Alfred Hitchcock - Seine besten Filme

  • Daß die beiden schwul sind war mir garnicht aufgegangen..

    Das hat das Drehbuch auch tunlichst verschweigen müssen. 1948 war manches möglich, aber so etwas schon mal gar nicht. ^^ Arthur Laurents hat das der Vorlage wohl entsprechend, einbauen wollen, scheiterte aber immer wieder an der Zensur. 'My dear Brandon' wurde z.B. gleich gestrichen. 'Sie sind beide heute mit dem linken Fuß zuerst aufgestanden' durfte gerade noch gesagt werden.

    und ohne das zwar spannende Experiment ohne Einstellungswechsel auszukommen wäre das eine längliche Theaterabfilmumg gewesen.

    Es wie ein Theaterstück verfilmen zu wollen, war wohl auch Hitchcocks eigentliche Absicht. Aber irgendwie hat das wohl nicht funktioniert.

    Wie manche Alfred Hitchcocks für mich kein Meisterwerk nur weil er es gemacht hat.

    Natürlich hat er auch schwache Leistungen abgeliefert. Aber toll finde ich, dass er immer wieder technische Probleme gesucht hat, die er meistern wollte. Da geht natürlich manches daneben. Aber aus solchen Phasen hat er sich immer wieder befreien können.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Das finde ich auch, lieber Wolfram, aber eben diesen Film finde ich noch so toll.. Er fesselt mich wenig ;(

    "Verzicht heißt nicht, die Dinge dieser Welt aufzugeben, sondern zu akzeptieren, daß sie dahingehen."
    (Shunryu Suzuki)

  • Ja, Rope leidet erheblich an seiner Technik, die mit einer schweren Mitchell-Kamera an einen autogroßen Kran montiert nicht sehr viel Freiheit zuläßt - jedenfalls nicht in dem Sinne, wie es die Konzeption gebraucht hätte. Der Dreh war auch sehr aufreibend, weil hier Cast und Crew optimal funktionieren mußten, um die Takes gelingen zu lassen. Das war schwierig und in seiner perfektionistischen Sicht auch unmöglich.

    Was mich aber früher immer angesprochen hat, war genau dieser Blick, den Hitchcock fokussierte: eine bewegliche Kamera, die wie ein unsichtbarer Beobachter durch die Wohnung ging und die Ereignisse in Realzeit dokumentierte. Das Fortschreiten der Dämmerung, die Details, die Übergänge zu den einzelnen "Shots", die dabei viele weitere Informationen lieferten. Dieses Experiment hat bis heute nicht sehr viele Nachahmer gefunden (ich komme auf 2-3 weitere), aber es wurde so gut wie möglich realisiert. Damals konnte man es nicht besser machen.

    Was die Story betrifft: es ist einer jener Filme, die Hitchcocks Abseitigkeiten deutlicher zum Ausdruck bringen als sonst. Der reale Vorfall ist schon schlimm genug (immerhin war das Opfer erst 14 Jahre alt gewesen), aber in Hitchcocks Kosmos wird er ohnehin zu einer fixen Idee umgeändert. Selbst in dieser entschärften Sichtweise ist die Handlung damals mehr als makaber empfunden worden, und heutzutage zeigt es immer noch erstaunlich wenig Empathie; sicherlich liegt das an der intellektuellen Entrückheit, mit der das Thema Mord thematisiert wird. Insofern wirkt Stewarts Endmonolog auch so unbefriedigend, weil sein Charakter sich als schwafelnder Idiot erweist - er hat den beiden ja die Idee in die Köpfe gesetzt und trägt zumindest moralisch eine Mitschuld, aber ihnen dann die Köpfe zu waschen, paßt einfach nicht.

    Beim letzten Sehen ist mir das nochmals konkret vor Augen gekommen - Rope ist im Grunde ein Film, der thematisch umstritten und von der Story sehr angreifbar ist; seine Technik ist beeindruckend im Ringen um das Bestmöglichste, doch das macht eben nicht alles wett. Die Darsteller sind klasse und funktionieren vorzüglich.

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Er fesselt mich wenig

    Ausgerechnet zu Rope sagst du das... :D

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  • Ich werde wohl das Zitieren hier niemals mehr lernen (vielleicht geht das mit Handy auch garnicht). Also stoppele ich mal zusammen:

    "... und heutzutage zeigt es immer noch erstaunlich wenig Empathie; sicherlich liegt das an der intellektuellen Entrückheit, mit der das Thema Mord thematisiert wird."
    Ja!

