins Gesamtgeschehen ein und „machen die Partitur noch schöner, als sie ist“. Bei anderen Aufnahmen oder Aufführungen gehen diese Passagen vorbei, ohne dass diese Details auffallen, außer man passt besonders auf sie auf.

    Die Geschichte, die Charaktere kommen ungemein lebendig zur Geltung. Wie Octavian zuerst überschwänglich auf die Marschallin fixiert ist, wie er sich dann zu Sophie hingezogen fühlt, das kann man hier voll und ganz nachvollziehen. Wie dieser Ochs so richtig geil ist darauf, das Mariandl zu vernaschen, das erlebt man auch so richtig mit.

    Stimmlich (ich bin kein Vergleicher und akzeptiere es auch, wenn jemand mit Leidenschaft und Innigkeit singt, ohne seinen allerbesten Tag zu haben oder schon über den Zenit hinaus bzw. noch nicht dort angelangt zu sein) bin ich vor allem von Sena Jurinac (Octavian) und Hilde Güden (Sophie) begeistert, ich kann mir nach dieser Aufnahme nicht vorstellen, dass jemand diese Partien besser singen kann. Anders vielleicht, anders persönlich, anders innig, aber besser kaum. Maria Reining macht auf mich als Marschallin einen sehr wissenden, reifen Eindruck. Der Baron Ochs des Ludwig Weber wie auch der Faninal des Alfred Poell geben die in Wien so beliebte wienerische Note dazu, aus den a Lauten werden vielfach o Laute, und beim Abgang ruft dieser Baron Ochs „Leopold, wir gengan!“ – ich kenne es aus der Wiener Staatsoper so nur zu gut. Diese Geschichte spielt eindeutig in Wien.

    Alles in allem schafft es Erich Kleiber, das raffiniert-geniale Richard Strauss Werk, das gekonnt kalkuliert, was wie bei welcher Gelegenheit zu komponieren ist, zu einer natürlich und emotional mitreißenden musikalischen Geschichte zu formen. Der im allgemeinen Anachronismus noch einmal anachronistische Sängerauftritt im 1. Akt (Anton Dermota), der wienselige Ausklang dieses 1. Aktes, der Zeitstillstand bei der Überreichung der silbernen Rose, die Egozentrik des Baron Ochs im 2. und 3. Akt, die Walzer, der Spuk im 3. Akt, und dann, noch einmal erhöht, Terzett und Duett (das endgültige Freigeben des Octavian durch die Marschallin und das musikalische Liebesbekenntnis des neuen jungen Paares zueinander) – all das klingt dann noch nach, aus dieser ganz eigenen Welt, die mich verzaubert hat, aus diesem Opernhimmel, kann und will ich mich noch länger nicht lösen.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Paul Czinners legendärer Film von 1962 mit Karajan und der Salzburger Festspielbesetzung, 2011 neu editiert in restaurierter Fassung von der englischen Firma PARK CIRCUS. An der älteren DVD-Ausgabe war technisch viel auszusetzen, jetzt sind die Mängel, wie etwa die nicht optimale Schärfe, durchaus verkraftbar und man kann diesen Höhepunkt des Opernfilms richtig genießen.

    Denn egal, ob man Karajans "Buttercreme"-Klang (als Wiener möchte ich eher von köstlichem Schlagobers sprechen) oder die Schwarzkopf als Marschallin mehr oder weniger mag - daß sie beide zu den bedeutendsten Interpreten des "Rosenkavaliers" zählen, ist kaum zu bestreiten. Nach meinem Urteil ist die Schwarzkopf der Hofmannsthal-Idee vielleicht sogar am nächsten: Keineswegs alt, sondern noch immer jung (wenngleich im absoluten Endstadium der Jugend), nur eben nicht mehr so frisch wie Sophie, großherzig, liebevoll, auch weise, aber doch durch ihr Schicksal etwas verbogen. Hätte sie sich weniger kompliziert gegeben, wäre es ihr vielleicht sogar gelungen, Octavian zu halten. Elisabeth Schwarzkopf wirkt hier nicht so künstlich wie manchmal sonst und sehr anrührend, sehr die Rolle durchdringend und hervorragend wortdeutlich. Übrigens ist die Wortverständlichkeit auch bei allen anderen Mitwirkenden ausgezeichnet.
    Sena Jurinac als Octavian: Nur in Superlativen zu loben. Anneliese Rothenberger als Sophie: Ebenso, wohl eine ihrer besten Partien überhaupt. Bei Otto Edelmanns Ochs muß ich nur insofern etwas einschränken, als er zwar schön singt und auch blendend vermittelt, daß er kein so verbrauchter Schwerenöter ist, wie man meinen könnte, aber das Bäuerische gerät ihm allzusehr in Richtung Wiener Proletentum. Ich suche vergeblich den verschütteten adeligen Kern.
    Ein Traum natürlich Erich Kunz als Faninal, Giuseppe Zampieri als italienischer Sänger, Judith Hellwig als Leitmetzerin, Hilde Rössel-Majdan als Annina usw. usw.
    Das Bühnenbild schön und passend, doch gibt es noch schönere und noch passendere (die riesige Bühne macht die Aufgabe bekanntlich mehr als schwer), die Personenführung Rudolf Hartmanns ist bis in die Fingerspitzen exquisit und stimmig.
    Alles in allem bleibt das für mich auf Dauer eine Sternstunde der Opernkunst, obwohl es nicht weniger wundervolle "Rosenkavaliere" auch früher, später und jetzt gab und gibt.

