Alfred Hitchcock - Seine besten Filme

  • 90 Minuten und ein einziger Schauplatz, keine Einstellung, die sich wiederholen sollte, Erkältungen, Rippenbrüche, Lungenentzündungen und on top dann noch Tallulah Bankhead - die Dreharbeiten müssen eine wahre Herausforderung gewesen sein.

    Acht Opfer (und ein Täter) eines deutschen U-Boot-Angriffs in einem Rettungsboot im Atlantik und ihr verzweifelter Versuch mit und ohne Hilfe des Deutschen die Bermudas zu erreichen. Mord und Totschlag und alles, was man sich so ausmalen kann, findet dort nun statt. Eine an sich schon spannende Geschichte, wie immer, wenn unterschiedlichste Menschen in einer Extremsituation auf engstem Raum zusammen gepfercht sind, wunderbar in Szene gesetzt, ohne einen einzigen langweiligen Moment. Dazu kommen aber dann die politischen Auseinandersetzungen. Die Amerikaner (plus eine Engländerin) auf der einen Seite: der Arbeiter, der Migrant, der Milliardär, die emanzipierte Journalistin, der Schwarze, der kleine Angestellte, die Krankenschwester - der deutsche Kapitän auf der anderen, der kühl/kalt kalkulierend seinen Weg verfolgt. Demokratie gegen Diktatur, Vernunft gegen Moral, Rache gegen Justiz usw.

    Eine hochkomplexe Mischung, die Hitchcock hier ausbreitet, diesmal vor allem politischer, philosophischer Natur. Keine durchgeknallte Mutter, keine rasante Autofahrt hart am Abgrund, keine Entlarvung versteckter Sexualneurosen, kein unschuldig Verfolgter, aber dafür Stoff, der für lange Diskussionen sorgen kann und der eigentlich keine befriedigende Antwort möglich macht. Und dazu noch einer, der gerade heutzutage wieder einmal hochaktuell ist.

    Anders als zu seiner Entstehungszeit gewohnt (1944) gibt es kaum klassische Filmmusik. Eigentlich spielt nur der Schwarze ab und an auf seiner Flöte. Und in einer Szene spielt er doch tatsächlich Musik aus Wagners 'Meistersinger', kaum vernehmbar, aber eindeutig. Was für ein Kommentar! Die Meister im Boot, die von dem Eindringling in ihre Kultur herausgefordert werden. Und dann ist dieser auch noch ein Verbrecher und der Hinweis darauf kommt von einem Schwarzen! Hitchcock konnte schon mit kleinsten Details Lawinen lostreten.

    'Rettungsboot' ist sicherlich nicht der Hitchcock, den man erwartet, wenn man eben Hitchcock haben möchte. Er ist ganz anders, aber er ist unzweifelhaft ein Meisterwerk!

    :wink:Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • (USA 1945)

    Ein bisschen Psychoanalyse, ein bisschen Dalí, ein bisschen romantische Liebe und ein ausgewachsener 'Whodunnit', alles zusammengemischt und heraus kommt - kein guter Film. Ich kann mit ihm nichts anfangen und eigentlich wird bei jedem Wiedersehen schlimmer.

    Hitchcock und sein Drehbuchautor Ben Hecht sahen sich 1945 noch genötigt, Psychoanalyse dem breiten Publikum zu erkläre und sie gleichzeitig auch radikal zu vereinfachen. Das ist verständlich, sorgt aber dafür, dass der Film doch ziemlich in die Jahre gekommen ist. Dazu kommen ein nicht sehr aufregender Plot, Tricksequenzen, die schon 1945 nicht überzeugt haben können, eine für mich penetrante Musik und wenig inspirierter Humor.

    Natürlich gibt es auch eine Plusseite. Michael Chekhov als alter Professor gehört unbedingt dazu und auch einige gute, typische Hitchcock-Sequenzen. (Die Schlusseinstellung beim Selbstmord gehört unbedingt nicht dazu!) Aber das alles wiegt die Nachtteile nicht auf. Nein, ich kann mit dem Film nichts anfangen.

