Bach-Kantaten: Diskographische Empfehlungen

  • Grob überschlagen hat Telemann allerdings so viel oder mehr komponiert wie Händel und Bach zusammen (wobei bei letzterem freilich einiges verlorengegangen sein dürfte), lt. wikipedia ca. 3600 Werke (davon fast die Hälfte Kirchenkantaten, also selbst wenn um die 100 Bach-Kantaten (2 Jahrgänge) verloren gegangen sein sollten, hätte Telemann immer noch fünfmal so viele komponiert... :faint: ).

    Von Telemann habe ich nur ein gutes Dutzend wild zusammengelaufener CDs, gibt es wenigstens Ansätze enzyklopädischer Einspielungen?

  • Nur heute wird diese Aufnahme aus Masaaki Suzukis Kantaten-Aufnahmen bei eclassical.com zum günstigen Download angeboten:

    Angeboten wird die Aufnahme als 16-bit Flac für 4,15 € (mp3 kostet genauso viel) und als 24-bit Flac für 5,81 €. CD-Booklet und Inlay-Card kann man sich im PDF-Format herunterladen und wenn man auf das Cover klickt und sich vergrößert anzeigen lässt, kann man sich das auch herunterladen.

    "http://www.eclassical.com/conductors/suz…atas-vol41.html"

    Armin

    "Musik ist für mich ein schönes Mosaik, das Gott zusammengestellt hat. Er nimmt alle Stücke in die Hand, wirft sie auf die Welt, und wir müssen das Bild zusammensetzen." (Jean Sibelius)

  • Das heutige "Tages-Schnäppchen" bei eclassical ist erneut eine Aufnahme aus der meiner Meinung nach sehr empfehlenswerten Gesamtaufnahme von Bachs geistlichen Kantaten mit Masaaki Suzuki:

    Der Download im 16-bit Flac-Format kostet ca. 3,50 € (mp3 kostet genauso viel) und der Download im 24-bit Flac-Format kostet ca. 4,90 €. CD-Booklet, Inlay-Card und CD-Cover kann man sich kostenlos herunterladen.

    "http://www.eclassical.com/conductors/suz…122-and-96.html"

    Armin

    "Musik ist für mich ein schönes Mosaik, das Gott zusammengestellt hat. Er nimmt alle Stücke in die Hand, wirft sie auf die Welt, und wir müssen das Bild zusammensetzen." (Jean Sibelius)

  • Auch das heutige "Tages-Schnäppchen" bei eclassical ist wieder eine Aufnahme aus Masaaki Suzukis Gesamtaufnahme der geistlichen Kantaten von Johann Sebastian Bach:

    Der Download im 16-bit Flac-Format kostet umgerechnet ca. 5,01 € (mp3 kostet genauso viel) und der Download im 24-bit Flac-Format kostet umgerechnet ca. 7,01 €. CD-Booklet, Inlay-Card und CD-Cover kann man sich kostenlos herunterladen.

    "http://www.eclassical.com/conductors/suz…atas-vol37.html"

    Armin

    P.S.: Soweit ich das feststellen konnte, sind bei eclassical anscheinend so ziemlich alle Aufnahmen des schwedischen BIS-Labels verfügbar. Natürlich gibt es bei eclassical auch Aufnahmen von anderen Labels, z. B. Harmonia Mundi, Naxos, Penta Tone etc.

    "Musik ist für mich ein schönes Mosaik, das Gott zusammengestellt hat. Er nimmt alle Stücke in die Hand, wirft sie auf die Welt, und wir müssen das Bild zusammensetzen." (Jean Sibelius)

  • Inzwischen für 198.000 YEN zu haben (nach derzeitigem Wechselkurs rd. 1.433,20 EUR).

    Kein bemerkenswerter Fortschritt erkennbar, im Gegenteil ein einziges Auf und Ab:

    derzeit: 168.000 Yen = 1 318,51951 Euro

    Also heißt die Leitlinie: weiterhin in der Kunst des Wartens üben.

    :shake: :wut2: :shake: :wut2: :(

  • Ich habe nicht den ganzen Faden gelesen, sondern mache jetzt einfach mal eine Auflistung aller vollständigen Kantateneinspielungen mit meinen subjektiv empfundenen Vor- und Nachteilen

    Kantatensammlungen (vollständig und mehr oder minder HIP): Gardiner, Koopmann, Suzuki, Leusink, Harnoncourt

    Koopmann: 293 Euro


    Ich besitze so 15%-20% seiner Einspielungen. Der absolute Vorteil dieser Aufnahmen ist, dass Koopmans Kantateneinspielung die vollständigste ist: In der Regel spielt er alle vorhandenen und überlieferten Besetzungsvarianten von Bach ein. Wenn Bach eine früher geschriebene Kantate mit anderen Instrumenten besetzt, dann finden sich oft, aber leider nicht immer - beide Varianten. Als Bsp Kantate BWV 103...Die Piccoloflöte (flauto piccolo) wird 1731 von Bach durch eine Querflöte ersetzt. Daher gibt es bei Koopmann 2 Einspielungen derselben Kantate. Wobei man eigentlich drei bräuchte, denn eigentlich ist unklar, ob Bach mit der Bezeichnung Flauto Piccolo eine kleinere Bauform der Querflöte meint oder eine hohe Blockflöte... 8| Koopmann schweigt sich dazu allerdings aus. In sehr seltenen Fällen mischt er auch mal zwei Varianten ineinander...Aber insgesamt ist es die vollständigste Kantaten-Einspielung. Der extrem teure Preis ist auch dadurch gerechtfertigt, dass Koopmanns Plattenfirma abgesprungen ist und Koopmann quasi eine Hypothek aufnehmen musste, um die Kantateneinspielung zu beenden. Wer sich wissenschaftlich mit Bachs Kantaten beschäftigen möchte, ist bei Koopmann in guten Händen...

