Dichten - aus welcher Motivation?

  • Dichten - aus welcher Motivation?

    Diese Beiträge habe ich aus Eigenes von Roi des Étoiles ausgelagert, da sie über das Threadthema doch deutlich hinausgehen. - Areios

    Wer zu spät kommt , den bestraft die Moderation! Ich stelle hiermit einen Antrag, dass Beiträge wenigstens über Nacht oder zu Zeiten, wenn normale Leute nciht im Forum sind, stehenbleiben und erst zu allgemeinvertrâgllichen Uhrzeiten entsorgt werden. :thumbup:
    Übrigens interessiert mich weiterhin sehr, wer hier sonst noch Gedcihte schreibt und warum er/sie im Gegensatz zum Sternenkönig nicht veröffentlicht.
    Ich mache mal den Anfang: ich habe Gedcihte immer als etwas sehr Intimes empfunden und jemandem ein Gedicht zu zeigen als riesengrossen Vertrauensbeweis.
    Wir hatten ja in Foren schon mehrfach dilettierende Dichter(innen), über die sich manchmal recht abfällig lustig gemacht wurde. Das Selbstbewusstsein, das Jörg hier an den Tag legt, bewundere ich wirkllich. Den Vorwurf des Epigonalen finde ich ungerecht- wer ist denn heutzutage bitte schön nicht irgendwie epigonal, wenn er nciht ein Jahrhundertgenie ist??????
    Was den Selbstverlag angeht: selbst wenn dem so wäre, ist das absolut keine Schande! Auch ein Marcel Proust musste sich selbst verlegen.

    Ich schreibe heute nur noch Gedichte (in französischer Sprache) mit meinen Patienten und bin gerade aktuell besonders beglückt, wie sehr gerade Jugendliche über diese Kunstform zu einer Ausdrucksmöglichkeit finden, die ihnen mit anderen Medien versagt ist. Besonders bewegend ist es, wenn in einer Gruppe dann gewagt wird, Gedichte vorzulesen und die ästhetische Komponente, die eigentlich gar keine Hauptrolle spielt, sich ganz überraschend mit-entfaltet.
    Bei uns lief neulich im Kino ein wunderbarer koreanischer Film namens "Poetry". Dort findet eine an Morbus Alzheimer erkrankte ältere Dame, die mit ihrem Enkel zusammenlebt zu einer Dichter-Gruppe. Der halbwüchsige Enkel hat zusammen mit einigen Schulkkameraden ein Schulmâdchen monatelag vergewaltig und in den Selbstmord getrieben. Diese Tat soll in der Schule vertuscht werden und die Mutter des Mädchens dazu mit einer hohen Geldsumme abgefunden werden, um ihr schweigen zu erkaufen und einen Skandal zu vermeiden. Die Protagonistin des Films wird genötigt, sich daran zum Schutz ihres Enkels zu beteiligen und verarbeitet das Geschehen mithilfe der Poesie. All das ändert gar ncihts an der âsthetischen Qualitât und Beurteilbarkeit von Lyrik, aber ich will noch einmal darauf hinweisen, dass die Intimitât dieser Kunstform auch einen Grund-Respekt vor dem Schreibenden verlangt. Ob mir das, was er schreibt, nun gefällt oder nicht.
    F.Q.

    P.S. Gestern habe ich - gelesen von Lutz Görner- Gedichte einer polnischen Lyrikerin und Nobelpreistrâgerin gehört: W. Szymborska- absolut phantastisch! DAS war nicht epigonal sondern genial. Kennt jemand z.B. ihr Gedicht "Das erste Photo?"

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • ich habe Gedcihte immer als etwas sehr Intimes empfunden und jemandem ein Gedicht zu zeigen als riesengrossen Vertrauensbeweis.

    Liebe Fairy!

    Im Moment bin ich unter Zeitdruck, daher nur ganz kurz:

    Ich kann Deine "Vorsicht" grundsätzlich verstehen, aber ich verstehe nicht ganz, warum die bei Gedichten stärker sein soll als bei einem anderen literarischen Text. Meinst Du damit, dass ein Gedicht "näher" bei der Person des Schreibenden ist als z.B. eine Erzählung und daher mehr Persönliches preisgibt?

