Beethoven: Symphonie Nr. 1 in C-Dur, op. 21 – Werk und Aufnahmen

  • Um mit dem Anfang anzufangen - der lange Weg zum C war wohl nicht das, was die Zeitgenossen verwundert hörten. Hier werden es allenfalls ein Teil der Kenner gewesen sein, die die teuflischen Wirrnisse der Modulationen durchschauten. Die Kritik einer Aufführung 1805 in Berlin geht davon aus, dass die Sinfonie "mit dem Septimenakkorde über der Dominante des Haupttones auf dem kurzen Auftakte an.


    Ich möchte nur mal kurz einwerfen, dass es Anfänge in der "falschen Tonart" auch schon vorher gab, etwa im ersten Satz in Haydns Quartett Op. 33/1 . Dieser steht in der Grundtonart des Quartettes - H-moll - , beginnt aber mit dem Hauptthema in D-Dur. Erst im 3. Takt - mit dem Cello-Einsatz - wendet sich die Musik der "richtigen" Tonart zu:

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    Beethoven war also nicht der erste, der ein Stück mit einem solchen "Verwirrspiel" beginnen ließ...

    zwischen nichtton und weißem rauschen

  • Da es hier auch um Einspielungen geht, setze ich hier den etwas erweiterten Beitrag ein, den ich in meiner Lieblingskolumne "Eben gehört" geschrieben habe. Die rund 50 Aufnahmen auf CD, die ich von Beethovens Erster habe (meist im Rahmen eines Sinfonienzyklus) umfassen den Zeitraum von 1928 bis 2011. Am Anfang steht (im Moment)

    Willem Mengelberg
    Concertgebouw Orkest Amsterdam
    ca. 1928
    Telefunken SK 2770/2772

    Klangqualität der Aufnahme ist ein gutes Mono mit dem üblichen Anteil an Oberflächengeräuschen. Das Orchester ist gut (durch-)hörbar, was dem Concertgebouw Orkest ein ausgezeichnetes Zeugnis ausstellt.

    Das Dirigat Mengelbergs ist gewöhnungsbedürftig, aber gerade deshalb sollte man sich mit solchen frühen Aufnahmen auseinandersetzen. Man lernt, wie viel an musikalischem Feingefühl man einsetzen muss, um Rubati nicht zu einem Ziehharmonikaeffekt verkommen zu lassen, sondern die Musik damit zu gestalten. Die Großen des Fachs wie Mengelberg und Furtwängler verstanden das herausragend. Wie Mengelberg in den Finalsatz schlendert, ist genial. Das können sich moderne Dirigenten mit ihrer Sekundenschinderei (meist) nicht mehr erlauben. Gemütlich wird es bei Mengelberg trotzdem nie.

    Den nachhaltigsten Einwand, den ich gegen diese Einspielung habe, besteht darin, dass ich das Gefühl habe, dass hier die Erste unter dem Gesichtspunkt des Zyklus dirigiert wird, das heißt, das der Eigenwert der Komposition nicht so wahrgenommen wird, wie ich es mir wünsche. Den gleichen Eindruck habe ich übrigens auch bei Furtwänglers Einspielung der Ersten.

    Da empfiehlt es sich als Gegenmittel Toscaninis wilde Einspielung mit dem BBC Symphony Orchestra von 1939 gegenzuhören. Da wird Beethovens Ehre wieder hergestellt: Die erste ist ein genialer Streich, der den status quo noch einmal zitiert, um ihn aufzubrechen, vielleicht noch nicht so gewaltsam, wie es in der Dritten geschehen wird, wo unmissverständlich eine neue Epoche beginnt, aber subtil und mit aller Kunstfertigkeit. Wie man bei Forchert (Beethoven. Interpretationen seiner Werke) liest, ist hier das Neue nicht das Verworrene, Pittoreske, Bizarre, das Mengelberg durch seine Rubati erschafft, sondern:

    Zitat

    In Wahrheit jedoch liegt das Neue des ersten Satzes [..] vor allem in einer so planmäßigen und energischen Zusammenfassung aller Einzelheiten in Richtung auf ein Ziel, wie sie in dieser Konsequenz vorher weder bei Haydn noch bei Mozart zu finden gewesen war. Das Ziel wird die Reprise, die damit zum Hauptereignis der Sonatenhauptsatzform avancierte.

    Liebe Grüße Peter

    .
    Auch fand er aufgeregte Menschen zwar immer sehr lehrreich, aber er hatte dann die Neigung, ein bloßer Zuschauer zu sein, und es kam ihm seltsam vor, selbst mitzuspielen.
    (Hermann Bahr)

  • Vielen Dank erst mal für diesen sehr guten Beitrag.

    Beethoven ist nicht nur der Beethoven der 3. 5. 9. Sinfonie, er ist auch der Beethoven der 1. 2. 4. Sinfonie des Septetts und vieler anderer "leichter" Stücke.