    Besetzung des Chores ist i.d.R. 4 Stimmen pro Part...Manchmal sind etwas mehr Soprane (bis zu 6) als andere Stimmen im Chor. Die Altstimmen sind männl./weibl. gemischt. Mir gefällt die Auswahl der Soprane eher weniger. Ich finde diese oft etwas scheppernd. Außerdem neigt Koopmann manchmal zu merkwürdigen Tempi...Manchmal hetzt er seinen Chor schneller als alle anderen HIP-Vertreter und dieser artikuliert dann nicht mehr so sauber. Insgesamt halte ich seinen Chor, dem von Gardiner und Herreweghe minimal unterlegen..(Aber es geht um Nuancen)

    Im Gegensatz dazu finde ich seine Orchesterbesetzung fast Perfektion und auch die häufig verwendeten Solisten Jaap Ter Linden (Cello) und Marcel Ponseele (Oboe) einen Hörgenuss. (Und Oboisten gehen mir echt häufig auf den Geist, wenn sie quasi solistisch zu hören sind und sich auf ihre Mitspieler aber zu wenig beziehen...) Auch in den Arien und Duetten der männlichen Solisten finde ich Koopmanns Aufnahmen oft hervorragend, Insbesondere auch wenn er selbst am Cembalo/der Orgel sitzt. In den frühen Kantaten-Aufnahmen wählt Koopmann eine Sopranistin, die m.E. nicht großartig ist und die beste Zeit ihrer Stimme schon hinter sich hatte...Das wird aber später korrigiert. Dennoch finde ich, dass bei Koopmann im Vergleich die Sopranistinnen nicht zu den herrvoragendsten Leistungen kommen. (Ruth Holton singt bei fast allen Kantatenaufnahmen und in unterschiedlichen Qualitäten..) Als Besonderheit wird die Altstimme öfter mit Frauen besetzt. Da gefällt mir Bogna Bartosz ganz gut. Wer also gerne mal auf den Countertenor verzichtet, der ist bei Koopmann sehr gut aufgehoben. Koopmann gefällt mir vor allem bei sehr "verinnerlichten Kantaten", die nicht so hochgradig emotional sind, sondern quasi "innere Dialoge" mit Gott etc. behandeln.

    Gardiner und der Monteverdi Choir: Um die 200 Euro

    Diese Aufnahmen mit den anderen zu vergleichen ist eigentlich aufgrund der Aufnahmesituation schon unfair. Die meisten Kantaten sind Liveaufnahmen...Auch Gardiner hatte wie Koopmann das gravierende Problem, dass sein Plattenlabel abgesprungen ist und er ein Teil der bereits eingespielten Kantaten rechtemäßig zurück kaufen musste und für die Fertigstellung der Gesamtaufnahme somit eigenes Geld investieren musste. Wobei in der Sammlung sich auch wenige noch ältere Studioaufnahmen befinden aus den 90ern (?)...Seltsamerweise sind die Liveaufnahmen durchaus manchmal "fetziger" und besser als die Studioaufnahmen...Der Monteverdi Choir ist etwas größer besetzt als bei Koopmann und Suzuki. Die meisten Kantaten sind während der Bach Pilgrimage im Jahre 2000 aufgenommen worden. Im Rahmen der Pilgrimage hat der Monteverdi Choir fast weltweit, vorwiegend aber Westeuropa in Kirchen die Kantaten aufgeführt. Dabei waren i.d.R. mehrere Chöre unterwegs. Es muss von allen Kantaten wohl 2 Aufnahmen gegeben habe: 1x die Probe und dann der Live-Auftritt..Dies ist natürlich nicht mit der Situation von Studioaufnahmen zu vergleichen. Dennoch brilliert der Chor oft.
    Dies kann man aber nicht von den Solisten sagen, die sowohl manchmal aus dem Chor gestellt werden oder als Gäste aus dem bereisten Land kommen. Da gibt es manchmal deutliche Schwächen...(Aber auch positive Überraschungen. Gerade bei den Solisten aus dem Chor scheint es eine Formsache zu sein, aber manche Duette fand ich besser aufeinander bezogen als bei den Gastsolisten.(Evtl. weil man als Chorsänger eh immer aufeinander bezogen ist und sich das bei manchen Solisten später verliert...Bzw. man sich besser kennt und die Gastsolisten sofort loslegen müssen ohne oft miteinander gesungen zu haben und nicht bei allen die Chemie sofort stimmt.) Allerdings gibt es auch manchmal vermeidbare kleinere Ausspracheprobleme..Die hohe Belastung und geringe Probenzeit wird da schon deutlich. ) Es ist schwer hier überhaupt eine Tendenz sehen zu wollen, weil es so viele unterschiedliche Besetzungen gab.
    Gardiners Stärke sind eindeutig die Choräle: Er kann den ganzen Chor leiden oder auch freuen lassen: Es ist als gäbe es eine Stimmung, die den ganzen Chor flutet. (Z.B. bei der Kantate: "Es ist ein trotzig und verzagt Ding" fand ich Gardiners Interpretation am überzeugendsten. Auch Herreweghe übertreffend)


    Suzuki: Derzeit fast unbezahlbar, da es nur kleine Kantatenboxen gibt :cursing:

    Leider habe ich von Suzuki nicht allzu viele CD's , daher sollte man meine Empfehlung mit Vorsicht genießen. Suzukis Chor kommt einer solistischen Chorbesetzung schon sehr Nahe. Er hat nur 3 Sänger pro Stimme. Die Altstimme wird wohl ebenso männl./weibl. besetzt, kann aber auch nur aus 'Countern' bestehen. Sein Chor klingt äußerst transparent und hat eine sehr hohe Durchhörbarkeit. Seine Sopranistinnen sind oftmals sehr nach meinem Geschmack: Wenig theatralisch, leichte Stimmen und Null-Vibrato. Nicht unbedingt immer knabenhaft, aber niemals fühlt man sich in die Oper versetzt. Technische Perfektion ist bei Suzuki immer gegeben: Sowohl im Orchester als auch im Chor und den Solisten. Suzuki wird nachgesagt fast kalt und klinisch zu sein und zu wenig emotional, aber ich finde er kann unheimlich gut Gefühlsnuancen z.B. Widersprüchlichkeit ausdeuten. Z.B. die Sopranarie: "Ich bin vergnügt in meinem Leide" habe ich keinem Solisten wirklich abgenommen, außer der Sopransolistin von Suzuki, die dieses mit nuancierter Zurückhaltung vorgetragen hat. Ebenso die Sopran-Arie "Ich hatte viel Bekümmernis" fand ich oft sehr übertrieben vorgetragen..., bei Suzuki nehme ich der Sopranistin die Qual und das Leiden ab, ohne das ich es narzisstisch, darstellerisch finde und als ob die Seele eine histrionische Persönlichkeitsstörung hätte ... Die Countertenöre finde ich - bei den Aufnahmen, die ich gehört habe, eher schwach. Tenöre und Bässe gut bis sehr gut...Ausspracheprobleme gibt es nur bei sehr speziellen Worten: Wie z.B. "versüße"...Dennoch wird es so vorgetragen, dass man das Gefühl hat: Der Text wurde verinnerlicht und in der Aussage verstanden und interpretiert.

