Franck, César: Psyché – Sinnlich schön wie eine griechische Statue
Zur Erinnerung: Der gebürtige Lütticher Franck, dessen Eltern übrigens aus der Aachener Gegend stammten, wirkte nach dem Umzug nach Paris dort jahrzehntelang als Organist an verschiedenen Kirchen, insbesondere war er von 1858 bis zu seinem Tod Titularorganist der Kirche St. Clothilde. Diesem Amt wandte er auch deshalb viel Zeit und Herzblut zu, da seine frühen Kompositionen noch nicht auf sehr große Anerkennung stießen; erst in seinen letzten Lebensjahren entstanden seine erfolgreichsten und berühmtesten Werke. An der Orgel entwickelte er einen sehr persönlichen polyphonen Stil, der nicht nur seine eigenen Kompositionen prägte, sondern auch seine zahlreichen Schüler wie d' Indy, Lekeu, Chausson und Duparc entscheidend beeinflußte.
Ein Werk, das schon seit Jahrzehnten zu meinen Lieblingen zählt, erfreut sich bis heute nicht der Aufmerksamkeit, die es verdient hätte:
»Psyché« - Poème symphonique pour orchestre et chœurs :juhu:
Für mich ist dies eines der schönsten und bezauberndsten Werke der französischen Spätromantik, die ja nicht wenige großartige Schöpfungen hervorgebracht hat. Es ist geprägt durch einen bei Franck sonst nicht so häufig vorzufindenden Melodienreichtum, eine an Wagner geschulte virtuose Orchesterbehandlung und eine anhaltend lyrisch-poetische, märchenhafte Grundstimmung.
“Amor und Psyche ist ein antikes Märchen, das uns in dem Roman Der goldene Esel des Lucius Apuleius aus dem Jahre 170 n. Chr. überliefert ist. Psyche ist die Tochter eines unbekannten Königs. Sie ist so schön, dass alle aufhören Venus, die Göttin der Schönheit und der Liebe, zu verehren. Verärgert ruft Venus ihren Sohn Amor und befiehlt ihm, Psyche dazu zu bringen, sich in einen schlechten Mann zu verlieben. Der Vater schickt seine Tochter – wie das Orakel des Gottes Apollon ihm befohlen hat – ein Brautkleid tragend, an eine einsame Bergspitze, auf welcher sie einen furchtbaren Dämon heiraten soll. Doch anstatt des Dämons wird sie von Zephyr, dem Herrn der Winde, auf Anweisung Amors, der selbst der überirdischen Schönheit Psyches erliegt, in ein märchenhaftes Schloss gebracht. In diesem Schloss sucht ihr Gatte sie Nacht für Nacht auf, doch tagsüber verschwindet er, ohne dass sie ihn je zu Gesicht bekommt. Da sich Psyche so einsam fühlt, gewährt er ihr einen Besuch von ihren Schwestern. Amor warnt sie aber, sie dürfe sich nicht von ihnen verleiten lassen herauszufinden, wer er sei. Die Schwestern, zuerst froh, Psyche wohlbehalten vorzufinden, sind schnell vom Neid verzehrt. Bei einem weiteren Besuch gelingt es ihnen, das naive Mädchen davon zu überzeugen, dass sie eine Schlange geheiratet habe, die ihr wegen ihrer furchtbaren Gestalt nie bei Tageslicht gegenübertrete und die die nun Schwangere verschlingen werde. Aus Angst um ihr ungeborenes Kind und um sich selber befolgt sie den Rat ihrer Schwestern und wartet in dieser Nacht mit einer Öllampe und einem Messer auf ihren Mann.
Als sie ihren Geliebten beleuchtet, erblickt sie kein Ungeheuer, sondern den schönen Körper des geflügelten Amor. Psyche – von Liebe zu ihrem göttlichen Gatten überwältigt – merkt nicht, wie ein Tropfen des heißen Öls auf Amors Schultern fällt. Der Gott, der seiner Mutter ungehorsam gewesen ist, fühlt sich betrogen, fliegt davon und lässt Psyche untröstlich zurück.
Venus, voller Wut darüber, dass ihr Sohn ihre Befehle missachtet hat und stattdessen mit Psyche ein Kind gezeugt hat, macht sich auf die Suche nach dem Mädchen. Psyche muss verschiedene lebensgefährliche Aufgaben für die Göttin erledigen. Dank der Hilfe von Ameisen, sprechenden Schilfrohren oder Türmen gelingt es ihr, sie zu lösen. Bei der letzten Aufgabe lässt sie sich aber von dem Wunsch, ihren Geliebten zurückzuerobern, überwältigen. So öffnet sie das Kästchen, das eine Schönheitssalbe der Proserpina, der Gemahlin des Pluto, enthielt. Sie trägt die Salbe auf, welche eigentlich für Venus bestimmt war, und fällt in einen todesähnlichen Schlaf.