    Es sind wunderschöne Kleinode die man nicht vergessen sollte und ich halte überhaupt nichts davon diese Stücke abzutun, kleinzureden und zwischen dem eigentlichen Beethoven und diesem Beethoven zu unterscheiden.

    Nein, B. wird verkannt wenn man ihn auf den B. der 3. 5. und 9. reduziert. B ist genauso der B. des Septetts und der 1. und 2. und 4. Sinfonie, nur wer B. in seiner ungeheuren Vielfalt sieht, kann ihm halbwegs gerecht werden.

    Und deshalb freue ich ich ganz besonders über Beiträge zu diesen Stücken.

    Überhaupt halte ich es für fragwürdig Musik mehr oder weniger zu reduzieren auf die pathetische, dramatische, bedeutungsschwangere und pompöse Musik der Spätromantik (Berlioz, Wagner, Bruckner, Mahler, Sibelius usw.)

    Auch Haydn, Mozart, Gossec, Dittersdorf, Stamitz, Holzbauer, Lully usw haben grosse Musik geschrieben, nicht weniger bedeutungsvolle Musik.

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    Meine Lieblingsaufnahmen sind übrigens Leibowitz und P Järvi

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    zu EinTon

    Es gibt meines erachtens sehr viele Dinge die B zugeschrieben werden, die aber andere Komponisten vorher auch schon gemacht haben (hier ist Haydn ganz besonders zu nennen, ich finde bei B. ist nichts so deutlich zu spüren, als die Tatsache, dass er ein Schüler Haydns war und ihn deshalb wohl auch bei vielen Dingen zum Vorbild genommen hat).

    Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum (Nietzsche)
    In der Tat spuckte ... der teuflische Blechtrichter nun alsbald jene Mischung von Bronchialschleim und zerkautem Gummi aus, welchen die Besitzer von Grammophonen und Abonnenten von Radios übereingekommen sind Musik zu nennen (H Hesse)
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    Im übrigen bin ich der Meinung, dass immer Sommerzeit sein sollte (gerade im Winter)


  • Meine Lieblingsaufnahmen sind übrigens Leibowitz und P Järvi

    Dem schließe ich mich an. :wink:

    Liebe Grüße Peter

    .
    Auch fand er aufgeregte Menschen zwar immer sehr lehrreich, aber er hatte dann die Neigung, ein bloßer Zuschauer zu sein, und es kam ihm seltsam vor, selbst mitzuspielen.
    (Hermann Bahr)

  • Beethoven nicht als Selbstverständliches, Wohlvertrautes, Wiedererkanntes hören wollen, um die Unmittelbarkeit, das Schockierende, Aufrüttelnde, diesen so markanten Einbruch des „Ich“ in die Musik neu wahrnehmen zu können, auch verbal in geplanten Einführungstexten für das Capriccio Forum (Symphonien 2 bis 8) weiter geben zu können wie verblüffend neuartig diese Musik wirken kann – da greife ich zu Nikolaus Harnoncourt. Beethovens erste acht Symphonien hat er mit dem Chamber Orchestra of Europe in einer Konzertreihe im Grazer Stefaniensaal vom 29.6. bis 5.7.1990 aufgeführt, und diese Mitschnitte wurden auf CD veröffentlicht (gehört von CD Box Warner Classics 2564 63779-2). Es ist für mich ein Mit-Neuentdecken dieser Musik. Die Interpretation wirkt auf mich ungemein lebendig, niemals geglättet, aufrüttelnd, das Andante cantabile wirklich con moto wie vorgeschrieben, das Menuetto-Scherzo unbarmherzig treibend, kraftvolle Musik, die oft mit dem Kopf durch die Wand zu stoßen versucht, von Harnoncourt mit unerbittlicher Drastik aufwühlend und konzentriert-impulsiv in den Raum geschleudert. Ja, so will ich Beethoven hören um möglichst konstruktiv darüber schreiben zu können.

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Hans Pfitzner, Berliner Philharmoniker, 1928 (?)
    Spielzeiten: 7:09/6:32/3:20/4:31 – 21:34
    Keine Wiederholungen

    Die Sechzehntel in der Einleitung sind gut phrasiert, kein Dauerlegato über Bogenenden hinweg. Halbe = knapp über 90 zu Beginn des ersten Themas, bis zum Tutti dann etwas über 100 (Beethoven: 112), beim zweiten Thema dann wieder ca. 90. Selbes Tempo dann bei der Mollwendung. Erst in der Schlussgruppe wird es wieder zügiger. Keine Wiederholung der Exposition. – Angenehm ist die hohe Transparenz, Pfitzner bläst Beethoven nicht in Richtung Bruckner auf, große Bögen bestimmen seine Wiedergabe, häufig wird ganztaktig empfunden. Von Beethoven notierte Akzente kommen allerdings nicht immer gut heraus, das kann aber auch aufnahmetechnische Gründe haben.