    Harnoncourt und Leonhardt: 129,99 Euro bzw. als Gesamtausgabe für 199,99 Euro


    Diese Einspielung hat fast 2 Jahrzehnte gedauert und hier besitze ich die Gesamtausgabe. Harnoncourt wird als Vorreiter einer historischen Aufführungspraxis angesehen. Auch wenn der alte Harnoncourt einen Mozart eher wieder "altbacken" und wie aus den 60er Jahren einspielt. Hier hat man den jungen Harnoncourt, der gegen den Strich gebürstet ist und versucht sowohl historische Instrumente zu verwenden, als auch bei der Besetzung des Chores genau die Zeit zu berücksichtigen. Da während der Barockzeit Frauen nicht singen durften und Bach auf Knabensoprane der Thomasschule zurückgreifen musste, ist diese Gesamt-Aufnahme fast-rein männlich..(Nur 1 Kantate ist weiblich besetzt) Nicht ganz historisch korrekt ist die männliche Altstimme, die fast überwiegend von einem männl. Countertenor besetzt wird, dessen Timbre uns heute sehr gewöhnungsbedürftig vorkommt. Aber über seine Technik kann man sich dennoch nicht beschweren. Erst in den späteren Aufnahmen übernehmen Knabenaltstimmen einige der Duette. (Mit untrschiedlichem Ergebnissen) Ebenso waren vermutlich die Tenöre und Bässe eher jugendlich. Das heißt man hatte eher einen Klang wie bei den Thomanern, aber in wesentlich geringerer Besetzung. Für heutige HIP Verhältnisse ist der Chor eher großzügig besetzt. Man kannte die These von der solistischen Besetzung des Bachchors noch nicht. ^^ Ich persönlich finde Knabensopranstimmen durchaus hörenswert, aber leider kommen viele der Solisten schon an ihre Könnens-Grenzen und kämpfen mit Intonationsproblemen, aber manchmal auch mit dem Textverständnis. Man hatte wohl nicht jedes Jahr überragende Solisten zur Verfügung. (Vermutlich weil manche wieder im Stimmbruch waren und andre noch nicht soweit. Über diese Inkonsistenz hat sich übrigens schon Bach beschwert...)
    Wenn man die Gesamtaufnahme überblickt, dann empfinde ich in den frühen Kantateneinspielungen vor allem das Orchester noch nicht besonders vertraut mit den hist. Instrumenten. Z.B. die 4 Bratschen in BWV 18 sind ein quietschendes Grauen. Dafür hat man aber den besten Knabensopran Peter Jelosits in den frühen Aufnahmen und auch der Chor ist Anfangs eher konsistenter in der Leistung (Wiener Sängerknaben). Später verbessert sich das Orchester stetig und die Streicher gefallen mir sogar, Die Tölzer Sängerknaben und der Knabenchor Hannover sind in ihren Darbietungen aber für mich nicht immer so überzeugen, wie die Wiener, die aber auch ab und zu schwächeln. Die Leistungen der Solisten ist sehr unterschiedlich. Sebastian Hennig und A. Bergius mag ich als Knabensoprane u.a. noch sehr gerne. Insgesamt ist diese Aufnahme nur etwas für Menschen, die Knabensoprane lieben oder/und sich für die Entwicklung der hist. Aufführungspraxis interessieren

    Leusink: 53 Euro

    Relativ schnell und innerhalb eines Jahres ist diese Gesamtaufnahme entstanden. Wer nur ganz wenig Geld hat und über technische Imperfektionen hinweg sehen kann...: vielleicht mehr Kantaten von Bach erleben möchte und kein Einsteiger in die Barockzeit ist und sich mit allen Mängeln arrangieren kann, sei diese Sammlung ans Herz gelegt. Der Sopran im Chor ist auch mit Knaben besetzt...Am Chor könnte ich bei Leusink manchmal verzweifeln, denn dieser scheint emotionale Stimmung nur durch schreien oder nicht schreien ausdrücken zu können und dies ist ein deutliches Manko der Einspielung. Die hauptsächliche Sopran-Solistin mag ich sehr gerne: Ruth Holton. Diese hat aber auch ein paar Inkonsistenzen und ihre Stimme eignet sich m.E. auch nicht für alle Kantaten bzw. muss es enorm anstrengend sein alle Kantaten in einem Jahr einzuspielen. Sie kommt nicht in ultimative Höhen und der Klang ihrer Stimme ist einem Knabensopran sehr ähnlich. Ebenso positiv aufgefallen ist mir Bas Ramselaar (Bass), der auch eine fast immer überzeugende Leistung abliefert. Weniger überzeugt haben mich die Tenöre und fast in den Wahnsinn getrieben, wurde ich vom Altsolisten. Dieser hat zwar in den bekannten Kantaten ganz ordentliche Leistungen geliefert, aber bei Altlastigen unbekannten Kantaten regelrecht versagt. (Wer also die Altstimme liebt: Hände weg von Leusink)...Das Orchester fand ich nicht unterirdisch, aber es ist mir auch nicht besonders positiv aufgefallen.

