Bax, Arnold - der schweigsame Master of the King's Music
Es haben schon drollige Posten im Königreich überlebt: Es gibt einen Poet Laureat, also eine Art Hofdichter (derzeit ist es Carol Ann Duffy, die sich würdig in die Tradition von Dichtergiganten wie Thomas Shadwell, Laurence Eusden und John Masefield einreiht); und natürlich gibt es auch noch konsequenterweise den Master of Queen's (oder King's) Music, also so eine Art Hofkomponist, und auch dieses Amt ist mit Namen wahrer Genies bestückt, man denke nur an Namen wie William Shield, William Cusins oder Walford Davies. Der Himmel weiß, was den anderen Davies, also Peter Maxwell, veranlaßt hat, sich auf die Sache einzulassen. Vielleicht brauchte er das Geld, da er ja als Opfer einer Betrugsaffäre von heute auf morgen ziemlich blank dastand.
Jedenfalls war auch Arnold Bax Master of King's Music, und zwar von 1942 bis 1953, seinem Todesjahr. Irgendein Fluch scheint auf dem Amt zu liegen: Kaum übernimmt es einer, schon fällt ihm nichts mehr ein. Wenn es bei relativ guten Komponisten wie Edward Elgar, Arthur Bliss oder Malcolm Williamson so war und sogar bei einem ziemlich guten wie Peter Maxwell Davies so ist - weshalb sollte es dann im Fall eines Arnold Bax anders sein?
Biografisches
Geboren wird Arnold Bax am 8. November 1883 in Streatham im Süden von London. Seine Familie ist so wohlhabend, daß Bax nie gezwungen ist zu arbeiten oder mit seiner Musik Geld zu verdienen. Er wird an der Royal Academy of Music in Klavier und Komposition ausgebildet. Die Dichtung des Iren William Butler Yeats fasziniert ihn dermaßen, daß er zum Wahliren wird, zumindest geistig. Unter dem Pseudonym Dermot O'Byrne schreibt er einige Novellen, in denen er sein literarisches Talent unter Beweis stellt. 1905 schreibt er seine erste sinfonische Dichtung, natürlich über eine irische Volksheldin, "Cathaleen-ni-Hoolihan" (von Yeats in einem Drama verewigt, das Werner Egk als Vorlage zur "Irischen Legende" diente). Mit "In the Faery Hills" (1909) findet Bax genug Anerkennung, daß er beschließt, ab jetzt Komponist zu sein.
Eine heftige Liebesbeziehung und eine ermüdende Ehe später wird Bax 1937 geadelt, findet eine neue Beziehung und komponiert und komponiert. Dabei merkt er gar nicht, wie ihm seine Inspiration zunehmend abhanden kommt und sich seine Musik bald nur noch in inhaltsleeren Floskeln erschöpft. 1940 zieht er nach Storrington (Sussex), schreibt seine Autobiografie "Farewell, my Youth", wird 1942 zum Master of the King's Music ernannt - und stellt damit seine kompositorische Tätigkeit fast völlig ein. Gerade noch drei Filmmusiken entstehen und zwei konzertante Werke für Klavier und Orchester. Der Tod meint es gut mit Bax: Er stirbt am 7. Oktober 1953 während eines Urlaubs in Cork - und damit in seinem geliebten Irland.
Die Musik
Anfangs schreibt Bax üppige Nachromantik der wabernden Sorte: Weiche Bläsersätze heben sich von einem Hintergrund wuselnder Streicher ab.Werke wie "The Garden of Fand", "November Woods" und vor allem "Tintagel" können als durchaus eindrucksvoll empfunden werden. 1921 schreibt Bax die doppelchörige Motette "Mater ora Filium" und ändert, offenbar nach einer Durchsicht der Partituren von Sibelius und Strawinskij, seinen Stil: Die schwitzenden Klangtapeten werden getrocknet, im Vordergrund gibt es jetzt etwas wie Kontrapunkt, mitunter sogar eine interessante herbe Linienführung. Die Erste Symphonie (1922), aus einem früheren Klavierwerk entstanden, schwitzt zwar wieder zuviel, aber die Deodarant-Verabreichung in den Sinfonien 2 und 3 zeigt Wirkung. Speziell die Dritte (1929) ist für einen britischen Komponisten dieser Zeit erstaunlich nahe an einem expressionistischen Gestus. Die Sinfonien 4, 5 und 6 wiederholen das in 2 und 3 angewandte Vokabular auf der Basis einer leicht modernisierten Romantik. Die Siebente ist dann eigentlich nur noch ein trauriges Kapitel - Sie besteht aus Phrasen und Floskeln, die viel wollen und wenig erreichen.
Dessen ungeachtet wird Bax in Großbritannien als Sinfoniker sehr geschätzt. Seine Sinfonien gelten als wichtigster britischen Sinfonie-Kanon neben dem von Ralph Vaughan Williams, und zeitlebens konnte sich Bax auch nicht über den mangelnden Einsatz prominenter Musiker für seine Werke beklagen.
Doch was bleibt heute von ihm, das die Bekanntschaft lohnt? - "Tintagel" ist ein akzeptables Beispiel üppigster Wagner-Nachfolge und die Zweite und Dritte Symphonie sollte man gehört haben, weil sie gute Beispiele einer britischen symphonischen Tradition sind, in der auch Komponisten wie Moeran, Dyson und Howells auf Wohlwollen trafen, obwohl ihre Sprache im Grunde veraltet war. Interessant sind einige Werke aus Bax' kammermusikalischem Schaffen, das oft originelle, farbintensive Kombinationen nützt, etwa "In memoriam" für Englischhorn, Harfe und Streichquartett, "Fantasy Sonata" für Viola und Harfe und "Threnody and Scherzo" für Fagott, Harfe und Streichsextett. Hier durch die kleinen Besetzungen zu mehr Disziplin gezwungen, ufert Bax auch nicht in jenen Schwulst aus, der Teile seiner Orchestermusik nahezu unerträglich macht.
Arnold Bax ist mit Sicherheit kein Komponist, auf dessen internationale Durchsetzung man pochen sollte. Er ist allerdings eine Spielart der britischen Musik, die für deren wachsende Fangemeinde von Interesse sein mag: Er bietet Nebel, Zwielicht und gälisch intonierende Romantik. Man kann es mögen auch ohne es für bedeutende Musik auszugeben.