    Der zweite Satz beginnt mit etwas über 90 Achteln p. m. Es wird kurz artikuliert, schärfer als bei Furtwängler oder Klemperer. Immerhin bleibt so etwas vom scherzando-Charakter wahrnehmbar. Wiederum keine Wiederholung. – In der Reprise wird es zunächst deutlich schneller, um beim zweiten Thema wieder zu entspannen. Wirkt sehr gewollt.

    In den ersten Abschnitt des Menuetto steigert sich Pfitzner beschleunigend hinein. Lässt aufhorchen, aber ist für mich schlüssig! Das Zieltempo liegt so ungefähr bei den von Beethoven geforderten 108 Takten pro Minute. – Ca. 84 Takte pro Minute dann im Trio. Eine solche Tempozurücknahme lässt sich sogar in historischen Quellen als legitim nachweisen. – Im Scherzo klappert es ein wenig. Das erinnert daran, dass es zu Beethovens Zeiten vermutlich ärger war.

    Das Finale gefällt ebenfalls durch gute Durchhörbarkeit und herrliche Holzbläser. Das Tempo liegt zwischen Halbe = 72 und 80 (Beethoven: 88).

    Dies ist vor allem ein Dokument vergangener Spielpraxis: Es erzählt viel über interpretatorische Freiheiten, die sich heute keiner mehr traut …

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Felix Weingartner, Wiener Philharmoniker, 19. Oktober 1937
    Spielzeiten: 6:54/6:20/3:27/4:21 – 21:12
    Keine Wiederholungen

    Das erste Pizzicato ist nicht zusammen. Schön ist das Abtropfen der „Piano“-Akkorde. Dichtes Legato ist in den Violinen zu hören, auch das Wechselspiel von Bläsern und Streichern ereignet sich dicht an dicht – das wirkt nobel! Überraschend ist, dass der Auftakt zum ersten Thema noch im Tempo der Einleitung gespielt wird – so sagt es zwar der Buchstabe der Partitur, aber war das Beethovens Absicht? – Leicht schneller als Halbe = 100 lässt Weingartner das erste Thema spielen. Stringent klingt das – die notierte Dynamik ist bestens umgesetzt, vor dem Tutti wird es kaum langsamer, angemessen lebendig-kräftiger Klang, aber nicht breit. Genauso gelungen ist die zweite Themengruppe, durchsichtig und leicht. Ebenso stringent ist, dass es in der folgenden Eintrübung etwas langsamer zugeht. Wenn man mäkeln wollte, könnte man erwähnen, dass das Orchester bei Höhepunkten leicht vor der Zeit spielt, also gefühlt „nach vorne fällt“. Keine Wiederholung der Exposition. Die Modulationen eingangs der Durchführung werden nicht mystifizierend aufgeladen, die Fortepianos kommen gut heraus. Weiterhin transparentes Spiel mit angemessenem Gewicht. – Spannend ist der Gegensatz zwischen dem breiten, fülligen Klang der Einleitung und der folgenden Leichtigkeit!

    Bei knapp 90 Achteln pro Minute behält der zweite Satz einen Rest des tänzerischen Charakters. Auch hier leichte Tongebung. Klar sind viele HIP-Aufnahmen noch differenzierter, aber es klingt nicht spätromantisch, sondern leicht und schlank. Keine Wiederholung des ersten Teils.

    Im ersten Teil des Menuetto (ca. 116 Takte pro Minute) erbringen Weingartner und die Wiener eine großartige Leistung bei der fantastisch überzeugenden Steigerung. Die piano-Abschnitte bleiben schön sachlich, der Impetus wird auch dort mitgenommen. Tolle Sforzati. Das Ganze hat kräftigen Zug nach vorne. – Das Trio wird deutlich langsamer genommen.

    Nach dem Menuetto klingt das Finale mit ca. 76 Halbe pro Minute ziemlich träge, aber die Temporelationen bleiben so erhalten. Weingartner steigert im Laufe des Satzes nach und nach, legt seine Karten nicht gleich auf den Tisch. Überzeugende Dramaturgie! Wie schon vorher, so ist auch hier leichtes und lockeres Spiel zu hören. Wenn es die Musik verlangt, wird auch mal energischer zugepackt. Die Wiedergabe orientiert sich am Herausarbeiten der Höhepunkte, was mit großem Können vorgeführt wird.

    Auch vor HIP gab es schlankes, spritziges Beethoven-Spiel – diese Aufnahme ist der Beweis. Hörenswert!

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Willem Mengelberg, Royal Concertgebouw Orchestra, 14. April 1940
    Spielzeiten: 8:46/6:24/3:32/5:47 – 24:29
    Wiederholung der Exposition im Kopfsatz, sonst keine Wdh.