    "er hat den beiden ja die Idee in die Köpfe gesetzt und trägt zumindest moralisch eine Mitschuld, aber ihnen dann die Köpfe zu waschen, paßt einfach nicht."
    Jupp.

    "... seine Technik ist beeindruckend im Ringen um das Bestmöglichste, doch das macht eben nicht alles wett. "
    Macht eben viel zu wenig wett für mich. Außer daß Hitch ein handwerkliches Genie war bleibt mir zu wenig hängen. Aber ein beeindruckendes Experiment für Fans und Komplettisten ist dieser Film natürlich schon, und er ist ja nicht mißlungen, er erstarrt nur in einer lediglich handwerklichen Schönheit. Wenn ich da an die 39 Stufen denke oder an den unsichtbaren Dritten oder an Psycho oder die lange, lange, heiß geliebte Einleitung der Vögel bevor Vögel groß kommen...


    LG :)

    Wunderbar mit Leuten wie Wolfram oder Josquin sich so über Filme verplaudern zu können, das gibt mir viel :sofa2:

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    (Shunryu Suzuki)

  • Der Dreh war auch sehr aufreibend, weil hier Cast und Crew optimal funktionieren mußten, um die Takes gelingen zu lassen. Das war schwierig und in seiner perfektionistischen Sicht auch unmöglich.

    Dafür sparte er viel Zeit und Aufwand beim Schnitt des Films. :D

    Insofern wirkt Stewarts Endmonolog auch so unbefriedigend, weil sein Charakter sich als schwafelnder Idiot erweist - er hat den beiden ja die Idee in die Köpfe gesetzt und trägt zumindest moralisch eine Mitschuld, aber ihnen dann die Köpfe zu waschen, paßt einfach nicht.

    Empfinde ich genau so. Stewarts Erklärung ist mehr als hanebüchen. Schon sein Gespräch mit der Tante des Opfers zeigt seine Mitschuld. Denn wenn er auch nur annähernd das im Internat ohne Ironie verkündet hat....

    Rope ist im Grunde ein Film, der thematisch umstritten und von der Story sehr angreifbar ist; seine Technik ist beeindruckend im Ringen um das Bestmöglichste, doch das macht eben nicht alles wett.

    Sehr gut zusammengefasst.

    Wenn ich da an die 39 Stufen denke oder an den unsichtbaren Dritten oder an Psycho oder die lange, lange, heiß geliebte Einleitung der Vögel bevor Vögel groß kommen...

    Die Liste könntest du endlos verlängern, was mich allerdings automatisch zu der Frage nach dem schlechtesten Hitchcock bringt. Welchen würdet ihr denn da nominieren? ;)

    Wunderbar mit Leuten wie Wolfram oder Josquin sich so über Filme verplaudern zu können, das gibt mir viel

    Für das Kompliment danke ich und gebe es gleich zurück. :)

    :wink: Wolfram

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  • Für einen der schwächeren Filme habe ich persönlich immer 'Der falsche Mann' angesehen.

    Was für ein Idiot bin ich. :D Heute sah ich ihn nach vielen Jahren erneut und war begeistert und auch geschockt.

    Geschockt: Weil es ein so ganz anderer Hitchcock ist, weil er so realistisch, so echt daherkommt, weil man sich nicht hinter einem manchmal absurden Plot verstecken kann, weil er keinen Humor hat, weil er so depressiv, so traurig, so realistisch angsteinflößend ist.

    Begeistert: Weil es ein so ganz anderer Hitchcock ist, weil er so realistisch, so echt daherkommt, weil man sich nicht hinter einem manchmal absurden Plot verstecken kann, weil er keinen Humor hat, weil er so depressiv, so traurig, so realistisch angsteinflößend ist.

    Und weil er wieder einmal die Kamera genau richtig platziert, weil es tolle Schauspieler sind, weil die Musik und ihr Einsatz so grandios sind, weil so viel Hitchcock darin enthalten ist und so viel von uns selber.