    Kantatensammlung vollständig (Non-HIP), d.h. moderne Instrumente, großer Chor und solistische Besetzung mit Opernsängern: Rilling für 60-70 Euro

    Rilling hat sich der HIP-Bewegung fast verweigert...Er hat immer moderne Instrumente beibehalten und den Chor auch nicht auf fast solistisch verkleinert...Allerdings muss er ihn bei späteren Aufnahmen deutlich reduziert haben. Ich kenne nur wenige Einspielungen und diese gefielen mir eher wenig bis gar nicht. Seine Solisten kommen von der Oper und manche lieben auch Dauer-Vibrato. Mir geht es entsetzlich auf den Nerv...Der Chor ist zu riesig und der Klang eher monumental, wenig transparent und oft verwaschen, da die Tempi so schnell gewählt werden, dass man die Worte nur erahnen kann. Die Altstimmen sind allesamt (Solisten und Chor) weiblich besetzt. Dies verleiht auch dem Chor einen etwas anderen Klang, den ich manchmal bei den anderen HIP-Aufnahmen vermisse...Wenn man die Oper mag, kann es gut sein, dass man über diese Aufnahme eher einen Zugang zu Bach findet als über die historisch informierte Aufführungspraxis.

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    Die Phantasie tröstet die Menschen über das hinweg, was sie nicht sein können, und der Humor über das, was sie tatsächlich sind.
    Albert Camus (1913-1960)

  • Kantatensammlung (unvollständig: 30%): Herreweghe: Auch bestimmt 200 Euro, wenn man sie alle möchte. Ich überblicke leider nicht alle Angebote



    Herreweghe hat leider nicht vor die Kantaten vollständig einzuspielen. Wenn man die 30% der Kantaten von Herreweghe hat und hört, ist man evtl. auch schon bestens bedient. Qualität geht über Quantität: Denn Herreweghe empfinde ich in seiner Interpretation und seiner Auswahl an Solisten eigentlich in der Qualität am zu-verlässlichsten.Weder über die Wahl der Tempi, noch über Intonation oder Phrasierung lässt sich meckern. Herreweghe kann man sozusagen blind kaufen. Besonders gut, hat mir die Kantateneinspielung mit Alt-Solokantaten und Andreas Scholl (Countertenor) gefallen...Herreweghes Sopranistinnen-Auswahl entsprechen zwar häufig nicht meinem Geschmack, aber technisch kann ich wenig meckern. Der Chor ist dem Monteverdi-Chor ebenbürtig und durch die bessere Aufnahmesituation auch manchmal überlegen..


    Kantatensammlung im Werden (OVPP: One Voice per Part, d.h. solistische Besetzung des Chores): Milnes, Kujiken (eingestellt?)

    Milnes & Montreal Baroque haben das erste voll solistische Gesamteinspielungsprojekt von Bachkantaten gestartet. Allerdings kommt er nur im absoluten Schneckentempo voran und ich habe bisher nur 1 CD, die mir zwar sehr gefallen hat, aber ich zähle die Auswahl nicht zu den allerschönsten Bachkantaten. Ich warte auf die Leipziger Kantaten... :thumbup: z.B. BWV 21...)

    Kujiken und La Petite Bande: Ich bin normalerweise ein absoluter OVPP Fan, aber seine Aufnahmen finde ich nicht besonders toll...Irgendwie sind die Instrumente fast so laut wie die Gesangsstimmen und dem Ganzen fehlt der Feinschliff. Die Gesangssolisten mochte ich auch nicht besonders. Die weibliche Altstimme gefiel mir, aber sie wurde ständig durch das Orchester übertönt...Irgendwie erscheint es mir so, dass er sein Projekt, alle Kantaten einzuspielen, auch eingestellt hat?
    (Außerdem nochmal:...BWV 18 habe ich schon 5x solistisch.. ?( Und was hat sich Bach dabei gedacht in seiner abgeänderten Version zu 4 Bratschen noch 2 Blockflöten hinzu zu fügen. Das klingt nicht nach Regen und Schnee, sondern eher einem Vogelzug mitten im Winter... :o: )

    Kantatensammlung extrem unvollständig(OVPP): Pierlot, Junghänel, Ponseele

    Wenn man OVPP mag, dann kommt man um diese drei Interpreten nicht vorbei. Auch wenn sie alle nur eine geringe Anzahl an Kantaten eingespielt haben. Junghänel war der erste und das ist meine absolute Lieblingsaufnahme. Von Pierlot habe ich erst 2 Aufnahmen und Ponseele habe ich erst neu entdeckt und besitze 1 Aufnahme:

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    Albert Camus (1913-1960)

  • Danke für diese Zusammenstellung! Von den HIP-Einspielungen, so weit mir bekannt, liegt mir Gardiner am meisten. Von ihm habe ich den grössten Teil der Kantaten. Was ich von Suzuki so weit gehört habe, hat mich nicht begeistert, da emotional zu distant. Koopman hingegen ist mir bei den Sachen, die ich kenne, zu locker und tänzerisch. Rilling war meine erste Einspielung und tatsächlich mein Einstieg in die Kantatenwelt Bachs, obwohl ich überhaupt kein Opernfreund bin. Ich kann die Kritik schon nachvollziehen. Rilling ist massiv, die Solisten oft zu opernhaft. Trotzdem gibt es von Rilling viele Einspielungen, die ich liebe, nicht zuletzt, weil er auch sehr gute Solisten zur Verfügung hatte. Ganz vorne rangieren bei mir Julia Hamári und Arleen Auger. Richtig fetzig finde ich den schwarzen Bass Walter Heldwein, der leider nicht so oft zum Einsatz kommt. Insgesamt fällt auf, dass Rilling sehr oft einen forschen Ansatz wählt, was ich manchmal sehr mitreissend finde. Vielleicht erstelle ich mal eine Liste von Kantaten, die mir bei Rilling besonders gut gefallen.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Zwar kenne ich keine dieser Aufnahmen, aber die ersten solistisch besetzten Einspielungen von Bach-Kantaten wurden von dem Musiker geleitet, der diese These aufgestellt hat: Joshua Rifkin. Sie waren (größtenteils) bei L'oiseau lyre erschienen. Keine Ahnung, wie viele, ich schätze ein gutes Dutzend. Eine h-moll-Messe sehe ich bei warner (Nonesuch) und evtl. gab es auch noch was bei EMI/Virgin.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Ich habe nicht den ganzen Faden gelesen, sondern mache jetzt einfach mal eine Auflistung aller vollständigen Kantateneinspielungen mit meinen subjektiv empfundenen Vor- und Nachteilen

    Auf der einen Seite schön, zumal ich deine Beiträge gerne lese; auf der anderen wäre ein Abgleich mit den bereits bestehenden Postings wichtig, weil Foren so funktionieren. 8+) Andererseits, wenn ich deine und Mauerblümchens Statements selbst mische, ergibt das Qualität hoch zehn. :juhu:

  • auf der anderen wäre ein Abgleich mit den bereits bestehenden Postings wichtig, weil Foren so funktionieren.


