Arnold Schönbergs größter Erfolg - Die "Gurrelieder"

  • "Kompositorischer Fehlschlag" ist zu radikal. Ich halte die "Gurrelieder" für ein, gemessen an Schönbergs sonstigem Schaffen, weniger geglücktes Werk, weil in ihnen Substanz und Aufwand nicht in Relation sind. Aber Du hast zweifellos recht: Meine Aversion gegen übertriebenen Aufwand verstellt mir sicherlich den Zugang zu diesem Werk. Stünde als Komponist "Max Müller-Mustermann" auf der Partitur, würde ich es vielleicht als ein interesantes Stück preisen und einige Fehler nachsehen. Aber von einem Schönberg, der Meiner Meinung nach nicht nur einer der wichtigsten, sondern auch einer der besten Komponisten der letzten 200 Jahre war, erwarte ich mir etwas Anderes. Insofern sind die "Gurrelieder" für mich ein lautes und langes Nebenwerk.
    :wink:


    Dies ist eine für mich sehr interessante Zusammenfassung Deines Standpunktes. ZUnächst einmal würde ich Deine Einschätzung zu Schönbergs Bedeutung und Können (!) voll und ganz unterschreiben, gerne auch mit extradicker Tinte. (Über all das Sinnieren über Schönbergs musikgeschichtliche Rolle scheinen viele Leute zu übersehen, daß er zunächst einfach mal ein verdammt guter Komponist war. Von all den negativ besetzten Schönberg-Klischees gar nicht erst zu reden...) Ich gestehe Dir auch gerne, daß die "Gurrelieder" auch bei mir erstaunlich selten laufen (was mir übrigens erst durch diesen Thread bewußt geworden ist). Dies liegt in meinem Fall - und hier besteht wohl der wesentliche Unterschied zu Deiner Einschätzung - jedoch nicht an der "Größenproblematik", sondern ganz schlicht daran, daß ich viele andere Werke Schönbergs eigentlich interessanter finde. Ich vergnüge mich im Moment gerade sehr gerne mit den Streichquartetten, und auch "Moses und Aron" ist auf meinem (allerdings noch lange nicht hinreichend gefüllten) ipod. Glenn Gould hat mal über Bachs "Italienisches Konzert" gesagt, das sei Bach für Leute, die Bach nicht mögen. Ich widerspreche ihm da zwar, verstehe aber den Standpunkt. Übertragen könnte man wohl sagen, daß die "Gurrelieder" Schönberg für Schönberg-Gegner sind. Hier macht er endlich mal all das nicht, was man sonst nicht mag. Nichts Atonales, nichts ultrastreng Organisiertes etc. etc... Große, herrliche Spätromantik. Aber: wenn man all dies außer acht läßt, so finde ich, daß da immer noch jede Menge verdammt guter Musik drinsteckt. Nur ist sie in meiner momentanen Gemütslage nicht die allererste Musik, die ich in den Player schmeiße, wenn ich an Schönberg denke. Das "laut und lang" ist mir relativ egal, ein Nebenwerk allerdings müssen die "Gurrelieder" geradezu sein, wenn man bedenkt, wie vergleichsweise konventionell sie ästhetisch vom Innovator Schönberg angelegt wurden.