    Wie man schon sehen kann, ich war mehr begeistert als geschockt. Irgendwie kommt er zwischen all den Technikcolor-Produktionen als relativ klein und bescheiden daher. Was für ein Missverständnis! (ähnlich bei 'I Confess') Das ist höchste Kunst, höchste Film-Kunst, aber ich befürchte, er wird nie einer meiner Lieblings-Hitchcocks werden. Unter cineastischen Gesichtspunkten vielleicht, aber was ich an diesem Regisseur eben so liebe, ist eben gerade die Verbindung von Unterhaltung und Filmkunst auf höchstem Niveau. Und die Unterhaltung fehlt hier halt. Wäre es der Film irgendeines anderen Regisseurs - großartig! Für Hitchcock, für mich, leider ein Tick zu wenig. ^^

    :wink: Wolfram

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  • Der schlechteste Hitchcock?

    ... Hmmm... Von Topaz war ich nicht sehr begeistert und Familiengrab, aber nicht mich festnageln weil es lang her ist, und ich hab ihn auch nicht und werde ihn wohl auch nicht anschaffen, der hat keine Spur in meiner Erinnerung hinterlassen.

    Hitchcock ist für mich einer der die 30er bis 60er Jahre geprägt hat. In den 70ern (also die fingen 68 an für mich) war dann anderes aufregender. Allerdings mag ich Frenzy. Finster! Nochmal groß!

    Über den Dächern von Nizza ist eine charmante Krimi Komödie, aber nix wirklich besonderes für mich, und wenn ich Hitchcock schau will ich was andres. Deswegen steht der bei mir weiter unten als er es wohl verdient hätte.

    Und dann war da noch so ein Agentending aus den 40ern in Lateinamerika der war auch wenig meins, Titel hab ich vergessen, und Rettungsboot, auch eher nicht toll für mich.

    Aber die meisten liebe ich sehr :D

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    (Shunryu Suzuki)

  • Und dann war da noch so ein Agentending aus den 40ern in Lateinamerika der war auch wenig meins, Titel hab ich vergessen, und Rettungsboot, auch eher nicht toll für mich.

    Du meinst bestimmt 'Berüchtigt' - 'Notorious' mit Bergmann und Grant. Toller Film. Allerdings liebe ich auch das 'Rettungsboot'. Einer der wenigen, die ich kenne. :D

    Über das besondere Ranking muss ich selber noch mal nachdenken. ^^

    :wink: Wolfram

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  • Für einen der schwächeren Filme habe ich persönlich immer 'Der falsche Mann' angesehen.

    Tatsächlich? Ich weiß, daß der Film nicht sehr beliebt ist, aber er gehörte eigentlich immer zu seinen besten Arbeiten.

    Unter cineastischen Gesichtspunkten vielleicht, aber was ich an diesem Regisseur eben so liebe, ist eben gerade die Verbindung von Unterhaltung und Filmkunst auf höchstem Niveau.

    Hm, Unterhaltung war Hitchcock wichtig, aber damit erklärt sich auch seine Rezeption zu Lebzeiten - es waren die Franzosen, die ihn zuerst als Original feierten, ansonsten galt er als kommerzieller Filmer. In den 1950er Jahren gab es andere Regisseure, die damals als bedeutend galten. Seine Rezeption als Genie des Kinos kam erst so richtig in den 1970er Jahren ins Rollen.

    Er ist ohnehin einer der eher wenigen Originale des Kinos, der konkret an Publikumswirkung dachte; viele andere Meister haben eher einen eigenen Stil, der sich vom Mainstream auch mal abheben kann.

    Der schlechteste Hitchcock?

    Oja, das ist eine Überlegung, die genau ermittelt sein muß... :pfeif:

    Allgemein sollen Der zerissene Vorhang und Topaz als schwach gelten, aber ich kann sie gut durchsehen - ja, gewiß keine große Kunst, aber gute Unterhaltung mit exzellentem Handwerk. Familiengrab mag ich, weil er noch immer typisch Hitchcock ist, Frenzy ist ein Knaller, sein letzter wirklich starker Film! Marnie halte ich für unter seinen ambitionierten Möglichkeiten geblieben, Die Vögel fällt mir eigentlich zu sehr auseinander - außer des Aspektes des Schreckens, der in den Alltag einbricht, finde ich die Story etwas flach. - Dennoch: alles Filme, die man gut sehen kann.