    Verdammt. Jetzt ist das Forum kaputt.

    "...es ist fabelhaft schwer, die überflüssigen Noten unter den Tisch fallen zu lassen." - Johannes Brahms

  • Liebe Trotzig-Verzagt-Ding (es gibt ja kuriose User-Namen, aber dieser fühlt sich beim Schreiben besonders seltsam an),

    vielen Dank für deinen Überblick über die verschiedenen Bach-Kantaten-Einspielungen. Ich kenne keine der Gesamteinspielungen komplett, aber aus jeder einige Kantaten. Deine Anmerkungen fand ich sehr schön zu lesen und vor allem gut nachvollziehbar, egal wie viel man selbst von diesen Aufnahmen kennt. Als Einführung und Überblick, der die verschiedenen Ansätze nebeneinander stellt, habe ich das unheimlich gerne und mit Gewinn gelesen.
    Ein Aspekt kommt mir persönlich in den Texten aber zu kurz: Die Solisten. Vielleicht, weil meine größte Leidenschaft der Oper gilt, vielleicht, weil die Herangehensweise und das individuelle Timbre der Sänger die Arien wirklich stark prägen, hängen meine Vorlieben bei Bachs Vokalmusik stark von den Solisten ab. Deshalb ist mir aufgefallen, dass du dich gerade in diesem Punkt darum drückst, konkret zu werden. Ich will konkret zeigen, was ich meine:

    Auch in den Arien und Duetten der männlichen Solisten finde ich Koopmanns Aufnahmen oft hervorragend, Insbesondere auch wenn er selbst am Cembalo/der Orgel sitzt.


    Ich finde es wichtig zu erwähnen, dass Koopmans Gesamtaufnahme die Besonderheit hat, dass ein Sänger in der kompletten Aufnahme durchweg immer dabei ist, nämlich der Bassist Klaus Mertens. Das ist außergewöhnlich und prägt natürlich das Gesamtergebnis.

    In den frühen Kantaten-Aufnahmen wählt Koopmann eine Sopranistin, die m.E. nicht großartig ist und die beste Zeit ihrer Stimme schon hinter sich hatte...Das wird aber später korrigiert.


    Das ist zwar höflich diskret geschrieben, aber trotzdem: Wen meinst du da? Ruth Ziesak? Sandrine Piau?

    Dies kann man aber nicht von den Solisten sagen, die sowohl manchmal aus dem Chor gestellt werden oder als Gäste aus dem bereisten Land kommen. Da gibt es manchmal deutliche Schwächen...(Aber auch positive Überraschungen. Gerade bei den Solisten aus dem Chor scheint es eine Formsache zu sein, aber manche Duette fand ich besser aufeinander bezogen als bei den Gastsolisten.


    Da würde mich interessieren: Welche Solisten empfindest du als deutliche Schwächen, welche als positive Überraschungen?

    Z.B. die Sopranarie: "Ich bin vergnügt in meinem Leide" habe ich keinem Solisten wirklich abgenommen, außer der Sopransolistin von Suzuki, die dieses mit nuancierter Zurückhaltung vorgetragen hat. Ebenso die Sopran-Arie "Ich hatte viel Bekümmernis" fand ich oft sehr übertrieben vorgetragen..., bei Suzuki nehme ich der Sopranistin die Qual und das Leiden ab, ohne das ich es narzisstisch, darstellerisch finde und als ob die Seele eine histrionische Persönlichkeitsstörung hätte ...


    Die Diskretion im Tadel kann ich ja noch nachvollziehen, aber bei solchen Lob wäre doch auch interessant zu wissen, um welche Sopranistinnen es sich konkret handelt!

    Nicht ganz historisch korrekt ist die männliche Altstimme, die fast überwiegend von einem männl. Countertenor besetzt wird, dessen Timbre uns heute sehr gewöhnungsbedürftig vorkommt. Aber über seine Technik kann man sich dennoch nicht beschweren.


    Der männliche Countertenor heißt Paul Esswood und ist für mein Empfinden ein großer Pluspunkt der Harnoncourt-Aufnahmen.

    Ebenso waren vermutlich die Tenöre und Bässe eher jugendlich.


    neben Paul Esswood, der fast alle Altsoli unter Harnoncourt singt, ist der zweite Name, den man in diesem Zusammenhang meiner Meinung nach nennen sollte, der von Kurt Equiluz, der fast alle Tenorsoli übernommen hat und damit genau wie Esswood eine prägende Konstante dieser Gesamtaufnahme ist. Ist er für dich eher auf der Haben-Seite dieser Aufnahmen oder eher ein Schwachpunkt?
    Ganz jung war er (geboren 1929) bei den meisten Aufnahmen unter Harnoncourt übrigens schon nicht mehr.

    Die Gesangssolisten mochte ich auch nicht besonders. Die weibliche Altstimme gefiel mir, aber sie wurde ständig durch das Orchester übertönt...


    Auch Kuijken hat bei seinen Sängern ja eine große Kontinuität. So ist die Altistin Petra Noskaiova, die hier vermutlich gemeint ist, bei fast allen seinen Bach-Aufnahmen dabei.

    Ich liebe Wagners Musik mehr als irgendeine andre. Sie ist so laut, daß man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne daß andre Menschen hören, was man sagt. - Oscar Wilde

  • Zwar kenne ich keine dieser Aufnahmen, aber die ersten solistisch besetzten Einspielungen von Bach-Kantaten wurden von dem Musiker geleitet, der diese These aufgestellt hat: Joshua Rifkin. Sie waren (größtenteils) bei L'oiseau lyre erschienen. Keine Ahnung, wie viele, ich schätze ein gutes Dutzend. Eine h-moll-Messe sehe ich bei warner (Nonesuch) und evtl. gab es auch noch was bei EMI/Virgin.