    Liebe Grüße

    Waldi

    ______________________

    Homo sum, ergo inscius.

  • Lieber Waldi!

    Ich gebe Dir da in allem Recht - nur Anneliese Rothenberger war für mich nicht die absolute Sophie, wir hatten damals doch Hilde Güden oder Wilma Lipp warum hat Karajan die nicht genommen.

    Bei Hilde Güden, glaube ich, war es durch "Die Schweigsame Frau" - Aminta nicht möglich, die gleichzeitig in Salzburg aufgeführt wurde die Sophie zu singen, aber Wilma Lipp war frei, denn sie sang damal keine "Königin in Salzburg.

    Liebe Grüße sendet Dir Peter. :wink:

  • Lieber Peter,

    Ob die von mir hochverehrte Wilma Lipp das Mädchenhafte auch so verkörpert hätte, wie es der Rothenberger gelang - ich wüßte es im Moment nicht zu sagen. Rothenbergers Sophie ist natürlich etwas anders als die der Güden, aber für mich absolut ebenbürtig. Sie weiß es treffend, das unerfahrene Mädchen zu charakterisieren, das aber keineswegs ein Dummchen ist. Und gesanglich finde ich sie himmlisch.

    Liebe Grüße

    Waldi

    ______________________

    Homo sum, ergo inscius.

  • Ich gebe Dir da in allem Recht - nur Anneliese Rothenberger war für mich nicht die absolute Sophie, wir hatten damals doch Hilde Güden oder Wilma Lipp warum hat Karajan die nicht genommen.


    Was genau dahinter steckte, weiß ich natürlich auch nicht. Aber es müsste einen Grund geben.
    Soweit ich weiß, entstand dieser Film aus einer Aufführungsserie bei den Salzburger Festspielen 1960 heraus, deren Premiere, gleichzeitig die Eröffnungsvorstellung des Großen Festspielhauses, auch auf CD erschienen ist. Gegenüber den Bühnenaufführungen hat man beim Film die Rollen der Feldmarschallin und der Sophie neu besetzt: Die Marschallin sang auf der Bühne Lisa della casa, die Sophie eben Hilde Güden. Für den Film hat man della Casa und Güden durch Schwarzkopf und Rothenberger ersetzt. Das muss eine bewusste Entscheidung gewesen sein und es muss Gründe dafür geben.
    Ich könnte mir vorstellen, ein wichtiger Grund könnte die bessere Vermarktbarkeit der eingewechselten Sängerinnen seien. Von der Konkurrenz zwischen Schwarzkopf und della Casa im Hinblick auf die mediale Darstellung liest man ja immer wieder einmal und vielleicht hat man auch mit der in den Massenmedien sehr präsenten und überregional populären Anneliese Rothenberger bessere Vermarktungschancen gesehen. Vielleicht war Güden aber auch durch andere Verträge gebunden und für die Filmproduktion nicht frei (etwa weil sie die Rolle eine bestimmte Zeit vorher bereits in einer Aufnahme gesungen hatte).

    Ich liebe Wagners Musik mehr als irgendeine andre. Sie ist so laut, daß man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne daß andre Menschen hören, was man sagt. - Oscar Wilde

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