    Wenn ich wirklich "schlechte" Filme nennen will, dann muß ich auf die frühen britischen Filme zurückgreifen, aber selbst da ist die Technik immer sehr gut. Number 17 ist ziemlich mau, weil der Film sehr langsam abläuft und von der Story her wenig Kontinuierliches hat, Waltzes from Vienna hat nichts mit Hitchcocks normalen Sujets zu tun (ist ein Musical), und viele seiner Stummfilme sind reine Melodramen (Pleasure Garden, Easy Virtue, Downhill). In der Zeit vor The Man Who Knew Too Much (1934) würde ich The Lodger, Blackmail, Murder! und Rich & Strange als seine besten Arbeiten ansehen; danach ist fast jeder Film immer noch wenigstens ansehbar.

    Insgesamt gibt es einige Filme, die nicht als perfekt gelungen gelten: Riff-Piraten, Mr. & Mrs. Smith, Der Fall Paradin, Sklavin des Herzens oder Ich beichte. Bei Sklavin bin ich durchaus der Meinung, daß er eher langweilig wirkt; Riff-Piraten hat kaum Hitchcock-Stil, doch ich mag ihn trotzdem gerne. Paradin finde ich gar nicht schwach, und Ich beichte habe ich auch in sehr guter Erinnerung. Mr. & Mrs. Smith ist er einzige seiner US-Filmen, den ich noch nie gesehen habe.

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

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  • Riff Piraten mag ich auch gerne <3
    Sogar sehr sehr gerne, die eventuell offensichtlichen Schwächen interessieren mich hier garnicht. Der ist herrlich im November bei Kerzenlicht


    "schlechtester Hitchcock" ist ein unergiebiges Thema weil er ja nie wirklich schlecht war. Keine gute Idee. Laßt ihn uns feiern statt zu mäkeln.

    Und ich guck jetzt Rebecca mal wieder. So :cincinsekt:


    LG :)

    "Verzicht heißt nicht, die Dinge dieser Welt aufzugeben, sondern zu akzeptieren, daß sie dahingehen."
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  • Möglicherweise kann man den Film noch als eine Art von Kommentar auf das gerade drei Jahre zuvor zugrunde gegangene III. Reich ansehen. Aber warum muss es dann ein schwules Paar sein? Ich denke, Hitchcock hatte eine andere Intention. Aber so oder so, es geht für mich nicht auf.

    Lohnenswert könnte es sein, sich einmal mit den Hintergründen dieses Highlights aus dem Werk des Großmeisters zu beschäftigen:

    Das perfekte Verbrechen - Der Mord an Bobby Franks

    Im Übrigen lässt narürlich auch Richard Fleischer mit seiner Clarence Darrow-Hommage grüßen. Auch dieses Werk ist sehr sehenswert. Die Hauptrolle füllt übrigens Orson Welles aus.

  • Familiengrab mag ich, weil er noch immer typisch Hitchcock ist

    ... den ich sehr mag, weil er außerordentlich witzig, nicht zuletzt auch wegen der Vielzahl sexueller Anspielungen, ist. Ähnliches, d.h. hinsichtlich sexueller Anspielungen, findet man auch bei Rope gleich zu Beginn anlässlich der Mordszene, codierter intensiver schwuler Sex, Davids Todesschrei (enthemmte sexuelle Zuspitzung?), zudem die Zigarette (Brandon) nach dem intimen gemeinsam durchgeführten erschöpfenden Vorhaben, dunkles Zimmer, die phallische Champagnerflasche, die zunächst von Brandon befingert wird, bis sie schließlich von Phillip geöffnet wird. Alles nur angedeutet, aber von Hitchcock filmisch außerordentlich schlau ausgeklügelt und in Szene gesetzt.

  • Heute habe ich mir dann den 'Zwilling' von 'Der falsche Mann' angesehen:

    Beide ähnlich sich schon visuell, von der Thematik her (ok, der unschuldig Verdächtigte ist nun gängiges Motiv bei H.), die Rolle des Katholizismus, die Realitätsnähe. Allerdings finde ich, dass er im 'falschen Mann' die Düsterkeit noch weiter treibt. Jedenfalls war ich von 'Ich beichte' wieder sehr begeistert, gerade auch von der Kameraführung und vom Spiel Montgomery Clifts. Er rangiert bei mir ganz oben, gerade, weil er doch durchaus etwas Tröstliches für mich hat.

