Der Bratschen-Thread
Als begeisterte Violistin wollte ich hier schon lange einen Thread zu jenem Streichinstrument eröffnen, das klingt, als rauche es täglich drei Schachteln Zigaretten.
Gerade ihr seltsamer, heiserer, dunkler, unromantischer aber wahnsinnig sinnlicher Klang war es, den ich, gepaart mit ihrem gewissen Außenseiterstatus, so reizvoll fand, dass ich mich vor einiger Zeit entschloss, im fortgeschrittenen Alter (für das Erlernen eines Instrumentes – Ich bin ja keine acht mehr.) Viola spielen zu lernen.
Die Reaktion vieler Leute, denen ich diese Entscheidung mitteilte, war neben einem Grinsen oft: „Warum ausgerechnet Bratsche?“. Ob sie das wohl auch gefragt hätten, wenn ich Geige oder Cello lernen würde?
Andere hielten es für nötig, mich darauf hinzuweisen, dass es höchst ungewöhnlich sei, auf Anhieb Bratsche spielen zu lernen, anstatt sich davor auf der Geige zu versuchen. Ein Vorurteil, das mit jenem über untalentierte Geiger, die auf die angebliche leichtere Bratsche umsteigen, Hand in Hand geht. Dabei ist sie ja wirklich nicht leichter zu spielen (es sei denn, man genießt es, Arm und Finger weiter strecken zu müssen und ein größeres, schwereres Ding unters Kinn geklemmt zu haben) sondern hat bloß in einem großen Teil der Orchesterliteratur die einfacheren Stimmen, Begleitstimmen, Mittelstimmen. Das liegt an ihrem Klang, ihrem Tonumfang und natürlich auch an der Tatsache, dass sie sich so spielt, wie sie sich spielt, was Virtuosität etwas schwieriger macht. Das haben viele noch nicht verstanden, die Vorurteile halten sich. In Witzen (über die ich übrigens trotzdem manchmal lache) sind Bratschisten nicht nur verhinderte Geiger sondern auch dumm, langsam und faul - anders müssen sie nicht sein, was sie zu spielen haben, kann schließlich jeder.
Dabei gibt es nicht erst (aber vor allem) seit dem letzten Jahrhundert interessante und anspruchsvolle Sololiteratur für die Viola. Natürlich mengenmäßig im Vergleich zur Geige immer noch wenig, aber ausreichend, um sich als Violist nicht zu langweilen und Gelegenheit zu haben, Vorurteile zu widerlegen.
Eine kleine Auswahl an Violakompositionen für den Anfang, mit ein paar willkürlich eingestreuten Amazon-Links:
- Georg Philipp Telemann, ein Konzert für eine Viola und eines für zwei , eine handvoll Sonaten
- Johann Sebastian Bach, 6. Brandenburgisches Konzert irgendwie
(war nur ein Witz)
- Carl Ditters von Dittersdorf, ein Violakonzert
- Johann Baptist Vanhal, einige Violasonaten
- Luigi Boccherini, zwei cellobegleitete Violasonaten
- Carl Stamitz, ein Violakonzert und einige Duos für Violine und Viola
- Franz Anton Hoffmeister, ein Violakonzert und eine Sinfonia Concertante für Viola, Kontrabass und Orchester
- Wolfgang Amadeus Mozart, eine Sinfonia concertante für Violine und Viola und eine für Violine, Viola und Cello
- Carl Friedrich Zelter, ein Violakonzert
- Hector Berlioz, Harold en Italie, liebevoll auch „längster Bratschenwitz überhaupt“ genannt
- Benjamin Britten, ein Doppelkonzert für Violine und Viola
- Arnold Bax, Phantasy (Viola und Orchester), Legend und eine Sonate für Viola und Klavier
- Ralph Vaughn Williams, Flos Campi (Viola, Chor und kleines Orchester)
- William Walton, Violakonzert (die Briten schienen dieses Instrument ganz besonders zu lieben)
- Darius Milhaud, zwei Violakonzerte, Concertino d’été für Viola und Kammerorchester, Quatre Visages für Viola und Orchester, zwei Sonaten für Viola und Klavier, Sonatine für Violine und Viola, Sonatine für Viola und Cello
- Arthur Honegger, Violasonate
- Paul Hindemith, Der Schwanendreher, Trauermusik (Viola und Orchester) Kammermusik Nr. 5, einige Violasonaten mit und ohne Klavierbegleitung
- Bela Bartók, Violakonzert
- Bohuslav Martinů, Violakonzert
- Alfred Schnittke, zwei Violakonzerte
- Dmitri Schostakowitsch, Sonate
- Allan Pettersson, Konzert
- Luciano Berio, Sequenza VI
- György Ligeti, Sonate
Dass ich hier aufhöre, hat nichts mit einer Abneigung gegen jüngere Musik zu tun, sondern mit der Tatsache, dass ich im Moment keine Lust habe, weiterzuschreiben und zu suchen. Ich kenne übrigens sehr viele dieser Werke nicht oder noch nicht, einige interessieren mich gar nicht besonders, andere umso mehr.
Dieser Thread soll dazu dienen, Lobeshymnen auf die Viola zu singen (oder auch nicht), Musiker, Aufnahmen und Werke (Sololiteratur aber auch Kammermusikalisches und Orchestrales mit interessanten Violastimmen) vorzustellen, – besonders freuen würde ich mich über Hinweise auf Werke, die auch für Anfänger spielbar sind. Ich bin aber durchaus auch geneigt, den einen oder anderen (guten!) Bratschenwitz zu lesen.
Einen schönen Abend wünscht
Vé
P.S.: Sollte das Thema in diesem Unterforum fehl am Platz sein, bitte verschieben.
P.P.S.: Sollte sich jemand einen fetzigeren Titel wünschen, bitte ändern.