    LG :wink:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • wenn man die atonalen und dodekaphonen Werke Schönbergs als dessen eigentliche und hauptsächliche künstlerische Lebensleistung ansieht (und das tue ich auch), dann kann ich nachvollziehen, dass man aus dieser Perspektive die tonalen Kompositionen mit einer gewissen Skepsis betrachtet. In diesem Zusammenhang ist auch "Pelleas und Melisande" zu nennen, ein Stück, das im Konzertleben und auf CD durchaus keine ganz unbedeutende Rolle spielt. Die Kritik an diesen Werken, vor allem an den Gurre-Liedern, wurde in diesem Thread durchaus substanziell vorgetragen und begründet. Trotzdem werde ich den Verdacht nicht los, dass hier nicht ganz objektive Maßstäbe angelegt werden. Ich werde immer entschieden Einspruch einlegen, wenn man Werke nur deswegen abkanzelt, weil sie nicht einem bestimmten Ideal von Modernität oder avantgardistischer Ästhetik entsprechen - dann sind wir ganz schnell bei Adornos ästhetischem Fundamentalismus, der alles andere als konstruktiv und hilfreich war. Gar nicht überzeugt mich dass Argument, dass eine Komposition einen riesiger Apparat vorschreibt, der dann aber sozusagen nicht ökonomisch genutzt wird und nur soundso viele Minuten zum Einsatz kommt. Jeder Komponist ist meines Erachtens frei darin, seine Klangvorstellungen mit dem Apparat zu realisieren, der ihm in der jeweiligen Situation adäquat erscheint - und wenn das ganze nur eine Sekunde dauert. Schönberg hat hier immer radikal und kompromisslos gedacht. Das wird ja z. B. auch in "Moses und Aron" evident; man betrachte nur mal die Regieanweisungen, die meines Wissens noch nie umgesetzt wurden (und wahrscheinlich gar nicht umsetzbar sind - vielleicht aber mit neueren Trick- und 3D-Techniken - wer weiß).

    Ich möchte jedenfalls bei aller Bewunderung für "Erwartung", "Pierrot Lunaire", "Moses und Aron", und den zwöfltönigen Klavier-, Kammermusik- und Orchesterwerken nicht auf die genannten tonalen Kompositionen von Schönberg verzichten (dazu gehören übrigens auch "Thema und Variationen" op. 43 aus dem Jahr 1943 (!) und die vielen Bearbeitungen von Werken anderer Komponisten), genauso wenig wie auf z. B. "Im Sommerwind" von Webern und die Klaviersonate op. 1 von Berg. Und ich halte alles das für bedeutende Kompositionen großer Komponisten.

    Ein weiterer Aspekt noch für die "Gurrelieder-Verächter": ich bin überzeugt davon, dass solche großformatigen Werke ihre eigentliche Wirkung nur im Konzertsaal und nicht auf Konserve entfalten. Nach dem ich die Gurre-Lieder zu ersten Mal "live" gehört habe bzw. später mal im Chor mitgesungen habe , gab es keine Einwände mehr, sondern nur noch Begeisterung.

    Zu den Aufnahmen: ich bin mit der Kubelik-Einspielung sozusagen "sozialisiert" worden. Für mich sind Herbert Schachtschneider und (vor allem die hochverehrte) Inge Borkh ideale Verkörperungen von Waldemar und Tove, dieses traurige Liebespaar, das nicht zueinander findet. Und natürlich kommunizieren sie wie in einem Briefroman und singen auch kein Duett - was für ein seltsamer Gedanke.

    Herzlichst
    ilbravo

    Oper in Hamburg: seit 1678 in 3D

  • Gar nicht überzeugt mich dass Argument, dass eine Komposition einen riesiger Apparat vorschreibt, der dann aber sozusagen nicht ökonomisch genutzt wird und nur soundso viele Minuten zum Einsatz kommt. Jeder Komponist ist meines Erachtens frei darin, seine Klangvorstellungen mit dem Apparat zu realisieren, der ihm in der jeweiligen Situation adäquat erscheint - und wenn das ganze nur eine Sekunde dauert.


    Hallo ilbravo (und herzlich willkommen!),

    dies war/ist auch mein Problem mit der von Edwin vorgebrachten Argumentation. Ich würde sogar so weit gehen, die ausgesprochen selektive Verwendung großer Klangkörper in groß besetzten Werken nicht als Zeichen der Hypertrophie zu sehen, sondern eben gerade als Argument dagegen. Hypertroph fände ich es, eine riesige Besetzung zu wählen und diese dem Hörer von Anfang bis Ende des Stücks um die Ohren zu hauen. In Werken wie den "Gurreliedern" oder auch Mahlers 8. Symphonie hingegen wird der riesige Klangapparat über weite Strecken sparsam und selektiv eingesetzt, er ist also eher eine Option für den Komponisten als ein Fetisch.