    :wink: Wolfram

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  • ... den ich sehr mag, weil er außerordentlich witzig, nicht zuletzt auch wegen der Vielzahl sexueller Anspielungen,

    Geht mir auch so. Ich halte 'Familiengrab' für den schwächeren der beiden letzten Filme, aber es freut mich einfach, dass seine Karriere nicht mit schwachen, schwächeren Filmen ausgeklungen ist, sondern, dass er einfach noch einmal 'Duftmarken' setzen konnte.

    Ähnliches, d.h. hinsichtlich sexueller Anspielungen, findet man auch bei Rope gleich zu Beginn anlässlich der Mordszene, codierter intensiver schwuler Sex, Davids Todesschrei (enthemmte sexuelle Zuspitzung?), zudem die Zigarette (Brandon) nach dem intimen gemeinsam durchgeführten erschöpfenden Vorhaben, dunkles Zimmer, die phallische Champagnerflasche, die zunächst von Brandon befingert wird, bis sie schließlich von Phillip geöffnet wird. Alles nur angedeutet, aber von Hitchcock filmisch außerordentlich schlau ausgeklügelt und in Szene gesetzt.

    Interessante Deutung, wobei ich mir nicht sicher bin, ob du nicht zu viel hineininterpretierst. Aber wenn dem so ist, warum die Gleichsetzung von schwulem Sex und Mord?

    :wink: Wolfram

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  • Tatsächlich? Ich weiß, daß der Film nicht sehr beliebt ist, aber er gehörte eigentlich immer zu seinen besten Arbeiten.

    Zum Glück bin ich lernfähig. ;)

    Hm, Unterhaltung war Hitchcock wichtig, aber damit erklärt sich auch seine Rezeption zu Lebzeiten - es waren die Franzosen, die ihn zuerst als Original feierten, ansonsten galt er als kommerzieller Filmer.

    Gerade die französischen Kritiker, die späteren Regisseure liebten 'Wrong Man' und 'I Confess' ja besonders.

    :wink: Wolfram

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  • "schlechtester Hitchcock" ist ein unergiebiges Thema weil er ja nie wirklich schlecht war. Keine gute Idee. Laßt ihn uns feiern statt zu mäkeln.

    Ach komm, das ist kein Mäkeln. Und schließlich kann ja niemand erwarten, dass jemand 53 Meisterwerke schafft. Wobei mir übrigens kein anderer einfällt, der so viele geschaffen hat.

    Und ich guck jetzt Rebecca mal wieder. So

    Den habe ich gestern gesehen, auch nach langen, langen Jahren wieder einmal, weil ich mich irgendwann schlichtweg sattgesehen hatte an ihm. Zunächst dachte ich, ich kann die Geschichte immer noch nicht ertragen (hab damals das Buch gelesen, es auf Englisch und Deutsch gehört, das englische Hörspiel verschlungen und eben den Film geschaut) und Joan Fontaine mit ihrem Schulmädchengehabe geht mir immer noch ziemlich auf die Nerven. Später wird das besser. Später wurde der ganze Film dann besser und ich kam ziemlich schnell wieder in einen 'Rebekka-Rausch' hinein und konnte überhaupt nicht mehr davon lassen.

    Wobei ich den Film gar nicht einmal so typisch für Hitchcock empfinde. Aber was ist schon typisch an einem Regisseur, der immer auch wieder diese visuellen Kehrtwendungen vollzogen hat? Untypisch meine ich, weil diese herausragenden, im Gedächtnis bleibenden Szenen fehlen, wie z.B. das Final auf der Freiheitsstatue in 'Saboteure' oder die Regenschirmsequenz im 'Auslandskorrespondent' oder die Milchglasszene in 'Verdacht' oder die mit dem Schlüssel in 'Berüchtigt' und...und...und...

    Eigentlich hat er doch überall so etwas in seinen Filmen, diese Genieblitze, egal, ob der Film nun durchgängig gut ist oder Schwächen hat. Aber vielleicht ist das Fehlen solch einer Sequenz in 'Rebekka' auch ein Vorteil, weil er einfach durchweg auf einem immens hohen inszenatorischen Niveau ist.