    Ach – so zart kann man den Anfang also auch spielen … Das Fagott kommt im fünften Takt zu früh. Flott, diese Einleitung! Zwischen den Streicher- und Bläserakkorden vor dem letzten Quartsextakkord bleibt ein wenig Platz – gut. Das bläst diesen Abschntt nicht so auf. – Zügig geht es dann mit dem ersten Thema los, doch dann – Überraschung – die Modulation in den Holzläsern wird langsamer genommen. Ui. Ähnliches vor dem ersten Tutti im Forte: Davor wird erstmal abgebremst. Irgendwo bei ca. 104 Halben pro Minute liegt das gefühlte Haupttempo, doch dann wird es schneller bis zu den vorgeschriebenen 112. Wiederum langsamer hebt das zweite Thema an, dann wieder schneller bis zum nächsten Ritardando … ich strecke die Waffen: Das ist eine Tempovariationsorgie. Mahler statt Beethoven. – Der Orchesterklang hält die Mitte zwischen Ultra-Hip-Diät und brucknerartiger Verfettung. – Mengelberg lässt die Wiederholung der Exposition spielen. – In der Durchführung geht es einheitlicher nach vorne, da wird es doch gleich überzeugender! In der Reprise verzichtet der Dirigent dann auf die Verlangsamung der Holzbläsermodulationen, den Witz hat er ja schon erzählt.

    Wie suchend beginnt das Andante cantabile, doch nach und nach werden über 100 Achtel pro Minute erreicht. Die Ritardando-Orgien des Kopfsatzes gibt es nicht, nur vereinzelt wird mal richtig abgebremst. Das Tempo ist aber stets in Fluss. Schlanker Klang.

    Rein dynamisch, d. h. ohne Beschleunigung vollzieht Mengelberg die Steigerung im Menuetto. Im B-Teil leistet er sich wieder einige Ritardandi. Fast dasselbe Tempo im Trio.

    Finale. Das ist eine spannende Einleitung! Ca. 84 Halbe pro Minute liegen dicht am in der Partitur vorgeschriebenen Tempo. Quasi spiritoso! Wiederum seltsame Ritardandi, zwar eher moderat (verglichen mit dem Kopfsatz …), doch immer wieder verliert das Stück an Fahrt. Befremdlich!

    Hörenswert als Kuriosität, wenngleich auch als Stildokument vergangener Zeiten.

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Arturo Toscanini, NBC Symphony Orchestra, 21. Dezember 1951
    Spielzeiten: 8:19/6:21/3:21/5:37 - 23:38
    Wiederholung der Exposition im Kopfsatz und im Finale.

    Wenig Spannung liegt in den revolutionären Anfangsakkorden. Von Fortepiano ist nichts zu hören. Doch Toscanini treibt die Musik kräftig vorwärts, erreicht fast genau Beethovens Vorgabe (Achtel = 88). Wegen zu hoher Gleichförmigkeit hört sich die Einleitung trotz des Tempos belanglos an. – Im ersten Thema ist Toscanini nur um Weniges unter der Partiturangabe (Halbe = 112), und auch beim zweiten wird er kaum langsamer. Die Musik macht einen eher mechanischen Eindruck, es fehlen Esprit und Charme. Dies wird insbesondere von den kurzen und scharfen Tuttiakkorden hervorgerufen, es klingt gewollt und unorganisch. Toscanini lässt die Wiederholung spielen. Eine weiteres Defizit dieses angespannten Musizierens: es gibt kein wirkliches Piano in der Durchführung, da fehlt Dramatik. Die äußere Hektik verdeckt viele Valeurs der Musik.

    Mit „Achtel = knapp unter 100“ bleibt Toscanini auf Distanz zu Beethovens Wunsch „Achtel = 112“. Die Wiederholung fällt weg. Trotzdem trifft der Maestro den Charakter der Musik vielleicht noch eher als im Kopfsatz; jedenfalls prätendiert er nicht, dass ein echter langsamer Satz vorläge. Leichte und zeichnende Artikulation, wie sie in der Partitur notiert ist, erfreut das Ohr. Enden von Phrasierungsbögen werden beachtet. Das war seinerzeit beileibe nicht Standard (man höre bei Furtwängler).

    Gut gelungen ist das sogenannte „Menuetto“. Toscanini traut den Tempoangaben Beethovens. Wiederum gibt es keine Piani, erst recht keine Pianissimi, doch das ist hier vielleicht nicht das Wichtigste. Der Impetus dieses hochmodernen Satzes kommt prima rüber.

    Von viel Schwung wird auch das Finale getragen. Mit knapp unter 80 Halben pro Minute bleibt Toscanini zwar unter Beethovens Angabe (88), doch auch so teilt sich der Witz der Musik mit – man höre etwa das Wechselspiel der beiden Violinen nach dem ersten Tutti in der Durchführung. Auch hier wird die Wiederholung gespielt.