    Zu Schönbergs tonalen Werken: hier halte ich persönlich ganz besonders diejenigen für bedeutend, die sozusagen bereits den atonalen Keim in sich tragen wie z. B. die ersten beiden Streichquartette. Von den strikt tonalen Werken hat es mir in letzter Zeit vor allem das frühe Streichquartett D-Dur (sozusagen das "Nullte") angetan, weil es teilweise eher früh- als spätromantisch klingt (Schönberg konnte im tonalen Sektor wahrlich sehr viel mehr als nur spätromantische Schwarten zu schreiben...).

    LG :wink:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • Ich werde immer entschieden Einspruch einlegen, wenn man Werke nur deswegen abkanzelt, weil sie nicht einem bestimmten Ideal von Modernität oder avantgardistischer Ästhetik entsprechen


    Das macht ja auch niemand von uns. Aber diese Werke müssen sich mit ihresgleichen messen, und wenn ich, um bei Kolossalwerken zu bleiben, Delius' "Mass of Life" und Mahlers Achte als Vergleiche heranziehe, schneiden die "Gurrelieder" meiner Meinung nach nicht ganz so gut ab. Nicht, weil sie konservativ(er) wären, sondern weil Schönberg eine sehr beliebige Nachromantik schreibt, die nur wegen ihrer Riesenbesetzung aus dem Rahmen fällt. Nochmals: Bitte die "Gurrelieder" unbedingt mit den Liedern op.8 oder dem "Pelleas" vergleichen: Schönberg hatte auch in dieser Sphäre Bedeutendes zu sagen - in den "Gurreliedern" scheint er mir jedoch seine Aussage mit einem ungefügen Riesenklang zu überwuchern.

    Offenbar schaffe ich es nicht, meine Kritik an den "Gurreliedern" verständlich zu formulieren, also nochmals: Ein Komponist ist in der Wahl seiner Mittel frei. Wenn er für einen einzigen sechsstimmigen Akkord sechs Klarinetten braucht, weil er sich den Klang so einbildet, dann soll er meinetwegen sechs Klarinetten verlangen, obwohl es reiner Idealismus ist (denn der Dirigent wird's umschreiben). Wenn aber ein Satz, den fünf oder sechs Hörner mühelos spielen können, auf zehn Hörner angedickt wird, verlangt der Komponist ohne musikalische Begründung vier bis fünf Hörner zuviel. Da der Klang durch die Mehrbesetzung aber lauter wird, muß er ihn durch andere Verdoppelungen ausbalancieren. Am Schluß hat er einen Riesenapparat, der in Wirklichkeit, ohne musikalischen Substanzverlust, auch von einem 80-Musiker-Orchester mühelos gespielt werden könnte. Das nenne ich Hypertrophie, und die "Gurrelieder" sind voll davon - nicht jedoch Mahlers Achte, in der dieser Riesenapparat zu kleinen Ensembles aufgesplittert wird und nur an drei oder vier Stellen in seiner Gesamtheit eingesetzt wird. Diese bei Mahler vorhandene Balance von Aufwand und struktureller Notwendigkeit ist bei den "Gurreliedern" meiner Meinung nach nicht gegeben.
    :wink:

    Na sdarowje! (Modest Mussorgskij)

  • Wenn aber ein Satz, den fünf oder sechs Hörner mühelos spielen können, auf zehn Hörner angedickt wird, verlangt der Komponist ohne musikalische Begründung vier bis fünf Hörner zuviel. Da der Klang durch die Mehrbesetzung aber lauter wird, muß er ihn durch andere Verdoppelungen ausbalancieren. Am Schluß hat er einen Riesenapparat, der in Wirklichkeit, ohne musikalischen Substanzverlust, auch von einem 80-Musiker-Orchester mühelos gespielt werden könnte.