    Ich habe diese CD:

    Und die ist spitzenklasse!

    LG
    Tamás
    :wink:

    "Vor dem Essen, nach dem Essen,

    Biber hören nicht vergessen!"


    Fugato

  • Der männliche Countertenor heißt Paul Esswood und ist für mein Empfinden ein großer Pluspunkt der Harnoncourt-Aufnahmen.
    Zitat von »Trotzig-Verzagt-Ding«
    Ebenso waren vermutlich die Tenöre und Bässe eher jugendlich.
    neben Paul Esswood, der fast alle Altsoli unter Harnoncourt singt, ist der zweite Name, den man in diesem Zusammenhang meiner Meinung nach nennen sollte, der von Kurt Equiluz, der fast alle Tenorsoli übernommen hat und damit genau wie Esswood eine prägende Konstante dieser Gesamtaufnahme ist. Ist er für dich eher auf der Haben-Seite dieser Aufnahmen oder eher ein Schwachpunkt?
    Ganz jung war er (geboren 1929) bei den meisten Aufnahmen unter Harnoncourt übrigens schon nicht mehr.

    Ich habe mich unglücklich ausgedrückt: Es war zu spät nachts. Ich meinte, dass Harnoncourt eigentlich - wenn er noch HIP'er sein wollte, eher jugendliche Tenöre und Bässe (im Chor , wenn es einen gab und bei den Solisten) hätte nehmen müssen, da Bach wohl keine gestandenen Männer zur Verfügung hatte. D.h. in dieser Hinsicht ist Harnoncourt nicht HIP. Da sind die Thomaner in ihren Kantatenaufnahmen näher. (Biller hat ja in seinen letzten Jahren einen Kammerchor gegründet und auch Kantatenaufnahmen mit etwas verkleinerten Chor und Knabensopranen, teilweise auch Knabenalt aufgenommen. Der Chor mit 17,18 Jährigen Jungen klingt völlig anders als Profisänger...Auch wenn die Thomaner schon nah dran kommen. Bass-, Alt- und Tenorsolisten sind aber nach wie vor vorwiegend Profis und das Orchester spielt auf modernen Instrumenten) Ich werde meine Liste, wenn ich Zeit habe editieren und deine Kritikpunkte einpflegen.


    Natürlich sollte man Equiluz und Esswood und die wechselnden Bässe (Holl u.a.) eigentlich nennen, aber ich denke oft sehr stark in Ensemblen..So im Sinne Cellist von Harnoncourt (Christophe Coin), Cellist von Koopmann (Jaap Ter Linden), obwohl der auch bei Herreweghe gespielt hat.

    Abschweifung: Das ist übrigens ein ganz interessantes anderes Thema: Einige Solisten sind bei allen namhaften Kantateneinspielungen vertreten, aber mit völlig unterschiedlichen Ergebnissen. Ruth Holton ist bei Gardiner in den 1990er Kantatenaufnahmen noch wesentlich ansprechender als unter Leusink. Andreas Scholl und Koopmann scheinen nicht zusammen zu passen, aber unter Herreweghe ist Andreas Scholl zu Meisterleistungen fähig.

    Zurück zum Thema: Equiluz entspricht vom Timbre zwar nicht ganz meinem Geschmack, aber ich finde ihn durchaus einen Pluspunkt. Allerdings haben alternde Solisten immer das Problem technisch nicht mehr so perfekt zu sein wie die Jugend. Dafür besitzen sie eine Tiefe in der Textausdeutung, die manchen jüngeren Solisten fehlt. Das empfinde ich aber nicht bei jedem alternden Solisten so. Ich denke, dass es auch damit zu tun hat, ob man sich mit dem weniger an Technik arrangieren kann. Sopranistinnen haben da wohl eher mehr Probleme...Besonders gefällt mir Equiluz als Evangelist in der Johannespassion, die auch 2 hervorragende Knabenaltstimmen hat: Christian Immler und Panito Iconomou...Bei Panito Iconomou muss man wissen, dass er die Arie Es ist vollbracht kurz nach dem Tod seines Vaters singt. Deswegen liegt evtl. auch in dieser Interpretation mehr Tiefe. Er war jedenfalls einer der herausragenden Knabensolisten. Auf der Kantateneinspielung wird er aber mit wesentlich weniger sicheren Knabensopranen gepaart, sodass die Duette leider nicht so geraten.

    PS: Den Rest beantworte ich noch, aber es ist ziemlich umfangreich...

    Die Phantasie tröstet die Menschen über das hinweg, was sie nicht sein können, und der Humor über das, was sie tatsächlich sind.
    Albert Camus (1913-1960)

  • Und die ist spitzenklasse!

    Ich kann mich dem nicht so ganz anschließen: Ich finde Rifkin eher schwach, aber mutig es als erster zu versuchen. Ich würde das ähnlich wie die Einspielung von Harnoncourt bewerten.

    Es stimmt Rifkin hat als erster solistisch die Kantaten eingespielt, aber nicht die Passionen, dass war McCreesh. Von Rifkin kommt auch die These vom solistischen Chor und das die Mt-Passion ebenso solistisch besetzt war. Er ist der Ansicht, dass es ästhetische Gründe hatte und keine unbedingt immer materiellen Zwänge, denn BWV 21 Ich hatte kein Bekümmernis, welche Ripienisten in den überlieferten Noten hat, war eine Bewerbungskantate und hier wollte er vor allen Dingen seinen zukünftigen Arbeitgebern gefallen. Bach hatte sich 1720 als Organist an der Jacobikirche in Hamburg beworben. Die MT-Passion ist außerdem in einer wunderschönen Handschrift komplett erhalten. Wenn er einen Chor hätte haben wollen, dann wäre es nicht logisch diesen hier nicht einzutragen. Allerdings gibt es auch hier durchaus innerhalb des OVPP Lager Widersprüche, ob nicht überwiegend materielle Ressourcen Zwänge einen solistischen Chor erforderlich machen. So jedenfalls argumentiert Parrot. Rifken scheint beide Thesen miteinander zu verknüpfen.