    Ich war überzeugt, dass in meinem Bücherschrank ein Gedichtband von Szymborska steht, habe aber auf die Schnelle nichts gefunden. Wenn ich mehr Zeit habe, werde ich da noch genauer nachschauen, ich glaube mich zu erinnern, dass ich schon etwas gelesen habe, was mir damals auch gefallen hat.

    Zu Lutz Görner wollte ich schon einen Thread aufmachen, weil ich Eure Meinung hören möchte. Ich finde den nämlich absolut unerträglich und wenn man Gedichte nur von ihm vorgetragen bekommen könnte, möchte ich nie wieder eines hören!


    Liebe Grüße
    :wink:
    Renate

    Unsre Freuden, unsre Leiden, alles eines Irrlichts Spiel... (Wilhelm Müller)

  • Fairy hat natürlich recht - wer zu spät kommt, den bestraft die Moderation. Schade.

    Wenn zwei Seiten streitender Parteien an die Moderation herantreten, Dinge zu löschen, wird sie bis zur internen Klärung erstmal tätig.
    Wer das als Strafe sieht, fühle sich halt bestraft.

    "...es ist fabelhaft schwer, die überflüssigen Noten unter den Tisch fallen zu lassen." - Johannes Brahms

  • Ich hatte vielleicht den da vergessen...... :-I zumindest einen Halben davon, denn ich komme wirklich immer zu spât, um die spannendsten Sachen zu lesen....
    Gebt zu, das macht ihr wahrscheinlich absichtlich, damit sich die Leute gar nciht mehr trauen, zu leben oder etwa zu arbeiten und 24h eingeloggt bleiben. :boese:

    Liebe Renate, für mich ist Lyrik die dichteste und damit intimste Form, mit Sprache umzugehen. Da wo ein Wort eine ganze Welt beinhalten kann, ist die Gefahr der Missverständnisse besonders gross. Man findet sich sehr leicht von "Interpreten" auf einen Planeten verfrachtet, auf den man weder gehört noch je hinwollte. Ein Austausch von selbst geschriebener Lyrik ist für mich genauso intim wie ein Austausch diverser Körperflüssigkeiten. Aber da wird wohl jeder Dichter seine eigenen Kriterien und Empfindlichkeiten haben. Für mich ist und bleibt der Akt sich mit Gedichten öffentlicher Kritik auszusetzen, sehr mutig.

    Was Lutz Görner angeht, sind wir ganz und gar nciht einer Meinung. Allerdings kenne ich ihn nicht live oder im TV sondern "nur" seinen genialen Lyrikwürfel- 50 Cds mit Gedichten vom Barock bis in die Gegenwart. :juhu: :juhu: :juhu:
    Dass er ausgerechnet Dichter mit besonders grosser Aufmerksamkeit beschenkt, die in meinem Olypm ganz oben stehen( z.B. Lasker Schüler, Rilke, Neruda, Droste- Hülshoff, Goethe, Baudelaire) und meinen Geschmack überhaupt weitestgehend zu teilen scheint, macht ihn mir noch sympathischer als es dieses Lyrik-Projekt als solches ohnehin schon tut. Der Graf hat nämlich leider gottes total recht: wer liest oder kauft schon Lyrik???? Schreiben tun sie Viele, aber lesen oder gar bezahlen? Jeder seriöse Ansatz diese wunderbare Kunstform unters Volk zu bringen, ist allein deshalb schon eine Heldentat für mich.

    Und mich hat Görner mit seiner Rilke und Lasker-Schüler Lesung wirklich zum Weinen gebracht. Und was er über die Barock-Dichter Fleming, Gryphius und Hoffmannswaldau erzählt hat, beinahe auch. Ich finde, dass er ein begnadeter Rezitator und vor allen Dingen ein echter Begeisterer ist. Zugegeben, manchmal etwas dick aufgetragen, aber tant pis! Wo gehobelt wird, fallen Späne und wo grosse Emotionen im Spiel sind, darf auch Pathos dabei sein.