    Frage zur Aufführungspraxis: Der benötigte Riesenapparat erleichtert die Aufführung der Gurre-Lieder ja nicht gerade. Greifen die Dirigenten in die von Edwin geschilderte Mehrbesetzung ein? Werden sie in der Praxis vielleicht gar nicht so "dick" aufgeführt, wie vom Komponisten vorgesehen? Werden Schönbergs "Fehler" in der Praxis quasi aus ökonomischen Gründen wieder rückgängig gemacht?

    Gruß
    Froh

    "Give me all you've got, then crescendo!" Leonard Bernstein

  • Meines Wissens nach greifen Dirigenten bei diesem Werk mittlerweile nicht mehr ein. Offenbar ist es ein Riesenspaß, solch einen Monsterapparat zu dirigieren, weshalb es unerwartet viele Aufführungen gibt. Mitunter wird beim Chor etwas gespart, und neuerdings ist man hie und da auf die Idee verfallen, den Sprecher von einem der Sänger ausführen zu lassen, weil halt eine einzige Klaus-Narr-Nummer oder ein einziges Waldtauben-Lied ein bisserl wenig ist, um einen Star zu engagieren, der den restlichen Abend über die Stimmbänder ruhen läßt.
    :wink:

    Na sdarowje! (Modest Mussorgskij)

  • In Werken wie den "Gurreliedern" oder auch Mahlers 8. Symphonie hingegen wird der riesige Klangapparat über weite Strecken sparsam und selektiv eingesetzt, er ist also eher eine Option für den Komponisten als ein Fetisch

    Aber einen Großteil der Besetzung (eben den vielhundertköpfigen Frauenchor) im ganzen Werk nur für ein paar Minuten einzusetzen verleiht dem ganzen schon eine gewisse "Ungleichgewichtigkeit", würde ich sagen...

    Bei Mahlers 8. gibts meines Wissens keine größeren Teile des Ensembles, die nur für ein paar Minuten zu hören sind, und den Rest des Werkes pausieren. Das volle Orchester wird natürlich nur selten eingesetzt, aber ansonsten wechseln sich halt verschiedene Instrumentenkombinationen ab...

    BTW.: Hat jemand diese Aufnahme des St Francois?:

    http://www.amazon.de/Saint-Francois…5242191&sr=1-14

    [Blockierte Grafik: http://ecx.images-amazon.com/images/I/51bQZeTUAQL._SL500_AA300_.jpg]

    Da schreibt Messiaen (nach meiner Erinnerung) im Beiheft ganz explizit, er habe die große Besetzung nicht deshalb gewählt, um viel "bruit" (Lärm) zu machen, sondern um viele Möglichkeiten der Klangkombination zur Verfügung zu haben...

    Gruß,

    Normann

    zwischen nichtton und weißem rauschen

  • Lieber EinTon,
    genau so ist es bei Messiaen. Die Partitur ist keineswegs vollgekritzelt mit Tönen, im Gegenteil: Sie macht einen ziemlich luftigen Eindruck. Worum es Messiaen geht, ist, die Vogelstimmen-Polyphonien farblich zu gestalten, also etwa eine Vogelspezies nur in die Flöten zu legen, eine andere nur in die Klarinetten. Auch das Gegeneinander von einer kontrastierenden Farbe zu einem monochromen mehrstimmigen Block ist eine Messiaen'sche fixe Idee. In den "Eclairs" sind die Holzbläser sogar noch größer besetzt - abermals wegen der Aufspaltung in Ensembles. Messiaen führt stets alle Bläserstimmen solistisch, das heißt, eine Linie wird nur von einem Instrument gespielt oder von einer bestimmten Kombination, aber sicherlich nicht z.B. von drei Klarinetten unsiono. Etwas Derartiges kommt nur vor, wenn Messiaen einen gewissen Farbeffekt erzielen will, also etwa zwei Klarinetten und eine Oboe unisono, was anders klingt als eine Klarinette und eine Oboe unisono. Allerdings sind solche farblichen Detailabstufungen bei Schönberg erst ab den Orchesterstücken zu finden und haben ihren Höhepunkt meiner Meinung nach in den Vier Liedern op.22.
    :wink:

    Na sdarowje! (Modest Mussorgskij)


  • weil in ihnen Substanz und Aufwand nicht in Relation sind.
    ...
    Meine Aversion gegen übertriebenen Aufwand


    Was sagst Du dann erst zu Cage: 4:33 ?
    Der Aufwand ist zwar nicht sehr groß, die Substanz geht allerdings gegen Null.
    Eigentlich müsste dieses Werk auf leerer Bühne aufgeführt werden.