    Parrot nahm dann auch einige solistische Kantaten als Zweiter auf. Diese sind wesentlich besser. Aber er hat auch die H-Moll Messe in der sehr interessanten Kombi weibliche Sopransolisten und Knabenaltisten aufgenommen.(Panito Iconomou und Christian Immler. (Die ich beide schon mal erwähnt habe) Dies entspricht -wahrscheinlich - auch durchaus der Handhabung von Bach. Wenn starke Bassstimmen fehlten oder auch Sopranisten, dann kaufte man Universitätsstudenten ein...Das weiß man von den Ausgaben und den Äußerungen von Kuhnau und aus den Geldern, die für eingekaufte Solisten flossen. Vermutlich waren auch einige Soprane und Altstimmen erwachsene Falsettisten. Daran das Bach seine Kantaten bei Neuaufführungen mehrfach bearbeitet hat und die Solopartien unterschiedlichen Sängern gab...: Bei Kantate BWV 21 gibt es eine Solo: Sopran/Bass Variante, eine Tenor/Bass Besetzung mit Soloparts und eine Sopran,Bass, Tenor Variante... Es fällt auch auf, dass er bei bestimmten Kantaten fast nur eine Stimme in den Vordergrund stellt. Bei den Altkantaten nehmen einige Forscher an, dass einer seiner Söhne der talentierte Alt. war...

    Die Phantasie tröstet die Menschen über das hinweg, was sie nicht sein können, und der Humor über das, was sie tatsächlich sind.
    Albert Camus (1913-1960)

  • Ich finde es wichtig zu erwähnen, dass Koopmans Gesamtaufnahme die Besonderheit hat, dass ein Sänger in der kompletten Aufnahme durchweg immer dabei ist, nämlich der Bassist Klaus Mertens. Das ist außergewöhnlich und prägt natürlich das Gesamtergebnis.


    Es stimmt, dass man diese Besonderheit erwähnen sollte: Klaus Mertens gefällt mir in vielen Kantaten durchaus sehr gut, aber keinem liegt alles. Der Nachteil ist auch - wenn man nur einen Solisten nimmt- , dass es Abnutzungserscheinungen bzw gibt es. Kantaten die dem besten Solisten einfach nicht liegen. Die Kaffeekantate fand ich zum Beispiel von der Interpretation eher unerträglich, wobei hier natürlich auch Koopmann den Interpretationsansatz vorgibt.

    Überwiegend gebe ich dir Recht, dass Koopmann und Mertens sehr stark auf einer Wellenlänge liegen und dadurch sehr gute Ergebnisse erzielen Aber ich finde im Allgemeinen, dass Koopmann eher Kantaten liegen, die sehnsuchtsvoll und innerlich sind: Z.B. BWV 131. Z.B. Eine Tenorarie Meine Seele wartet auf den Herrn...Diese war mir bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht aufgefallen. Auch die Tenöre gefallen mir bei ihm sehr oft. Es scheint bei Koopmann sehr stark davon abzuhängen, ob der Interpretationsansatz geteilt wird oder nicht.

    Das sieht man m.E. auch daran wie er dirigiert: Zwischen ihm, Ponseele, Ter Linden und manchem Solisten gibt es eine Art non-verbale Kommunikation. Er dirigiert gar nicht und ist selbst versunken im Orgelspiel...

    Umgekehrt ist er bei seinem Chor fast überväterlich. Er artikuliert sogar mit. Selbst ich verstehe genau, was er von mir will, aber fände einen solchen Stil irgendwie bevormundend..Er hat ja Profisänger...


    Zitat

    Das ist zwar höflich diskret geschrieben, aber trotzdem: Wen meinst du da? Ruth Ziesak? Sandrine Piau?

    Eigentlich habe ich generell ein Problem mit seiner Wahl von Sopranistinnen, aber ich finde, dass es in den späteren Kantatenaufnahmen besser wird und dann nur noch Geschmackssache. Ich bevorzuge einfach eine andere Ästhetik: mehr knabenhafte Sopranstimmen.
    Ich wollte diese Person deshalb nicht nennen, weil sie von allen namhaften Dirigenten in dieser Zeit eingekauft wird, aber ich finde sie fast immer eher eine Schwachstelle. Sie ist aber unter Christophe Coin und Herreweghe wesentlich erträglicher anzuhören...Sie versucht da nicht in solche Höhen zu gehen. Ihre Technik ist sehr gut... Ich meine hier: Barbara Schlick...Ziesak und Piau gefallen mir aber auch nicht...Vieleicht besetzt Koopmann so, weil er privat die Solistinnen bevorzugt und deren Altersweisheit...

    Zitat

    [quote]

    Zitat von »Trotzig-Verzagt-Ding«
    Dies kann man aber nicht von den Solisten sagen, die sowohl manchmal aus dem Chor gestellt werden oder als Gäste aus dem bereisten Land kommen. Da gibt es manchmal deutliche Schwächen...(Aber auch positive Überraschungen. Gerade bei den Solisten aus dem Chor scheint es eine Formsache zu sein, aber manche Duette fand ich besser aufeinander bezogen als bei den Gastsolisten.
    Da würde mich interessieren: Welche Solisten empfindest du als deutliche Schwächen, welche als positive Überraschungen?

    Zu Gardiner

    Das Problem ist: Ich habe Gardiners-Kantaten überwiegend aus der Bib. und daher kann ich gerade nur aus dem Gedächtnis referieren.Ich habe leider nur die Kantaten und Choräle zur Hand, die mir gefallen und auch nur die, die nicht auf meiner kaputten Festplatte liegen...(Ist ja heute möglich durch mp3 Downloads...)