    :fee:

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • Gebt zu, das macht ihr wahrscheinlich absichtlich, damit sich die Leute gar nciht mehr trauen, zu leben oder etwa zu arbeiten und 24h eingeloggt bleiben. :boese:

    Bei manchen Usern überkommt uns diese Versuchung durchaus gelegentlich :-H

    :wink: :wink:

    Christian

    Rem tene- verba sequentur - Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen

    Cato der Ältere

  • Wenn zwei Seiten streitender Parteien an die Moderation herantreten, Dinge zu löschen, wird sie bis zur internen Klärung erstmal tätig.
    Wer das als Strafe sieht, fühle sich halt bestraft.

    Entschuldige, ich hatte den hier :-I vergessen. Ich denke, ich bin einer der letzten, der sich über das Befrieden von hiesigen Gefechtslagen beklagt.

    Anders formuliert: weiter so; oder auch: :thumbup: .

    Also: :wink:

    Jein (Fettes Brot, 1996)

  • Ich auch

    Liebe Fairy Queen

    du fragtes nach den Dichtern - ich bin ein solcher Dichter
    auch wenn ich nicht Dicht bin :P
    Ich habe mehr als 2000 Gedichte verfasst
    und nur ein Bruchteil kam einmal zur Veröffentlichung
    warum ich nicht mehr veröffentliche Fragst du dich bestimmt?
    Weil ich 1. Zu selbstkritisch bin und 2. Mehr Musik komponiere
    statt zu dichten

  • Zitat

    Übrigens interessiert mich weiterhin sehr, wer hier sonst noch Gedcihte schreibt und warum er/sie im Gegensatz zum Sternenkönig nicht veröffentlicht.


    Erst einmal nicht wegen irgendeiner Intimität. Manchmal zeichnen sich gute Gedichte ja gerade weniger dadurch aus, dass sie einen Einblick in das persönliche Seelenleben des Verfassers gewähren, als dadurch, dass sie etwas Überindividuelles (wenn auch das 'Innenleben' vieler Betreffendes) zum Ausdruck bringen. Goethes "Willkommen und Abschied" dürfte von persönlichen Erfahrungen herrühren, ist aber für Generationen von Lesern wohl nicht deswegen von Interesse (und sollte es auch nicht deswegen sein). Lyrik als Seelenstriptease? Nee.

    Ich habe vor allem in den frühen Zwanzigern ein paar Jedichte mit hohem Anspruch geschriem. Der Anspruch betraf allerdings eine 'künstlerische Qualität', von der ich eben eine mehr oder weniger vage intuitive Vorstellung hatte. Und ich glaube ganz einfach, diesem Anspruch nicht gerecht geworden zu sein. ............... Nun mag jemand sagen: Das könnten wir doch mal prüfen. Und da, liebe Fairy, kommt etwas ins Spiel, das vielleicht tatsächlich Intimität betrifft. Es ist das Gefühl, dass etwas peinlich ist (gemessen am Kunstanspruch).

    Ich bin weltoffen, tolerant und schön.

  • Zitat

    auch wenn ich nicht Dicht bin :P

    "Wer Lyrik schreibt, ist verrückt,
    wer sie für wahr nimmt, wird es..
    .. Ganz unten am Boden gelten wir
    für nicht mehr ganz zurechnungsfähig"

    Peter Rühmkorf (aus dem Gedicht "Hochseil")

    :wink:

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Ich habe vor allem in den frühen Zwanzigern ein paar Jedichte mit hohem Anspruch geschriem.


    Dann freue ich mich, daß Du noch immer unter uns weilst und Deine Sinne beisammen hast. Außer vielleicht, wenn Du von irgendwelchen Ansprüchen faselst, denen gerecht zu werden wäre. Wie soll man, frage ich, 2000 Gedichte schreiben (und vertonen!), wenn man immer halb gebückt durch die Welt schleicht und sich fragt: "War ich gut?".

    Ja sicher warst Du gut!! Und es wird immer besser mit Dir!!! So spricht der Dichter und der Kritikaster wundert sich.