  • Aber diese Werke müssen sich mit ihresgleichen messen, und wenn ich, um bei Kolossalwerken zu bleiben, Delius' "Mass of Life" und Mahlers Achte als Vergleiche heranziehe, schneiden die "Gurrelieder" meiner Meinung nach nicht ganz so gut ab

    Lieber Edwin,

    mit diesem Standpunkt habe ich natürlich überhaupt kein Problem, da Du ja andere tonale Werke Schönbergs oder seiner Zeitgenossen zum Vergleich heranziehst. Trotzdem gefallen mir die Gurre-Lieder offenbar besser als Dir - und dagegen ist sicher auch nichts einzuwenden. Mag sein, dass man mir jetzt schlechten Geschmack unterstellt: aber ich habe durchaus eine Schwäche für das Hypertrophe in der Musik, und ich habe einfach manchmal Spass an der schieren Lautstärke und am Krawall - insbesondere wenn man das im Konzertsaal vielleicht dann auch körperlich erfahren kann. Wenn ein Komponist einfach dick instrumentiert, nur um Lautstärke zu erzeugen, dann kann ich ihm das durchaus verzeihen. Ich weiß nicht, ob ich so weit gehen würde, zu behaupten, dass Lautstärke für sich genommen eine Ausdrucksqualität darstellt (ein Fan von "Death Metal" oder ähnlichen Stilrichtungen würde das wahrscheinlich bejahen). Ich denke aber z. B. an Glenn Branca, in dessen Musik Lautstärke ein wichtiger Ausdrucksfaktor ist. Oder nehmen wir die 6. Sinfonie von Charles Tournemire, deren Chorfinale das mächtigste und lauteste der Musikgeschichte sein soll - jedenfalls "rockt" es ganz schön.


    Beste Grüße
    ilbravo

    Oper in Hamburg: seit 1678 in 3D

  • dass man mir jetzt schlechten Geschmack unterstellt: aber ich habe durchaus eine Schwäche für das Hypertrophe in der Musik, und ich habe einfach manchmal Spass an der schieren Lautstärke und am Krawall


    Das ist persönlicher Geschmack. Schlechter Geschmack existiert nicht. :D
    :wink:

    Na sdarowje! (Modest Mussorgskij)


  • Tatsächlich...? ;(
    :wink:


    Du hattest weiter oben geschrieben:


    ....
    Wenn aber ein Satz, den fünf oder sechs Hörner mühelos spielen können, auf zehn Hörner angedickt wird, verlangt der Komponist ohne musikalische Begründung vier bis fünf Hörner zuviel.
    ....

    Und ich meine halt, dass bei 4:33 ein Pianist (es können wohl auch andere oder mehrere Instrumentalisten sein) das spielt, was mühelos auch Null Pianisten geschafft hätten.
    Das sind genau 100% zuviel.

    Da steht doch Schoenberg mit seinen Gurreliedern prozentual wesentlich besser da.

    So war das gemeint.


    Übrigens: Mir gefallen aus Schoenbergs Schaffen auch die Gurrelieder am besten, insbesondere das Vorspiel. Ich kann es allerdings nicht begründen. Vielleicht liegt mir die Spätromantik einfach eher.


  • Das sind genau 100% zuviel.

    Nicht eher ∞% zuviel? ;+)

    Liebe Grüße,
    Areios
    :wink:

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • Nicht eher ∞% zuviel? ;+)

    Liebe Grüße,
    Areios
    :wink:

    Ja ja, durch Null teilen ergibt Unendlich. Das wollte ich vermeiden. Deswegen habe ich den einen Pianisten als Basis bzw. 100% gesetzt.