    :wink:Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Heute habe ich mir dann den 'Zwilling' von 'Der falsche Mann' angesehen:

    Beide ähnlich sich schon visuell, von der Thematik her (ok, der unschuldig Verdächtigte ist nun gängiges Motiv bei H.), die Rolle des Katholizismus, die Realitätsnähe. Allerdings finde ich, dass er im 'falschen Mann' die Düsterkeit noch weiter treibt. Jedenfalls war ich von 'Ich beichte' wieder sehr begeistert, gerade auch von der Kameraführung und vom Spiel Montgomery Clifts. Er rangiert bei mir ganz oben, gerade, weil er doch durchaus etwas Tröstliches für mich hat.

    :wink: Wolfram

    Nachdem ich ihn ('I Confess')vor wenigen Wochen erst gesehen hatte, kam er noch einmal bei unserem nun langsam traditionellen, monatlichen Filmabend in etwas größerer Runde dran. Und es war schon witzig, wie ich ihn plötzlich doch ein wenig anders beurteilte und darin eigentlich mit den Freunden übereinstimmte.

    Die visuelle Seite empfanden wir weiterhin (größtenteils) großartig, wenn Hitchcock auch in manchen Einstellung doch recht überdeutlich ist. Aber die Story insgesamt bietet eigentlich doch zu wenig. Sie würde ja auch funktionieren, wenn es die ganze Liebesgeschichte mit Ann Baxter nicht geben würde, die damit eher zu einem schmückenden Beiwerk wird. Geht man dann aber zum Kern des Themas, zum Priester, der ein Beichtgeheimnis nicht verraten darf, dann wird es doch recht dürftig. Was also den eigentlichen Plot angeht, gibt es doch Mängel.

    Aber auch die Schauspieler beurteilten wir nun ganz anders. Von Baxter und Clift waren wir weniger angetan, eher dann von Malden. Einig waren wir uns bei O.E. Hasse, der hier eine wirklich ganz starke Leistung liefert, ebenso wie Dolly Haas als seine Ehefrau.

    So richtig in Schwung kamen wir auch nicht bei der Filmmusik von Tiomkin. Zu aufdringlich? Zu sehr präsent? Zu romantisch? Aber vielleicht war das auch Geschmackssache. Bernhard Herrmann verdirbt einen dann doch. ;)

    Es ist alle zusammen genommen eher ein Kammerspiel, ein kleiner, stiller, auch zurückhaltender Film, visuell größtenteils unheimlich stark, aber mit Schwächen. Missen möchte ich ihn trotzdem nicht.

    :wink:Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Ich hatte neulich ja mal wieder Vertigo hier. Ich versuchte es ja immer wieder. Aber wieder erfolglos. Nach 60 Minuten war Ende. Ich mag diesen Film nicht nur nicht, ich hasse ihn fast Schlecht2 diese völlig beim Überdrehen aus den Fugen gefallene Geschichte... Diese schrecklichste Filmmusik die ich kenne (außer bei Spielberg)... Diese furchtbare Möchtegernpsychologie... Ich finde das alles Murks, Tschuldigung. Murks.

    Alles was ich an Vertigo mag: ein James Steward in Hochform und schicke Bilder von San Francisco. Mir reicht das nicht. OK, ich weiß schon warum der so berühmt ist (intellektuell nachvollziehbar), aber wenn dann garnix beim Sehen von all den aufkonstruierten cineastischen Argumenten sich mir vermittelt... Dann isses eben nix für mich.

    Dieser und 2001, das ist nicht meins und wird es nimmer werden. Liegt sicher an mir und nicht an den Filmen.


    :)

    "Verzicht heißt nicht, die Dinge dieser Welt aufzugeben, sondern zu akzeptieren, daß sie dahingehen."
    (Shunryu Suzuki)

  • aber dafür dieser hier, der bei mir immer ein bißchen unter dem Radar läuft aber ein großes Meisterwerk ist:

    Viel Schlimmes passiert doch garnicht. Aber man sitzt auf der Stuhlkante... Das kann nur Hitchcock. Wunderbar fotografiert, bildtechnisch ein Meisterstück, intensiv bis zum platzen, und herrlich romantisch bei allen bösen Untertönen - viel zu lang nicht mehr gesehen, er gehört jedes Jahr einmal in den Player <3


    :)

    "Verzicht heißt nicht, die Dinge dieser Welt aufzugeben, sondern zu akzeptieren, daß sie dahingehen."
    (Shunryu Suzuki)

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