Amor, der sich inzwischen von seiner Verbrennung erholt hat, eilt ihr zur Rettung. Da er Psyche immer noch liebt, scheucht er mit seinen Flügeln ihren Schlaf wieder in das Kästchen zurück. Während Psyche das Kästchen abliefert, fliegt Amor zu Jupiter und erlangt die Erlaubnis, Psyche zu heiraten. Der oberste Gott hat Nachsicht und macht Psyche unsterblich.
Psyche gebiert Amor eine wunderschöne Tochter, welche den Namen Voluptas (Vergnügen) erhält.”
(Quelle: Wikipedia)
Neben dem Umstand, dass es nur wenige Einspielungen gibt, dürfte die bedauerliche Unpopularität des romantisch-verträumten Stücks darauf zurückzuführen sein, dass zwei Fassungen existieren: Eine mit Überlänge und eine lediglich Fragmentarische. Dies hat folgenden Hintergrund:
Das Werk entstand 1887-88 zur gleichen Zeit wie die Sinfonie d-moll. Es ist Francks Meisterschüler und Freund Vincent d’Indy gewidmet. Die „Vollversion“ ist von knapp einer Stunde Dauer und bezieht in vier der acht Sätze einen Chor aus Sopran-, Alt- und Tenor-Stimmen ohne Bässe ein.
1. Satz: Le sommeil de Psyché. Lento
2. Satz: Psyché enlevée par les zéphyrs. Allegro vivo
3. Satz: Les jardins d'Éros. Poco animato
4. Satz: Choeur. Lento
5. Satz: Psyché et Éros. Andantino ma non troppo lento
6. Satz: Le châtiment. Quasi lento
7. Satz: Souffrances et plaintes de Psyché. Lento
8. Satz: Apothéose
Zur Uraufführung gelangte Psyché am 10. März 1888 in Paris in der Société National de Musique unter der Leitung des Komponisten. Großer Erfolg war dem Stück von Beginn an nicht beschieden; es wurde als zu lang empfunden. Insbesondere die Chorsätze wurden als wenig gelungen kritisiert.
Somit extrahierte Franck vier orchestrale Stücke zu einer viersätzigen Suite, die er „Quatre Fragments pour orchestre“ untertitelte:
I Sommeil de Psyché. Lento
II Psyché enlevée par les Zéphirs. Allegro vivo - Poco più lento - Tempo I - Poco più lento
III Les jardins d’Eros. Poco animato - Un peu plus large
IV Psyché et Eros. Allegretto modéré - Poco più lento
Diese gestutzte Orchesterfassung der Psyché wird seither gelegentlich aufgeführt und eingespielt. Viele Dirigenten wie Toscanini und Giulini beschränken sich gar auf den großartigen 4. Satz „Psyché et Eros“ (mir gefällt hingegen „Les Jardins d'Eros“ noch besser).
Ich muß sagen, dass ich auch die vollständige Fassung keineswegs als zu ausgedehnt empfinde. Mitunter kann ich auch eine gute Stunde reinen Wohllauts und schwelgerischer Klänge recht gut vertragen Ich mag auch die Chorsätze, wenngleich sie etwas einfach gehalten sind. Folgende Einspielung ist zwar etwas betulich, aber für mein Empfinden mit viel Gespür für Francks Klangfarben aufgenommen:
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Für die etwa 25minütige Kurzversion, die viele vorziehen werden, möchte ich diese Aufnahme empfehlen – das Orchestre de Paris und Barenboim sind hier voll in ihrem Element.
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Alles ist sehr klangsinnlich und glutvoll aufgenommen – auch die übrigen Werke auf dieser sehr empfehlenswerten Aufnahme von 1976, die als Schmankerl noch das von Christa Ludwig gesungene Lied „Nocturne“ enthält. Die wunderschöne Tondichtung „Les Eolides“ leidet hier unter dem lieblosen Spiel des Orchestre de la Suisse Romande; auch Ansermet vermochte die Truppe hier 1965 nicht zu beflügeln. Die New Yorker unter Masur etwa haben das weit besser hinbekommen.
Weitere Psyché-Aufnahmen gibt es z.B. mit den Bostonern unter Monteux, dem Concertgebouworkest unter van Beinum oder dem Conservatoire-Orchester unter Cluytens (kenn ich noch nicht näher, dürfte aber sehr empfehlenswert sein). Überhaupt nicht überzeugt hat mich Yuri Ahronowitsch mit dem Gürzenichorchester Köln.
Bin gespannt, ob ich hier jemanden für dieses Werk interessieren kann und was Ihr darüber denkt.
Cheers,
Lavine