    Aber das wichtigste ist, dass Du die gigantische Verschwendung erfasst hast.

  • Ich habe den thread zum Anlass genommen, mir die Gurre-Lieder endlich auch einmal anzuhören (habe mir die oben erwähnte Leibowitz-Aufnahme bestellt). Mein erster Eindruck: ich muß Edwin weitgehend Recht geben: ich empfinde das auch als ziemlich über-besetzt. Außerdem fand ich das Stück für den musikalischen Gehalt ziemlich lang; da höre ich doch viel Leerlauf! Auch der Vergleich zu Mahlers Achter (nicht gerade mein Lieblings-Mahler) drängt sich mir auf, vor allem den Schlußchor habe ich in dieser Hinsicht als ziemlich eklektisch empfunden. Immer wieder aber auch Abschnitte, wo ich schon den atonalen Schöberg heraushöre ähnlich wie beim "Pelleas"). "Tauben von Gurre", vor allem aber das Vorspiel sind aber auch unter romantischen Blickwinkel große Klasse.

    Nach dem ersten Hören bin ich also eher zwiespältig (ich hätte es aber auch vielleicht doch nicht beim Bügeln hören sollen 8+)); eine Aufführung würde ich mir aber nach Möglichkeit nicht entgehen lassen!

    Bernd

    Fluctuat nec mergitur

  • Uraufführungen

    Uraufführung des I. Teils (in einer Bearbeitung für 2 Klaviere zu 8 Händen):
    Ehrbar-Saal in Wien am 14. Januar 1910
    Waldemar - Hans Nachod, Tenor; Tove - Martha Winternitz-Dorda, Sopran;
    Etta Werndorf, Arnold Winternitz, Anton von Webern, Rudolf Weinrich, Klavier

    Dieses Konzert - bei dem übrigens auch das "Buch der hängenden Gärten" sowie die Drei Klavierstücke op. 11 (beide allerdings noch ohne Opuszahl angegeben) zur Uraufführung kamen - wurde 2010 im Musikinstrumenten-Museum Berlin nachgespielt: "http://www.sim.spk-berlin.de/veranstaltunge…229&PAGE_ID=378"
    Für diese Aufführung wurde eine Version der Gurre-Lieder (Teil I) erstellt, die sich nahe an diejenige der Uraufführung anlehnt:

    • Für die Lieder wurden die originalen Klavierfassungen von 1900 verwendet, die vor einigen Jahren für die Arnold-Schönberg-Gesamtausgabe rekonstruiert und herausgegeben wurden.
      1910 wurden diese allerdings aus einem inzwischen verschollenen Klavierauszug von Schönberg gespielt.
    • Vor- und Zwischenspiel sowie drei Überleitungen hatte Anton Webern für das Konzert für zwei Klavier zu sechs bzw. acht Händen arrangiert.
      Diese Bearbeitungen wurden nun ediert und aufgeführt.
    • Einige Überleitungen hatte Webern (mangels "Masse") nicht arrangiert.
      Für diese wurde 1910 Schönbergs und 2010 Bergs Klavierauszug verwendet.
    • Möglicherweise wird es 2013 auch eine Notenausgabe dieser Einrichtung geben.

    Das Ergebnis war überaus befriedigend. Die Reduktion auf das Klavier ist nicht nur ein Mangel, sondern bietet auch die Chance eines unverstellten Blicks auf die kompositorische Substanz. Darüber hinaus ermöglicht sie den Sängern, wesentlich subtiler zu differenzieren als sie es im "Kampf" mit dem riesigen Orchester tun könnten.
    Auch Schönbergs Plan, das Programm historisch "rückwärts" aufzuziehen (Opus 15, Opus 11, fünf Lieder aus Opus 2 und 6, Gurre-Lieder) erwies sich als sehr funktionsfähig, indem man von der radikalen Position der ersten Atonalität zwar nicht bruchlos, aber doch didaktisch zurück geführt wurde.
    Die sechs- und achthändigen Bearbeitungen werden - voraussichtlich 2013 - auf CD erscheinen, gemeinsam mit achthändigen Bearbeitungen von drei Stücken aus Opus 16, die Erwin Stein 1909 angefertigt hatte.