    Extrem enttäuscht hat mich generell, dass Gardiner oft viele hochkarätige Gast-Solisten hatte, die aber nie in ihre normale Form kamen, sondern mittelprächtige bzw. für sich schlechte Leistungen gebracht haben... Dass lag wohl daran, das man nur 2-3 Tage proben konnte, aber einige Gastsolisten auch erst am letzten Tag und in letzter Minute dazu gestoßen sind. Es wollte quasi jeder bei diesem Prestige-Projekt dabei sein. Die Solisten aus dem eigenen Chor waren hingegen manchmal gar nicht so schlecht. Die haben mich überrascht, weil sie extrem unterschiedliche Leistungen erbracht haben. Mal merkte kaum einen Unterschied zu den hochkarätigen Stars, dann wieder waren sie eher sehr, sehr unsicher...In den Duetten waren sie meisten auch ganz okay...Außer man hat sie mit den Gastsolisten gepaart, dass ergab oft Katastrophen...

    Ebenso fand ich auch manchmal den Chor in super Form und dann wieder gar nicht. Hier müsste man mal nachsehen, ob das auch an der Besetzung der Chöre lag. Ich hatte den Eindruck, dass man mehr Wert auf London und die Metropolen gelegt hat als die Provinz. Vielleicht hat er immer die besten Leuten zusammengezogen für London etc. Die CD-Einspielung in Eisenach fand ich ziemlich furchtbar. BWV 4 (Christ lag in Todesbanden) gehört zu meinen "least-favourite"...Anstelle eines S/A Duettes im Satz: "der Tod niemand zwingen kunnt" singt das der ganze Chor...(Es mag eine solche abgeänderte Version von Bach geben und es ist ja auch nicht schlecht so zu besetzen.
    Aber um die Frage konkret zu beantworten: Nathalie Stutzmann fand ich mit ihrem extremen Dauervibrato nahezu unterträglich anzuhören. Sie entspricht zwar eh nicht meinem Geschmack, aber sie ist technisch eigentlich eine sehr gute Solistin und bestimmt gerade für Opernfans eine Wahlbesetzung.

    Manchmal war es aber auch halb die Schuld des Solisten und halb der des Interpretationsansatz des Dirigenten: Gardiner ist bei weitem nicht immer extrem bei seiner Tempiwahl, aber bei (BWV 111) rennt er quasi durch die Kantate. Keiner der Sänger hat auch nur den Hauch einer Chance in diesem Tempo noch eine Botschaft herüber zubringen: Außer Sara Mingardo, diese ist den Anforderungen aber auch nur halb gewachsen, aber kann noch umsetzen, was Gardiner von ihr verlangt. Sogar im Tenor/Alt Duett, obwohl der Tenor Julian Podger wirklich schwächelt. Sie rettet noch das Duett und ist in der Lage ihr Niveau zu halten. Wenn man nur auf ihre Stimme hört. Der Bass Varcoe sprang in letzter Minute ein und man kann ihm irgendwie es kaum vorwerfen, dass er schwächelt.
    Sara Mingarda gefällt mir unter Allessandrini (sp), und unter Abbado noch wesentlich besser...Obwohl ich Abbados (Stabat Mater) Interpretation nicht mag, - zu extrem langsame Tempi -, verstehe ich durch Sara Mingardos extreme Perfektion, dass auch dahinter eine Schönheit stecken kann. Ebenso ist sie in der Lage Allessandrini (sp) zu interpretieren, der wohl die schnellst Stabat Mater eingespielt hat...

    PS: Ich bin jetzt zu müde, das zu vervollständigen und muss auch in 3 Stunden wieder raus...Also Du siehst, dass ich schon dazu etwas zu sagen habe, aber leider schreibe ich dann immer Romane und schweife zwischendurch stark ab...Trotzig Zart Ding ist eine Bach Kantate und heißt etwas völlig anderes, siehe im entsprechenden Thread. Die abkürzung TVD ist absolut okay...

    Die Phantasie tröstet die Menschen über das hinweg, was sie nicht sein können, und der Humor über das, was sie tatsächlich sind.
    Albert Camus (1913-1960)


  • Auf der einen Seite schön, zumal ich deine Beiträge gerne lese; auf der anderen wäre ein Abgleich mit den bereits bestehenden Postings wichtig, weil Foren so funktionieren. 8+) Andererseits, wenn ich deine und Mauerblümchens Statements selbst mische, ergibt das Qualität hoch zehn. :juhu:

    Wie soll ich das denn genau machen??? Gibt es einen anderen Thread mit einer solchen Übersicht von Mauerblümchen? Es ist ein bißchen ein Problem, dass man sich durch 7 Seiten wühlen muss, in denen oft Abschweifungen sind, wenn man in dem Falle eigentlich nur seine Lieblingskantaten-Gesamt und Teileinspielungen mit allen Vor- und Nachteilen posten möchte. Das fehlt mir in anderen Fäden etwas: wenn ich für mich gute Einspielungen suche, ist das wirklich ein bißchen wie die Nadel im Heuhaufen. ABER: Wenn ich etwas frage, dann ist jeder sofort sehr, sehr hilfsbereit.Das finde ich super in diesem Forum...

    Ich hätte nichts dagegen, wenn Mauerblümchen alle Gesamteinspielungen vorstellt und ich meine vermutlich - subjektiv - etwas andere Meinung poste...

    Ich müsste eigentlich auch noch Dinge überarbeiten, denn die meisten Kritiker haben Recht: Ich sollte zu mindestens ein paar konkrete Beispiele nennen...: Allerdings möchte ich bemerken, dass jede Gesamteinspielung m.E. an manchen Stellen schwächelt und das kann viele Ursachen haben...Persönlich würde ich meistens Kantaten komplett mischen: Manchmal den Chor von Gardiner oder Herreweghe, aber das Orchester von Koopmann, die Sopranistin von Suzuki und der Baß von z.B. Herreweghe etc....(Abr dafür müsste ich die entsprechenden Kanataten im Vergleich hören und das ist zeitaufwändig)

    Bei Gardiner gibt es natürlich auch schwache Live-Aufnahmen, aber Koopmann, Herreweghe, Suzuki...Da kritisiert man eh' auf hohem Niveau...

    Die Phantasie tröstet die Menschen über das hinweg, was sie nicht sein können, und der Humor über das, was sie tatsächlich sind.
    Albert Camus (1913-1960)

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