    :wink: Wolfram

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  • Nun hatte ich gerade einen ellenlange Text verfasst, der aber nicht hochgeladen wurde und bevor ich ihn kopieren konnte, war er weg. Also versuche ich es nochmal. ?(

    Ich wollte nämlich jetzt ein wenig mäkeln. ;)

    Juno and the Paycock und Waltzes from Vienna kenne ich nicht, die beiden Filme aus der Kriegszeit Bon Voyage und Aventure Malgache lasse ich mal weg, ebenso Skin Game, weil ich den nur in einer grauenhaften Version habe bei der man kaum ein Wort versteht. Und einige Stummfilme habe ich lange nicht gesehen.

    - Nummer 17 fällt mir auch zunächst ein, weil ich die Story schwerfällig finde und die gesamte Zeit im Haus als langweilig empfinde. (Hitchcock und langweilig - das hat er wahrlich nicht immer hingekriegt. ^^ )

    Die übrigens englischen Filme passen für mich in dieses Ranking nicht, weil sie entweder großartige visuelle Einfälle haben oder weil sie schlichtweg toll sind.

    - Der Fall Paradin, weil ich ihn gerade in der Gerichtsszene als zu lang, vielleicht sogar langatmig empfunden habe, trotz einiger bemerkenswerten Einfälle.

    - Cocktail für eine Leiche ist ein interessantes Experiment, aber für mich insgesamt als solches gescheitert. Ansonsten habe ich dazu ja gerade etwas geschrieben.

    - Slavin des Herzens ist vielleicht für mich wirklich der Tiefpunkt. Ich sehe ihn gerade und quäle mich. Die langen Kamerafahrten im Haus sind technisch ganz interessant, dramaturgisch gehen sie für mich nicht auf. Die drei Hauptdarsteller überzeugen nicht, die Story ist nicht gerade aufregend. Vielleicht konnte Hitchcock aber eh keine Kostümfilme drehen. Riff-Piraten ist manchmal für mich auch so ein Wackelkandidat, aber der hat immerhin Charles Laughton!

    - Die rote Lola, weil mir Jane Wyman auf den Keks geht, weil die gelogene Rückblende einfach nicht geht (in 'Ich beichte' gibt es ja etwas Ähnliches, aber das wird durch die Hingabe von Ann Baxter erklärlich und außerdem hat dies keinen Einfluss auf die Handlung).

    Und dann hebt er ja wirklich ab. Bis zu seinem letzten Film gibt es eigentlich nur noch herausragende Filme, vielleicht mit den Ausnahmen 'Marnie', 'Zerrissener Vorhang' und 'Topaz'. Marnie isst vielleicht unterschätzt, weil doch sehr vielschichtig. Allerdings hat er die falsche Hauptdarstellerin. ^^ Darin nur noch getoppt von 'Torn Curtain', der gleich zwei Fehlbesetzungen hat. Jedenfalls für mein Empfinden. Andererseits ist er spannend von der ersten bis zur letzten Minute und die Mordszene ist eine der köstlichsten überhaupt. Und Topaz ist, schwach wie er ist, trotzdem spannend, hat unglaubliche visuelle Ideen und in der Folterszene auch noch sehr ergreifend.

    :wink: Wolfram

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    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • 'Sklavin des Herzens' habe ich nun beendet und auch der lange, lange Rest hat mich nicht begeistert und entsprach genau meiner Erinnerung. Interessant ist ja, dass die Autoren der Cahiers Cinema (Chabrol, Rohmer, Truffaut, Rivette) den Film damals neben 'Ich beichte' als den besten Hitchcock angesehen haben und auch er selber ihn sehr verteidigt hat. Das eben wäre reines Kino, die Kamerafahrt ohne Schnitt, die mit der Aktion der Schauspieler zusammentreffen würde. Später (im Interview mit Truffaut) ist er davon abgewichen und hat gesagt: 'Filme müssen geschnitten sein.' Und ich denke, da hat er recht.

    Lange Kamerafahrten funktionieren als Mittel vielleicht nur, wenn eine 360°-Perspektive möglich ist, d.h., wenn die Kamera eine ganz andere Freiheit erhält. Aber auch dann wäre es mehr das Abfotografieren der Realität und weniger die Gestaltung innerhalb einer besonderen Kunstrichtung.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Zur 'Erholung' habe ich dann erstmal diesen wieder angeschaut:

    Sein eigener Favorit und es ist visuell, inhaltlich, psychologisch gesehen auch wirklich eines seiner Meisterwerke. Da stimmt mal wieder alles.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

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