    Es wäre ungerecht, Toscanini einseitig auf einen durchpeitschenden Rhythmiker festzulegen. Man kann durchaus ausschwingende Phrasenenden und leichte Tempomodifikationen hören, viele Abschnitte der Partitur sind geistreich umgesetzt und klingen keineswegs mechanisch. Leichte Artikulation lockert den spätromantischen Verschmelzungsklang auf. Die Einspielung belegt, dass es seinerzeit auch Einspielungen gab, die die Bewegungsenergien dieser Musik aufzeigten und Beethovens Tempovorgaben in vielem folgten – es gab nicht nur Furtwängler & Co.! – Später aber haben andere Interpreten mehr Reichtümer dieser Musik für den Hörer wahrnehmbar gemacht.

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Enden von Phrasierungsbögen werden beachtet. Das war seinerzeit beileibe nicht Standard (man höre bei Furtwängler) (...) Die Einspielung belegt, dass es seinerzeit auch Einspielungen gab, die die Bewegungsenergien dieser Musik aufzeigten und Beethovens Tempovorgaben in vielem folgten – es gab nicht nur Furtwängler & Co.!


    Wenn man diese beiden Einwände gegen Furtwängler liest (übrigens: wer ist "& Co."??), fragt man sich: welche Furtwängler-Einspielung der Ersten meinst Du überhaupt? Ich habe drei in meiner Sammlung (mit drei verschiedenen Orchestern):
    - Wilhelm Furtwängler/Wiener Philh. (rec. Wien 24.+26.-28.11.1952)
    - Wilhelm Furtwängler/RSO Stuttgart (rec. live Stuttgart 30.3.1954)
    - Wilhelm Furtwängler/Berliner Philh. (rec. live Berlin 19.9.1954)
    Es gibt auch noch zwei weitere Furtwängler-Aufnahme der Ersten mit dem Concertgebouworkest Amsterdam vom 13.7.1950 sowie mit den Wiener Philharmonikern vom 30.11.1952. Insgesamt sind es also fünf Aufnahmen, allesamt aus den letzten Lebensjahren (die Aufnahme vom 19.9.1954 stammt sogar vom letzten öffentlichen Auftritt Furtwänglers überhaupt).

    Also: welche dieser fünf Aufnahmen meinst Du? Nur damit ich wie auch andere Musikinteressierte vielleicht mal nachvollziehen können, wo angeblich "Bewegungsenergien dieser Musik" bei Furtwängler flöten gehen sollen und "Enden von Phrasierungsbögen" nicht beachtet werden ?(

    «Denn Du bist, was Du isst»
    (Rammstein)

  • Die Einspielung belegt, dass es seinerzeit auch Einspielungen gab, die die Bewegungsenergien dieser Musik aufzeigten und Beethovens Tempovorgaben in vielem folgten – es gab nicht nur Furtwängler & Co.!

    Wenn man diese beiden Einwände gegen Furtwängler liest (übrigens: wer ist "& Co."??), fragt man sich: welche Furtwängler-Einspielung der Ersten meinst Du überhaupt?


    Lieber Music Lover,

    danke für Deine Rückfragen! "& Co." wäre - wenn es auf das Tempo bezogen ist - beispielsweise Klemperer mit seiner Einspielung der ersten aus 1957. Pfitzner hat mit seiner Aufnahme der Pastorale ähnlich sedative Effekte erzeugt.

    Bei der ersten habe ich leider nur eine Aufnahme mit Furtwängler, und zwar diese:

    Wilhelm Furtwängler/Wiener Philh. (rec. Wien 24.+26.-28.11.1952)


    Bei mir sind als Aufnahmedaten genannt: 24., 27.-28. November 1952. Hast Du andere Infos zum 26. November?

    Mehr zu der Aufnahme im nächsten Beitrag!

    Gruß
    MB

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Wilhelm Furtwängler, Wiener Philharmoniker, November 1952
    Spielzeiten: 7:50/7:19/3:50/6:17 - 24:36
    Keine Wiederholungen.