    "In the year of our Lord 1314 patriots of Scotland, starving and outnumbered, charged the field of Bannockburn. They fought like warrior poets. They fought like Scotsmen. And won their freedom."

  • Zitat

    Wie soll man, frage ich, 2000 Gedichte schreiben (und vertonen!), wenn man immer halb gebückt durch die Welt schleicht und sich fragt: "War ich gut?".

    Sollte man gar nicht. Es gibt ohnehin zu viel von dem Zeug. Überall kommt nun Qualitätsmanagement zum Zuge, und am Ende gibt's Standardzertifikate, die an der Wand hängen wie Meisterbriefe. Ein Lüriker sollte sein Qualitätsmanagement selbst besorgen oder nur für die Schublade oder - wenn es ihm gelingt - wegen des Geldes schreibn. :wink:

    Ich bin weltoffen, tolerant und schön.

  • Bei mir besorgt das Qualitätsmanagement der Rundordner. Besonders bei Lyrik.

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • Zitat

    Ein Lüriker sollte sein Qualitätsmanagement selbst besorgen oder nur für die Schublade oder - wenn es ihm gelingt - wegen des Geldes schreibn.

    wegen geld ja, aber nicht nur für die schublade...

    :wink:

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Nun ich schreibe alles aus mir raus alles was mir in den Sinn kommt
    ich frage erst immer hinterher


    Ovale Nr.1

    „Blütenzauber“

    I

    Wie stark muss
    man sein will man sagen,

    was niemals man
    zu sagen kann wagen?

    Wie stark muss
    man sein will man fühlen,

    was zu tief wird
    in fremden Seelen wühlen?

    Wieviel Zeit
    muss vergehen bis man das Leben erkennt,

    wieviel Tränen
    müssen fließen, bis man vor Trauer verbrennt?

    Ist alles was
    man kennt ohne Sinn und Liebe geboren,

    oder ist nur
    unser Gefühl für das Schöne verloren?

    II

    Du gehst alleine
    und einsam durch die Strassen,

    und siehst dort
    am Rand die Blume auf dem Rasen.

    Vorsichtig
    beugst du dich zu dieser kleinen Blume nieder,

    sogleich kommt
    zu dir die Freude wieder, was ist passiert?

    Du kannst dir
    deine gute Laune nicht erklären,

    und beginnst es
    voller Misstrauen abzuwehren!

    Doch der
    Blütenzauber wird bleiben egal was ist,

    selbst dann wenn
    du wieder in deinem Alltag bist!

    III

    Wie stark muss
    man sein um dem Schönen zu verfallen,

    bis man auch an
    Blumen findet ein wenig Gefallen?

    Wie stark muss
    man sein will man endlich glücklich sein,

    und nicht mehr
    in der Wohnung einsam und allein?

    Wieviel Fragen
    muss man sich und der Welt stellen,

    bis die Einsicht
    der Liebe wird einen erhellen?

    Ist alles was
    man kennt nur ein unwirklicher Schein,

    oder kann dort
    noch was Anderes sein?

    IV

    Je weiter du
    gehst, desto öfters denkst du an die kleine Blume,

    lässt deine
    Gedanken um ihren Zauber kreisen –

    Ist es nicht
    endlich an der Zeit zu sagen,

    was niemals man
    zu sagen kann wagen?

    Komm leicht geht
    es dir von den Lippen,

    und dann wird
    dich auch das Glück antippen,

    weil du endlich
    hast erkannt im Leben,

    auch für dich
    kann es ein Blütenzauber geben!

    V

    Wie stark muss
    man sein um alle Gefahren zu bestehen,

    wie stark muss
    man sein um über den Rand zu gehen?

    Wie stark muss man
    sein um endlich das Leben zu erkennen,

    und auch in
    deiner Seele das Glück zu benennen?

    Hör auf die
    Stimmen in dir, erkenne die Zeichen der Zeit,

    und auch zu dir
    kommt die Glückseeligkeit –

    Nichts ist wie
    es wirklich scheint, hast du es erkannt,

    so ist endlich
    der Bann gebannt!

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