  • Entstehung

    Schönberg lernte Jacobsens Gedichte in der Übersetzung des Wiener Philologen Robert Franz Arnold (1872-1938) kennen, die 1897 entstand und 1899 im Druck erschien.
    Auf die Ausschreibung eines Komponistenwettbewerbes des Wiener Tonkünstler-Vereins hin begann Schönberg vom Jahre 1900 an, einige Gedichte als Liederzyklus für Gesang und Klavier zu vertonen. Weil er jedoch den Liedern wegen ihrer Neuartigkeit keine großen Erfolgschancen bei dem Wettbewerb einräumte, reichte er diese nicht ein, sondern verwendete sie als Grundlage zur Schaffung eines großen, dreiteiligen Oratoriums für Solisten, Chöre und Orchester, wobei die Komposition bereits 1901 vollendet wurde, die Umarbeitung und aufwändige Instrumentierung sich aber - verursacht durch längere Unterbrechungen - bis 1911 hinzog.


    Warum Schönberg die Lieder nicht beim Wettbewerb einreichte, ist nicht letztlich zu klären.
    Das genannte Argument der Neuartigkeit stammt aus einem Bericht Zemlinskys, Schönberg selbst erklärte dagegen, er habe die Abgabefrist um eine halbe Woche verfehlt. Aus den musikalischen Quellen kann man jedoch entnehmen, dass der Plan zur orchestermäßigen Ausarbeitung bereits in einem wesentlich früheren Stadium entstanden war. Beide Berichte können im Sinne einer Legendenbildung erklärt werden, die darauf abzielt, das Schönberg sein erfolgreichstes Werk gewissermaßen dem Zufall oder Schicksal verdanke.

    Konkret ist der Sachverhalt folgendermaßen:

    • Alle Lieder des ersten Teils wurden als Klavierlieder niedergeschrieben.
    • Einige davon sind mit echten Schlüssen versehen.
    • Bei anderen ließ Schönberg Platz für die später nachzutragenden Überleitungen
    • Darüber hinaus gibt es noch klaviermäßig notierte Lieder aus der Fortsetzung des Oratoriums:
      - Herrgott, weißt Du was Du thatest
      - Die wilde Jagd
      - Klaus Narr
      - Du strenger Richter droben
      Alle diese kann man jedoch nicht mehr als Klavierlieder bezeichnen. Es ist ziemlich offensichtlich, dass Schönberg hier nur für eine erste Niederschrift auf die vertrautere Form des Klavierlieds zurückgriff.
    • Die Umarbeitung zur Orchesterversion erfolgte direkt im Manuskript, d.h. Schönberg arbeitete die Klavierlieder zu einem Particell um, indem er die Änderungen direkt hineinschrieb und auch etliche Überklebungen anbrachte. Aus diesem Grund waren die Frühfassungen auch nicht zugänglich, bis sie vor wenigen Jahren im Rahmen der Schönberg-Gesamtausgabe durch eine Restauratorin und einen Musikwissenschaftler rekonstruiert wurden.

    Sämtliche Klavierfassungen sind nun auch auf CD verfügbar: "http://www.capriccio.at/arnold-schoenberg" (Lieferbar in Deutschland ab 9.7.2012)

  • Sämtliche Klavierfassungen sind nun auch auf CD verfügbar: "http://www.capriccio.at/arnold-schoenberg (Lieferbar in Deutschland ab 9.7.2012)

    Nachtrag:
    Wie ich soeben sehe, ist die Box doch bereits jetzt auf amazon.de gelistet:

    http://www.amazon.de/Arnold-Sch%C3%…-product-detail


    Noch besser wäre es allerdings, die Box über den Link auf der Seite Detailseite

    http://www.ursliska.de/26.0.html

    zu ordern (und damit ziemlich direkt den Betrieb der Seite sowie weitere Schönberg-"Forschungen" zu unterstützen :D )

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