    Furtwängler lädt den harmonisch irreführenden Beginn (Takte 1-4) ganz schön auf: die Fortepiani erreichen kein Piano, die G-Dur-Auflösung kommt erst spät. Danach wird es aber eher genüsslich-breit – Sostenuto wie bei Wagner. Das Holz darf das Piano in Takt 9 ignorieren und auch die Phrasenenden satt überspielen. Hm. – Start mit Halbe = 90 (Beethoven: 112) ins erste Thema, das hat durchaus Zug nach vorne, Furtwängler nutzt die repetierenden Thementeile zum Anschieben (vor allem auf der Dominante). Im Forte werden dann Halbe = 100 erreicht. Dort bleibt es nicht: Schon beim Forte-Schluss des zweiten Themas sind es ca. 90, bei der Eintrübung danach bremst er auf Halbe = 80 ab, der Impetus der Linie in den Celli und Bässen geht dabei völlig verloren. (Immerhin gibt es Schriften aus dem 18. Jhd., die bei Mollwendungen langsamen Tempi eine Lizenz erteilen. Fu, der wahre HIPler?) Keine Wiederholung. – Schöne Schattierungen gibt es nach dem Beginn der Durchführung (Tremolo-Stelle). - Viel Gewicht hat das erste Thema in der Reprise, doch im Gegenzug weniger Impetus als in der Exposition – trotz fast gleichen Tempos. Hier nimmt Fu das Tempo beim zweiten Thema etwas zurück, Halbe = 90. – Erstaunlich: Trotzdem klingt die Musik wie aus einem Guss (wir haben halt Wagner im Ohr).

    Zweiter Satz. Umdenken: Das Tempo Achtel = 80 (Beethoven: 120) macht daraus ein völlig anderes Stück. Der Esprit des imitatorischen Beginns geht verloren, es klingt gemütlich und entspannt. Man meint geradezu, so etwas Beiläufiges hätten wohl viele seinerzeit komponieren können. Akzeptiert man das Tempo und den völlig anderen Gestus der Musik, so ist es wunderbar gespielt. – Keine Wiederholung.

    Im Menuetto sind punktierte Halbe = 100 zu hören (Beethoven: 108). Ja! Das kommt der Sache doch schon näher. Trotz des großen Apparates kommt die Musik fast leichtfüßig daher. Klar: die kurzen Noten könnten noch kürzer sein (etwa so, wie sie in der Partitur stehen … ), natürlich wäre diese Musik mit etwas weniger gerundetem Klang noch konturenschärfer. Trotzdem gut!

    Auch das Finale bekommt bei Fu einen anderen Charakter: ca. 70 Halben pro Minute (Beethoven: 88). Jenseits aller Erbsenzählerei: Nimmt man das als gegeben hin, überzeugt es sehr wohl. Sehr stimmig.

    Das Orchester klingt rund und leuchtend (Holz!), Wagners Klangideen lassen grüßen. Knallende Pauken gibt es nicht mal im Forte, auch keine schmetternden Trompeten. Damit fallen die einkomponierten Signalwirkungen (Finale) unter den Tisch. Mit den halben Rohrlänge der Ventilinstrumente des 19. Jhds. muss man darauf verzichten. – Das Werk klingt gleichzeitig klassisch und romantisch: Klassisch wegen der künstlich hergestellten Ebenmäßigkeit und Gleichförmigkeit, romantisch wegen des Orchesterklangs, wegen der breiten Artikulation und wegen der unrhetorischen Phrasierung.

    Die Charakteränderungen im zweiten Satz und im Finale sind natürlich gravierend. Gelegentlich höre ich das mal gerne, ansonsten würde ich partiturnähere Aufnahmen vorziehen. – Dennoch: Es klingt schon verdammt gut …. Wenn ich mich schon belügen lassen will, dann muss es schon so gut sein wie bei Fu!

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Bei der ersten habe ich leider nur eine Aufnahme mit Furtwängler, und zwar diese:

    Bei mir sind als Aufnahmedaten genannt: 24., 27.-28. November 1952. Hast Du andere Infos zum 26. November?


    Das dachte ich mir, dass Du Dich auf die Studio-Einspielung der Ersten beziehst, die im November 1952 für die geplante (und dann durch Furtwänglers Tod ncht mehr zustandegekommene) EMI-Gesamtaufnahme aller 9 Beethoven-Sinfonien entstand (die Aufnahmedaten habe ich übrigens dem Booklet meiner CD-Ausgabe so entnommen, aber Du hast offenbar recht: in zwei Furtwängler-Diskografien werden als Aufnahmetage tatsächlich nur der 24., 27. und 28. November 1952 genannt). Furtwängler fühlte sich bekanntlich im Studio nie wohl, war live ungleich besser. Ich höre daher seine ohnehin recht wenigen Studioaufnahmen nur sehr selten, favorisiere auch und gerade bei Beethoven seine Live-Mitschnitte. Spannend wäre es, den Live-Mitschnitt mit den Wiener Philharmonikern vom 30. November 1952

    welcher unmittelbar im Anschluss an die Studioaufnahme entstand, mit dieser zu vergleichen. Mein Bestellfinger zuckte deshalb gerade eben (da ich in den USA ein halbwegs erschwingliches Exemplar aufgetrieben habe) :D

    «Denn Du bist, was Du isst»
    (Rammstein)

  • Furtwängler fühlte sich bekanntlich im Studio nie wohl, war live ungleich besser.


    Offtopic: Gerade die Studio-Aufnahmen der Eroica und der Pastorale mit den Wienern finde ich genial - die Pastorale deutlich besser als die Berliner Mitschnitte in der audite-Box (25. Mai 1947, sein Wiederantrittskonzert nach der Entnazifizierung, und 23. Mai 1954). Und der Studio-Tristan ist doch erste Sahne, gerade das Dirigat ...

    Gruß
    MB

    P. S.: Ich sehe gerade, dass es hier noch keinen Furtwängler-Thread gibt. Das geht natürlich gar nicht ... :hide: ... Du scheinst jede Menge Infos zu haben - willst Du?

    P. P. S.: Ich finde es allerdings schöner, wenn Aufnahmen in den Werk-Threads besprochen werden (wo aus Differenzierungsgründen zwangsläufig auf die Charakteristika des Interpreten eingegangen werden muss) und in den Interpreten-Threads dann darauf referenziert wird. Sonst gibt es schnell Cover-Wüsten in den Interpreten-Threads ...

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Super, Mauerblümchen, vielen Dank für den hochinteressanten Interpretationsvergleich! Ich liebe solche alten Aufnahmen, sind immer wieder für Überraschungen gut und keine wie die andere. Jetzt hab ich ein großes Bedürfnis, alle nachzuhören... ;)

    Interessant ist bei Weingartner, dass er die Sinfonien teilweise (allerdings nicht so krass wie Wagner) uminstrumentiert hat. Es sind meistens nur kleine Retuschen, aber es gibt immerhin ein Buch von ihm, wo er diese genau niedergeschrieben hat.

  • Ich sehe gerade, dass es hier noch keinen Furtwängler-Thread gibt. Das geht natürlich gar nicht ... :hide: ... Du scheinst jede Menge Infos zu haben - willst Du?

    Witzigerweise habe ich, als ich neu bei Capriccio war, mich ebenso wie Du hierüber sehr gewundert. In die Hufe gekommen, einen zu eröffnen, bin ich aber trotzdem nicht. Ich weiß auch nicht, ob es außer mir noch so viele andere Furtwängler-Sammler und -Bewunderer in diesem Forum gibt. Da Du ihn aber ebenfalls zu mögen scheinst, sollten wir das vielleicht wirklich mal gemeinsam in Angriff nehmen. :prost:

    «Denn Du bist, was Du isst»
    (Rammstein)

  • Interessant ist bei Weingartner, dass er die Sinfonien teilweise (allerdings nicht so krass wie Wagner) uminstrumentiert hat.


    Oh - da hatte ich wohl Tomaten auf den Ohren ... hab's nicht bemerkt ... :stern:

    Ich weiß auch nicht, ob es außer mir noch so viele andere Furtwängler-Sammler und -Bewunderer in diesem Forum gibt.


    Wie? Gibt's denn noch andere Menschen?? :mlol:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Herbert von Karajan, Philharmonia Orchestra, November 1953
    Spielzeiten: 7:32/6:15/3:45/5:39 - 23:11
    Keine Wiederholungen.

    Fortepiano im Holz am Anfang? Fehlanzeige. Dichtes Legato in der langsamen Einleitung, doch der Klang ist weniger schwer als bei Furtwängler. – Das erste Thema wird tatsächlich mal piano gespielt, das Crescendo zum Forte-Einsatz macht umso mehr Effekt. Halbe = 100 sind etwas langsamer als Beethovens wünschte. Zu Phrasenhöhepunkten zieht HvK ganz leicht das Tempo an, dadurch wirkt es schneller, als es tatsächlich ist und bekommt Pfiff – nichts zum Dösen. Tolles Orchesterspiel bei den Akkorden vor dem zweiten Thema – genau auf den Punkt und doch füllig. Karajan nimmt den Auftakt zum zweiten Thema legato – muss das sein … ? Aber das Tempo reduziert er nur minimal, da hört man, was die junge Generation anders macht. Bei der Mollwendung wird er dann doch ein paar Grade langsamer (etwas oberhalb von 90). Da Karajan in der vorausgegangenen Kadenz ein minimales Ritardando spielen lässt, wirkt auch dies völlig organisch. Keine Wiederholung der Exposition. Spannend ist die Durchführung vor allem wegen der Lautstärkedramaturgie. - Insgesamt klingt die Musik klar strukturiert, immer spannend. Chapeau! Die junge Nachkriegsgeneration spielt auf - präzise, detailliert, spritzig.

    Schlanker Klang erfreut auch im zweiten Satz das Ohr. Das Grundtempo liegt so bei Achtel = 100 (Beethoven: 112), doch Karajan zieht wiederum an Höhepunkten das Tempo leicht an, so dass die Musik (wie im ersten Satz) bewegter wirkt. Der scherzando-Charakter bleibt erhalten, die Musik klingt leicht und unangestrengt. Keine Wiederholung.

    In Übereinstimmung mit der Partitur lässt HvK die ersten drei Sätze quasi im selben Tempo spielen; in dritten Satz sind es ca. 100 Achtel pro Minute (statt 108). Furtwängler und Toscanini hatten hingegen in die Relationen der Tempi der einzelnen Sätze eingegriffen. Wie gehabt: Entfetteter Klang, lockere Artikulation, gut ausgespielte Dynamik.

    Auch im Finale bleiben die Temporelationen gewahrt: Halbe = 80 (Beethoven: 88). Ich bewundere Karajans Kunst, das Orchester auf Phrasenhöhepunkte hin spielen zu lassen, was der Musik einfach mehr Drive verleiht. Sehr lebendig, spritzig. Wunderbar die ersten Violinen mit federleichtem und elastischem Spiel im ersten Thema. Ich finde diese Interpretation sehr modern, die Musik klingt leicht und beschwingt, ohne beliebig zu wirken. Wie die Pauken bei der letzten Fermate vor Schluss knallen, das ist Proto-HIP.

    Man kann verstehen, warum Karajan als Synthese zwischen Furtwängler und Toscanini angesehen wurde. Die Tempi wirken flott, ohne vordergründig aufgedreht zu wirken wie bei Toscanini. Karajan lässt sein Orchester präzise auf die Höhepunkte von Phrasen hinspielen, zieht also im genau richtigen Moment das Tempo minimal an, wodurch sich sein Spielen einfach schwungvoller, energiegeladener anhört, ohne überdreht zu sein. Am Phrasenende entspannt er dann wieder. Synkopen werden deutlich hervorgehoben. Die Balance zwischen Bläsern und Streichern ist ausgezeichnet. – Eine tolle Aufnahme!

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Otto Klemperer, Philharmonia Orchestra, Oktober/Dezember 1957
    Spielzeiten: 9:55/8:53/4:04/6:20 - 29:12
    Wiederholungen im ersten und im zweiten Satz.



    Vier Jahre danach, das gleiche Orchester, doch ein anderer Dirigent. - Nach den initialen Bläserakkorden und dem G-Dur-Tutti steht ein „Piano“ in der Partitur – hörbar wird es nicht - das ist schon ein stabiles Mezzoforte. Knapp über Halbe = 90 geht es mit dem ersten Thema los, beim zweiten wird es etwas langsamer (Beethoven: 112). Aber alles ist genau an seinem Platz. Es klingt wie in Marmor, ein wenig wie eingefroren. Betonungen klingen ziemlich eingeebnet, Klassizität ist Trumpf. Furtwänglers Einspielung lässt grüßen. Wiederholung der Exposition.

    Nach einem langsameren Beginn erreicht das „Andante cantabile con moto“ bald ca. 90 Achtel pro Minute, aber ist damit immer noch entscheidend zu langsam für den scherzando-Charakter. Wie bei Furtwängler: Akzeptiert man diese Veränderung des Charakters, so ist es herrlich. – Auch hier mit Wiederholung.

    92 punktierte Halbe pro Minute (Beethoven: 108) lassen das „Menuetto“ fast wirklich als ein solches klingen … der langsamste dritte Satz von Beethovens 1. Sinfonie der Schallplattengeschichte? Eine Hinrichtung der Partitur.

    Das Finale läuft dann irgendwo zwischen Halbe = 66 und 69 ab (Beethoven: 88). Wie leicht und locker klang das doch unter Karajan … „Allegro molto e vivace“ schrieb Beethoven, aber Klemperer lässt bestenfalls „heiter“ spielen (das ist eine Bedeutung von „allegro“).

    Beethoven ganz groß, wie in Marmor, eingespielt für die Ewigkeit. Immer wieder verführt die Einspielung dazu, dies zu glauben. Die Partitur aber sagt : Das ist ein Beethoven, der durch die Brille der Spätromantik gelesen wird. Alles, was um 1800 noch neu und erregend war, wird geglättet. Klemperer lässt dicht artikulieren und tendiert klar zur Legato-Seite. Klassisch ist alleine das Ebenmäßige – was aber durch Mäßigung (vor allem der Tempi) und Unterdrückung der Ecken und Kanten, sprich: durch Verfälschung erzielt wird. Wie bei Furtwängler: Das kann man mögen … das ist aber nicht Beethoven.

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Threadbeitrag Nummer 32

    Zitat

    Das Orchester klingt rund und leuchtend (Holz!)

    Was, liebes Mauerblümchen?? Das Wiener Holz klingt in dieser Aufnahme nicht anders als in anderen Aufnahmen aus den 40ern, 50ern und 60ern, nämlich extrem schräpig, flach und matt. Heutzutage klingt es besser, aber vergleichsweise immer noch alles andere als "rund und leuchtend"..... -

    Ansonsten aber grosses Lob für deine fundierten und von viel Liebe zur Sache sprechenden Beiträge in diesem Thread!

    Beste Grüß

    Bernd

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